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Staatliche Propaganda. Die Republik und ihre Gegner

Es ist ein Haupttrumpf der Rechtsparteien, zu behaupten, die Republik habe im Volke keine Wurzel gefaßt, und die deutsche Seele sei noch monarchistisch durch und durch. Jede Propaganda zur Festigung und Vertiefung des republikanischen Gedankens wird von den reaktionären Parteien zu der sarkastischen Feststellung benutzt, daß sich die Republikaner in dem von ihnen geschaffenen Staate scheinbar nicht so recht sicher fühlen, daß sie für kurz oder lang eine Ausmietung in wenig ansprechenden Formen befürchten.

Wir Republikaner verhehlen am allerwenigsten, daß den großen Massen der unbedingt zur neuen Staatsform haltenden Arbeiterschaft sehr viel stimmungsmäßige Opposition in bürgerlichen Kreisen entgegensteht und sehr viel bewußte Feindseligkeit in der höheren Beamtenschaft, die zwar dem neuen System ihre Dienste leiht, aber nichtsdestoweniger mit Vorliebe nach rückwärts die Blicke richtet. Die Frage drängt sich auf: fällt das stark genug ins Gewicht, um uns an der Zukunft der Republik verzweifeln zu lassen?

Es gibt in jedem Staat eine Opposition, deren Forderungen weit über die herrschende Konstitution hinausgehen. Nur eine von allen guten Geistern verlassene Regierung arbeitet deshalb mit dem Vorwurf der Vaterlandslosigkeit und Staatsfeindlichkeit. Ausschlaggebend für die Staatsgefährlichkeit einer Opposition darf niemals deren Prinzip, sondern nur deren Agitationsmethode sein. Wir werfen unseren Deutschnationalen nicht ihren Monarchismus vor, sondern die Skrupellosigkeit, mit der sie versuchen, aus der ungeheuerlich kritischen Situation des ganzen Volkes für ihre Parteigeschäfte Kapital zu schlagen. Die monarchistische Forderung ist eine Sache, über die sich durchaus anständig disputieren läßt; jene Politik aber, die die wirklichen und vermeintlichen Niederlagen unserer parlamentarischen Regierung der Entente gegenüber zum Anlaß unverhüllter Freudenorgien nimmt, schädigt des Volkes Gesamtinteresse, ist antinational schlechtweg.

Wir brauchen uns nicht zu schämen, offen zuzugeben, daß der Republikanismus in Deutschland vor dem Kriege ein schwaches Pflänzchen war. Hier und da im Bürgertum lebten nur Ideengänge von 1848; die bürgerliche Demokratie begnügte sich mit der Forderung des parlamentarischen Regimes. Die Sozialdemokratie hatte die Republik zwar zum Programmsatz erhoben; in der Praxis beschränkte sie sich aber auf die Kritik der Torheiten und Übergriffe des damaligen Inhabers der Krone. Anarchistisch-syndikalistische Tendenzen fielen politisch nicht ins Gewicht. Alles in allem: eine grundsätzliche und zielbewußte republikanische Bewegung gab es in den Tagen des Kaisertums nicht.

Dieser Umstand aber hinderte weder die »staatserhaltenden« Parteien, noch Regierung, noch Bureaukratie, an einer sehr lebhaften monarchistischen Agitation. Dem gar nicht vorhandenen Republikanismus stand eine unendlich eifrige und in den Formen oftmals bizarre Propaganda zur »Erhaltung« des Thrones entgegen. In der Schule wurde nicht ein Sterbenswörtchen von der Verfassung und von Bürgerrechten gesagt, desto mehr von der Unübertrefflichkeit des monarchistischen Systems und den Vorzügen des gegenwärtigen Kaisers und des Thronfolgers. Die Justiz, mit dem Donnerkeil des Majestätsbeleidigungsparagraphen ausgerüstet, ahndete jede kleine Entgleisung am Biertisch, als gehe es darum, der Schlange des Aufruhrs ein für allemal den Kopf zu zertreten. Justiz, Schule, Kirche, Militär –: es gab keine Institution, die es nicht von vornherein als ihre heiligste Pflicht erachtet hätte, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln den monarchischen Gedanken zu stärken. Und jeder kleine Krieger- und Schinkenverein bemühte sich, in dieselbe Kerbe zu hauen: der Ordenssegen blühte, und Gesinnungsschnüffelei und Denunziantentum nicht minder.

