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Zweiter Anblick.
Die sechs großmächtigen Wohlthaten Gottes, damit Er das ewige Leben befördert.

Solches ist Alles bald gesagt, aber nicht alsbald verstanden, noch zu Herzen gefasset. Denn wir sind von Natur träge und kalt zu glauben, und langsam das einzunehmen und zu verstehen, was von diesem hohen Geheimniß aus heiliger göttlicher Schrift kürzlich angezogen und vorgetragen wird. Darum so wirs nicht eilend wollen überhüpfen oder leicht überlaufen, sondern mit Lust und Liebe fleißig bedenken: so müssen wir sechs Wohlthaten Gottes ordentlich betrachten, die hieher gehören, und sie nach einander wohl erwägen. Die erste Wohlthat ist unsere Schöpfung zum ewigen Leben. Die andere: unsere Erlösung zum ewigen Leben. Die dritte: unsere Wiedergeburt zum ewigen Leben. Die vierte zeigt sich in der gottseligen Christen Heimfahrt aus diesem Jammerthal in das himmlische Vaterland. Die fünfte leuchtet uns entgegen in dem seligen Zustande der auserwählten Seelen bei Gott in seinem Paradies. Die sechste offenbaret sich in der Auferstehung unserer Leiber am jüngsten Tage zum ewigen Leben.

I.
Die Erschaffung der Menschen zum ewigen Leben.

Was die erste Wohlthat anlangt, so sollte uns billig das Herz im Leibe vor großer Freude lachen, wenn wir die Ursach und das Ende unseres seligen Ursprungs und Herkommens von dem ewigen allmächtigen Gott nur ein klein wenig bedenken.

»Erkennet, sagt David, daß der HErr Gott ist. Er hat uns gemacht, und nicht wir selbst, zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide« (Ps. 100, 3). Was hat aber Gott bewogen und dahin gebracht, die Menschen nach seinem Bilde zu schaffen, wenn nicht seine unaussprechliche Liebe? Wozu hat er uns auch anders erschaffen, denn zur Liebe, daß wir ihn lieben sollten von ganzem Herzen, von ganzer Seele und allen Kräften, und unseren Nächsten als uns selbst? Und warum sonst sollen wir in solcher Liebe wandeln, als um des ewigen Lebens willen, welches ist und sein wird ein Leben der ewigen Liebe? »Du liebest, Herr Gott, sagt die Schrift, alles das da ist, und hassest nichts, das Du gemacht hast. Denn Du hast freilich nichts bereitet, da Du Haß zu hättest« (Weish. 11, 25). Und abermal: » Gott hat den Menschen geschaffen zum ewigen Leben, und hat ihn gemacht zum Bilde, daß er gleich sein soll, wie er ist« (Weish. 2, 23).

Das lasse mir nun eine Liebe über alle Liebe sein, daß der große König Himmels und der Erde uns Menschen aus großer Liebe zu eitel inbrünstiger Gegenliebe und zum ewigen Leben der ewigen Liebe geschaffen hat. O der überschwänglichen Liebe und der tiefen Leutseligkeit unseres Gottes! wie hat er die Menschen so herzlich lieb! Was mag das für eine Kraft, für ein Feuer, für ein Wunder und für eine Süßigkeit der Liebe sein, daß das ganze Werk unserer Erschaffung seinen Ursprung hat aus Liebe, wird auch vollbracht in Liebe, siehet sich um nach Liebe, und fordert nichts Anderes von uns, denn eitel Gegenliebe! Wie muß doch Gott der Vater ein wunderliebreicher Vater und ein wundersüßer Liebhaber der Menschen sein! Was muß auch das ewige Leben für ein mächtig und prächtig Leben der allersüßesten Liebe sein, da zu solchem Leben Alles von Gott dem Vater, durch seinen eingebornen Sohn, in allmächtiger Kraft des heiligen Geistes, als von Liebe, durch Liebe und in Liebe hingemeinet und hingerichtet ist?

Es mahnet mich dies Werk Gottes an einen großmächtigen König, welcher sich vermählen will. Bauet einen überaus stattlichen Palast, mit Flügeln und schönen Nebengebäuden, Hof und Garten mit güldenen Stacketen; nimmt viele Diener an, hält ein groß Gesinde von Grafen, Freiherrn, Edelleuten, Rittern, Trabanten und allerlei Knechten am Hofe; zeugt danach Kinder nach seinem Bilde, welche ihm ähnlich sind, liebet sie herzlich, läßt sie bei sich wohnen, auch seine Fürsten, Grafen, Freiherrn und alle Diener hohen und niedrigen Standes fleißig ihnen aufwarten. An den Kindern aber suchet er nichts denn kindliche Liebe, daß sie ihn als ihren lieben Vater kindlich ehren und kindlich fürchten. Hier muß Jedermann sagen: der König hat seine Kinder herzlich lieb; er hat sie in Liebe gezeuget und aus Liebe räumt er ihnen den königlichen Palast ein, daß sie ihn mit besitzen; gebeut auch aus großer Liebe gegen sie, daß die stattlichen Hofleute sammt allen Dienern um die königlichen Kinder sein müssen. Und ist also das Leben des Königs mit seinen Kindern und der Kinder mit ihrem königlichen Vater gewiß ein Leben der wahren Liebe.

Eben eine solche Gelegenheit hat es auch mit der Schöpfung. Unser lieber Gott und himmlischer Vater hat das schöne Gebäude Himmels und der Erde wie einen königlichen Palast innerhalb fünf Tagen bereitet, auch Engel geschaffen als himmlische Fürsten, Grafen, Edelleute und Trabanten, Ihm zu Dienst und zu ewiger Herrlichkeit. Danach schuf er den Menschen als ein Kind nach seinem Bilde, und setzte ihn zum Herrn über den Erdboden und alles was darauf ist. Verordnete auch seine heiligen Engel dem Menschen zum Dienst, daß sie sein warteten; desgleichen die Sonne, den Mond, die Sterne und das ganze Heer des Himmels, daß sie uns alle mit ihrem Scheine, Kraft und Wirkung dieneten. Von dem Menschen aber forderte er für solche unermeßlichen Wohlthaten nichts, denn nur die Liebe, und machte die Liebe zum Haupt-Gebot, daß wir mit ihm sollen in ewiger Liebe ein ewiges Leben führen und unser ewiges Leben eine ewige Liebe sein lassen.

1.
Gott schuf die Menschen aus Liebe nach Seinem Bilde.

So ist nun nichts, das Gott zur Schöpfung des Menschen anfänglich bewogen hat, als seine unaussprechliche Liebe. Aus väterlicher Liebe hat er dem Menschen das große Gebäude Himmels und der Erde wie zu einem Palast und königlicher Wohnung bereitet. Aus großer Liebe macht er seine himmlischen Frohngeister und englischen Heerschaaren zu Dienern, daß sie unserer warten. Aus großer Liebe hat er uns geschaffen, zu keinem anderen Ende denn daß wir ihn lieben sollen, und zu keinem anderen Leben denn zu einem ewigen Leben der ewigen Liebe. Diesen Endzweck der allerseligsten Schöpfung giebt Moses deutlich zu verstehen, da er schreibt, daß Gott den Menschen » nach seinem Bilde« formirt und geschaffen habe.

Denn, Lieber, was ist Gottes Bild, Gottes Gestalt und Wesen? Hier antwortet St. Johannes überaus tröstlich und malet Gott eigentlich ab mit lebendiger Farbe, da er spricht: Gott ist die Liebe. Welche eigentliche Art zu reden wir ihm um so mehr ablernen und fleißig-behalten sollen, als sie so wunderfreundlich lautet und so großen Trost gebieret, wie wir hernach hören werden.

Auch sollen wir unter allen Eigenschaften Gottes die Liebe für die allervornehmste halten, also daß die anderen alle unter der Liebe begriffen find. Denn es werden Gott neben dem, daß er die Liebe selbst ist, noch mancherlei Eigenschaften zugeschrieben, als: ewige Gerechtigkeit, ewige unendliche Weisheit, Heiligkeit, Allmacht, Barmherzigkeit, Wahrheit und dergleichen. Und wird recht gesagt: Gott ist die Allmacht selbst, die Wahrheit, die Barmherzigkeit selbst, die Gerechtigkeit selbst, die Weisheit selbst, und so fort. Denn es ist keine Eigenschaft des göttlichen Wesens, die nicht das Wesen selbst wäre. Aber doch hat die Liebe unter allen Eigenschaften den Vorzug und ist wie ein Zirkel, der alle anderen Eigenschaften umschreibt und in sich faßt, dieweil alles aus der Liebe herfließt, was Gott thut und wirket, auch wenn er nach seiner Gerechtigkeit zürnet, blitzet und donnert, wir Doctor Martin Luther fein deutlich in seinem Sermon von der Liebe erkläret.

Ist nun Gott die Liebe selbst und nichts denn eitel Liebe, wie die Schrift zeuget, so kann man bald hieraus abnehmen, was das Ebenbild Gottes in dem Menschen vor dem Fall muß gewesen sein. Es war eine edle hohe Gabe, eine solche Beschaffenheit und Tugend, welche mit einem Wörtlein heißt: die Liebe. Das merke wohl. Gott ist die wesentliche Liebe. Also war das Ebenbild Gottes in Adam vor dem Fall nichts Anderes als eine anerschaffene Gegenliebe, daß der Mensch brannte von feuriger reiner Liebe, erstlich gegen Gott und danach gegen seinen Nächsten. Und gleichwie Gott in seinem geoffenbarten Wort mit einem Namen genannt wird: die Liebe, unter welchem Namen alle seine anderen Eigenschaften mit begriffen werden: – so heißet auch das Ebenbild Gottes, wie es im Gesetz geoffenbaret ist, mit einem Wörtlein: die Liebe; und diese Liebe ist das Prinzipal-Mandat oder Hauptgebot, welches alle anderen Tugenden, als: Gott recht erkennen, Gott loben, vollkommen gerecht und heilig sein, ohne Sünde leben, und dergleichen, mit fasset und gleich als umzirkelt, daß sie alle in die Liebe oder unter die Liebe gehören.

Zudem schaffte Gott, daß auch das menschliche Wesen an ihm selbst dem göttlichen Wesen nicht unähnlich war, wie solches unter den Altvätern Hilarius, Augustinus, sammt anderen Scribenten, und zu unseren Zeiten Melanchthon auf mancherlei Weise erklärt haben. Sie führen etliche Gleichnisse an, der eine so, der andere auf anderen Wegen und mit anderen Meinungen. Ich halte aber dafür: wenn wir nur das Gesetz als einen Spiegel der göttlichen Weisheit recht ansehen, so werden wir darin dies Geheimniß so hell und klar entdeckt finden, daß gottselige Christen solche Erklärung ihnen gefallen lassen und keiner weitläuftigeren bedürfen.

Denn wie in der Gottheit drei Personen sind, welche alle drei den Menschen mit unaussprechlicher Liebe umfangen: also gebeut das Gesetz, daß der Mensch soll Gott, seinen Liebhaber, wieder lieben erstlich von ganzem Herzen, fürs Andere von ganzer Seele, und zum Dritten von ganzer Kraft. Deswegen ist in Beiden, in Gott sowohl als in dem Menschen eine Dreifaltigkeit. In Gott sind: der Vater, der Sohn, und der heilige Geist. In dem Menschen sind: das Herz, die Seele, und die Kraft. Und beide Geheimnisse: die Dreifaltigkeit Gottes und die Dreifaltigkeit des Menschen – haben in Gottes Wort ihren Grund. Gott liebt die Menschen und will von den Menschen wieder geliebt sein, als die er nach seinem Bilde geschaffen hat. Es liebet uns Gott Vater, Gott Sohn, und Gott heiliger Geist. Also sind wir schuldig Gott wieder zu lieben: von ganzem Herzen, von ganzer Seele, und von ganzer Kraft.

Gott der Vater ist wie des Menschen Herz. Gott der Sohn, aus dem Herzen des Vaters geboren, wie die Seele oder wie das Leben im Herzen. Und Gott der heilige Geist wie die Kraft des Herzens und der Seele. Wenn ich nun das Herz, die Seele, und die Kraft des Menschen auch einzeln nenne, so verstehe ich doch nicht drei Menschen, sondern einen, zu dem alle drei: Herz, Seele und Kraft gehören. Also sind auch Gott Vater, Gott Sohn, und Gott heiliger Geist nicht drei Götter, sondern drei Personen, und nur ein einiger Gott.

Da siehest du, wie der Mensch vor dem Fall nach seiner Beschaffenheit und ganzem Wesen unseres lieben Gottes Spiegel und Ebenbild gewesen ist. Nun merke ferner, daß zu diesem edlen Spiegel und Ebenbilde zwei große Güter gehört haben. Das erste Gut hieß der Bund Gottes mit dem Menschen. Das andere war das himmlische Leben oder die Einwohnung des heiligen Geistes, daß Gott in dem Menschen als in einem Tempel und Lusthause seine Residenz und Wohnung hatte.

Was erstlich den Bund anlangt, so sollen wir wissen, daß es gewesen ist ein Contrakt und Verknüpfung der Liebe. Gott erzeigte sich dem Menschen als ein Vater, Freund und großer Liebhaber. Daher der Mensch mit heiliger vollkommener Gegenliebe ihm verknüpft und verbunden war, daß er wirklich seinen Gott wieder liebte von ganzem Herzen, von ganzer Seele, und von allen Kräften. Und dieser Bund ist der erste und allerälteste, welcher dem Menschen durch die Schöpfung mit eingebildet und eingepflanzt war, daß er ihn recht halten könnte, auch aus anerschaffener Weisheit recht verstände und keines irdischen Lehrmeisters bedürfte. Denn wie eine natürliche Zuneigung in der Gluckhenne zu ihren Küchlein und in den Küchlein zu ihrer Mutter ist; und wie zwischen Eltern und Kindern, Brüdern und Schwestern ein angeborener und angeerbter Bund der natürlichen Liebe sich findet, so daß einer den Anderen, wo es anders recht zugehet, herzlich liebet, und dürfen dazu keiner Lehre noch eines geschriebenen Gesetzes, weil sie's ja aus der Natur fassen und behalten: – eben so bedurften auch Adam und Eva vor dem Fall keiner Mosaischen Tafeln noch eines weitläuftigen Rechtsbuches, um zu wissen, wie sie Gott und ihren Nächsten lieben sollten; sintemal ihnen dieser Bund anerschaffen war, daß sie aus eingepflanzter und eingegossener Heiligkeit ihm nachkommen und bei sich selbst denken konnten: weil Gott sie liebte, so müßten sie ihn freilich wieder lieben.

Auf diese Weise kamen nun die zwei Lieben zusammen: die göttliche und die menschliche; die ewige wesentliche Liebe, welche alles geschaffen hatte, und die Gegenliebe in dem Menschen, welche nach dem Bilde Gottes in der Zeit erschaffen worden. Da liebte Gott den Menschen, und der engelreine Mensch liebte seinen Gott. Gott ist das Wesen, und der Mensch war wie ein reiner krystallener Spiegel dieses Wesens. Und wo Gott als die wesentliche Liebe in seinen Spiegel sah, da gab der erschaffene Spiegel seinen Gegenschein und liebte seinen Liebhaber, daß also auf beiden Seiten eitel reine Liebe sich anblickte und nichts als Liebe und Gegenliebe zu finden war.

Deswegen haben diese zwei Lieben vor dem Fall sich geherzet und geküsset, und sehr freundlich umfangen, die göttliche und die menschliche, oder Gott und Adam. Gott liebte sein Ebenbild, den Adam, wie ein Vater sein Kind, und sah ihn an, als hätte er im Spiegel sein Bild angesehn. Denn Adam war Gottes Spiegel, und wenn Gott mit Liebesstrahlen zu diesem Spiegel hinein blickte, so gab der Spiegel seinen Gegenblick oder Gegenglanz heraus, und leuchtete von feuriger Liebe zu Gott, seinem Schöpfer, dem er ähnlich sah und den er recht kannte, wieder hinein, so daß sich auf beiden Seiten ein edler Schein, Glanz und Klarheit der edelsten Liebe und Gegenliebe ergab.

Zudem liebte Adam seinen Nächsten als sich selbst. Denn als ihm die Eva zugeführt ward, nahm er sie zu sich und erkannte sie für sein Fleisch und Blut. Und lief allhier keine sündliche Lustseuche mit unter, sondern ihrer Beider Liebe gegen einander war eine keusche, heilige, reine, ja eine solche Liebe, welche der ganzen heiligen Dreifaltigkeit wohlgefiel und von Gott dem Allmächtigen selbst angezündet, dazu mit seinem heiligen Geiste als mit einem starken Bande lieblich verknüpft und bestätigt war. Und wenn sie in ihrer anerschaffenen Gerechtigkeit, Heiligkeit und Unschuld geblieben wären, so hätten sie in heiliger Liebe ihre ehelichen Beilager gehalten, in heiliger Liebe heilige Kinder gezeuget, einen heiligen Samen und eitel heilige Nachkommen hinter sich gelassen, und damit beide Paradiese: erstlich das Paradies auf Erden, und darnach das Paradies im Himmel erfüllet. –

Das andere Gut ihres himmlischen Bildes war das übernatürliche geistliche Leben. Denn es hatte der Mensch vor dem Fall zweierlei Leben. Das eine war leiblich und natürlich. Das andere aber war geistlich und übernatürlich, oder ein himmlisch und göttlich Leben.

Was das erste betrifft, so bedarf solches keiner weitläuftigen Beschreibung, da ja ein Jeder weiß, was das natürliche Leben des Menschen für ein Leben ist. Es ist eine Verknüpfung Leibes und der Seele, daß die Seele im Leibe als in ihrer Behausung wohnet und ihre Kräfte durch alle Glieder unterschiedlich vertheilet. Ueber diesem natürlichen Leben aber führten Adam und Eva auch ein himmlisches Leben aus der Einwohnung der ganzen heiligen Dreifaltigkeit in ihrem Leibe und in ihrer Seele. Denn weil sie Beide, Gott und Mensch, von Liebe und Gegenliebe gegen einander brannten, so wohnte Gott durch solche Liebe in dem Menschen und hielt seinen Sabbath in ihm, also daß der ganze Mensch mit Leib und Seele nicht sein eigen, sondern Gottes Eigenthum, Gottes Tempel, Gottes Palast, Gottes Behausung war. Wie daher das natürliche Leben eine Verknüpfung und Gemeinschaft Leibes und der Seele ist, so war das göttliche Leben in Adam und Eva eine Verknüpfung und Gemeinschaft mit Gott, daß Gott in ihnen ruhete und wohnete, und ihr Leib und Seele mit dem lebendigen Gott durch und durch besessen waren.

So wußten sie denn auch von keinem Tode, sondern waren immer stark an Leib und Seele. Der Leib war schön, frisch und gesund. Der Seele widerfuhr keine Angst, keine Beschwerung, kein Jammer, keine heimlichen Leiden oder verborgenes Herzeleid. Das Leben des Leibes war die Seele, und das Leben der Seele war Gott selbst, wie Augustinus und Prosper von Aquitanien reden. Und wie unser Leib sich von der Seele regieren läßt, so waren beide, der Leib und die Seele, dem einwohnenden göttlichen Wesen unterthan, und gehorchten dem heiligen Geiste.

So war auch unser Vater Adam aus solcher Einwohnung Gottes heilig, gerecht, weise, und aller Dinge so erfahren, daß er zuvörderst Gott, seinen Schöpfer, recht erkannte, und ihm von Herzen und mit Freuden dienete. Danach kannte er auch alle Thiere auf Erden und alle Vögel unter dem Himmel, und gab einem jeglichen Thiere seinen Namen. Und obwohl er geschlafen hatte, als sein Weib von seiner Rippe gebauet ward, erkannte er sie doch im ersten Augenblick für sein Fleisch und Blut und sprach: »Man wird sie Männin heißen, darum daß sie vom Manne genommen ist.« Er war verständig, klug, schön, stark, unverzagt, fromm, und wußte von keiner Sünde noch sündlichen Lust. Seine Gewalt und Herrlichkeit erstreckte sich so weit, daß er herrschte über die Fische im Meer, über die Vögel unter dem Himmel und über alles Gethier, das auf Erden kreucht. Alles mußte ihm unterthan sein.

Auch halte ich dafür, daß er vor dem Fall, als er noch ein Tempel und Wohnung der heiligen Dreifaltigkeit war, aus solcher Einwohnung Gottes an seinem Leibe müsse eine äußerliche Klarheit und Glanz gehabt haben und damit umwolket gewesen sein, gleich wie Mosis Haut und Angesicht vor dem Volke Israel glänzte, wenn er mit dem Herrn geredet hatte. Denn weil die Schrift zeuget, daß Adam und Eva nach dem Fall erst gesehen und erfahren haben, daß sie nackend waren, – welches ihnen so schändlich und schimpflich zu sein däuchte, daß sie sich mit Feigenblättern zudeckten –: so werden sie zweifelsohne vor dem Fall wie helle Sterne oder wie brennende Fackeln geleuchtet haben und anstatt der Kleider mit einem äußerlichen Glanz und Schein wie der Mond umgeben, bekleidet und gleich als umwolket gewesen sein, daß man ihre Leiber nicht so bloß und nackend, sondern mit unbeschreiblicher Klarheit und lichten Wolken verhüllet gesehen hat; weswegen sie sich auch nicht haben schämen dürfen. Sie waren ohne Sünde, und Gott der Herr wohnete so lieblich in ihnen, daß sie davon leuchteten und von keiner sündlichen Blöße an ihrem Leibe wußten. –

2.
Der Menschen Herrlichkeit, wenn Adam und Eva nicht gesündigt hätten.

Also stand es mit unseren ersten Eltern vor dem Fall, und ging alles so lieblich, so herzlich, so ordentlich und so fein nach Gottes Willen zu, daß Gott im Himmel mit seinen heiligen Engeln seine Lust, Freude und herzliches Wohlgefallen daran hatte.

