Edward Phillips Oppenheim
Spekulanten
Edward Phillips Oppenheim

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17

Als Mark das Empfangszimmer im Claridge betrat, wurde er von Estelle persönlich empfangen und einer getreuen älteren Ausgabe des Prinzen vorgestellt:

»Mr. Mark van Stratton – Ihre Majestät, die Königin-Witwe von Drome! Ich weiß, Sie trinken nur ungern Tee, Mr. van Stratton. Möchten Sie gern tanzen?«

»Ich wüßte nichts, was mir mehr Vergnügen bereiten würde«, erwiderte Mark mit sichtbarer Begeisterung.

»Gut, gehen wir also nach unten«, entschied Estelle.

»Ich habe Sie und mich bereits bei Ihrer Majestät entschuldigt.«

Untergefaßt fuhren die beiden im Aufzug nach unten. Mark war von der kleinen, freiwillig von Estelle gewährten Intimität entzückt.

»Madame wundert sich, daß Vater und ich an diesem Zigeunerleben Gefallen finden können«, berichtete Estelle. »Die alte Dame ist fest überzeugt davon, daß ich eines Tages ihren Sohn nehmen würde. Habe ich nicht ein Lob verdient, daß ich Sie so schnell aus einer heiklen Situation entführte?«

»Sie haben meine volle Bewunderung!« erklärte Mark. »Kommen Sie, wir wollen uns einen stillen Winkel aussuchen, wo wir uns ungestört unterhalten können.«

»Was haben Sie mir denn so Wichtiges mitzuteilen?«

»Das, was Sie schon ahnen werden: Den Ausdruck meiner Gefühle für Sie zu wiederholen.«

»Weiter nichts?«

»Sie sollen mir eine Antwort geben, damit ich weiß, woran ich bin.«

»Sie sind wenigstens offen«, lachte sie.

»Eine lobenswerte Eigenschaft meines Volkes«, erklärte er. »Sie sind sich doch klar darüber, daß Sie meine Frau werden müssen, nicht wahr?«

»Vorläufig denke ich überhaupt nicht ans Heiraten.«

»Und doch wird auch der Tag kommen.«

»Möglich«, seufzte sie. »Nun sagen Sie mir, was hat Ihnen diese Heiratsidee in den Kopf gesetzt, Mr. van Stratton? Gefalle ich Ihnen so gut? Bin ich wirklich so hübsch? Da gehört doch wirklich nicht viel dazu. Es wird in London unendlich viele Mädchen geben, die viel hübscher sind als ich. So etwas Außergewöhnliches bin ich doch nicht?«

»Mit Ihrer Schönheit hat mein Wunsch nur wenig zu tun«, erwiderte er. »Ich will ›Sie‹ haben; für mich sind Sie die hübscheste Frau. Ihre Augen können den Ruhigsten aus der Fassung bringen. Manchmal wünsche ich mir im stillen, es wäre nicht so.«

»Vergessen Sie nicht, daß ich als Französin von Natur aus kokett bin. Sie würden vor Eifersucht platzen, wenn ich wirklich Ihre Frau würde.«

»Das bezweifle ich. Wenn Sie mich erst einmal näher kennen, wird ein anderer Mann für Sie gar nicht mehr in Frage kommen.«

»Das Leben würde mich dann langweilen«, entgegnete sie. »Wir Französinnen brauchen ständige Abwechslung. Auch nach der Hochzeit müssen wir kokettieren, vielleicht noch mehr als vorher. Es ist die einzige Möglichkeit, uns jung zu erhalten.«

»Ich werde schon für Abwechslung sorgen, so daß Sie andere Männer gar nicht nötig haben werden«, versprach er.

Sie zog eine Grimasse, für die er sie hätte küssen mögen:

»Kommen Sie, wir wollen tanzen.«

Nach einer halben Stunde erst setzten sie sich wieder.

»Es wäre natürlich ein großer Vorteil für mich, wenn ich einen Mann heiraten könnte, der so gut tanzt wie Sie«, meinte Estelle.

»– Und für mich gäbe es nichts Schöneres, als Sie immer so im Arm zu halten wie jetzt«, sagte Mark.

»Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben«, seufzte sie, »als Ihren Antrag in Erwägung zu ziehen. Aber was wird aus Lord Henry? Warum soll ich so grausam sein und ihn an gebrochenem Herzen sterben lassen?«

»Ich würde nichts dagegen einzuwenden haben, wenn Sie mit ihm nach unserer Hochzeit ein wenig flirten würden«, gestattete er großmütig.

»Sind Sie wirklich der Meinung, ein Mann wäre zufrieden, mit mir nur ›ein wenig‹ zu flirten?« fragte sie empört.

»Vielleicht nicht«, gab er zu, »aber ein weitergehendes Kokettieren würde ich nicht erlauben.«

Nach kurzem Schweigen fuhr er fort:

»Diese Ecke hier ist wirklich sehr nett. Hier können wir uns ein wenig aussprechen, ohne befürchten zu müssen, belauscht zu werden.«

»Sie könnten mir durch einige Worte eine große Freude bereiten«, erklärte sie.

»Alles, was Sie verlangen, eile ich, zu erfüllen«, versicherte er mit dramatischer Stimme.

»Seien Sie mit Ihren Versprechungen nicht so voreilig«, warnte sie. »Sie wissen ja noch gar nicht, was ich von Ihnen verlangen will. Hören Sie: Sie könnten Vater und mir einen großen Dienst erweisen.«

Er blickte sie erwartungsvoll an:

»Haben Sie meinen Patienten im Auge? Nun, da kann ich Sie beruhigen: Er ist zwar immer noch nicht in der Lage, Fremde zu empfangen, fühlt sich jedoch schon bedeutend wohler. Gegenwärtig hat er eine ganz neue Laune: Er hält seine Tür sogar vor mir verschlossen.«

»Nein, an ihn hatte ich im Augenblick gar nicht gedacht. Ich bezog mich auf Ihre neue Stellung, auf Ihren Posten bei Mr. Hugerson.«

»Eine Sinekure«, erwiderte er. »Mr. Hugerson hat mich wohl nur deshalb ausgewählt, weil er ein alter Freund meines verstorbenen Vaters war. Er verwendet mich als seinen Botengänger. Ich erledige seine Besorgungen. Miß Moreland ist seine Sekretärin. Sie leistet alle Arbeiten.«

»So?« fragte sie kühl.

»Sie zweifeln? Ich kann ja gar nicht Maschine schreiben.«

»Sind Sie denn nicht im Zimmer anwesend, wenn Mr. Hugerson diktiert? Nun, also! Sie hören alles, was gesprochen wird und haben deshalb auch einen Überblick über die Berichte Hugersons selbst. Welche Eindrücke hat er denn von Drome mitgebracht?«

»Ich vergesse alles sofort, wenn ich es gehört habe. Dies soll, wie man mich schon frühzeitig aufmerksam gemacht hat, die wichtigste Fähigkeit eines Diplomaten sein.«

»Es nützt Ihnen nichts: Eine Frage werden Sie mir doch beantworten müssen. Ist Mr. Hugerson über die Höhe der Dromer Kapitalsanlagen meines Vaters unterrichtet? Weiß er, welche Konzessionen ihm dafür gegeben worden sind? Hat er eine Ahnung von einem angeblich zwischen Italien und Drome bestehenden Geheimvertrag? Wir alle wissen, daß Mr. Hugerson nur deshalb hier ist, um diese Dinge festzustellen. Hat er etwas erfahren? Und was schlägt er seiner Regierung vor?«

Mark sank in sich zusammen, als wäre er plötzlich um zwanzig Jahre älter geworden. Er starrte schweigend in das Getriebe auf der Tanzfläche. Dem Mädchen schien die Antwort zu lange auszubleiben:

»Warum schweigen Sie? Sie sitzen hier und starren stumm wie eine Auster vor sich hin?«

»Ich überlegte mir eben, ob Sie Ihre Frage nicht aus Scherz gestellt haben?«

»Unsinn. Über diese Dinge scherze ich niemals. Sie wundern sich über meine Fragen? Stellen Sie nicht auch welche an mich, die ebenso indiskret sind? Immer und immer behaupten Sie, Sie liebten mich. Nun, wenn Ihnen diese Erklärung aufrichtig ist, dann dürfte es für Sie auch nichts geben, was Sie mir abschlagen würden.«

Er warf ihr einen prüfenden Blick zu und staunte über die Veränderung, die in diesen kurzen Minuten mit ihr vorgegangen war.