Das alles war unsagbar täppisch und läppisch, und ein menschenfeindlicher Timon hätte mit gutem Recht bittere Worte über die politische Intelligenz des deutschen Volkes gebrauchen können, daß einer so ausgefallenen Pädagogik und törichten Bevormundung gegenüber nicht offen die Forderung der Republik auf sein Banner schrieb. Das Volk war geduldig, freventlich geduldig, selbst der Parlamentarismus, in allen Ländern außer Rußland eine blanke Selbstverständlichkeit, galt als Stück eines durch gewissenlose Individuen nach Deutschland eingeschmuggelten Jakobinertums. Die ganze Staatsweisheit der wilhelminischen Ära erschöpfte sich in dem populären Spruch: »Gegen Demokraten helfen nur Soldaten!«

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die Linksparteien haben das Heft in der Hand; die anderen Parteien, die sich einst breit und aufdringlich um den Thron geschart hatten, sind Opposition; die Monarchie hat sich selbst ihr Grab geschaufelt. Und seltsam, was dem alten System als das natürlichste von der Welt galt, wird dem neuen System als Verbrechen angekreidet: – die Propaganda für die Staatsform! Die verhaßte »Ebert-Republik« aber beansprucht für sich nur das gleiche Recht wie die alten kaiserlichen Regierungen: sie will die Anschauungen im Volke verbreiten, daß die gegenwärtige Staatsform die einzig mögliche sei, daß jeder Versuch sie zu ändern, Unheil und Blutvergießen zur Folge haben müsse ..., sie steht ferner zu ihrem Recht, neben den praktisch-politischen Momenten das Geistige und Weltanschauungsmäßige der neuen Staatsform gebührend zu betonen, in der klaren Einsicht, daß der Staat kein reines Machtinstrument sein darf, sondern eine sittliche Instanz.

Ob das der deutschen Republik bisher durchweg gelungen ist, mag bezweifelt werden, soll hier auch nicht zur Erörterung stehen. Aber das eine sollte ihr jedenfalls konzediert werden: daß sie in ihrem Werben um Herz und Seele der deutschen Staatsbürger sich niemals zu jener Nervosität und jener Kleinlichkeit verirrt hat, die nicht wegzudenkende Eigenschaften des alten Regimes waren. Nochmals: niemand tastete ernsthaft das deutsche Kaisertum an, aber die Republik steht einer Kohorte von Gegnern gegenüber, die kopflos und herzlos gegen die republikanische Idee und ihre Träger wüten.

Die Republik führt einen Abwehrkampf. Daß sie es tut und weiterhin tun muß, soll uns nicht zu trüben Diagnosen verleiten. Wir Republikaner aber haben die Pflicht, ihren ideellen Gehalt klar und deutlich herauszuarbeiten und dafür zu sorgen, daß niemals wieder jene Methoden von »Staatserhaltung« Fuß fassen, wie sie von Bismarck bis Wilhelm dem Letzten vorherrschend waren. Es geht um eine neue Ordnung aus dem Geiste der Brüderlichkeit, es geht um den Staat aus dem Geiste des Gemeinschaftsgefühls: – es geht nicht um die Konservierung des Staates als Zuchtanstalt. Der Geist der Puttkamer, Kröcher, Michaelis und Jagow war der Geist von Krähwinkel. Wir haben ihn erkannt und wollen ihn bekämpfen, auch wenn er einmal in eigene Reihen sich einschleichen sollte. Wir selber wollen für Deutlichkeit und Sauberkeit sorgen und verbitten uns die vorlaute Kritik derjenigen, die, keine Warnung achtend, in blindem Hochmut über den Halys gezogen sind, um ein großes Reich zu zerstören.

Berliner Volks-Zeitung, 22. Januar 1922


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