Und ist kein Zweifel: wenn sie beständig geblieben wären in der Liebe, mit fleißiger und sorgfältiger Bewahrung des edlen himmlischen Bildes, das ihnen von Gott eingepflanzt, eingedrückt und anerschaffen war – würden sie auch Kinder gezeugt haben nicht allein nach ihrem Bilde, sondern auch dem Bilde Gottes ähnlich und gleichförmig, so daß wir alle aus angeerbter und angeborener Heiligkeit unseren himmlischen Vater sammt seinem eingebornen Sohn und heiligen Geist würden geliebt haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und allen Kräften, und ein Jeder den Andern auf dem ganzen Erdboden als sich selbst.

Dies Ebenbild Gottes würde sich in allen Adams-Kindern gezeigt haben mit seinen zwei Gütern, deren zuvor schon gedacht worden ist.

Denn erstlich hätte der Bund der Liebe keiner sonderlichen Offenbarung vom Himmel herab auf dem Berge Sinai durch Mosen oder sonst durch einen andern Mittler bedurft; sondern gleich wie es freundliche und süße Liebes-Triebe, Liebes-Freude und liebliche Zuneigung in Eltern und Kindern, Brüdern und Schwestern, Vettern, Basen und nahen Blutsverwandten giebt, welchen diese natürliche Liebe oder Blutliebe und Blutfreundschaft von Natur eingeprägt und eingebildet ist: also würde der Bund und das Gesetz der heiligen vollkommenen Liebe zu Gott und gegen den Nächsten uns durch die natürliche Geburt auch mit angeerbt und eingepflanzt worden sein.

O wie herrlich wäre es dann allenthalben in der ganzen weiten Welt mit der Religion zugegangen, daß man von keinem Zwiespalt, von keinen unnützen Disputationen, keinem Schulgezänk, keinen leeren Streitigkeiten und keinen traurigen Separationen würde gehört haben. O wie einmüthig würden alle Völker in Europa, Asien, Afrika, Amerika und Australien Gott ihren Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzer Kraft geliebt haben! O wie oft wären dann die Adams-Kinder aus allen Landen mit herzlicher Freude und Frohlockung zusammen gekommen, daß wir einhellig den Herrn unseren Gott geehret, gerühmet, gelobet, und seine große Güte, Gnade, Wunder und Wohlthaten gepreiset und ausgebreitet hätten! Wie wäre allenthalben nur Eine Religion, einerlei Glaube, einerlei Gottes-Dienst und einerlei Kirchen-Ordnung, nämlich die wahre Erkenntniß Gottes, in vollem Schwange gegangen! Wie lieblich, wie brüderlich, wie freundlich und wie herrlich hätten alle Nationen, alle Heiden und alle Menschen unter der Sonne, Deutsche, Italiener, Spanier, Türken, Mohren, Indianer u. s. w. im Glauben, in dem Bekenntniß der Wahrheit und in dem heiligen Geiste zusammen gestimmet!

Wie würde auch die Liebe des Nächsten allenthalben das menschliche Geschlecht besessen und eingenommen haben! Ja da hätte ich sicher und ohne alle Gefährlichkeit zu Wasser und zu Lande können die ganze Welt durchreisen, und würde alle Völker in den Morgenlanden, in den Gegenden nach Mitternacht, und in den Landschaften nach Mittag und Abend gelegen, gekannt haben, und einem jeden Menschen in aller Welt so lieb, so angenehm und so willkommen gewesen sein, als meinem leiblichen Bruder und nächsten bekannten Freunden. Man würde von keinem Kriege, von keinem Hader, von keinem Blutvergießen irgend wo gehört haben. Und wären keine anderen neuen Zeitungen aus allen Landen, aus Rußland, aus der Türkei, aus Arabien, aus Amerika und aus den neu gefundenen Inseln gekommen, denn von eitel inbrünstiger reiner Liebe, wie die Leute allenthalben Gott liebten von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüthe, und einer den Andern als sich selbst; auch daß kein Streit wäre, denn wie einer dem Anderen mit Ehrerbietung, mit großer Liebe und mit ungefärbter Freundschaft möchte zuvorkommen.

Da wäre keine sündliche Lustseuche gewesen. Da hätten Bräutigam und Braut, wie auch Jünglinge und Jungfrauen mit eitel heiliger keuscher Liebe aus Anregung des heiligen Geistes sich unter einander geliebet. Da würden Mann und Weib in geistlicher Wollust Kinder gezeuget und mit ihren Kindern das Reich Gottes vermehret haben. Die natürliche Liebe zwischen Eltern und Kindern, Brüdern und Schwestern würde eine heilige, reine, vollkommene Liebe gewesen sein. Die heiligen Engel würden nach Gottes Befehl mit Freuden auf uns gewartet haben.

Wir hätten auch von Anfang unserer Geburt an allerwege zweierlei Leben geführt: das natürliche und das geistliche. Der Leib hätte ohne Schmerzen und ohne Anfechtung des Todes immerfort natürlich gelebt, aus wirklicher Kraft der Seele, die in ihm wohnet. Aber beide, der Leib und die Seele, würden über diesem natürlichen Leben auch mit einem anderen himmlischen Leben gekrönet und bekleidet gewesen sein. Denn es hätte Gott im Leibe und in der Seele wie in einem schönen Tempel wunderlieblich und wundertröstlich gewohnet, und würde unser ganzes Leben mit Gott, in Gott und durch Gott, desgleichen Gottes Leben, Gottes Wohnung, Gottes Sabbath in uns, und folglich auch unser aller Leben und Wandel unter einander auf Erden nichts Anderes gewesen sein, denn ein Leben der inbrünstigen feurigen Liebe und Gegenliebe, oder ein Bund der Liebe, daß, wie uns Gott liebet, würden wir ihn auch wieder geliebt haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allen Kräften, und einer den Anderen als sich selbst.

Es wäre die ganze Welt ein schönes Paradies gewesen voll solcher Kinder Gottes und solcher edlen Tempel des heiligen Geistes, daß es an allen Orten auf dem ganzen Erdboden, wo ich nur hätte Menschen gesehen, würde geschimmert, geschienen und geleuchtet haben, als hätte ich eitel Himmels-Sterne oder eitel helle Lichter gesehn. Denn wir würden anstatt der Kleider alle, wie Adam und Eva vor dem Fall, aus lieblicher Einwohnung der heiligen Dreifaltigkeit als Tempel Gottes schön geleuchtet und eine äußerliche Klarheit gehabt haben, nur der Eine größere und herrlichere, denn der Andere, je nach den unterschiedenen Gaben und Wirkungen Gottes des heiligen Geistes. Auch wäre überall einerlei Sprache geblieben, daß du hättest einen Hindu, Türken, Araber, Russen oder einen Indianer aus Amerika eben so leicht und bald verstehen können, wie die Sprache deiner Mutter. Man hätte von keinen Kriegen, von keinen Mordthaten noch anderen gräulichen Verbrechen, von keinem Neid, Haß, Aufruhr und Revolutionen; desgleichen von keinem Ungewitter, Hagelschlag, Wolkenbrüchen, Wind- und Wasserhosen, von keinem Unfall, Angst, Jammer, Krankheit, Elend, wie auch von keinem Tode oder Sterben gehöret. Das Erdreich hätte keine Disteln und Dornen, sondern eitel Rosen, Lilien und die allerlieblichsten Blumen, wohlriechende Kräuter, duftend Gewürz und die alleredelsten Früchte getragen, sowohl in Norwegen, Rußland und allen mitternächtlichen Ländern, als in Egypten, Arabien und dergleichen weitberühmten Morgenlanden. Die Vögel unter dem Himmel, die Thiere auf Erden, und die Fische im Meer wären uns ohne alle Scheu und Schrecken unterthänig, folgsam und zugethan gewesen.

Wenn endlich ein Mensch auf Erden seine Zeit vollbracht und seinen Lauf vollendet hätte, würde er ohne alle Leibes-Schmerzen, ohne Krankheit und ohne Todes-Gefahr lebendig mit Leib und Seele von dieser Welt gen Himmel aufgefahren sein. Er hätte den Tod nicht geschmeckt und nicht den geringsten Jammer gefühlt, sondern wäre aus dem irdischen Paradies in das himmlische Paradies aufgenommen worden. Auf feurigem Wagen wäre er hingefahren, wie Henoch und Elias, von viel tausend Engeln umgeben und begleitet. Er hätte mit großer Freude seinem Weibe, seinen Kindern, seinen Brüdern und Schwestern das Valet gegeben, und alle seine hinterlassenen Freunde würden über seinen herrlichen und prächtigen Hinzug nicht im geringsten geweinet und getrauert, sondern sich hoch erfreuet und gejauchzet haben. Sie hätten dem ewigen allmächtigen Gott dafür mit Freuden und Frohlocken herzlich gedanket, der ungezweifelten Zuversicht, daß sie nach Erfüllung ihrer Zeit bald nachfolgen und auch eine selige Himmelfahrt halten würden. – – –

3.
Der Sündenfall.

Dieweil sie aber Beide gefallen sind, von welchen wir alle herkommen, Adam und Eva, und haben sich von dem listigen verfluchten Teufel jämmerlich berücken und verführen lassen –, so haben sie damit Gottes Ebenbild, nämlich die edle eingepflanzte Gottesgabe der vollkommenen Liebe verloren, und hat sie dagegen des leidigen Satans Bild, das ist Angst und Furcht ergriffen, daß sie anstatt der edlen heiligen Liebe zu Gott nach dem begangenen Apfelbiß sich peinlich vor ihm fürchteten.

Da sind sie gefallen und abgewichen von dem allerältesten und ersten Bunde der Liebe, damit sie ihrem Gott verknüpft waren, und haben mehr geliebt die Creatur oder das Geschöpf, als ihren Schöpfer, und ihre heilige vollkommene Liebe in eine sündliche und verdammliche Lustseuche verkehret. Deswegen wurden auch alsbald ihrer beider Augen aufgethan, wie Moses schreibt, und wurden gewahr, daß sie nackend waren. Wie aber ging das zu? Die heilige Dreifaltigkeit, Gott Vater, Gott Sohn und Gott heiliger Geist, das himmlische Leben, wich von ihnen aus, daß sie nicht mehr seine Tempel, Tabernakel und Lusthäuser waren. Und da er von ihnen seine Residenz und Einwohnung zurückzog, verloren sie auch alsbald den äußerlichen Glanz und Schein an ihrem Leibe, daß einer den Anderen bloß und nackend mit Schaam und Schanden ansah, und sie beide, als geistlich todte Leute des himmlischen Lebens beraubet, wohl merkten daß sie nicht mehr Kinder des Lichts, sondern der höllischen Finsterniß Larven und des Teufels Stankgefäße wären. Darum, als sie blos und nackend waren, suchten sie eilend Rath, flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen.

Nun war das natürliche Leben noch übrig in ihnen. Wohl waren sie geistlich todt, doch konnten sie gleichwohl noch gehen, sehen, hören, reden, rathschlagen und der fleischlichen Vernunft gebrauchen. Allein da sie des göttlichen Lebens als des besten und alleredelsten ganz und gar beraubet waren, hatten die anerschaffene Liebe zu Gott in eine irdische Lustseuche verkehret und sahen an ihren bloßen und nackten Gliedern, daß dieselben, gegen ihre erste Herrlichkeit gerechnet, nichts Anderes waren als todte Leichname, verglichen mit den lebendigen Menschen; hatten auch ganz und gar nicht mehr die Schönheit, Kraft, Stärke und Tugend, auch nicht den äußerlichen Glanz und Schein, wie zuvor: – siehe, da geriethen sie in eitel Furcht, Angst und Schrecken, daß sie vor Gott peinlich flohen, und sich hinter die Bäume versteckten. Der Leib aber nahm hernach durch allerlei Schmerzen und Krankheit ab und ward ausgemattet, bis endlich der Tod dazuschlug und sie Beide unter die Erde brachte.

Gleichwie nun Adam nach dem Fall von Natur nicht mehr himmlisch, sondern allein irdisch und fleischlich gesinnet war, also hat er auch nach diesem irdischen Bilde Kinder gezeuget. Und daher sind wir alle von Natur nicht mehr Freiherrn, sondern in Sünden empfangen und in Sünden geboren, und durch die Sünde der Knechtschaft des Todes unterworfen. Das Ebenbild Gottes oder die vollkommene Liebe ist überall hinweg, ausgethan und verloschen, und des leidigen Teufels Bild oder die sündliche Lustseuche und die höllische Furcht vor Gottes Gericht – ist an seine Stätte kommen. Denn gleich wie Adam und Eva nach dem Fall vor Gott flohen und sich versteckten, also tragen wir auch von Natur einen peinlichen Schrecken und Abscheu vor dem Angesichte Gottes, und fürchtet sich unser Fleisch und Blut vor ihm als vor einem verzehrenden Feuer oder wie vor einem gestrengen Richter, den es von ganzer Seele hasset. – –

4.
Gottes gnadenreiche Erbarmung über uns.

Nun merke aber auch weiter, was Gott an uns gewendet und wohin seine große Liebe und Leutseligkeit ihn getrieben hat. Es ist damit gerade, als wenn ein braver, frommer Mann sein abgewichenes und ehebrecherisches Weib aus grundloser herzlicher Liebe wiederum zu Gnaden annähme, sonderlich da er gehöret, daß sein abgesagter Feind sie ihm mit listigen Worten abgelockt und entführet, hielte sie ganz übel, buhlete die eine Zeit mit ihr, darnach schlüge er sie und träte sie mit Füßen. Solches alles erfährt der Ehemann, und ob er wohl dazu still schweigen und der Ehebrecherin ihr Fegefeuer und tiefe Trübsal mit allem Recht gönnen könnte, jammert es ihn doch aus großer unverdienter Liebe zu ihr; zeigt daher Barmherzigkeit gegen sie und nimmt sie wieder zu seinem ehelichen Gemahl an.

Nicht anders handelt der leutselige Gott mit uns, da er das menschliche Geschlecht, die ehebrecherische Art, unter der Gewalt des Todes, des Teufels und der Hölle liegen sieht; da er gewahrt, daß sie vom Satan, ihrem höllischen Buhlen, sich fort und fort in den Haaren zausen, martern und plagen lassen muß. Solches jammert Gott aus großer Liebe, Er ruft sie wieder zu sich, vergiebt ihr ihre Sünde und richtet den Bund der Liebe mit ihr aufs Neue auf; wie er denn selbst bei dem Propheten Jeremias dieses Gleichniß anführet: »Wenn sich ein Mann von seinem Weibe scheiden läßt, und sie zieht von ihm und nimmt einen andern Mann, darf er sie auch wieder annehmen? Ist es nicht also, daß das Land verunreiniget würde? Du aber hast mit vielen Buhlern gehuret. Doch komm wieder zu mir! spricht der Herr. Kehre wieder, du abtrünnige Israel, spricht der Herr, so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen. Denn Ich bin barmherzig, spricht der Herr, und will nicht ewiglich zürnen« (c. 3, 1. 12).

Ja, sprichst du, wie kann aber Gott das menschliche Geschlecht wiederum zu Gnaden auf- und annehmen ohne Verletzung seiner strengen Gerechtigkeit und seines Wortes, darin er uns den Tod gedrohet hatte?

Antwort: Es war wohl der Bund der Liebe unsererseits gebrochen und verletzt, daß wir also uns selbst um das ewige Leben brachten und dasselbe danach aus menschlicher Kraft und Vermögen nicht konnten wieder erlangen. Aber von Gottes Seiten ist nie wider den Bund gesündigt, indem Er ja den Menschen von Herzen liebte und ihm nicht die geringste Ursach gab zum Abfall und zur Uebertretung. Fest, treu und beständig ist Gott geblieben in der Liebe allezeit, auch nach unserm unseligen Abfall, wie St. Paulus schreibt: daß uns Gott geliebt hat, auch da wir noch Feinde waren (Röm. 5, 10). Damit aber solche Liebe der Gerechtigkeit nicht zuwider liefe, dachte er auf Mittel und Wege, wie der Gerechtigkeit möchte genug geschehen, daß er uns ohne Verletzung derselben zu Gnaden und in den Bund der Liebe wieder auf- und annehmen könnte, damit wir wiederum seine Tempel, Organe, Lusthäuser, seine Werkstätten und sein Eigenthum würden.

Darum – o lassets uns voll heißen Danks und tiefer Beugung jederzeit hören – ließ Er Seinen eingebornen Sohn Mensch werden und senkte denselben als das Leben seines Herzens in unser Fleisch und Blut; warf auf Ihn aller Welt Sünde, Schmach, Schuld und Strafe; ließ ihn sterben und zur Hölle fahren, auf daß wir durch den Glauben an Ihn von Sünde, Tod, Teufel und Hölle erlöset und des ewigen himmlischen Lebens wiederum fähig und theilhaftig würden.

Solche gnadenreiche Erbarmung Gottes über uns wird uns gar lieblich und tröstlich ausgestrichen in dem schönen Luther-Gesange: »Nun freut euch, lieben Christen gmein«, wenn wir singen:

»Dem Teufel ich gefangen lag.
im Tod war ich verloren;
Mein' Sünd' mich quälet Nacht und Tag,
darin ich war geboren.
Ich fiel auch immer tiefer drein,
es war kein Guts am Leben mein:
die Sünd' hatt' mich besessen.

Mein' gute Werk die galten nicht,
war mit ihn'n verdorben;
Der frei Will' hasset Gotts Gericht,
er war zum Gut'n erstorben.
Die Angst mich zu verzweifeln trieb,
da nichts denn Sterben bei mir blieb:
zur Höllen mußt ich sinken.

Da jammert Gott in Ewigkeit
mein Elend übermaaßen;
Er dacht an sein Barmherzigkeit,
Er wollt mir helfen lassen.
Er wandt zu mir das Vaterherz;
es war bei ihm fürwahr kein Scherz:
Er ließ sein Bestes kosten.

Er sprach zu seinem lieben Sohn:
die Zeit ist hie zu erbarmen.
Fahr hin, meins Herzens werthe Kron,
und sei das Heil dem Armen!
Und hilf ihm aus der Sünden Noth,
erwürg für ihn den bittern Tod,
und laß ihn mit dir leben.« –

Wer kann nun diese Wunderliebe und Leutseligkeit unseres Gottes genugsam preisen? Wer kann die Tiefe, die Breite, die Höhe und die Länge solcher Güte und solcher Freundlichkeit ergründen? Wenn schon alle Blätter auf den Bäumen, alle Gräslein auf dem Felde, alle Sandkörnlein in und am Ufer des Meeres, und alle Stäublein in der Sonne nicht allein menschliche, demosthenische, ciceronianische, perikleische, sondern auch englische Zungen hätten: würde ihnen doch unmöglich sein, mit aller ihrer Beredtsamkeit solche Wohlthaten genugsam zu loben und auszureden. Denn sag selbst: wenn du dein Leben verwirkt hättest und solltest dir lassen vom Scharfrichter die Haut über die Ohren ziehen, oder alle Adern mit glühenden Zangen aus deinem Leibe reißen; und ein großmächtiger König gäbe seinen Sohn für dich, ließe ihn so gräulich zermartern und zerhandeln, und nähme dich zum Sohn und zum Erben an – – wie könntest du solche Liebe genug rühmen und loben? Du würdest ja erkennen und leichtlich begreifen, daß er keine unfreundliche Ader noch einen bittern Blutstropfen in seinem ganzen Leibe gegen dich haben könne. Also thut Gott gegen uns! Da wir sollten von allen Teufeln in den Abgrund der Hölle weggeführet und ewig mit höllischem Feuer gemartert werden, da stellt er seinen eingeborenen Sohn für uns ein, zieht uns den Dorn aus unserem Fuß und steckt ihn seinem geliebten einigen Sohn in den seinen, nimmt uns zu seinen Erben an und schenkt uns das ewige Leben. – –

Das sind die rechten Eingeweide der Barmherzigkeit, die innersten Gemächer des Erbarmens, wie Zacharias in seinem Lobgesange zeugt. Das ist »die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch welche uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe. Auf daß Er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens« (Luc. 1, 78. 79). Darum singen wir auch:

» In dulci jubilo (in süßem Jubel)!
nun singet und seid froh!
Unsres Herzens Wonne
liegt in praesepio (in der Krippe);
Und leuchtet als die Sonne
Matris in gremio (in der Mutter Schooß).
Alpha es et O! (bist das A und O)
Alpha es et O!

O Jesu parvule! (kleiner Knabe)
nach Dir ist mir so weh.
Tröst mir mein Gemüthe,
o puer optime! (bestes Kind)
Durch alle Deine Güte,
o princeps gloriae! (Fürst der Ehre)
Trahe me post te! (ziehe mich nach Dir)
trahe me post te! –«

5.
Anbetende Betrachtung dieser großen Wohlthat Gottes.

»O der unermeßlichen Freundlichkeit, sagt Augustinus, o der grundlosen Liebe! Du hast, Herr Gott Vater, Deinen Sohn hingegeben, auf daß der Knecht erlöset würde. Gott ist Mensch geworden, auf daß der verlorene Mensch von der Gewalt der bösen Geister errettet würde. O lieber Gott Vater, wie ist doch Dein Sohn, der Herr unser Gott, ein sehr gütiger Liebhaber der Menschen, dieweil seiner herzlichen Liebe nicht genug gewesen, daß er sich herab ließe und Mensch würde, geboren von der reinen Jungfrau Maria, sondern hat auch den Tod des Kreuzes auf sich genommen und sein Blut für uns und um unserer Seligkeit willen vergossen! Der fromme Gott ist zu uns kommen, er ist kommen nach seiner Frömmigkeit und Gütigkeit. Er ist kommen, zu suchen und selig zu machen das verloren war. Das verlorne Schaf hat er gesucht. Er hat es gesucht und gefunden, und auf seinen Achseln zu den Hürden seiner Heerde wiedergebracht, der rechte, treue, gute Hirt.