»Es wird Ihnen klar sein, Miß Dukane«, erwiderte er, »daß ich Ihnen auf Ihre Fragen keine Antwort geben kann; auch wenn ich, was nicht der Fall ist, etwas darüber zu sagen wüßte.«

»Warum sollen Sie diese harmlosen Fragen nicht beantworten dürfen? Für Verliebte darf es keine Hindernisse und Bedenken geben. Verlange ich denn wirklich zu viel? Wem würde Ihre Antwort schaden? Niemand! Im Gegenteil, sie würde vielen Leuten Nutzen bringen.«

»Das Wenige, was mir von Mr. Hugersons Eindrücken bekannt geworden ist, muß ich dennoch für mich behalten.«

Nach kurzem Schweigen erhob sich Estelle.

»Kommen Sie. Wir wollen tanzen.«

Die nun folgenden Tänze hatten etwas Gezwungenes an sich; Estelle war scheinbar in Gedanken mit etwas anderem beschäftigt.

»Sie werden müde sein, Miß Dukane«, sagte endlich Mark, dem die Zerstreutheit seiner Tänzerin nicht entgangen war. »Sie werden wahrscheinlich mit dem Prinzen speisen, nicht wahr?«

»Soll ich das nicht? Er verdient es jedenfalls eher als Sie, daß ich mich ihm widme. Für ihn gibt es keine lachhaften Bedenken, wenn es sich darum handelt, mir zu dienen. Außerdem verbindet mich mit ihm eine rein persönliche Freundschaft.«

»Das zu hören tut mir aufrichtig leid!«

»Warum auf einmal so schlechte Laune? Ich hätte doch eher Ursache dazu.«

»Ja, das fehlte noch«, entgegnete er zornig. »Wohl, weil ich mich weigerte, Ihnen zuliebe eine unehrenhafte Handlung zu begehen, wie?«

»Das ist doch lächerlich!« spottete sie. »Sie sind der reine hölzerne Buddha, steif und formell. Es gibt nichts in der Welt, was nicht zu entschuldigen wäre. Dazu gehört natürlich, daß man es vom richtigen Standpunkt aus betrachtet. Mit kleinlichen Bedenken erobert man sich die Frau seines Herzens nicht. Sie lieben mich gar nicht, sondern bilden sich das nur ein. Sonst würden Sie mir jedes Opfer bringen. Doch glauben Sie nicht, daß ich es Ihnen übelnehme, weil Sie sich weigerten, meine Fragen zu beantworten. Aber, Sie dürfen sich auch nicht wundern, wenn ich mich an diese Tatsache halte.«

»Vielleicht haben Sie recht«, gab er zu. »Trotzdem kann ich nicht vergessen, daß Sie etwas von mir verlangten, was zu erfüllen mich Ihrer Liebe unwert gemacht hätte. Ich kann mich von Ihnen nicht losreißen und weiß ebenso bestimmt, daß ich vielleicht Ihre Zuneigung, nicht aber Ihre Achtung erringen würde, wenn ich an meinem Vaterland verräterisch handelte.«

»Hu, hu«, spottete sie. »Sie schreiben mir Regungen zu, die nicht zu meinen Charaktereigenschaften gehören. Das versichere ich Ihnen. Ich sagte Ihnen ja schon, Mr. van Stratton, daß ich Ihnen nicht zürne. Eher bedaure ich Sie wegen Ihrer beschränkten Auffassungen. Für mich waren Sie bisher der Mann, der alles in der Welt hinter sich verbrennen würde, nur um meine Liebe zu erringen. Dieses Idol haben Sie zerstört; Sie müssen sich schon mit dieser Auffassung abfinden.«

Dorchester trat, noch atemlos von der Eile, mit der er sich von einer wichtigen Parlamentssitzung losgerissen hatte, an das Paar heran:

»Mark, du hast Miß Dukane lange genug monopolisiert. Nun möchte ich auch einmal mit ihr tanzen. Darf ich, Miß Dukane?«

Mark erhob sich und verabschiedete sich mit einer stummen Verbeugung.

»Gute Nacht, Mr. van Stratton,« sagte Estelle Dukane.

 


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