O der großen Liebe, o der großen Güte! Wer hat solches mehr gehört? Wer wollte dieser herzlichen Barmherzigkeit nicht immer Nachdenken? wer wollte sich nicht verwundern? wer wollte sich nicht hoch erfreuen der großen Liebe, damit Du uns geliebet hast? Deinen Sohn hast Du gesandt in der Gestalt des sündlichen Fleisches, und die Sünde im Fleisch durch Sünde verdammt, auf daß wir in Ihm würden Deine Gerechtigkeit. Denn Er ist das rechte unbefleckte Lamm, welches der Welt Sünde wegnimmt, und hat durch seinen herben bitteren Tod den Tod verschlungen, und durch seine Auferstehung das ewige Leben wiedergebracht.

Was können wir aber Dir wiedergeben und wiedererzeigen, Herr unser Gott, für solche große Wohlthaten Deiner Barmherzigkeit? Wie können wir Dich genugsam loben und Dir genug danken? Wenn wir gleich so weise und so stark wären, als die heiligen Engel sind, so könnten wir doch nichts Würdiges schaffen, damit Deine große Treue und Deine große Gütigkeit vergolten würde. Ja wenn alle unsere Glieder in eitel Zungen sich verwandelten, so würden wir doch noch viel zu gering sein, Dich mit schuldigem Lob zu ehren und zu rühmen.

Denn Deine unausforschliche Liebe, welche Du allein nach Deiner Güte und Leutseligkeit uns Unwürdigen erzeiget hast, gehet über alle Vernunft; sintemal Dein eingeborner Sohn, unser Gott, nicht hat Engel-, sondern Abrahams Samen angenommen und ist uns in allen Dingen gleich worden, doch ohne Sünde. Deswegen hat er nicht die englische, sondern die menschliche Natur angenommen und sie mit dem weißen Kleide der Auferstehung und des ewigen Lebens herrlich gemacht; auch über alle Himmel, über alle Chöre der Engel, über Cherubim und Seraphim sie erhoben und zu seiner Rechten gesetzt. Daselbst wird sie gelobt und angerufen von den Engeln und Herrschaften, und des ganzen Himmels Heer fürchtet diesen Menschen, der da Gott ist.

So setze ich nun auf Ihn alle meine Hoffnung und all mein Vertrauen. Denn in diesem Christo JEsu, unserem HErrn, ist unser aller und eines jeden Menschen Theil; das ist unser aller Fleisch und Blut. Wo nun mein Theil regieret, da glaub ich daß ich auch regieren werde. Wo mein Fleisch ist erhöhet worden, da werde ich auch herrlich gemacht werden. Wo mein Blut herrschet, da werde ich auch herrschen. Und ob ich wohl ein Sünder bin, trag ich doch keinen Zweifel an solcher Gemeinschaft der Gnade. Und obschon meine Sünden mir im Wege liegen, so heischt und erfordert solche Herrlichkeit doch meine Substanz, mein Sein und Wesen in Christo. Ob auch meine Uebertretungen mich ausschließen, so kann mich doch die Verwandtschaft und Gemeinschaft der Natur nicht zurückstoßen. Denn so hart und ungnädig ist Gott nicht, daß er des Menschen vergäße und daß er nicht an den gedächte, welchen er in Einigkeit seiner Person trägt, und den er meinethalben hat angenommen.

Freundlich und sehr gütig ist unser Gott, und liebet sein Fleisch, seine Gliedmaaßen und seinen Leib. In unserem Gott und in unserem allersüßesten, allergnädigsten und allergütigsten Herrn JEsu Christo, in welchem wir sind aufgestanden und nun gen Himmel gefahren, und führen einen himmlischen Wandel: – in demselben, sage ich, liebet uns unser Fleisch; denn in Ihm finden und haben wir den edlen Vorzug und die Vermählung unseres Blutes, weil wir seine Glieder und sein Fleisch sind, und Er ist unser Haupt, durch welches der ganze Leib bestehet, wie die Schrift sagt: »Bein von meinen Beinen und Fleisch von meinem Fleisch. Es werden die Zwei ein Fleisch sein. Niemand hat jemals sein eigen Fleisch gehastet, sondern er nähret es und pfleget sein. Das Geheimniß ist groß. Ich sage aber von Christo und der Gemeinde« (Ephes. 5, 29-32).

Darum sage ich mit Mund und Herzen und aus allen meinen Kräften Dir, HErr unser Gott, Lob und Dank für alle Deine Barmherzigkeit, damit Du uns armen verlorenen Sündern bist zu Hülfe erschienen durch denselben Deinen Sohn, unseren Seligmacher und Erlöser, welcher gestorben ist um unserer Sünden willen und auferstanden um unserer Gerechtigkeit willen, und lebet nun ewiglich und sitzet zu Deiner Rechten, da er uns vertritt und für uns bittet.

Nun, mein liebster Vater, dieweil Du uns so große Wohlthat hast erzeiget durch Deinen Sohn, der in seinem Wort (Joh. 6, 44; 14, 6) ausdrücklich spricht: Niemand kommt zu mir, es sei denn, daß der Vater, der mich gesandt hat, ihn ziehe; und Niemand kommt zum Vater, denn durch mich – so bitte ich Dich und rufe Dich an demüthiglich: ziehe mich allerwege zu ihm, auf daß Er mich zu Dir ziehe, dahin wo Er sitzet zu Deiner Rechten, wo sich hervorthut das ewige Leben, die vollkommene Liebe ohne alle Furcht, dazu der ewige Tag, der einige Geist in allen, dir höheste und gewisseste Sicherheit, die sichere Ruhe, die ruhige Fröhlichkeit, das fröhliche Heil, die heilsame Ewigkeit, die ewige Seligkeit und die selige Anschauung Deines Antlitzes, wie auch Dein Lob, Der Du mit demselbigen Deinem Sohn, und Er mit Dir, in des heiligen Geistes Einigkeit herrschest und regierest, wahrer Gott, in alle Ewigkeit! Amen.« – Amen.

Das ist also das Erste, so an diesem Orte zu merken und zu behalten: wozu hat uns Gott erschaffen und uns seinen eingeborenen Sohn gegeben? nicht um zeitlichen Gutes, Gewalt, Pracht, Ehre und Wohlfahrt willen, sondern zum ewigen Leben. Wie die Schrift sagt: Gott ist die Liebe. Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen. (1 Joh. 4, 9). Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Joh. 3, 16). Gott preiset seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. So werden wir viel mehr durch ihn behalten werden vor dem Zorn, nachdem wir durch sein Blut gerecht geworden sind (Röm. 5, 8. 9). Die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo JEsu, unserm Herrn (Röm. 6, 23).

II.
Unsere Erlösung zum ewigen Leben.

Auf das Werk der großen Liebe und Leutseligkeit unseres himmlischen Vaters, daß er uns zum ewigen Leben erschaffen, und da wir verloren waren, uns seinen eingeborenen Sohn geschenkt hat, damit wir die verlorene Seligkeit durch ihn wieder erlangten – folget nun die andere Wohlthat: unsere Erlösung zum ewigen Leben. Und gleichwie die Schöpfung Gott dem Vater zugeschrieben wird, also wird das Werk der Erlösung seinem herzlieben Sohne, unserem Seligmacher JEsu Christo, mit Recht zugeeignet.

Denn siehe, was thut der Sohn Gottes? Aus großer Liehe und Menschenfreundlichkeit ist er Mensch worden; aus großer Liebe nimmt er auf sich aller Welt Sünde, aller Welt Schmerzen und des Gesetzes Fluch. Aus großer brünstiger Liebe ließ er sich um unserer Sünden willen kreuzigen, tödten, verfluchen und mit seines Vaters unerträglichem Zorn beladen, auf daß er uns vom Tode, vom Teufel und von der Hölle erlösete und seinem himmlischen Vater wieder versöhnete. Und hier war recht der wunderliche Krieg, da der Tod mit dem Leben rang; da das Leben behielt den Sieg und den Tod verschlang. Die Schrift verkündigt, daß, wie ein Tod den andern fraß, ein Spott aus dem Tode ward. Christus hat ihn überwunden, der Schlange den Kopf zertreten, und die Hölle gestürmt, erobert, zerstört und geschleift. Ist am dritten Tage wiederum auferstanden von den Todten, aufgefahren gen Himmel, sitzet zur Rechten des allmächtigen Vaters, da Er uns nun aus großer Liebe vertritt, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Ihr Kinder und Einfältigen könnt Solches fein lernen und behalten aus unserm Lutherlied, wenn ihr weiter singt:

Der Sohn dem Vater g'horsam ward:
Er kam zu mir auf Erden,
Von einer Jungfrau rein und zart;
Er sollt mein Bruder werden.
Gar heimlich führt er sein Gewalt,
Er ging in meiner armen Gestalt;
den Teufel wollt er fangen.

Er sprach zu mir: halt dich an mich.
es soll dir jetzt gelingen.
Ich geb mich selber ganz für dich,
da will ich für dich ringen:
Denn ich bin dein und du bist mein,
und wo ich bleib, da sollst du sein;
uns soll der Feind nicht scheiden.

Vergießen wird man mir mein Blut,
dazu mein Leben rauben:
Das leide ich all's dir zu gut;
das halt mit festem Glauben.
Den Tod verschlingt das Leben mein.
Mein Unschuld trägt die Sünde dein;
da bist du selig worden.

Denket aber nach, ihr Kinder des Lichts, was dies für eine Wunder-Liebe und unaussprechliche Leutseligkeit von unserem trauten Erlöser und Seligmacher JEsu Christo sein muß, daß dieser große GOTT uns sündige Erdenwürmlein so hoch über alle Sterne des Himmels, über Sonne und Mond, auch über alle Engel und himmlische Heerschaaren ehret und so weit vorziehet, daß er nicht wird ein Mond, nicht eine Sonne, nicht ein Stern, auch nicht ein Engel – sondern ein Mensch und Jungfrauen-Sohn, und nimmt aus unaussprechlich großer Liebe sich unserer Noth, unserer Trübsal und unseres Elendes herzlich an, daß er um unseretwillen eines herben schmählichen Todes stirbt.

Gleichwie der weit bekannte Vogel Pelikan, wenn er seine Jungen scheinbar todt vor sich liegen sieht, von der Schlange umgebracht; alsdann verwundet er sich selbst aus herzlicher Liebe, hackt in seine Brust und spritzt Blut heraus, damit besprenget er seine Jungen und macht sie wieder lebendig: – also liebet dieser himmlische Pelikan uns Menschen als seine Blutsverwandten mit keiner schlechten Liebe, sondern mit einer feurigen Wunderliebe. Er liebet uns bis in den Tod, bis in den Tod des Kreuzes, ja bis in die tiefe Hölle und in die höllische Marter, Angst und Qual hinein, sintemal er den Tod, die Hölle, die Höllen-Angst um unserer Sünden willen leidet und vergießt sein rothes rosinfarbenes Blut am Stamm des Kreuzes, damit wir vom ewigen Tod zum ewigen Leben erlöst und wieder gebracht würden. Das lasse ich mir eine Liebe und Barmherzigkeit sein!

Man schreibt von dem Könige Xerxes, da er den großen Krieg wider die Griechen führete und eilfmalhundert tausend Mann bei einander hatte, sei er auf einen hohen Berg gestiegen, und als er die große Menge von oben herab übersah, da habe er bitterlich angefangen zu weinen. Wie er nun gefragt ward, warum er weine, antwortete er: »Ach sollt ich nicht weinen? ich sehe das große Volk und denke daran, daß ihrer keiner nach hundert Jahren mehr lebendig sein wird!« – Wie viel mehr hat den Sohn Gottes der ganzen weiten Welt gejammert, da so viel hundert tausend mal tausend Menschen sollten verstoßen sein in Ewigkeit! Und weil er sich eben darum tödten läßt und sein Blut zu unserer Erlösung vergießt – wer siehet denn nicht, daß er uns herzlich und treulich lieb haben muß? Scheinet es doch, wie Tauler schreibt, als ob dem himmlischen Vater mehr an uns als an seinem eingebornen Sohn, und dem Herrn Christo mehr an uns als an ihm selbst gelegen sei, und daß die heilige göttliche Majestät unserer nicht entbehren könne.

Damit wir nun dies edle süße Geheimniß fruchtbarlich verstehen und reichlicher uns aneignen, so müssen wir allhier auf zwei Stücke gute Achtung geben. Erstlich müssen wir bedenken, was es für ein Schatz ist, den uns der Herr Christus erworben und dazu wir von ihm erlöset sind, daß wir ihn haben und besitzen sollen. Danach müssen wir auch seine Hand kennen lernen, in welcher uns der heilsame und theuer verdiente Schatz von ihm dargereicht, angeboten und vorgetragen wird.

Der erworbene Schatz heißt mit einem Worte: unsere Seligkeit, und wird hierunter verstanden der Herr Christus selbst mit allen seinen Gütern und gnadenreichen Wohlthaten, wie Er uns gemacht ist von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung (1 Cor. 1, 30). Wer Christum recht kennt und im Glauben recht ergreift, der ergreift die Fülle der Gottheit, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist, den rechten Schatz, das ewige Leben und das ewige Gut. Wenn du auch alles verlierst – wenn du nur Christum behältst. Wer alles hat in dieser Welt, was sein Herz begehrt, und hat Christum nicht – der ist arm, nackend und bloß, und hat weniger denn nichts. Dagegen wer nichts Eigenes hat in der Welt, und glaubet an Christum – der ist reicher denn der türkische Groß-Sultan oder ein indischer Nabob, und hat einen Schatz, der da gehet über Silber und Gold.

»Wenn ich nur Dich habe, sagt Assaph, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil« (Ps. 73, 25. 26). Desgleichen schreibt St. Paulus: »Ich achte alles für Schaden gegen der überschwänglichen Erkenntniß Jesu Christi, meines Herrn, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet, und achte es für Dreck, auf daß ich Christum gewinne.« Und bald hernach: »Nicht daß ichs schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ichs auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin« (Phil. 3, 8. 12). Dies ist der selige Schatz, den weder Motten noch Rost fressen, und welchen die Diebe nicht können stehlen.

1.
Christus der Baum des Lebens mit Wurzelgütern, Stammgütern und Fruchtgütern.

Ein einfältiger Christ kann sich das ganze Geheimniß dieses edlen hohen Schatzes fein einbilden und mit seligem Nutzen zu Herzen fassen, wenn er JEsum Christum oder die Seligkeit, durch Ihn erworben, sich vorstellet als hätte er vor sich einen ganzen Baum mit seinen zugehörigen Stücken, als da sind: die Wurzel, der Stamm, und die auserlesenen Früchte. Denn es ist Christus ja der Baum des Lebens, dessen in der Offenbarung St. Johannis gedacht wird (c. 2, 7). »Ich will sein, sagt er bei dem Propheten Hosea, wie eine grünende Tanne; an mir soll man deine Frucht finden« (Hos. 14, 9). Und in dem Hohenliede Salomonis singt die christliche Kirche von ihrem himmlischen Bräutigam: »Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. Ich sitze unter dem Schatten, deß ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß« (c. 2, 3).

Gleichwie nun zu einem Baum die genannten drei Stücke gehören, also finden wir am Baum des Lebens, das ist an unserem lieben Herrn und Heilande, auch dreierlei Güter, welche wir nennen können: die Wurzelgüter, die Stammgüter, und die Fruchtgüter. –

Die Wurzelgüter sind die ersten Wohlthaten, die uns unser Herr Christus erworben hat, das Fundament aller anderen. Darum wie man den Baum erst setzen und die Wurzel in die Erde bringen muß, ehe er ausschlägt und man seiner Frucht genießet: also kann von dem edlen Baum des Lebens Niemand weder der Stammgüter noch der Fruchtgüter theilhaftig werden, er habe denn die Wurzel zuvor gefasset und die Grundgüter im Glauben recht ergriffen.

Solcher Wurzel- und Grundgüter sind vornehmlich drei: erstlich die Gerechtigkeit, im Evangelio geoffenbaret: sodann der wahre Friede oder unsere Versöhnung mit Gott; und endlich die Victoria oder der Sieg, welchen Christus über den Teufel erworben hat.

Die Gerechtigkeit, im Evangelio geoffenbaret, begreift in sich die Erfüllung des Gesetzes, daß Christus aller Welt Sünde, Schuld und Uebertretung auf sich genommen und mit seinem heiligen Leben, Wandel, Gehorsam, Werken und herben bittern Tode unsere Schuld bezahlet und das Gesetz für uns erfüllet hat. Hiervon sagt die Schrift also: »Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubt, der ist gerecht« (Röm. 10, 4). »Gott hat seinen Sohn unter das Gesetz gethan, auf daß er die, so unter dem Gesetz waren, erlösete« (Gal. 4, 4. 5). »Er hat Den, Der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt« (2 Cor. 5, 21). Und abermal: »Das dem Gesetz unmöglich war, sintemal es durch das Fleisch geschwächet ward, das that Gott, und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches, und verdammte die Sünde im Fleisch durch Sünde; auf daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllet würde« (Röm. 8, 3. 4).

In diesen Schriftsprüchlein wird uns die seligmachende Gerechtigkeit beschrieben, und ist dies ihre Meinung: Das Gesetz erfordert von uns einen vollkommenen Gehorsam, daß wir sollen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften, und ein Jeder seinen Nächsten als sich selbst. Wer solches thut, der hat das ewige Leben. Wer übertritt, der ist verstricht und gehört in die Hölle. Nun sind wir aber alle Uebertreter und haben alle gesündigt. Deswegen fordert uns das Gesetz alle zur Strafe und will Keinen gen Himmel lassen, dieweil es unser Keiner gehalten hat. Christus aber erfüllet das Gesetz und bezahlet für uns aktiv und passiv, das ist mit wirklichem, thätigen, und mit leidendem Gehorsam oder mit Erduldung der Strafe. Denn Er thut für uns den Willen des Vaters und liebet uns bis in den Tod; auch träget Er unsere Sünde und läßt den Fluch des Gesetzes über sich ergehen, welchen Er doch nicht verschuldet hatte. Und weil das Gesetz hiermit gestillt und befriedigt wird, so schenket uns der Herr Christus solchen seinen Gehorsam, daß es sein soll unsere Gerechtigkeit, unser Schmuck und gleich als ein schön Kleid, damit Er unsere Sünde zudecket, so fern wir es durch den Glauben ergreifen und anziehen. Wie Jesaias sagt: »Ich freue mich im HErrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott: denn er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet« (Cap. 61, 10).

Das andere Grundgut ist der himmlische, werthe, edle und recht güldene Friede, oder unsere Versöhnung mit Gott dem Allmächtigen, und bestehet in Vergebung der Sünde, daß Gott um des vollkommenen Opfers seines allerliebsten Sohnes willen seinen gerechten Zorn allergnädigst schwinden und fahren läßt, und unserer Sünden in Ewigkeit nicht mehr gedenken will.

»Gott war in Christo, sagt der Apostel, und versöhnete die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu. Denn es ist das Wohlgefallen gewesen, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte und alles durch ihn versöhnet würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit daß er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz durch sich selbst« (2 Cor. 5, 19; Col. 1, 19. 20). Ich will gnädig sein, spricht Gott, ihrer Untugend und ihren Sünden, und ihrer Ungerechtigkeit will ich nicht mehr gedenken (Jerem. 31, 34). Das ziehet der Apostel zu den Ebräern (c. 8, 12; 10, 17) auf die Versöhnung, durch Christum bereitet, und hieher gehöret, was David sagt: »Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden, und vergilt uns nicht nach unserer Missethat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt er seine Gnade walten über die, so ihn fürchten; so fern der Morgen ist vom Abend, läßt er unsere Uebertretung von uns sein« (Ps. 103, 8. 10-12). Desgleichen spricht Micha: »Wo ist ein solcher Gott, wie Du bist? Der die Sünde vergiebt, und erlässet die Missethat den Uebrigen seines Erbtheils; der seinen Zorn nicht ewiglich behält. Denn er ist barmherzig. Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Missethat dämpfen, und alle unsere Sünde in die Tiefe des Meeres werfen« (Cap. 7, 18. 19).

Das dritte Wurzel- oder Grundgut ist die gnadenreiche Victoria oder der himmlische Sieg, daß unser Heiland uns elenden Adams-Kindern zum Trost und zur Seligkeit den Teufel, den Tod und die Hölle sammt der ganzen Welt überwunden hat, und schenkt uns diesen seinen herrlichen Sieg, daß wir uns desselben getrösten und wissen sollen: es könne und werde uns Niemand aus Seiner Hand reißen.

Er hat das Joch unserer Last, die Ruthe unserer Schultern, und den Stecken unseres Treibers zerbrochen, sagt Jesaias (Cap. 9, 4). Wir waren mit dem Tode beladen. Der Stachel des Todes ist die Sünde, und die Kraft der Sünde ist das Gesetz (1 Cor. 15, 56). Aber Gottes Sohn ist unseres Fleisches und Blutes theilhaftig geworden, auf daß er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel (Ebr. 2, 14). Denn es war der Teufel ein starker Gewappneter, und so lange als er seinen Palast bewahrete, blieb das Seine mit Frieden. Aber Christus der Stärkere kam über ihn und überwand ihn und nahm ihm seinen Harnisch, darauf er sich verließ, und theilete den Raub aus (Luc. 11, 21. 22). Er hat ausgezogen die Fürstenthümer und die Gewaltigen, und sie Schau getragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst (Col. 2, 15). Und diese Victoria, daß er Tod, Teufel, Hölle und die ganze Welt überwunden hat, theilet er uns eben mit in seinem Evangelio, da er spricht: »Es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an mir« (Joh. 14, 30). »Seid getrost, Ich habe die Welt überwunden« (16, 33). »So ich durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das Reich Gottes zu euch« (Luc. 11, 20). –

Wenn diese drei Wurzelgüter im Glauben gefasset und ergriffen sind, so folgen darauf die himmlischen Stammgüter, welche aus den ersten erwachsen und stehen wie ein Stamm auf seiner Wurzel. Und diese Stammgüter begreifen in sich solche Schätze und Wohlthaten, die weit und breit gehen und hoch herfahren über aller Welt Pracht, Wohlfahrt, Reichthum, Ehre und Herrlichkeit, und sind mit keinem Silber, mit keinem Golde, mit keinen Perlen noch Edelsteinen, ja nicht mit allen Königreichen auf dem ganzen Erdkreis zu gewinnen noch zu bezahlen. Wer aber Christum, den Baum des Lebens, im Glauben ansiehet und die Wurzelgüter an ihm erstlich gefasset und ergriffen hat, der kann zu den anderen auch kommen und derselben gleichfalls theilhaftig werden.

Es sind aber dieser Stammgüter auch drei, eben wie der Wurzelgüter: 1. Die selige Kindschaft. 2. Die himmlische Brautlust. 3. Die geistliche Tempel-Ehre. Solches merket wohl und stellet euch vor, als sähet ihr drei Kneuste an einem edlen hohen Stamm, die ihr zuvor erreichen müßt, ehe ihr auf die Aeste zu den Fruchtgütern kommen könnt.

Das erste Stammgut also ist die selige Kindschaft, daß uns Gott der Vater um seines allerliebsten Sohnes willen zu Kindern auf- und annimmt. Er will unser lieber Vater sein, und wir sollen seine lieben Kinder und seines eingebornen Sohnes liebe Brüder und Schwestern sein. »Sehet, sagt die Schrift, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen!« (1 Joh. 3, 1). »Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermal fürchten müßtet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Derselbige Geist giebt Zeugniß unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi« (Röm. 8, 15-17). »Ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christum Jesum« (Gal. 3, 26). Denn »wie viele ihn aufnahmen, denen gab er Macht Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben« (Joh. 1, 12). Darum schämet sich auch Christus nicht, zu heißen unser Bruder (Ebr. 2, 11).

»Gehe hin, spricht er zu Maria, zu meinen Brüdern, und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott« (Joh. 20, 17). »Denn wer den Willen thut meines Vaters im Himmel, derselbige ist mein Bruder, Schwester und Mutter« (Math. 12, 50).

»Wer nur dieser tröstlichen Zusage könnte glauben, sagt Luther hierzu, derselbe wäre schon im Paradeis und im Himmel. Was sollte doch ein solches Herz fürchten, das diesen Worten gläubet, oder wofür sollte es doch sorgen? Es müßte ja sagen: ich will für nichts sorgen, weil ich einen solchen Bruder habe. Ach wollte Gott, daß wir nur ein wenig davon, wüßten, und daß es nicht in unserem Herzen überschäumete, wie der Schaum auf dem Wasser! Denn so diese Lehre recht in das Herz sinket, so ist einem alles Leiden und Unglück ein Scherz, wie wir sehen an den lieben Märtyrern, an den Jungfräulein Agnes, Agatha und andern. Die sind von vierzehn Jahren gewesen und sind doch fröhlich und in Sprüngen in den Tod gegangen, nicht anders denn zum Tanz, wie man von ihnen lieset. Wo wächst solcher Muth einem so jungen Mägdlein her? Daher, daß sie glauben und gewiß dafür halten, sie sollen Miterben sein mit Christo. Das macht denn, daß ein Christ so gar von dem Glauben eingenommen wird, daß er alles Unglücks vergisset. O Du lieber Herr Gott, ist es doch um nicht mehr zu thun, denn daß man es fasse, und halte nur auf, und lasse es ihm schenken. So glaube doch dem Wort, und sei hoffährtig, trotze und poche darauf! Denn der Schatz ist des Pochens und Trutzens wohl werth. Christus will dein Bruder sein? So will Gott dein Vater sein! So müssen auch alle Engel deine Freunde sein, und es muß lachen und sich mit dir freuen Sonne, Mond und alle Sterne; die Hölle muß ganz und gar zugeschlossen sein, und muß nichts Anderes da sein, denn der väterliche und gnädige Wille Gottes. Siehe, so schön und lieblich kann der Herr Christus reden!«

Das andere Stammgut ist die himmlische Brautlust und bestehet hierin, daß unser Herr und Heiland will unser Bräutigam sein und uns, die wir an ihn glauben, für sein Gespons und auserwählte Braut erkennen; wie er denn hin und wieder das Himmelreich einer Hochzeit vergleicht und sich einen Bräutigam nennet. »Ich will, sagt er, mich mit dir verloben in Ewigkeit. Ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja im Glauben will ich mich mit dir verloben« (Hos. 2, 19. 20). Desgleichen schreibet Jesaias: »Der dich gemacht hat, ist dein Mann, Herr Zebaoth heißt sein Name, und dein Erlöser, der Heilige in Israel, der aller Welt Gott genennet wird« (Cap. 54, 5). St. Paulus: »Ihr Männer, liebet eure Weiber, gleichwie Christus auch geliebet hat die Gemeinde.« Und bald hernach: »Um deßwillen wird ein Mensch verlassen Vater und Mutter, und seinem Weibe anhangen, und werden zwei ein Fleisch sein. Das Geheimniß ist groß: ich sage aber von Christo und der Gemeinde« (Eph. 5, 25. 31. 32).

Sehr lieblich schreibet auch hierüber Luther: »Es ist eine große unaussprechliche Gnade und Gabe, wie sie St. Paulus nennet, so Gott den Christen gegeben hat, ob sie wohl vor der Welt nichts scheinet. Denn rechne du selbst, was es für Ehre und Herrlichkeit sein muß, da sich Christus, Gottes Sohn, so tief herunter läßt und so freundlich zu uns gesellet, daß er sich nicht schlecht lasset nennen unseren Herrn, ja auch nicht einen Vater, Bruder und Freund, sondern mit dem Namen der allerhöchsten Liebe und allernächsten Freundschaft auf Erden, daß er will unser Bräutigam sein und heißen, und mit uns ein Leib, wie man sagt von Mann und Weib, oder wie die Schrift redet: eines Fleisches und eines Gebeines sein; welches doch von keiner andern Verwandtschaft noch Freundschaft gesagt wird. Also hat er sich auf das allerlieblichste und freundlichste gegen uns erzeigen wollen und seine höchste Liebe angeboten, und zugesagt daß wir seine liebe Braut heißen sollen und ihn mit aller Zuversicht unsern lieben Bräutigam mögen nennen und rühmen. –

Diese Herrlichkeit und Schmuck, so durch Christum an dich gewendet und gehänget ist, kann ich nicht sehen, auch du selbst nicht, ohne so viel du mit dem Glauben davon fassest; und wenn wir könnten sehen und empfinden, was wir daran haben, achte ich, so wären wir schon im Himmel. Denn was könnte ein Mensch für größere Freude und Seligkeit haben, denn so er könnte gewiß und ungezweifelt sich darauf setzen und von ganzem Herzen rühmen: Christus ist ein Leib mit mir, und theilet mir mit alles was er hat und vermag, als ein Bräutigam seiner Braut. Da ist alles gemein, und einerlei Leib, Gut, Ehre, und sind mit allem ungetheilet. –

Alle anderen Freunde und Stände theilen sich, Kinder von ihren Eltern, Brüder und Schwestern aus einem Haus und Gut. Aber dieser Stand bindet und behält alles bei einander, also daß man darüber Vater und Mutter und alles verläßt, und eines bei dem anderen zusetzt, auch sein eigen Leben, so es eine rechte eheliche Liebe ist. Also hat Christus, spricht St. Paulus, an seiner Gemeinde gethan. Er hat sie geliebet und hat sich selbst für sie gegeben, auf daß wir mit ihm ein Leib würden und alles in ihm hätten, und uns sein und aller seiner Herrlichkeit, so er im Himmel hat, annehmen und trösten möchten als der unseren. O ein groß und herrlich Ding ist das! Wer kann es genugsam aussprechen, begreifen und bedenken, daß ein armer Madensack, in Sünden empfangen und geboren, soll zu solcher Herrlichkeit kommen, daß er heißt eine Braut der Majestät im Himmel, nämlich Gottes Sohnes, und er sich mit uns so vereinigt, daß alles, was er ist und hat, unser ist; und wiederum, was wir sind und an uns ist, auch alles sein wird? Was ist er aber? Er ist der schöne Bräutigam, ganz rein und ohne alle Gebrechen, der Herr aller Kreaturen, die ewige Gerechtigkeit, ewige Stärke und ewiges Leben. Summa: eitel ewig unbegreiflich Gut, das kein Herz nimmer genug kann fassen und daran gedenken, und an dem beide, Engel und Menschen, in Ewigkeit genug zu schauen haben. Dagegen sind wir arme elende Creaturen, voll Sünde und Unflath vom Fuß bis an die Scheitel, durch und durch verdorben, dem Teufel unterworfen, unter Gottes Zorn, zum Tode und Verdammniß verurtheilt. Darum muß es ja eine unaussprechliche Gnade und Brunst der Liebe sein, daß er sich so tief herunter läßt und williglich zu uns giebt, und so viel kosten läßt daß er uns zu sich bringt; schämet sich nicht, fein theures Blut zu vergießen und den schmählichsten Tod darum zu leiden, daß wir mögen seine Braut heißen und seine Güter besitzen, nämlich ewige Gerechtigkeit, Freiheit, Seligkeit und Leben, für die Sünde, Tod und Teufels-Gewalt, darin wir lagen.« Bis daher Luther.

Das dritte Stammgut ist unsere Tempel-Ehre oder Tempel-Herrlichkeit, daß nämlich Gott um seines Sohnes Jesu Christi willen uns so hoch ehret und macht uns zu seinen Tempeln und zu Wohnungen des heiligen Geistes, auf daß er mit uns und wir mit ihm vollkommen eins seien und er seine Residenz, Sitz, Sabbath und ewige Freuden-Ruhe in uns habe.

»Wer mich liebet, sagt der Sohn Gottes, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir (nämlich der Vater und ich) werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen« (Joh. 14, 23). »Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibet in mir und ich in ihm« (6, 56). Desgleichen schreibt der Apostel: Gott gebe euch »Kraft nach dem Reichthum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, und Christum zu wohnen durch den Glauben in euren Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden« (Eph. 3, 16. 17). »Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnet?« (1 Cor. 3, 16). »Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst? Denn ihr seid theuer erkauft« (Cap. 6, 19. 20). »Ihr seid Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen wohnen, und in ihnen wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein« (2 Cor. 6, 16).

Diesen großmächtigen, herrlichen, hochwichtigen, trostreichen Worten sollen wir fleißig Nachdenken, daß die ganze heilige Dreifaltigkeit unser sein und in uns wohnen will. Denn es hat unser lieber Gott des Menschen Leib und Seele anfänglich zu seinem selbsteigenen Palast bereitet. Da aber der arme elende Mensch durch die Sünde das Leben verlor und aus einem seligen Gottes-Hause ein garstig Teufels-Nest worden war, konnte Gottes Sohn solches nicht leiden, sondern eiferte um sein Erb-Haus, stieß die höllische Schlangenbrut und all das Otterngezücht heraus, stoßet das böse giftige Geschwürm auch, Gott sei Dank, noch täglich aus durch sein Wort und Geist, und besprenget uns mit seinem Blut im Glauben, daß wir wiederum saubere und reine Wohnungen der ganzen heiligen Dreifaltigkeit werden und uns mit seinem Geiste kräftiglich einnehmen und besitzen lassen.

Hoch würdest du dich ja freuen und fest dich darauf steifen, wenn dein Landes-Fürst mit großen Gütern bei dir einkehrte, dich stattlich ernährte, und starken mächtigen Schutz wider den Feind dir verhieße und zusagte. Wie viel tröstlicher ist's aber, daß der allmächtige, ewige, wahrhaftige, unsterbliche Gott, der allen Teufeln und der ganzen Welt zu gebieten hat, in dir mit seiner Kraft und Gnade residiren und wohnen will? Was ist Fröhlicheres, was ist Lieblicheres, was ist Nützlicheres und Zuträglicheres, als die freundliche Einkehr solches Miethsmanns und Einliegers? Daß ich höre: mein Leib und Seele sollen nicht eines guten Engels, noch eines irdischen Lichts, sondern der heiligen hohen Dreifaltigkeit Tempel und Palast sein? Da können wir ja recht sagen: Ist Gott für uns, wer mag denn wider uns sein? Der in uns ist, ist größer denn der in der Welt ist! Denn wo der ewige lebendige Gott ist, da müssen die lieben himmlischen Trabanten und Frohngeister auch mit zugegeben sein. Da kribbelts und wibbelts von lauter Engeln um uns her, welche um des allmächtigen Gottes willen auch uns dienen und uns auf unseren Wegen behüten.

Dies sind die heilsamen Stammgüter, durch Christum uns erworben und mit seinem sauren Schweiß und Blut verdienet. Sie werden nach Ordnung der heiligen Dreifaltigkeit also unterschieden, daß die Kindschaft eigentlich siehet auf Gott den Vater, unsere himmlische Brautlust auf Gott den Sohn, und unsere heilige Tempel-Ehre auf Gott den heiligen Geist. Nicht, als ob hierin eine jede Person ihr eigen separirt oder abgesondert Werk habe, welches sie ohne Gemeinschaft der anderen für sich allein wirke und schaffe. Denn zu einem jeglichen Stammgut kommt die ganze heilige Dreifaltigkeit. Da uns Gott der Vater zu seinen Kindern annimmt, thut er solches durch seinen Sohn, und giebt dazu den kindlichen Geist seines Sohnes in unsere Herzen. Also auch bei unserer himmlischen Verheirathung machet der Himmels-König seinem Sohn die Hochzeit, und der heilige Geist kommt dazu als ein Band der Liebe und knüpfet Braut und Bräutigam mit inbrünstigen Liebesflammen fest zusammen. Desgleichen da der heilige Geist in uns als in seinen Tempeln wohnet, kommt er gesandt von dem Vater und von dem Sohn, und kommt zugleich mit ihnen, so daß sie alle Drei in uns residiren und ruhen. Es wird aber darum von den drei Stammgütern eines dem Vater, das andere dem Sohn, und das dritte dem heiligen Geist zugeschrieben, weil die selige Kindschaft sonderlich stehet auf Gott den Vater, die Brautlust sonderlich stehet auf Gott den Sohn als aus den rechten Bräutigam, und die Tempel-Ehre sonderlich auf Gott den heiligen Geist. –

Nun folgen auf diese Stammgüter die Fruchtgüter, als: Friede und Freude im heiligen Geist, herzliche Liebe zu Gott und gegen den Nächsten, himmlische Kraft, Trost und Freudigkeit, daß erst gläubiger Christ frohlocket in dem Herrn, ist wider den Teufel, Tod, Hölle und die ganze Welt mit göttlicher Stärke gerüstet, beherzt, muthig und unerschrocken; tröstet sich der überschwänglichen Gnade und Barmherzigkeit Gottes, verleihet sich auf Gott den Vater, Sohn und heiligen Geist; lobet und preiset ihn mit fröhlichem Munde, betet und rufet ihn an von Herzen, verachtet alle weltliche Pracht, Hoffahrt und Eitelkeit, und stehen alle seine Gedanken nach dem Vaterlande des ewigen Lebens.

Es hangen aber solche Fruchtgüter des edlen Baums an zwei Aesten, welche sich auf dem hohen Stamme hervor thun. Der erste Ast wird genannt die königliche Hoheit, der andere heißt die priesterliche Würde. Von diesen beiden Aesten und zweierlei Frachtgütern zeuget das Buch der Offenbarung St. Johannis, da die Auserwählten im Himmel dem Lamme Gottes zurufen: »Du bist erwürget, und hast uns Gott erkauft mit Deinem Blut aus allerlei Geschlecht und Zungen und Volk und Heiden. Und hast uns unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und wir werden Könige sein auf Erden« (Cap. 5, 9. 10).

Die königliche Hoheit, das erste Frachtgut an dem edlen, süßen Baum des Heils, ist aber die Herrlichkeit, daß ein gottseliger Christ durch den Glauben herrschet über Tod, Teufel und Hölle; und durch Mittheilung der Kraft und Gnade unseres Heilandes Jesu Christi sehr mächtig ist und ein großer Siegesfürst, der im Glauben den Teufel, die Welt und alle Anfechtung überwindet, gleich als ob er einen Berg versetzte und viel größere Thaten ausrichtete, als wenn er könnte Aussätzige reinigen, Todte auferwecken und dergleichen Wunder thun.

Von dieser königlichen Hoheit zeugt der Herr Christus Selbst, da er spricht: »Wer überwindet, dem will ich geben mit Mir auf meinem Stuhl zu sitzen; wie Ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl« (Offenb. 3, 21). »Habt Glauben an Gott. Wahrlich, Ich sage euch, wer zu diesem Berge spräche: Hebe dich, und wirf dich in das Meer! und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte daß es geschehen würde was er saget, so wird es ihm geschehen, was er sagt« (Marc. 11, 23). »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet« (9, 23). Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: wer an mich glaubet, der wird die Werke auch thun, die ich thue, und Wird größere denn diese thun, denn ich gehe zum Vater« (Joh. 14, 12). »Wer da überwindet, und hält meine Werke bis an das Ende, dem will ich Macht geben über die Heiden, und er soll sie weiden mit einer eisernen Ruthe und wie eines Töpfers Gesäße soll er sie zerschmeißen« (Offb. 2, 26. 27). »Alles, schreibt St. Johannes, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat« (1 Joh. 5, 4). »Kindlein, ihr seid von Gott, und habt jene überwunden. Denn Der in euch ist, ist größer denn der in der Welt ist« (C. 4, 4). Desgleichen sagt St. Paulus: »Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden?« (1 Cor. 6, 2) »Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus« (Phil. 4, 13).

»Die Welt, so schreibt hiervon Luther, gaffet nur nach dem, das hoch und groß scheinet, reich und gewaltig ist und daher fahret im herrlichen Wesen und Pracht; und kann doch nicht erkennen, woher sie es haben. So du aber getauft bist, spricht Christus, und glaubst an mich, so bist du der Mann, der da viel mehr und Größeres hat und vermag, ja der eben die Werke und noch größere thut, denn ich jetzt thue. Denn ich will euch, die ihr an mich glaubet, zu solchen Herrn machen, daß eure Werke sollen mehr gelten und thun, denn keines Königs noch Herrn auf Erden. Ihr sollt schaffen und ausrichten, was ihr wollt, und mir helfen regieren geistlich über die Seelen zur Seligkeit, und auch leiblich durch euer Gebet erlangen und erhalten alles, was auf Erden ist. – Was wollt ich dafür geben, so ich gewiß wüßte, daß ich könnte einen Menschen vom Tode erretten? Was ist das aber dagegen, daß ich durch Christum soll und kann die Herzen und Gewissen trösten und retten, und dem Teufel aus dem Rachen reißen, dazu allen Menschen mit meinem Gebet helfen? Sollt ich doch aller Welt Gold und Silber, Gewalt und Ehre, wenn es auf einem Haufen vor mir läge, für Koth dagegen rechnen und anspeien. Christus sagt nicht: So ihr an mich glaubet, werdet ihr großen Schatz von Gold und Silber haben, Städte, Schlösser, Land und Königreiche einnehmen und besitzen. Denn damit wäre den Christen doch nicht geholfen. Sondern daß wir sollen Gewalt haben über Sünde, Tod und Teufel. Wie er denn zu den Aposteln sagt Luc. 10: Siehe, ich habe euch Gewalt gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpionen, und über alle Gewalt des Feindes, und wird euch nichts beschädigen. Denn ich habe das Wort in euren Mund gelegt, welches ist mein Wort, und die Taufe euch gegeben, welche ist meine Taufe, und will dadurch meine allmächtige Kraft beweisen. Weil wir denn solchen Schatz haben, so haben wir alles, und sind Herrn über alle Herrn. Bettler sind wir auf Erden, wie Christus auch selbst gewesen ist, aber vor Gott sind wir überschüttet mit allen Gütern. – Durch die Gewalt, will Christus sagen, die ich haben werde zur Rechten des Vaters, in gleicher göttlicher Majestät und öffentlich verkläret als wahrhaftiger Gott und der Herr aller Creaturen, will ich in euch wirken, die ihr an mich glaubet, mein Wort, Taufe und Sacrament habt und bei demselbigen bleibet. Und wie ich bin der Herr über Sünde, Tod, Hölle, Teufel, Welt und alles: so sollt ihrs auch sein, daß ihr euch könnet rühmen derselbigen Gewalt. Nicht daß ihr sie habt von eurer Würdigkeit oder aus eigner Kraft, sondern allein daher, daß ich zum Vater gehe. Und eben um der Ursach willen gehe ich hin zum Vater, daß ich solches anfange und ausrichte. Denn jetzt bin ich schwach, weil ich noch hienieden auf Erden in diesem Fleisch gehe und thue noch keine oder doch geringe Werke, als daß ich etliche vom Tode auferwecket oder einer Hand voll Juden geholfen habe, und muß mich jetzt kreuzigen und tödten lassen. Danach aber, wenn ich gekreuzigt, gestorben und begraben bin, so will ich erst einen Sprung thun aus dem Tode, aus dem Kreuze und Grabe zur ewigen Herrlichkeit und göttlichen Majestät und Gewalt, und will alsdann alles zu mir ziehen, daß mir alle Creaturen müssen unterworfen sein. Daß ich kann zu euch Aposteln und Christen sagen: du Petre oder Paule, gehe hin und stürze das römische Reich über einen Haufen, wo es nicht will mein Wort annehmen und mir gehorsam sein! Darum wer an Christum glaubt und trauet seinem wahrhaftigen Wort, der ist ein großmächtiger König, ein Herr aller irdischen Herren, die Gott nicht kennen; dazu ein Ueberwinder des Todes, des Teufels, der Hölle und der ganzen Welt, daß er kann große Wunder thun. Er kann falsche Lehre, Irrthum und Abgötterei, sammt ihrem ganzen Anhang, es seien Kaiser, Könige, Fürsten und dergleichen Potentaten, mächtiglich stürzen, alle Anfechtung stark in dem Herrn überwinden, alle Teufel bei Hunderten und bei tausenden in die Flucht treiben, aller Feinde spotten, den Tod verachten und nicht fragen nach aller Welt Zorn, Schrecken und Drohen. Wenn eine Plage kommen will, sagt David, so fürchtet er sich nicht; sein Herz hoffet unverzagt auf den Herrn. Sein Herz ist getrost, und fürchtet sich nicht, bis er seine Lust an seinen Feinden siehet (Ps. 112, 7. 8).

Hieher gehört auch, das zu den Ebräern von den gläubigen Vätern des alten Testaments gemeldet wird, welche haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirkt, die Verheißung erlangt, der Löwen Rachen gestopft, des Feuers Kraft ausgelöscht, sind des Schwertes Schärfe entronnen, sind kräftig worden aus der Schwachheit, sind stark worden im Streit, haben der Feinde Heer darnieder gelegt. Die Weiber haben ihre Todten von der Auferstehung wieder genommen (Ebr. 11, 33-35).« – Soweit Luther.

Der andere Ast an dem Baum des Lebens ist die priesterliche Würde, daß alle, die an Christum glauben, einen freien Zutritt haben zu Gott, welchem sie ihre Leiber opfern, halten Gespräch mit ihm und verkündigen sein Lob und Tugend, wie St. Petrus schreibt: »Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden Deß, Der euch berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht« (1 Petr. 2, 9). Desgleichen schreibt St. Paulus: »Ich ermahne euch, lieben Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst« (Röm. 12, 1). »Ihr sollet, sagt Jesaias, Priester des Herrn heißen, und man wird euch Diener unseres Gottes nennen« (Cap. 61, 6).

Mit diesen und anderen Zeugnissen der Art erinnert uns die Schrift, daß wir gläubigen Christen allesammt Priester Gottes seien durch Christum, unseren Hohenpriester, welcher durch das Opfer seines Leibes uns nicht allein mit Gott versöhnet, sondern auch solche priesterliche Würde erworben und uns dazu in der Taufe mit dem heiligen Geist gesalbet und geweihet hat, daß wir seinem Exempel nach auch opfern sollen. Nun opfern wir ihm unsere Leiber, nicht daß wir uns leiblich also kreuzigen und tödten lassen, wie Er gethan hat, sondern opfern uns selbst mit geistlicher Tödtung unserer sündlichen Gedanken, Lüste, Worte und Werke, wie St. Paulus sagt: »Welche Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden« (Gal. 5, 24).

Beten und Opfern waren die beiden vornehmsten Aemter der levitischen Priester im alten Testament, und haben vorgebildet das geistliche Priesterthum der christlichen Kirche, da allen Christen die zwei Stücke auch zugehören, als die wir alle durch Christum sind zu Priestern geweihet, und sollen alle stets beten und alle unserem lieben Gott täglich opfern.

Was ist aber das Gebet anders denn ein Gespräch mit Gott, mit welchem wir in Christi Namen, auf seinen Befehl und Verheißung reden, tragen ihm vor unsere Anliegen und Nöthe, begehren seiner Hülfe und zweifeln an der Erhörung nicht? »Wir haben Frieden mit Gott, sagt der Apostel, durch unseren Herrn JEsum Christum, durch welchen wir auch einen Zugang haben im Glauben« (Röm. 5, 1. 2). So spricht auch der Sohn Gottes: »Ich gehe zum Vater. Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun, auf daß der Vater geehret werde in dem Sohn. Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun« (Joh. 14, 12-14).

Danach opfern wir unserem lieben Gotte nicht Böcke, Kälber, Ochsen oder andere unvernünftige Thiere, welche im alten Testament nur Schatten und Figuren gewesen sind, sondern wir opfern ihm unsere Leiber mit ihren bösen Lüsten und Begierden, welche sind die rechten wilden und stößigen Ochsen und schädlichen Bestien, wo sie nicht getödtet werden. Wir opfern unser Herz durch das Feuer des göttlichen Zorns oder durch wahre Reue und Buße, so den Zorn Gottes wieder als ein Feuer in uns brennend macht, daß wir dadurch aufgeschreckt werden aus unserer Sicherheit und in seine Furcht fallen, wie David sagt: »Brandopfer gefallen Dir nicht. Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst Du, Gott, nicht verachten« (Ps. 51, 18. 19). Wir opfern unsern Mund, wenn wir Ihn loben und unsern Nächste» trösten, wie im Ebräerbrief geschrieben stehet: »Laßt uns durch ihn opfern das Lobopfer Gott alle Zeit, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen« (Ebr. 13, 15). Wir opfern ihm auch mit Werken der christlichen Liebe und Barmherzigkeit, wie St. Paulus die Philipper rühmet, da er spricht: »Ich bin erfüllet, da ich empfing durch Epaphroditum, was von euch kam, einen süßen Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig« (4, 18). Desgleichen opfern wir unsern ganzen Leib, wenn er gezäumet wird, nicht allein Gott zu gehorsamen, sondern auch zur Geduld, wenn er mit Krankheit oder mit dem Tode angegriffen wird, wie der Apostel sagt: »Ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden« (2 Tim. 4, 6).

Sehet, lieben Freunde, da haben wir den Baum des Lebens, den Herrn Christum selbst, mit allen Gütern, die er uns zum Besten erworben und verdienet hat; den ganzen Baum mit seinen Wurzelgütern, Stammgütern und Fruchtgütern. Und ist mir kein Zweifel: wer diese richtige Ordnung der theuer erworbenen Güter sich fleißig vorhält, der lernet Christum recht erkennen, recht fassen und ganz ergreifen, daß er wisse, wozu er ihm diene und was er für reiche Schätze und Wohlthaten an ihm finden kann. Dem allen kannst du leichtlich Nachdenken, auch richtig davon reden, predigen und Andere unterrichten, wenn nur des edlen Baumes mit seiner Wurzel, Stamm und Früchten nicht vergessen wird.

2.
Die Gebers- und die Nehmers-Hand.

Nun ist aber ferner auch ist Achtung zu nehmen, was Gott für eine Hand vom Himmel herabstrecke, darin er uns diese Güter anbietet und hinreicht. Denn wer ihrer begehret, der muß vor allen Dingen wissen, wo Christus anzutreffen und wo er sich will finden lassen. Hiezu giebt uns der Apostel Paulus eine sehr gute Anleitung, wenn er sagt: »Sprich nicht in deinem Herzen: wer will hinauf gen Himmel fahren? Das ist nicht anders denn Christum herab holen. Aber was sagt sie (die Gerechtigkeit aus dem Glauben)? Das Wort ist dir nahe, nämlich in deinem Munde, und in deinem Herzen. Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen. Denn so du mit deinem Munde bekennest JEsum, daß er der Herr sei, und glaubest in deinem Herzen, daß ihn Gott von den Todten auferwecket hat, so wirst du selig« (Röm. 10, 6. 8. 9).

Allhier werden uns zwo unterschiedliche Hände gezeigt, welche in diesem Geheimniß zusammen kommen, und zwar eine gebende und eine nehmende Hand.

Die gebende Hand ist Gottes Wort oder das heilige Evangelium mit seinen angehängten hochwürdigen Sacramenten und Siegeln, der Taufe und dem Abendmahl, in welchen uns der Herr JEsus Christus aus großer inbrünstiger Liebe seine edlen Wohlthaten, deren vorher gedacht worden, vortragen und darbieten läßt. Ist auch selbst in diesem ganzen Handel, wo sein Wort gepredigt und die heiligen Sacramente ausgespendet werden, gegenwärtig nach beiden Naturen, und kehret durch den Glauben zu uns ein sammt dem Vater und heiligen Geist, daß wir in ihm bleiben und er in uns. Zudem reichet er in seinem heiligen hochwürdigen Abendmahl seinen wahren Leib und sein wahrhaftiges Blut neben dem geistlichen Genießen uns auch mündlich zu essen und zu trinken, damit wir ja seiner stets gedenken und seines herben bittern Todes, wie auch aller seiner theuer erkauften Güter nimmermehr vergessen.

Wer kann aber die grundlose Leutseligkeit und Menschenliebe unseres Heilands genugsam rühmen, preisen und ausreden, die er in allen seinen Werken gegen uns so reichlich erzeiget und beweiset? Denn aus großer inbrünstiger Liebe hat er unser Fleisch und Blut an sich genommen. Aus wahrer Liebe ist er für uns gestorben. Aus herzlicher Liebe hat er uns die heilsamen hochwürdigen Güter: die Gerechtigkeit des Glaubens, den Frieden mit Gott, den Sieg und Ueberwindung des Teufels, die selige Kindschaft, die himmlische Brautlust, die heilige Tempelehre, die königliche Herrlichkeit und die priesterliche Würde erworben. Läßt sie auch uns allen aus unaussprechlicher Liebe in seinem Wort und Sacramenten reichlich verstellen und vortragen, und ist selbst dabei gegenwärtig, daß wir ihn mit allen seinen Schätzen annehmen und besitzen sollen.

Und auch dabei lässet Ers nicht bleiben, sondern giebt uns aus großer inbrünstiger Liebe seinen Leib und sein Blut beides geistlich und leiblich zu essen und zu trinken: geistlich im Glauben und leiblich mit unserem Munde. Warum thut er das? Antwort: Gott, ob er wohl die Liebe selbst, ist doch auch nach seinem bloßen Wesen den sündhaftigen Adams-Kindern ein verzehrendes Feuer, angezündet und in Zorn entbrannt durch unsere Uebertretung. Daher sind wir von Natur schüchtern, und fürchten uns peinlich vor der göttlichen Majestät als vor einem brennenden und verzehrenden Feuer. Nun wir ihm aber durch Christum versöhnet sind, läßt er seinen Zorn fahren und ist wieder unser Freund; und damit er seine inbrünstige Liebe uns recht klärlich zeige und wir uns nicht vor ihm fürchten dürfen, so reicht uns Christus seinen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken, geistlich und leiblich, auf daß er mit uns und wir mit ihm wiederum ein Kuchen würden.

Solches thut er aus großer inbrünstiger Liebe. Aus Liebe giebt er sein Fleisch zu essen und läßt sein Blut trinken, daß wir daraus abnehmen sollen, wie lieb Gott die Menschen habe und wie er mit Nachlassung und Ablegung seines gerechten Zorns begehre vollkommen eins mit uns zu sein und uns ihm auf das allernächste zu vereinigen und zu verknüpfen, damit wir stets in ihm bleiben und er ewig in uns. O der unaussprechlichen Liebe, deren wir uns nimmer genugsam können verwundern, und darum wir billig das hochwürdige Abendmahl in Ehren halten und zum öftern besuchen sollten, mehr als es leider geschieht. – Hier haben wir das Geheimniß, welches die Kalvinisten, sonderlich aber die Zwinglianer sammt den übersichtigen Rottengeistern und Sectirern, den Wiedertäufern und Schwenkfeldern, Caspar Schwenkfeld, herzogl. liegnitzscher Rath, Zeitgenosse und anfangs Freund Luthers, ein ohne Zweifel aufrichtiger Christ, der sich aber durch seine Freundschaft für innerliches Christenthum und durch seine Feindschaft gegen alles Aeußerliche so weit verleiten ließ, die Kindertaufe und die evangel. Lehre von der Rechtfertigung zu verwerfen und vom Abendmahl zu lehren: es bedeute nur, daß Christus das wahre Brot für die Seele; nur durch die geistige Gemeinschaft mit Christo, nicht durch den äußerlichen Abendmahlsgenuß, werde man seines Leibes und Blutes theilhaftig. Die Einsetzungsworte erklärte er: mein Leib ist dies, nämlich das wahre Brot für die Seele; mein Blut ist dies, nämlich der wahre Trank für die Seele. In seinen zahlreichen Schriften offenbarte er immer mehr seine völlige Abweichung von der Augsb. Confession. Seine Parthei hat sich, besonders in Schlesien, lange erhalten. Im 12 Art. der Concordienformel sind die Schwenkfeldischen Irrlehren unter 7 Nummern ausdrücklich verworfen. nicht verstehen noch merken. Deswegen lassen sie den Fleisch gewordenen Gott fahren und wollen außerhalb des Fleisches Christi mit der bloßen Gottheit, die da ist ein verzehrend Feuer, zu thun haben. Ein gottseliger Christ aber merkt auf die Worte des Abendmahls und hält sich nach dem buchstäblichen Verstande einfältig zu Christi Leib und Blut, daß er sich nicht an der bloßen Gottheit die Finger verbrenne, sondern ihn ansehe, wie er sich im Fleisch geoffenbaret und aus herzlicher Liebe seinen Leib zu essen und sein Blut zu trinken reichet.

Die nehmende Hand ist unser Glaube, der das Wort des Evangelii fasset und im Evangelio den Baum des Lebens mit allen seinen Wurzelgütern, Stammgütern und Fruchtgütern ergreift, so daß sie uns applicirt und zugeeignet werden. Und hier ist der Glaube, wenn er den Baum des Lebens fasset, auch selber wie ein fruchtbarer Baum, wenn er siehet und erkennet die große Liebe und Leutseligkeit unsers Herrn Christi. Das kann er nicht verborgen halten, sondern muß es rühmen und preisen, das ganze Werk der Erlösung mit den heilsamen Schätzen und theuer erworbenen Gütern. Da lobet er Christum, seinen großen Liebhaber, und wollte ihn gern herzlich wieder lieben, schreiet zu ihm, singet ihm, bekennet ihm Alles und spricht:

O Jesu mein Erlöser, meine Liebe und meines Herzens Freude, Du wahrer Gott von Gott, stehe mir, Deinem armen Diener, doch in allen Gnaden bei! Dich rufe ich an mit großem Geschrei, zu Dir flehe ich von ganzem Herzen. Ich rufe Dich zu meiner Seele hinein, daß Du zu ihr einkehrest und sie Dir zur Wohnung bereitest, damit Du sie ohne Runzel und ohne Makel besitzest. Denn für Dich gehöret eine reine Wohnung, der Du bist der allerreinste Herr. Darum heilige mich, Dein Werkzeug, das Du geschaffen hast! mache es rein von aller Bosheit, erfülle es mit Deiner Gnade und erhalte es in der Fülle, daß ich möge ein Tempel sein würdig Deiner Einwohnung, hier zeitlich und dort ewiglich!

Ei Du allersüßester, Du allergütigster, Du allerangenehmster, Du allerwerthester, Du allerlieblichster, Du allerschönster Herr Jesu! Du schmeckest mir süßer denn Honig, Du scheinest mir weißer denn Milch und Schnee, Du gehest mir über Wein und Malvasier und bist mir lieber denn Gold und Edelsteine, ja lieber denn aller Reichthum und alle Ehre der ganzen weiten Welt. Was soll ich sagen, Herr mein Gott, Du meine einige Hoffnung? Was soll ich sagen von Deiner großen Barmherzigkeit? Was soll ich sagen, o Jesu, der Du bist meine selige und sichere Süßigkeit? Ich sage was ich kann, aber ich sage noch nicht was ich soll. O daß ich von Dir reden könnte, wie die jauchzenden und freudenreichen Chöre der Engel von Dir reden! O wie gern wollte ich alle meine Sinne, Kräfte und Gedanken dahin richten, daß Du möchtest gerühmet und gepreiset werden! O wie andächtig wollt ich englische Lieder nach himmlischer Melodie mitten in der christlichen Gemeinde Dir zu Lob und zu Ehren Deines herrlichen Namens ohne Aufhören singen!

Aber weil mir solches zu thun unmöglich, soll ich darum schweigen? Wehe allen, die von Dir schweigen, Der Du der Stummen Mund lösest und auch den Unmündigen und Säuglingen redselige Zungen verleihest! Wehe denen, die nicht von Dir reden, sintemal sie auch mit redender Zunge stumm sind, wenn sie nicht Dein Lob ausreden! Aber wer kann Dich nach der Würde genug loben? O Du unaussprechliche Kraft und ewige Weisheit des Vaters! ich zwar finde keine Worte, damit ich Dich genügend beschreiben könnte, Du allmächtig und allwissend Wort. Doch will ich von Dir reden was ich kann, bis Du mich heißest zu Dir kommen, wo ich dann von Dir reden kann, wie sichs gebührt und wie ich reden soll. Und darum bitte ich Dich demüthiglich, Du wollest nicht sowohl sehen auf das was ich jetzt rede, sondern vielmehr auf das was ich zu reden begehre.

Dir gebühret alles Lob, alle Glorie und alle Ehre. Nun weißt Du, HErr mein Gott, Du Erforscher aller Dinge, daß Du mir angenehmer und lieber bist denn Himmel und Erde und alles was darinnen ist. Denn ich liebe Dich über das Alles, und soll ja auch alles was vergänglich ist, so fern es nicht um Deines Namens willen geschieht, schlechterdings nicht lieben.

Und warum sollt ich Dich nicht über alle Dinge lieben, da Du aus großer inbrünstiger Liebe soviel um meinetwillen gethan hast, der Du mächtig bist und deß Name heilig ist? Du bist aus großer Liebe für mich gestorben und mein Erlöser, mein Helfer, mein Schutz, mein Heiland und meine Zuflucht worden. Du bist mir ein Baum des Lebens, und hast mit Deinem herben bittern Tode, wie auch mit Deiner siegreichen Auferstehung und Himmelfahrt mir die tröstlichen Wurzelgüter, die herrlichen Stammgüter und die prächtigen Fruchtgüter erworben. Du schenkst mir Deine Gerechtigkeit, Deinen Frieden und Deine Victoria. Du schaffest mir die selige Kindschaft des ewigen Lebens, Du bist mein himmlischer Bräutigam und bereitest mich zum Tempel und Wohnung des heiligen Geistes. Du hast mich zu einem Könige und Priester gemacht dem Herrn meinem Gott, daß ich mit Dir ewiglich herrschen und regieren soll.

Darum liebe ich Dich, mein Gott, mit großer Liebe, und wollte gern daß ich Dich mehr und stärker lieben konnte. Ach gieb mir, daß ich Dich allerwege liebe so viel ich will und so viel ich soll, auf daß Du allein mögest sein in meinem Sinn und in allen meinen Gedanken. Laß mich des Tages ohne Unterlaß an Dich gedenken, laß mich Dich des Nachts im Schlafe fühlen, laß meinen Geist Dich anreden und mein Herz Gespräch mit Dir halten. Erleuchte mein Herz mit dem Licht Deines Antlitzes; regiere und führe mich, daß ich in Deiner Kraft wandele und zunehme, und Dich, den Gott aller Götter und den König zu Zion, sehen möge, hier zwar als durch einen Spiegel im dunkeln Wort, dort aber von Angesicht zu Angesicht.

Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Wohl denen, Herr, die in Deinem Hause wohnen, sie loben Dich immerdar. Darum bitt ich Dich, o Herr, durch alle Deine Gnade und Barmherzigkeit, dadurch wir vom ewigen Tode erlöst werden, Du wollest mein hartes, steinernes, felsiges und eisernes Herz mit Deiner allerheiligsten und starken Salbung erweichen und mich mit dem durchdringenden Feuer Deiner Liebe erwärmen und durchbraten, daß ich jederzeit ein lebendig Opfer vor Deinen Augen sein möge. Gieb, daß ich allerwege vor Deinem Angesichte habe ein zerschlagenes und zerknirschtes Herz, mit vielen heißen Thränen durchnetzt und besprengt. Gieb, daß ich in Deiner Liebe dieser Welt gänzlich absterbe und aller zeitlichen Dinge vergesse, aus großer Furcht und Liebe zu Dir, also daß ich um des Zeitlichen willen weder weine noch mich freue, daß ich es auch ja nicht liebe und lasse mich durch Lieb und Leid, durch Freud und Schmerz nicht verblenden noch betrüben, durch Rosen nicht locken und durch Dornen nicht schrecken.

Und weil die Liebe stark ist wie der Tod, so bitte ich Dich: laß Du die feurige und honigsüße Kraft Deiner Liebe mein Herz, Sinne und Gedanken abreißen von allem, was unter der Sonne ist, damit ich Dir allein recht anhange und mich mit stetem Gedächtniß an Deiner Lieblichkeit weide. Laß vom Himmel herabfahren in mein Herz Deinen allerlieblichsten Geruch. Ach laß Deine honigsüße Liebe zu mir einkehren! Laß zu mir kommen, Herr mein Gott, den wundersüßen Geschmack Deiner Güte; derselbige erwecke in mir eine ewige Lust nach Dir und sei in meinem Herzen wie eine lebendige Wasserquelle, die zum ewigen Leben hinein springt. Unermeßlich bist Du, Herr, und darum sollst Du billig ohne Maaß geliebet, gerühmet und gelobet werden von denen, die Du mit Deinem theuren Blut erlöset hast.

Ei Du allergütigster Liebhaber der Menschen, Du allergnädigster Herr und allerliebreichster Richter, welchem der Vater alles Gericht übergeben hat, Du urtheilest nach Deinem allerweisesten Gericht und hältst es für recht und billig, daß gleich wie die Kinder dieser Welt aus tiefer Liebe der Nacht und der Finsterniß dem vergänglichen Reichthum und eitler Ehre mit allem Fleiß und Kraft nachhangen und sie suchen und lieben: also sollen wir, Deine Diener, viel mehr Dich unsern Gott lieben, durch welchen wir erschaffen und erlöst sind. Denn so ein Mensch den andern mit so großer Liebe liebet, daß er seiner Gegenwart nicht entrathen kann; und so eine Braut ihrem Bräutigam mit inbrünstigem Gemüth so anhanget, daß sie vor großer Liebe nicht rasten noch ruhen kann, sondern bekümmert und betrübet sich herzlich, wenn er von ihr abwesend ist: – o Du lieber Gott, wie viel größer sollte denn billig die Liebe, der Fleiß und der Ernst sein, damit meine Seele, welche Du Dir im Glauben und in Gnaden vertrauet hast, Dich wieder lieben sollte, Dich wahren Gott Und Dich allerschönsten Bräutigam, der Du uns so sehr geliebet und so hoch begnadigt, und hast um unsertwillen so viel und so Großes gethan?

Es haben wohl auch die irdischen und vergänglichen Dinge ihre Freude und Belustigung, aber doch sind sie nichts gegen Dich, Herr unser Gott, in welchem sich der Gerechte von Herzen erfreuet, und dessen Liebe eine so sanfte und so süße ist wie keine. Denn die Herzen, welche Du besitzest, die erfüllest Du mit Deiner Gütigkeit, mit Deiner Lieblichkeit und mit Deiner Ruhe. Dagegen ist die Liebe der Welt und des Fleisches zweifelhaft und verworren, und wo sie zur Seele einkehret, da leidet sie keinen Frieden. Sie erweckt immerdar Argwohn, Furcht und allerlei Störung. Du aber bist aller Gläubigen einige Lust und Liebe. Bei Dir ist eine mächtige Ruhe und ein Leben ohne Schrecken und ohne Anfechtung. Wer zu Dir einkehret, Du guter Herr, der gehet in die Freude seines Herrn und fürchtet sich hinfort nicht, sondern befindet sich selig und spricht: Dies ist meine Ruhe ewiglich. Hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl. Der Herr ist Mein Hirt, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue.

Ei Du süßer Christe, Du guter JEsu, so bitte ich Dich: erfülle doch stets mein Herz mit unaussprechlicher Liebe und mit ewigem Gedächtniß Deines Namens also, daß ich wie eine feurige Flamme stets brenne in der Süßigkeit Deiner Liebe und daß viele Wasser solche Liebes-Brunst in mir nimmer auslöschen. Verleihe mir doch, mein allerliebster Herr, daß ich Dich recht liebe, und daß ich aus herzlichem Verlangen nach Dir möge ablegen die Bürde aller fleischlichen Begierden und die schwerste Last aller zeitlichen Lüste, die meine arme Seele kränken und beschweren. Laß mich sie ablegen, daß ich in dem edlen Geruch Deiner Salbe Dir nachlaufe und durch Deine Begleitung bald zu Dir komme, da ich an dem lieblichen Anschauen Deines allerschönsten Angesichts mich ewiglich erquicken werde.

Denn es giebt eine doppelte Liebe, eine gute und eine böse. Die eine ist süß und die andere bitter, und diese beiden reimen sich nicht in einem Herzen. Darum so Jemand etwas neben Dir liebet, Herr mein Gott, in dem ist nicht Deine Liebe. Ei du edle Liebe, die du nicht quälest, sondern erfreuest; du reine Liebe, die du keusch bleibst in alle Ewigkeit; du feurige Liebe, die du stets brennest und nimmer ausgehest: zünde mich durch und durch an mit deinem Feuer, mit deiner Lieblichkeit, mit deiner Süßigkeit, mit deiner Freude, mit deiner Wollust, auf daß ich, mit deiner Süßigkeit erfüllet und von deinen Feuerflamme angezündet, Dich meinen Gott liebe von ganzem Herzen und von allen Kräften meiner Seele, und Dich an allen Orten stets in meinem Herzen, auf meiner Zunge und vor meinen Augen habe, damit nicht irgend welche falsche ehebrecherische Liebe mich beschleiche.

Erhöre mich, HErr JEsu! erhöre mich, du seliges Licht meiner Augen! Höre mein armes Gebet gnädig an und verleihe mir doch, warum ich Dich bitte! Ach Du mein barmherziger Heiland, Du wollest um meiner Sünde willen ja Deine Ohren nicht gegen mich verstopfen, sondern um Deiner großen Güte willen das Gebet Deines Knechtes aufnehmen und mich meiner Bitte gewähren, der Du mit dem Vater und dem heiligen Geist herrschest und regierest immer und ewiglich. Amen.

Mit solchen und ähnlichen Gebeten soll ein Christ den Glauben als eine nehmende Hand fleißig üben und den Herrn Christum, seinen höchsten Freund und rechten Baum des Lebens, mit allen seinen Gütern ergreifen und ihm zueignen. Dazu bedenke recht, warum der Sohn Gottes so viel um deinetwillen gethan und so viel edle Güter durch Sein Erlösungswerk dir erworben hat. Denn Er suchet damit nichts Anderes, als das ewige Leben, daß du selig werdest, daß du ewige Gemeinschaft habest mit der ganzen heiligen Dreifaltigkeit im Himmel, und lebest in ewiger inbrünstiger Liebe mit Gott dem Vater, mit Gott dem Sohn und mit Gott dem heiligen Geist.

III.
Unsere Wiedergeburt zum ewigen Leben.

Nun folget die dritte Wohlthat, unsere Wiedergeburt zum ewigen Leben. Es ist aber die Wiedergeburt ein Werk der unaussprechlich großen Barmherzigkeit, und Leutseligkeit unseres Gottes, und bestehet darin, daß er die Sünder als geistlich todte Menschen durch das Wort und Sacrament beruft, sammlet und erleuchtet; schreckt sie durch die Predigt des Gesetzes, und wenn sie damit wie mit einem Hammer wohl zerstoßen und zermalmet sind, dann tröstet er sie mit dem Evangelio, erweckt den Glauben und rechnet ihnen die verdiente Gerechtigkeit, Unschuld und Victoria unseres Herrn Christi zu durch den Glauben, nimmt sie zu Gnaden an, erkennt sie für sein Eigenthum, giebt ihnen den heiligen Geist, regieret und führet sie nach seinem Wort; hält sie auch unter dem Kreuz zur Tödtung des alten Adams, zur Probirung des Glaubens, Beförderung des Gebets und des neuen Gehorsams, und holet sie endlich aus diesem Jammerthal zu sich heim in das himmlische Paradies und Vaterland des ewigen Lebens.

Von diesem Geheimniß zeuget die Schrift an vielen Orten und spricht, daß die Kinder Gottes nicht vom Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren seien (Joh. l, 13). »Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: es sei denn daß Jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dichs nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden« (Joh. 3, 5-7). St. Petrus spricht: »Gott hat uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung, durch die Auferstehung Jesu Christi von den Todten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel« (1 Petr. 1, 3. 4).

Damit wir nun diese edle und trostreiche Lehre recht zu Herzen nehmen, müssen wir zuerst wissen, daß uns hierin abermal Gottes unaussprechliche Liebe, die er zu uns Menschen trägt, reichlich entdeckt und gleich als mit lebendiger Farbe herrlich abgemalt und ausgestrichen wird. Denn gebären und Kinder zeugen sind ja Werke der Liebe und rühren aus natürlicher Liebe her, wie Salomo redet im Buch der Weisheit: »Ich bin ein Fleisch gebildet, zehn Monate lang im Blut zusammen geronnen, aus Mannes Samen durch Lust im Beischlaf« (Cap, 7, 2). Gehet nun Gott auch mit Geburt um, daß er Menschen wiedergebieret und aufs neue zeuget, wahrlich so muß er die Leute wunderlieb haben und ein recht inbrünstiges Verlangen nach unserer Seligkeit tragen.

Auch können wir aus Vergleichung der natürlichen Geburt und der übernatürlichen himmlischen Wiedergeburt eines Menschen etlichermaaßen abnehmen, wie mütterlich, wie lieblich und überaus heilsamlich unser frommer Gott das edle hohe Werk der Wiedergeburt an uns erfülle und ausrichte.

Denn gleichwie der Mensch anfänglich im Mutterleib als in einer schmalen Herberge und engen Welt formirt und bereitet wird zu dieser weiten Welt, daß er darin herrsche, wohne und lebe: also wird er danach in dieser großen Welt von Gott neu geboren und aufs Neue zugerichtet zu einem himmlischen Leben und zu einer anderen neuen Welt, die viel tausendmal schöner, lustiger, lieblicher, prächtiger und herrlicher ist, d. i. zu dem himmlischen Paradies und Vaterland der ewigen Freude, daß er droben im Himmel in unaussprechlicher Wonne und Herrlichkeit mit Christo und allen Auserwählten ewiglich lebe und regiere. Und gleichwie er im Mutterleibe anhebt natürlich zu leben und sich zu regen, damit er nicht todt auf die Welt komme, sondern bringe das Leben aus der schmalen engen Herberge mit in die große weite Welt, darin es dann gestärkt wird – also erlangt er den Anfang seines himmlischen Lebens in dieser Welt auf Erden und bringts durch den Tod mit sich in den Himmel, da es erst wird ein vollkommen Leben voll aller Freude und Seligkeit.

Allhier müssen wir aber die näheren Umstände dieses edlen Geheimnisses recht ansehen. Und zwar wollen wir bedenken: 1) Wer eigentlich der Vater und Werkmeister dieser Wiedergeburt sei und was ihn zu diesem Werk bewege. 2) Wer doch die Mutter oder die schwangere Gebärerin sein möge und was dieselbe für einen Mutterleib habe, darin dies Werk verrichtet wird. 3) Womit diese Mutter besamet werde, und was für äußerliche Werkzeuge dazu kommen, die den heiligen himmlischen Samen ausbreiten und forttragen. 4) Wie das ganze Werk der heiligen Wiedergeburt in dem geistlichen Mutterleibe eigentlich zugehe, wie lange es währe und was es für ein Ende nehme. 5) Wozu der Mensch wiedergeboren werde, wie die Schrift die Wiedergeborenen nennet, und wie ein Christ auf dieser Welt ihm vor allen Dingen die himmlische Wiedergeburt soll lassen angelegen sein. Diese fünf Stücke laßt uns ordentlich nach einander erwägen.

1.
Der Vater.

Zunächst ist der Vater oder Urheber, von welchem die Wiedergeburt herrühret, nicht ein Engel, nicht ein bloßer Mensch, noch sonst irgend eine schwache Creatur im Himmel oder auf Erden, sondern der ewige allmächtige Gott selbst, wie die Schrift ausdrücklich zeuget, daß die Kinder Gottes nicht von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren seien.

Und wird das Werk der Wiedergeburt sonderlich Gott dem heiligen Geist zugeschrieben, nicht als wären der Vater und der Sohn davon abgesondert, relegirt oder ausgeschlossen, sondern weil der heilige Geist ganz eigentlich hierzu von dem Vater und Sohn gesandt wird und dies Werk seiner Sendung nach ihrer Beider Willen verrichtet. Deswegen müssen wir die drei vornehmsten Wohlthaten Gottes: die Schöpfung, die Erlösung und die Wiedergeburt also unterscheiden lernen, daß, obwohl zu jedem Werk Gott der Vater, Sohn und heilige Geist zusammen kommen, dennoch die Schöpfung Gott dem Vater, die Erlösung Gott dem Sohn, und die Wiedergeburt Gott dem heiligen Geist vornehmlich zugeeignet und zugeschrieben wird.

Was mag aber den ewigen allmächtigen Gott dazu bewegen, daß er uns armen Erdwürmlein so eine großmächtige Wohlthat erzeiget? Fürwahr unsere Würdigkeit und guten Werke thuns nicht, sintemal wir von Natur zu allem Guten erstorben sind und mit unseren Sünden sonst nichts, denn Gottes Zorn, den Tod, die Hölle und alles Unglück verdienet und uns auf den Hals geladen haben. Recht sagt aber St. Petrus, daß uns Gott nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren habe, wie auch der Herr Christus zeuget, daß Gott aus Liebe seinen Sohn der Welt schenke und gebe.

Denn gleich wie ein frommer barmherziger Vater, wenn er seinen Sohn als einen Todten sähe vor sich liegen, – ob auch der Sohn selbst mit einem Messer sich gestochen oder umgebracht hätte – würde es ihn doch von Herzen jammern und ihm sehr wehe thun, und wenn er könnte, schaffte er Rath und suchte alle Wege und Mittel, den Sohn wieder lebendig zu machen: – also auch wir, da wir todt waren durch Uebertretung und Sünden und waren von Natur Kinder des Zorns, da ließ Gott sehen den Reichthum seiner Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns geliebet hat. Denn »da wir todt waren in den Sünden, hat er uns sammt Christo lebendig gemacht. Und hat uns sammt ihm auferwecket, und sammt ihm in das himmlische Wesen versetzet in Christo Jesu.« Da sind wir »aus Gnaden selig geworden durch den Glauben«, und dasselbe ist nicht aus uns, »Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich nicht Jemand rühme« (Ephes. 2, 5. 6. 8. 9).

2.
Die Mutter.

Ja, sprichst du, ist Gott selbst der Vater, der uns nach seinem Willen wiederzeuget: was hat er denn für eine Frau, die von ihm empfähet, gebieret und die Mutter ist der wiedergeborenen Kinder?

Antwort: Die Mutter ist die heilige christliche Kirche, welche, ob sie wohl scheinet vor der Welt ein armes geringes Häuflein, ja wie ein unfruchtbares Weib und eine einsame und verlassene Wittwe zu sein – so schwängert sie doch der allmächtige Gott, ihr Mann und himmlischer Bräutigam, jederzeit mit seinem Wort und Geist, daß sie immer gebieret und ist nimmer ohne Kinder, wird auch nicht aufhören zu gebären bis hin zum jüngsten Tage. »Rühme, du Unfruchtbare, sagt der heilige Geist zu ihr, die du nicht gebierest; freue dich mit Ruhm und jauchze, die du nicht schwanger bist. Denn die Einsame hat mehr Kinder, als die den Mann hat, spricht der Herr. Mache den Raum deiner Hütte weit, und breite aus die Teppiche deiner Wohnung, spare seiner nicht; dehne deine Seile lang und stecke deine Nägel fest. Denn du wirst ausbrechen zur Rechten und zur Linken; und dein Same wird die Heiden erben, und! in den verwüsteten Stätten wohnen. Fürchte dich nicht, denn du sollst nicht zu Schanden werden; werde nicht blöde, denn du sollst nicht zu Spott werden. Sondern du wirst der Schande deiner Jungfrauschaft vergessen, und der Schmach deiner Wittwenschaft nicht mehr gedenken. Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann. Herr Zebaoth heißet sein Name; und dein Erlöser, der Heilige in Israel, der aller Welt Gott genennet wird. Denn der Herr hat dich lassen im Geschrei sein, daß du seiest wie ein verlassenes und von Herzen betrübtes Weib; und wie ein junges Weib, das verstoßen ist, spricht dein Gott. Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln« (Jes. 54, 1-7).

Hier wird durch das schwangere und elende Weib die christliche Kirche verstanden, welche den Herrn Christum durch den Glauben geistlich im Herzen trägt, ruft ihn an, bekennet ihn vor der Welt öffentlich, und gebieret allerwege Kinder durch die Taufe und durch die Predigt des heiligen Evangelii; wiewohl nicht ohne Kreuz und große Schmerzen, dieweil sie zu jeder Zeit vom Teufel und seiner Braut, der Welt, heftigen Widerstand, Anstoß und Verfolgung leiden muß. Darum siehet auch St. Johannes in seiner Offenbarung die christliche Kirche als eine schwangere Mutter, die ein Kindlein in ihrem Leibe trägt, ist stets in Kindesnöthen und wird von dem höllischen Drachen scharf angefochten. Doch beschützet sie Gott der Allmächtige und bereitet ihr hie und da einen stillen Ort in der wüsten, wilden Welt, da sie ernähret und erhalten wird mitten unter den Feinden. (Lies das zwölfte Capitel der Offenbarung!). –

Was hat nun aber die christliche Kirche für einen Mutterleib, darin wir empfangen und geboren werden? Antwort: Ihr Leib, darin sie schwanger wird, ist Gottes Wort, in prophetischer und apostolischer Schrift des alten und neuen Testaments verfasset, sofern dasselbe stets klinget vor ihren Ohren und wallet in ihrem Herzen, sammt dem Gebrauch der heiligen hochwürdigen Sacramente. Denn in dem Wort findet sie das herzliebe Kind Jesum Christum, wie er selbst sagt: »Suchet in der Schrift, denn ihr meinet, ihr habt das ewige Leben darinnen. Und sie ist es, die von mir zeuget« (Joh. 5). Zu dieser Schrift halten sich alle rechtgläubigen Christen und Kinder des Lichts, als ob sie sich darein verhülleten und gleich als im Mutterleib verborgen lägen, wie David sagt: »Ich bewahre mich in dem Wort Deiner Lippen vor Menschen-Werk, auf dem Wege des Mörders« (Ps. 17, 4). Wörtlich übersetzt: »Was das Thun der Menschen betrifft, so beobachte ich aufs Wort Deiner Lippen die Wege des Durchbrechers« der nämlich das Gehege Deiner heiligen Gebote durchbricht.

Dieweil nun die christliche Kirche Gottes Braut ist, und ihr Wort in heiliger Schrift gar nichts Anderes denn Gottes Wort, so wird solch Wort auch Gottes Leib und Gottes Mutter genannt, wie z. E. Gott beim Propheten Jesaias spricht: »Höret mir zu, ihr vom Hause Jakobs, und alle Uebrigen vom Hause Israels, die ihr von mir im Leibe getragen werdet, und mir in der Mutter liegt« (Jes. 46, 3).

»Der Glaube, sagt Dr. Luther, machet zu Gottes Kindern die, so da geboren werden durch das Wort, welches die Mutter ist, darinnen wir empfangen, getragen, geboren und erzogen werden.« Desgleichen schreibt Mathesius: »Ein Kind im Mutterleibe lebet und nähret sich von der Mutter, wächst und nimmt von Tag zu Tage zu, ob es gleich unter der Mutter Herzen klein und matt ist, sich schwerlich reget und rühret. Also werden wir auch im Worte neu geboren, durch das Wort fangen wir an zu glauben, im Worte nähren wir uns, und die da bleiben in Christo, der Mutter (Jesaias 46), und seinem Wort, die wachsen und nehmen immer zu, leben und regen sich darinnen.« Der liebe Mathesius führet dabei auch den lateinischen Vers an:
Vivimus in verbo, velut embryo clausus in alvo.

Und allhier ist die heilige Taufe, sonderlich wenn junge Kinder Christo zugetragen und der christlichen Kirche einverleibt werden, die rechte erste Pforte und Eingang in den mütterlichen Leib der heiligen Kirche. Denn weil der Sohn Gottes öffentlich zeuget: wer nicht aus dem Wasser und Geist neu geboren werde, der komme nicht in das Reich Gottes; so folget dagegen, daß die Kinder durch das Sacrament der Taufe aus Kraft und Wirkung des heiligen Geistes recht hinein kommen, das ist Zutritt und Eingang haben zum Reiche Gottes, und werden Kinder des Allerhöchsten, Glieder der christlichen Kirche und Miterben des ewigen Lebens im Glauben.

3.
Der Same.

Danach ist Gottes Wort nicht allein der Mutterleib, darin wir geistlich empfangen und neu geboren werden, sondern auch der Same selbst, daraus wir unseren neuen Anfang nehmen. Ihr seid »wiederum geboren, spricht St. Petrus, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Worte Gottes, das da ewiglich bleibet« (1 Petr. 1, 23). Desgleichen St. Jakobus: »Er hat uns gezeuget nach seinem Willen, durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Creaturen« (1, 18). Von der heiligen Taufe rühmet auch St. Paulus und spricht: »Nach seiner großen Barmherzigkeit machet er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unseren Heiland« (Tit. 3, 5. 6).

Wie aber das Wort Gottes zugleich sein könne der Mutterleib, darin wir empfangen und neugeboren werden, und fürs Andere auch der Same selbst, daraus wir unsern himmlischen Ursprung nehmen – ist nicht so schwer zu verstehen. Denn sofern es vor unsern Ohren klingt und wir mitten in solchem Getön, Schall und öffentlicher Handlung des Wortes wie in einem starken Blockhause wider den Teufel, die Welt und alle falsche Lehre uns gleich als versperret und eingeschlossen halten, und lassen uns nicht herauslocken, sondern stopfen unsere Vernunft, Augen und Ohren gegen des Teufels Brüllen und Sturmwettern zu – da ist solcher Gebrauch des göttlichen Wortes und der heiligen, damit verbundenen Sacramente wie Gottes Leib und wie seiner Kirche Leib und Mutter, darin er uns hebet und traget. Sofern es aber gepredigt wird und aus Kraft und Wirkung des heiligen Geistes durch die Ohren in das Herz fällt, daß es bekehret, tödtet den alten Adam, zündet an den Glauben, stärket ihn, erweckt neuen Gehorsam, regiert das Leben und schreckt ab von Sünden und Lastern – hier ist es wie ein lebendig machender Same, aus welchem uns Gott wieder gebieret, daß wir neue Kreaturen werden, die vorsätzlich nicht sündigen, wie St. Johannes sagt: »Wer aus Gott geboren ist, der thut nicht Sünde, denn sein Same bleibt bei ihm, und kann nicht sündigen, denn er ist von Gott geboren« (l Joh. 3, 9).

Deswegen soll sich ein gottseliger Christ auf Erden beides angelegen sein lassen: erstlich, daß er sich in Gottes Wort wie ein Kind im Mutterleibe eingeschlossen halte; und danach, daß er auch Gottes Wort sammt den heiligen Sacramenten als den alleinigen Samen seiner Wiedergeburt ansehe, dadurch er sich zeugen, wiedergebären, regieren, leiten und führen lasse.

Zudem gleichwie ein Kind im Mutterleibe von menschlichem Samen nicht allein seinen Ursprung, sondern auch, so lange es darin formiret und zubereitet wird, seine Fütterung, Kraft und Zunahme bekommt: also sollen wir als neu empfangene Kinder des Lichts in der heiligen Schrift als in dem geistlichen Mutterleibe der christlichen Kirche Gottes Wort, den Samen und Anfang unserer Wiedergeburt, auch lassen unsere geistliche Nahrung sein, und bei Leibe nicht außer dem geoffenbarten Wort nach höheren Dingen und nach anderer stärkerer Speise gaffen, sondern allein mit Gottes Wort unsere Seele stillen und stärken, wie David singt: »Herr, mein Herz ist nicht hoffährtig, und meine Augen sind nicht stolz, und wandele nicht in großen Dingen, die mir zu hoch sind. Wenn ich meine Seele nicht setzte und stillete, so ward meine Seele entwöhnet, wie einer von seiner Mutter entwöhnet wird« (Ps. 131, 1. 2). Deine Rechte sind mir süßer denn Honigseim (Ps. 19, 11). »Das ist mein Trost in meinem Elend, denn Dein Wort erquicket mich« (Ps. 119, 50). –

Es gebraucht aber der allmächtige Gott auch äußerliche Werkzeuge zur Ausstreuung und Fortpflanzung dieses seines himmlischen Samens. Das sind die Prediger und Diener seines heiligen Wortes, durch welche gleich als durch Röhren und Instrumente der Geist Gottes sich hören läßt, den unvergänglichen Samen des Evangelii mitten in die Zuhörer auswirft und das Wasser des Lebens gleich als durch Kanäle reichlich und weithin ausbreitet.

Solches bezeuget der Herr Christus, da er sehr tröstlich zu seinen Jüngern spricht: »Es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Ich will euch Mund und Weisheit geben« (Matth. 10, 19, 20; Luc. 21, 15). Sorget nicht, was ihr reden sollt, und bedenket euch nicht zuvor, sondern was euch zu derselbigen Stunde gegeben wird, das redet (Marc. 13, 11). »Der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgehet, der wird zeugen von mir. Und ihr werdet auch zeugen« (Joh. 15, 26. 27). Und zu dem Propheten Jeremias sagt Gott der Herr: »Du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dir heiße. Siehe ich lege meine Worte in deinen Mund« (Jerem. 1, 7. 9). Und am anderen Ort: »Ich rede zu den Propheten, und ich bin es, der so viele Weißagung giebt, und durch die Propheten mich anzeige. Ich höfle sie ( hobele sie ab) durch die Propheten und tödte sie durch meines Mundes Rede, daß dein Recht an das Licht komme« (Hos. 12, 11; 6, 5).

Darum wenn ein Prediger auf der Kanzel steht, predigt Gottes Wort, bleibt bei der Schrift, führet sie recht ein und erkläret das Evangelium verständlich, daß es mit Frucht angehöret, zu Herzen gefasset und nicht zum Gefallen noch Ohrenjücken, sondern zur Erbauung gebrauchet wird; wenn er die hochheiligen Sacramente richtig verwaltet, taufet und reichet das Abendmahl nach der Schrift: – da ist er ein rechtes Werkzeug der heiligen Dreifaltigkeit, borget dem heiligen Geiste seine Zunge und bekommt den Ruhm in der Schrift, daß er als ein geistlicher Vater geistliche Kinder zeuge, wie St. Paulus sich nicht schämet, öffentlich davon zu schreiben: »Ich vermahne euch, sagt er zu den Corinthern, als meine lieben Kinder. Denn ob ihr gleich zehntausend Zuchtmeister hättet in Christo, so habt ihr doch nicht viele Väter. Denn ich habe euch gezeuget in Christo Jesu durch das Evangelium« (1 Cor. 4, 14. 15). Und zu den Galatern sagt er: »Meine lieben Kinder, welche ich abermal mit Aengsten gebäre, bis daß Christus in euch eine Gestalt gewinne« (Cap. 4, 19).

Diesen letzten Spruch erkläret Luther mit nachfolgenden Worten: »Die Apostel, alle frommen Prediger und Schulmeister – (heut zu Tage von der Welt Pietisten, Beter, Mucker benannt) – sind ihrer Weise nach auch unsere Eltern. Denn gleichwie wir aus der natürlichen Geburt von den Eltern Gestalt der Leiber haben, also helfen diese dazu, daß unsere Herzen und Gewissen eine rechte Gestalt in uns gewinnen. Die rechte Gestalt aber, die ein christlich Herz haben soll, ist der Glaube oder die Zuversicht im Herzen, dadurch wir Christum ergreifen, demselbigen allein und sonst keinem anderen Dinge anhangen. Welches Herz nun einen solchen Glauben hat, daß wir vor Gott gerecht geschätzet werden um Christi willen, das hat seine rechte Gestalt nach Christo und ist ihm ähnlich. Es wird aber solche Gestalt durch das Predigtamt zugerichtet, wie er 1 Cor. 4 saget: Ich habe euch gezeuget in Christo Jesu durch das Evangelium, daß ihr Christum erkannt und an ihn geglaubt habt. Item 2 Cor. 3: Ihr seid ein Brief Christi, durch das Predigtamt zubereitet und durch uns geschrieben, nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes. Denn da gehet das Wort aus des Apostels Munde und rühret die Herzen der Zuhörer. Da ist denn der heilige Geist auch bei und machet, daß das Wort im Herzen haftet, wie es gepredigt wird. Auf solche Weise ist ein jeder gottseliger Lehrer ein Vater. Denn er zeuget und bereitet die rechte Gestalt eines christlichen Herzens.«

4.
Das geheimnißvolle Werk.

Aus dem Gesagten mögen wir wohl schon etlichermaaßen abnehmen, wie das Werk der Wiedergeburt selbst zugehe und was es für eine Bewandtniß damit habe. Wir kommen aber nunmehr recht zu dem Kern und Mark dieses edlen hohen Geheimnisses, in welches Nicodemus mit seiner klugen Vernunft und hohen Gedanken sich nicht kann finden, sondern hälts für ein unmöglich Ding, daß ein Mensch solle wiedergeboren werden. Und wenn wir recht die Wahrheit sagen sollen, so giebt es heut zu Tage, sonderlich in den reformirten Kirchen – (heut zu Tage wohl auch in den unirten) – der Nicodemiten trefflich Viele, die von diesem Geheimnis nicht mehr glauben, denn sie mit der Vernunft fassen und begreifen können. Ja wir alle müssen bekennen, daß es unsern fünf Sinnen und menschlicher Weisheit viel zu tief verborgen liegt, und daß unser Fleisch und Blut solches keinem sagen noch offenbaren kann.

Müssen wir uns doch schon über die natürliche Geburt eines Menschen verwundern und können alle ihre Ursachen und den ganzen Zusammenhang nimmer genügend ergründen. Wie sollten wir denn das übernatürliche, himmlische und göttliche Werk der Wiedergeburt vollkömmlich verstehen und begreifen? Solches ist uns unmöglich und wird in diesem Leben wohl wahr bleiben, was Salomo schreibt: »Gleich wie du nicht weißt den Weg des Windes, und wie die Gebeine im Mutterleibe bereitet werden: also kannst du auch Gottes Werk nicht wissen, das Er thut überall« (Pred. 11, 5).

Doch sollen wir uns befleißigen, so viel davon zu lernen und zu behalten, als uns Gottes Wort davon offenbaret. Und damit solches geschehe, laßt uns das Werk der natürlichen Geburt und der übernatürlichen Wiedergeburt recht gegeneinander halten.

Von der natürlichen Geburt weiß man, daß der Mensch wunderbarlich von Gott im Mutterleibe bereitet wird, wie David sagt: »Du warest über mir im Mutterleibe. Ich danke Dir darüber, daß ich wunderbarlich gemacht bin; wunderbarlich sind Deine Werke, und das erkennet meine Seele wohl. Es war Dir mein Gebein nicht verhohlen, da ich im Verborgenen gemacht ward, da ich gebildet ward unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war; und waren alle Tage auf Dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, und derselben keiner da war« (Ps. 139, 13-16). Hiob spricht: »Hast Du mich nicht wie Milch gemolken, und wie Käse lassen gerinnen? Du hast mir Haut und Fleisch ungezogen, mit Beinen und Adern hast Du mich zusammen gefügt. Leben und Wohlthat hast Du an mir gethan, und Dein Aufsehen bewahret meinen Odem« (Cap. 10, 10-12).

Die übernatürliche und himmlische Wiedergeburt gehet aber noch viel wunderlicher zu und wird in dem geistlichen Mutterleibe, nämlich mitten in dem Getön, Schall und Regierung des göttlichen Wortes, wo dasselbe mit seinen angehängten zweien Siegeln öffentlich regiert und waltet, durch Kraft und Wirkung des heiligen Geistes getrieben und vollbracht. Denn die öffentliche Stimme, Predigt und der ganze öffentliche Gebrauch des Wortes sind wie ein brausender Wind, der den Menschen auf dem Felde dieses Lebens überhuiet, überfällt und umgiebt wie ein Gefängniß und enger Mutterleib, daß der Eingeschlossene nicht weiß wie ihm ist, wird nun durchs Gesetz geschmettert und zu Boden geschlagen, danach durchs Evangelium erquickt, dann wieder durch das Kreuz niedergeworfen und gekränkt, höret aber anders nichts aus Gottes Wort, denn es müsse so sein. Dies Wort höret er als ein Brausen des Windes, und fühlet des Windes mancherlei Kraft und Wirkung, als: Schrecken, Angst, Trost, Freude, und dann wiederum Trübsal und Elend. Aber die Vernunft wird hierüber bestürzt und gar zur Närrin, kann nicht verstehen noch ergründen, wo doch der himmlische Wind herkomme, was Gott damit meine und wozu es letztlich alles solle gerichtet sein.

Eine solche Gelegenheit hat es mit unserer Wiedergeburt. Wie auch der Herr Christus in seinem Gespräch mit Nicodemus dahin siehet und spricht: »Was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dichs nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden. Der Wind bläset, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt, und wohin er fährt. Also ist ein Jeglicher, der aus dem Geist geboren ist« (Joh. 3, 6-8).

Dies behaltet wohl, liebe Christen, und denket ihm fleißig nach, damit euch diese heilsame Lehre recht bekannt werde und tief zu Herzen gehe. – Die heilige Schrift lässets übrigens nicht hierbei bleiben, sondern führet fort und zeiget alle die einzelnen Stücke dieses Geheimnisses an, damit wir wissen, wie es dabei zugehet, wenn Gott einen armen Sünder wiedergebieret und zum ewigen Leben bereitet. Solcher Stücke sind aber sieben, nämlich: die Vocation oder Berufung des Sünders, die Zerknirschung oder der Hammerschlag des Gesetzes, die Rechtfertigung, die Erhöhung, die Erneuerung oder Wirkung des neuen Gehorsams, das Kreuz dessen Gott sich auch zu diesem edlen hohen Werk bedient, und endlich die gänzliche Vollbereitung und Erhaltung zum ewigen Leben.

Was erstlich die Vocation oder Berufung anlangt, so lässet Gott sein Wort predigen und die heiligen Sacramente austheilen, ruft und locket damit den Sünder zu sich und will, daß er das Wort höre und mit Fleiß betrachte. Alsdann erleuchtet er das Herz, stößt die angeborene Finsterniß aus und zündet ein neu himmlisch Licht an, daß der Mensch anhebt zu merken und zu verstehen, was da gepredigt wird und wie sich Gott im Wort offenbaret. Denn dazu ist ja das Predigt-Amt sammt der Administration der hochwürdigen Sacramente eingesetzt, daß Gott hierdurch kräftig wirken und die fleißigen Zuhörer erleuchten will.

Den Predigern wird gesagt: »Lehret (machet zu Jüngern) alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes; und lehret sie halten alles, was Ich euch befohlen habe« (Matth. 28, 19. 20). » Habt Acht auf euch selbst und auf die ganze Heerde, unter welche euch der heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigen Blut erworben hat« (Apostgesch. 29, 28). Den Zuhörern aber: »Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen« (Ebr. 13, 17). » Lasset das Wort Christi reichlich unter euch wohnen, in aller Weisheit. Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen, und geistlichen lieblichen Liedern, und singet dem Herrn in eurem Herzen« (Col. 3, 16).

Wo nun reine Lehre, richtige Predigt, rechte Vermahnung, und auf der andern Seite ein fleißig Aufmerken ist: da bleibt die himmlische Erleuchtung nicht aus, sondern folget kräftiglich nach, wie die schönen Verheißungen lauten: »Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt, und nicht wieder dahin kommt; sondern feuchtet die Erde und machet sie fruchtbar und wachsend, daß sie giebt Samen zu säen und Brot zu essen: also soll das Wort, so aus meinem Munde gehet, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern thun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich es sende« (Jes. 55, 10. 11). »Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten« (Ephes. 5, 14).

Ein merklich Exempel haben wir da an der Lydia, der Purpur-Krämerin, von welcher Lucas meldet, wie sie Paulo zugehöret und der Herr ihr das Herz aufgethan habe, daß sie darauf Acht hatte, was von Paulo geredet ward (Apgsch. 16, 14). –

Hieraus folgt nun die Zerknirschung oder der Hammerschlag des Gesetzes, da Gott durch die Gesetzes-Predigt dem Menschen seine angeborene sündliche Art, wie auch seine begangenen Sünden und Missethaten sammt dem Fluch und der ewigen wohlverdienten Strafe Vorhalten läßt; schlägt ihn damit zu Boden, daß er von Herzen erschrickt, wehklagt und an allen seinen Kräften, Werken und Vermögen verzagen und sich gänzlich verloren geben muß.

»Rufe getrost, sagt der Herr zum Prediger, schone nicht! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune, und verkündige meinem Volk ihr Uebertreten, und dem Hause Jakob ihre Sünde« (Jes. 58, 1). »Ich habe dich zum Schmelzer gesetzt unter mein Volk, das hart ist, daß du ihr Wesen erfahren und prüfen sollst« (Jerem. 6, 27). »Sprich zu ihnen: So spricht der Herr Herr! sie Hörens oder lassens« (Hesek. 3, 11). »Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllet, daß er danach thue« (5 Mos. 27, 26). »Sie sind alle abgewichen, und allesammt untüchtig; da ist keiner, der Gutes thue, auch nicht einer« (Ps. 14, 3). »Es ist hier kein Unterschied. Sie sind allzumal Sünder, und mangeln des Ruhms, den sie vor Gott haben sollten« (Röm. 3, 23). »Auf daß aller Mund verstopfet werde, und alle Welt Gott schuldig sei; darum, daß kein Fleisch durch des Gesetzes Werk vor ihm gerecht sein mag. Denn durch das Gesetz kommt Erkenntniß der Sünde« (V. 19. 20).

Solcher Gesetzpredigten braucht der heilige Geist, daß er dadurch die Zuhörer zur Erkenntniß der Sünde führe, sie heraus jage aus der verdammlichen Sicherheit und hinein in die Furcht, daß sie Reue und Leid tragen über ihre Sünden, an sich selbst ganz und gar verzweifeln, sich vor Gottes Zorn fürchten und tief vor ihm demüthigen. Hier wirkt Gott durch das Wort des Gesetzes nicht anders, denn als ob er sie mit Feuer brennete und mit einem Hammer zerschlüge, wie er auch bei dem Propheten Jeremias spricht: »Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?« (23, 29). Darum schreibt St. Paulus: »Die Sünde erkannte ich nicht, ohne durchs Gesetz. Denn ich wußte nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht hätte gesagt: Laß dich nicht gelüsten! Da nahm aber die Sünde Ursach am Gebot, und erregete in mir allerlei Lust. Denn ohne das Gesetz war die Sünde todt. Ich aber lebte etwa ohne Gesetz. Da aber das Gebot kam, ward die Sünde wieder lebendig. Ich aber starb; und es befand sich, daß das Gebot mir zum Tode gereichte, das mir doch zum Leben gegeben war« (Röm. 7, 7-10). –

Zum dritten kommt nun die gnädige Rechtfertigung eines armen Sünders vor Gott, und bestehet dieselbe darin, daß Gott den armen Sündern, deren Herz von Sünden schwer und von Angst betrübet sehr, das Evangelium von Christo predigen und ihnen verkündigen läßt, daß Christus aller Welt Missethat auf sich genommen, um unserer Sünden willen gestorben und um unserer Gerechtigkeit willen auferstanden sei, das Gesetz für uns erfüllet, den Zorn seines Vaters gestillet, die Hölle geschleift und den Teufel überwunden habe. Durch diese Predigt tröstet er die betrübten Sünder, wirket und zündet in ihnen an den Glauben, rechnet ihnen die Gerechtigkeit Christi zu, vergiebt die Sünde und stillet ihr Gewissen, daß sie ruhig und zufrieden werden.

Von solchem tröstlichen Amt des Evangelii zeuget die Schrift an vielen Orten. Sanct Paulus spricht: »Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen. Denn so tu mit deinem Munde bekennest Jesum, daß er der Herr sei, und glaubest in deinem Herzen daß ihn Gott von den Todten auferweckt hat: so wirst du selig« (Röm. 10, 8. 9). »Gott hat uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. Denn Gott war in Christo, und versöhnete die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu, und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnet durch uns. So bitten wir nun an Christi Statt: lasset euch versöhnen mit Gott! Denn er hat Den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt« (2 Cor. 5, 18-21). »Denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unseren Herrn Jesum Christum« (1 Thess. 5, 9). »Christus ist des Gesetzes Ende; wer an Den glaubt, der ist gerecht« (Röm. 10, 4).

Zu diesem evangelischen Predigtamt gehöret auch die heilige Absolution oder der Löseschlüssel, von Christo eingesetzt, da er spricht: »Wahrlich, Ich sage euch: was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein.« »Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen« (Matth. 18, 18; Joh. 20, 23). Ingleichen auch die heiligen Sacramente. Denn zur Buße und zur Vergebung der Sünden sind wir getauft; und im hochwürdigen Abendmahl werden wir mit Christi Leib gespeiset und mit seinem Blut getränket zu seinem Gedächtniß, daß wir uns seines theuren Verdienstes sollen getrösten und glauben die Vergebung der Sünden.

Deswegen wo dies Predigt-Amt sammt Absolution und Verwaltung der hochwürdigen Sacramente mit Fleiß getrieben wird, und die elenden zerschlagenen Herzen mit geistlichem Hunger und Durst begierig darauf merken – da zündet Gott durch diesen äußerlichen Gebrauch seines Evangelii den Glauben inwendig in ihnen an, daß sie dem Evangelio glauben und sich auf Christum von ganzem Herzen verlassen. Und ist demnach der Glaube in uns nicht aus menschlichen Kräften noch aus unserem Vermögen, sondern Gottes Gabe und Werk, wie geschrieben stehet: »Das ist Gottes Werk, daß ihr an Den glaubet, den er gesandt hat« (Joh. 6, 29). Erkennet, »welches da sei die überschwängliche Größe seiner Kraft an uns, die wir glauben, nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke, welche er gewirkt hat in Christo, da er ihn von den Todten auferwecket hat und gesetzt zu seiner Rechten im Himmel« (Eph. 1, 19. 20). Und abermal: Ihr seid mit Christo »begraben durch die Taufe, in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirket, welcher ihn auferwecket hat von den Todten« (Col. 2, 12).

Wenn nun solcher Glaube sich auf die evangelische Verheißung stützet und verläßt, Christum mit seinem Verdienst ergreift und sich zu seiner Gerechtigkeit hält: alsdann rechnet uns Gott die Gerechtigkeit seines Sohnes durch den Glauben zu, deckt damit unsere Sünde und will derselben in Ewigkeit nicht mehr gedenken. Wie denn der Apostel Paulus hiervon zeuget: »Dem, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an Den, Der die Gottlosen gerecht macht: dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit. Nach welcher Weise auch David sagt, daß die Seligkeit allein sei des Menschen, welchem Gott zurechnet die Gerechtigkeit, ohne Zuthun der Werke, da er spricht: Selig sind die, welchen ihre Ungerechtigkeiten vergeben sind und welchen ihre Sünden bedecket sind. Selig ist der Mann, welchem der Herr keine Sünde zurechnet« (Röm. 4, 5-8). Desgleichen sagt Christus: »Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn glaubet, der wird nicht gerichtet« (Joh. 3, 17. 18). –

Die vierte Eigenschaft der himmlischen Wiedergeburt ist die gnadenreiche Erhöhung, daß Gott nicht allein durch den Glauben uns gerecht macht, sondern läßt uns auch im Evangelio die selige Kindschaft des ewigen Lebens und die himmlische Brautehre vortragen und anbieten, daß wir durch den Glauben sollen seine Kinder sein und seines lieben Sohnes auserwählte Braut. Und giebt uns dar zur Versicherung und gewissem Pfand den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, daß wir sein Eigenthum und ein Tempel der ganzen heiligen Dreifaltigkeit sein sollen.

Von dieser Exaltation oder Erhöhung lautet das Wort seiner Verheißung also: Ich will euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr (Jerem. 31; 2 Cor. 6, 16). Wie viele Christum aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden. »Gehe hin, spricht der Herr Christus zu Maria Magdalena, zu meinen Brüdern, und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott« (Joh. 20, 17). Auch sagt er von unserer himmlischen Braut-Ehre: »Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit. Ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit; ja im Glauben will ich mich mit dir verloben« (Hos. 2, 19. 20). »Du sollst meine Lust an ihr, und dein Land lieber Buhle heißen. Denn der Herr hat Lust an dir, und dein Land hat einen lieben Buhlen. Denn wie ein lieber Buhle einen Buhlen lieb hat, so werden dich deine Kinder lieb haben; und wie sich ein Bräutigam freuet über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen« (Jes. 62, 4. 5).

Auch wird uns im Evangelio verkündigt, daß Gott der Vater überväterliche und übermütterliche Treue und der Herr Christus rechte Bräutigams-Liebe an uns erzeigen wolle, »Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmet, singen wir mit dem Propheten David, so erbarmet sich der Herr über die, so ihn fürchten« (Ps. 103, 13). »Ich will euch trösten, sagt er, wie einen seine Mutter tröstet« (Jes. 66, 13). »Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen« (Jes. 49, 15). Desgleichen verspricht sich Christus, unser himmlischer Bräutigam, daß er seine Kirche nicht verlassen, sondern ihr beiwohnen wolle bis an das Ende der Welt; ihr auch den heiligen Geist von dem Vater senden, der sie in alle Wahrheit leiten und führen solle.

Dies sind über alle Maaßen hochwichtige Schätze und eine Ehre über aller Welt Ehre und Herrlichkeit, daß Gott der Vater will unser Vater, Gott der Sohn unser Bräutigam, und Gott der heilige Geist unser Tröster sein. Und solche Wohlthaten läßt er uns nicht allein vortragen, sondern wo man auf das Wort merkt, da erweckt er auch den Glauben, daß ein Christ sie eben mit demselben Glauben ergreifet, damit er zuvor die Vergebung der Sünden und die Gerechtigkeit des lieben Evangelii angenommen hat. Also kehret denn die ganze heilige Dreifaltigkeit durch den Glauben zu uns ein und wohnet in uns: der Vater als unser liebster Vater, der Herr Jesus Christus als unser liebster Bräutigam, und der heilige Geist als unser höchster Tröster, welcher dazu noch das Siegel und Pfand unserer Seligkeit ist, damit wir ja an dieser großmächtigen Verheißung keinen Zweifel tragen.

Hieher gehört das geschrieben stehet: »Wie viel eurer getauft sind, die haben Christum angezogen« (Gal. 3, 27). Wisset ihr nicht, daß ihr Christi Glieder seid? »Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnet?« (1 Cor. 6; 3, 16). »Weil ihr Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, lieber Vater!« (Gal. 4, 6). »Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermal fürchten müßtet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Derselbige Geist giebt Zeugniß unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi« (Röm. 8, 15-17). Und abermal: »Da ihr glaubetet, seid ihr versiegelt worden mit dem heiligen Geist der Verheißung, welcher ist das Pfand unseres Erbes zu unserer Erlösung, daß wir sein Eigenthum würden, zum Lobe seiner Herrlichkeit« (Eph. 1, 13. 14).

Solche himmlische Erhöhung schaffet Freudigkeit und sehr großen Trost in allerlei Bekümmerniß, Trübsal und Elend; machet dazu starken Muth, daß ein gläubiger Christ sich nicht darf peinlich vor Gott als vor einem Feind und Stockmeister fürchten, sondern trauet ihm kindlich, verläßt sich auf Christum wie eine Braut auf ihren Bräutigam, und ergiebt sich dem heiligen Geist als seinem höchsten Freund und allerkräftigsten Tröster. –

Zum fünften kommt dazu die geistliche und himmlische Verneuerung, da Gott der HErr die Seinen, welche er durch die zugerechnete Unschuld seines Sohnes im Glauben gerechtfertigt und zu seinen Kindern, Braut, Tempel und Eigenthum angenommen hat, auch mit neuem Gehorsam anzündet, daß sie nach erlangter Sündenvergebung und nach empfundener Freude der edlen himmlischen Erhöhung nun auch durch Kraft und Wirkung des heiligen Geistes alles Ernstes anfangen, Gott und ihren Nächsten zu lieben, die Sünde zu hassen, wider den Teufel, die Welt und ihres eignen Fleisches Lust zu streiten und nach Gottes Geboten als nach ihrem Canon oder Richtschnur heilig zu leben.

Die Verheißung, so Gott hiervon gethan, lautet also: »Ich will euch ein neues Herz, und einen neuen Geist in euch geben; und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen, und euch ein fleischern Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben, und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach thun« (Hesek. 36, 26. 27). »Ich will ihnen einerlei Herz und Wesen geben, daß sie mich fürchten sollen ihr Lebenlang« (Jerm. 32, 39). »Bleibet in mir, und ich in euch. Gleich wie der Rebe kann keine Frucht bringen von ihm selber, er bleibe denn am Weinstock; also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der bringet viele Frucht. Denn ohne mich könnet ihr nichts thun« (Joh. 15, 4. 5).

Bist du nun mit Christi Blut im Glauben besprenget, glaubest die Vergebung der Sünden, trauest Gott dem Vater kindlich als deinem rechten Vater, dem Herrn Christo als deinem Erlöser und allerliebsten Bräutigam, und Gott dem heiligen Geist als deinem einigen und höchsten Tröster, der in dir wohnet und dich als seine Behausung eigenthümlich besitzt: so sollst du wissen, wo Gott residirt und wohnet, daß er da nicht müßig ist, sondern reget sich und schaffet Früchte, die sich bald hervor thun und ausschlagen. Wenn er daher auch in dir wohnet und durch den Glauben in deinem Herzen wurzelt, so schaffet er Frucht, erweckt neue Bewegungen in dir und reizet dich zu guten Werken, daß du dich derselben mit Freuden befleißigst und dazu getrieben wirst, nicht anders als wärest du deiner selbst nicht mächtig, sondern hättest einen Regenten in dir wohnen, dem du mit all deinem Thun und Lassen verknüpft wärest. Daher sagt St. Paulus: »Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst? Denn ihr seid theuer erkauft. Darum so preiset Gott an eurem Leibe und in eurem Geiste, welche sind Gottes« (1 Cor. 6, 19. 20).

Und solche Werke und Bewegungen sind gewisse Zeugen des neuen Lebens in uns, eben wie, wenn ein Kind sich reget im Mutterleibe, die Mutter daraus abnehmen kann, daß sie mit einer lebendigen Frucht schwanger gehe.

»Welche der Geist Gottes treibet, sagt die Schrift (Röm. 8, 14), die sind Gottes Kinder.« »Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit. Wider solche ist das Gesetz nicht. Welche aber Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. So wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geist wandeln« (Gal. 5, 22-25). »So leget nun von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste in Irrthum sich verderbet. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüths; und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist, in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit« (Eph. 4, 22-24). »Dabei, spricht der Herr Christus selber, wird Jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt. – Das ist mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet, gleich wie Ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe, denn die, daß er sein Leben lasset für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, so ihr thut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr thut. Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid. Denn alles, was ich habe von meinem Vater gehöret, habe ich euch kund gethan. Ihr habt mich nicht erwählet, sondern Ich habe euch erwählet und gesetzet, daß ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe; auf daß, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, daß er es euch gebe. Das gebiete ich euch, daß ihr euch unter einander liebet« (Joh. 13, 35; 15, 12-17).

Darum gleichwie der Mensch im Mutterleibe, sobald das Leben angezündet ist, sich zu regen anhebet; und obwohl solcher Anfang schwach, zart und gering, dennoch nimmt er von Tage zu Tage zu und wächset an Kräften, bis er aus der engen Herberge in diese Welt kommt; alsdann ist sein Leben vollkommen und reget sich völlig in allen Gliedern: also haben die Kinder des Lichts auf dieser Welt auch nur die Erstlinge des Geistes, und machen mit ihrem neuen Gehorsam und guten Werken, die sie thun im Glauben, aus Liebe gegen Gott und den Nächsten, den Anfang des geistlichen Lebens; wachsen auch und nehmen darin zu, bis sie dieser Welt durch den zeitlichen Tod völlig absterben und in das himmlische Paradies aufgenommen werden. Da reget sich das ewige Leben erst mit voller Kraft, daß sie dann lieben Gott ihren Vater von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüthe, und ihren Nächsten als sich selbst. –

Die sechste Eigenschaft der Wiedergeburt ist das liebe heilige Kreuz, da Gott seinen Kindern auf dieser Welt mancherlei Trübsal, Angst, Noch und Elend widerfahren läßt, um damit des Fleisches Lüste und den alten Adam in ihnen zu kränken und zu tödten; auch den angezündeten Glauben zu probiren, zu wetzen und zu stärken; aber auch Ursach zu geben zum Gebet, zur Demuth, zur Geduld und allen christlichen Tugenden, und sie ähnlich zu machen dem Bilde seines Sohnes JEsu Christi, Ihm Selbst zu Lob und Ehren.

Von dem Kreuz selbst, wie es uns von Gott auferlegt wird und wie es alle gottseligen Christen geduldig annehmen und ertragen sollen, sagt der Herr in seinem Wort also: »Will mir Jemand Nachfolgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir« (Matth. 16, 24). »Welche Ich lieb habe, die strafe und züchtige ich« (Offenb. 3, 19). »Meinen Kelch sollt ihr trinken, und mit der Taufe, da ich mit getauft werde, sollt ihr getauft werden« (Matth. 20, 23). »Mein Kind, willst du Gottes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung. Halte fest, und leide dich, und wanke nicht, wenn man dich davon locket. Halte dich an Gott, und weiche nicht, auf daß du immer stärker werdest. Alles, was dir widerfähret, das leide, und sei geduldig in allerlei Trübsal« (Sir. 2, 1-4). »Gott leget uns eine Last auf, sagt David, aber Er hilft uns auch« (Pf. 68, 20). »Der Herr hat einen Becher in der Hand, und mit starkem Wein voll eingeschenket und schenket aus demselben« (Ps. 75, 9).

Es ist aber solches Kreuz zu verstehen von allerlei Trübsal, Krankheiten und Schmerzen, die einem Gottseligen hienieden begegnen; auch von Feindschaft und Verfolgung, wenn Gott zusiehet und zulässet, daß seine Kirche vom Teufel und von der Welt auf das jämmerlichste geplaget und verfolget wird, wie Christus sagt: »Ihr müsset gehasset werden von Jedermann, um meines Namens willen. – Sie werden euch in den Bann thun. Es kommt die Zeit, daß, wer euch tödtet, wird meinen, er thue Gott einen Dienst daran« (Matth. 10, 22; Joh. 16, 2). Gott läßt plagen, spricht Micha (5, 2). Wie er denn von Hiob zum Satan spricht: »Alles, was Hiob hat, sei in deiner Hand; ohne allein an ihn selbst lege deine Hand nicht!« Hernach aber sagt er: Siehe da, er sei in deiner Hand; doch schone seines Lebens.« Darauf schreit Hiob: »Gott hat mich übergeben dem Ungerechten!« (Hiob 1, 12; 2, 6; 16, 11).

Nun aber meinet es gleichwohl unser lieber Gott nicht arg noch böse mit seinen Kindern, wenn er sie unter dem Kreuz hält und mit Widerwärtigkeit sie fleißig heimsucht, sondern er befördert damit das ganze Werk der heilsamen Wiedergeburt, daß es in vollem Schwange gehe und zum seligen Ende gebracht werde.

Denn erstlich führet er sie hierdurch zur Erkenntniß ihrer Sünden, wie er selbst spricht: »Züchtigen will ich dich mit Maaße, daß du dich nicht für unschuldig haltest« (Jerem. 30, 11). Desgleichen sagt Moses: »Das macht Dein Zorn, daß wir so vergehen, und Dein Grimm, daß wir so plötzlich dahin müssen. Denn unsere Missethat stellest Du vor Dich, unsere unerkannte Sünde in das Licht vor Deinem Angesicht« (Ps. 90, 7. 8). Danach stärket und prüfet er hierdurch den Glauben, wie geschrieben stehet: Ich will dich läutern, ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elends (Jes. 48, 10). Gott, spricht David, Du hast uns versuchet und geläutert, wie das Silber geläutert wird (Ps. 66, 10). Sodann reizet er sie damit zum Gebet, wie Jesaias sagt: Herr, wenn Trübsal da ist, so sucht man dich; wenn Du sie züchtigest, so rufen sie ängstiglich (26, 16). Ferner ist das Kreuz ein heilsames Präservativ oder Schutzmittel wider die sündlichen Lüste. »Denn wenn wir gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtiget, auf daß wir nicht sammt der Welt verdammet werden« (1 Cor. 11, 32). Und unser alter Mensch wird gekreuziget, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen (Röm. 6, 6). Schließlich bringt Trübsal Geduld, Geduld aber bringt Erfahrung, Erfahrung aber bringt Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zu Schanden werden (Röm. 5, 3-5). –

Endlich gehöret zum Werk der Wiedergeburt auch die Vollbereitung, daß Gott nicht allein den Anfang macht mit der Bekehrung und neuen Geburt seiner Christen, sondern vollendet auch das ganze Werk, wo man nur seiner geoffenbarten Ordnung folgt.

»Ihr werdet, sagt er, von mir im Leibe getragen, und liegt mir in der Mutter. Ja, Ich will euch tragen bis in das Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es thun, Ich will heben und tragen, und erretten« (Jes. 46, 3. 4). »Und Ich will den Vater bitten, und er soll euch einen anderen Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich: den Geist der Wahrheit« (Joh. 14, 16. 17). »Meine Schafe hören meine Stimme, und Ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und Niemand wird sie Mir aus meiner Hand reißen« (Joh. 10, 27. 28).

Auf diese Verheißung sieht der Apostel Petrus, da er schreibt: »Ihr werdet aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret zur Seligkeit« (1 Petr. 1, 5). Desgleichen St. Paulus hin und wieder in seinen Sendbriefen, wenn er spricht: »Wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi, welcher auch wird euch fest behalten bis ans Ende, daß ihr unsträflich seid auf den Tag unseres Herrn Jesu Christi. Denn Gott ist treu, durch welchen ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesu Christi, unseres Herrn« (1 Cor. 1, 7-9). »Getreu ist er, der euch rufet, welcher wird's auch thun« (1 Thess. 5, 24). Und am andern Ort: »Denn Gott ist's, der in euch wirket beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen« (Phil. 2, 13). Abermal sagt er: »Der Glaube ist nicht Jedermanns Ding. Aber der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen« (2 Thess. 3, 2. 3). –

Siehe, liebes Herz, eine solche Gelegenheit hat es mit dem rechten Lauf der Wiedergeburt, und also muß das ganze Werk keinem Anderen im Himmel noch auf Erden, denn allein unserem lieben Gott assignirt und zugeschrieben werden. Denn wie ein zartes Kindlein im Mutterleib nichts von sich selbst dazu thut noch dazu thun kann, daß es empfangen und mit natürlichem Leben angezündet werde, sondern läßt sich formtreu und bereiten, und erlangt daher sein Leben, daß es anfängt sich etlichermaaßen zu regen und zu rühren: also liegt auch ein Christ auf dieser Welt unserem lieben Gott in seinem Wort gleich als in seinem Leibe oder in der Mutter seiner christlichen Kirche verschlossen, und kann nicht aus eigner menschlicher Kraft des geistlichen Lebens theilhaftig werden, sondern muß sich dazu lassen durchs Evangelium bereiten, erleuchten und mit dem seligmachenden Glauben anzünden, daß er also anhebe geistlich zu leben, und lasse die Geschäfte oder Bewegungen solches Lebens in einem gottseligen Wandel und christlichen Tugenden öffentlich sehen. –

Willst du nun noch wissen, wie lange diese Wiedergeburt währet: da antwortet dir St. Paulus. »Dieweil wir, sagt er, in der Hütte sind, sehnen wir uns, und sind beschweret. Sintemal wir lieber wollten nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf daß das Sterbliche verschlungen würde von dem Leben. Der uns aber zu demselbigen bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist, gegeben hat. Wir sind aber getrost allezeit, und wissen, daß, dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem Herrn. Denn wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost, und haben viel mehr Lust, außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum fleißigen wir uns auch, wir sind daheim, oder wallen, daß wir ihm wohlgefallen« (2 Cor. 5, 4-9).

Aus diesen Worten wird klar genug, wie unsere Wiedergeburt im Laufe dieses zeitlichen Lebens ihr Ende nicht erreiche, sondern von der Taufe an währe bis in den Tod. So lange müssen wir uns immer durch Gottes Wort berufen, erleuchten, strafen, trösten, regieren und führen lassen, und unter dem Kreuz gleich als in der Zuchtschule unserem lieben Gott aufsagen, was wir aus seinem Wort gelernt haben, wie stark wir ihm vertrauen, wie wir beten, wie wir von Sünden ablassest, Buße thun und mit Werken der christlichen Liebe umgehen.

Und ist solches wider die Papisten sonderlich zu merken und zu behalten, welche vorgeben daß in der Taufe die Wiedergeburt ganz vollendet und die Kinder aller Sünden gänzlich los werden, so daß in ihrem Fleisch nichts Sündliches mehr über bleibe. Dieser Irrthum entsteht, wenn man das Geheimnis der Wiedergeburt nicht recht versteht. Denn es gehet solches nicht eilend zu in einem Hui oder Augenblick, wie auch leiblicher Weise der Mensch nicht in einer Stunde zugleich empfangen, formirt und geboren wird, sondern es hat alles seine Zeit und seinen stillen Fortgang. Durch die Taufe hat uns unsere geistliche Mutter, die christliche Kirche, vom heiligen Geist empfangen; und nun liegen wir der Mutter in ihrem Leibe, d. i. in Gottes Leibe und in Gottes Mutter, und lassen uns darin zu Gottes Kindern bereiten, bis er uns durch den zeitlichen Tod von dieser Welt absondert und zum ewigen Leben einbringt. Mittlerweile müssen wir als die Quasimodogeniti, als die jüngst geborenen Kinder Gottes, immer Gottes Wort hören, immer unsere Sünde beweinen, immer um Vergebung bitten, auch stets uns im Glauben üben, wider die Sünde streiten, beten, und in neuem Gehorsam wandeln.

Das Ende aber dieses ganzen Heilwerkes ist der zeitliche Tod, dadurch Gott seine Kinder von allem Jammer, Noth und Widerwärtigkeit väterlich entbindet, daß die Seele aufhöret zu sündigen, wird engelrein und kommt aus der baufälligen Herberge ihres Leibes in das Vaterland des ewigen Lebens. Der Leib aber ruhet unter der Erde bis zum jüngsten Tage. Alsdann soll er ohne alle Gebrechen und Mängel in vollkommener Klarheit, Kraft und Herrlichkeit wieder ausstehen und, mit der Seele vereinigt, dem Sohne Gottes entgegen ziehen in den Wolken des Himmels und ewig bei ihm sein.

Nach solchem Ende hat den heiligen Paulus herzlich verlanget, da er spricht: »Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?« (Röm. 7, 24). »Wer gestorben ist, der ist gerechtfertigt von der Sünde« (Röm. 6, 7). »Ich habe Lust abzuscheiden, und bei Christo zu sein« (Phil. 1, 23). Aber hiervon werden wir hernach weitern Bericht hören.

5.
Die Frucht.

Was endlich die Frucht unserer Wiedergeburt anlanget, so ist dieselbe das ewige Leben. Denn es hat der Vater unseres Herrn Jesu Christi, wie die Schrift (1 Petr. 1) zeuget, uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Todten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das uns behalten wird im Himmel. Darum »schaffet unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, eine ewige und über alle Maaße wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare« und »trachten nach dem, das droben ist, und nicht nach dem, das auf Erden ist« (2 Cor. 4, 17. 18; Col. 3, 2). »Sei getreu, sagt der Sohn Gottes, bis an den Tod, so will Ich dir die Krone des Lebens geben!« (Offenb. 2, 10).

Solches haben wir fleißig zu merken, damit wir Gottes Wort, den Brauch der hochheiligen Sacramente, die Absolution, das hochwürdige Abendmahl, die Uebung des Glaubens, das Gebet und die wahre Gottesfurcht uns so viel mehr lassen angelegen sein. Denn wozu sind wir getauft? warum gehen wir zur Kirche, hören Gottes Wort, glauben dem Evangelio und befleißigen uns eines christlichen Wandels? Was haben wir für Frucht und Nutzen davon? Wahrlich zum Ackerbau, zur äußerlichen Haushaltung, zur politischen Regierung und Handthierung, zum Kaufen und Verkaufen, Säen, Pflanzen und dergleichen Händeln dürften wir keiner Taufe, keiner Predigt, keines Abendmahls, daß wir in der Kirche uns dadurch ließen zu solchen Werken und zeitlichen Aemtern unterrichten, sintemal es die Juden, Heiden, Türken und Tartaren ebenso wohl können als wir, ob sie schon sich nicht lassen wiedergebären. Das endliche Gesuch aber, darum wir dem Evangelio glauben und neu geboren werden, ist das ewige Leben, das unvergängliche, unbefleckte und unverwelkliche Erbe, welches uns im Himmel behalten wird. –

Zudem bekommen auch die Wiedergeborenen den edlen theuren Namen, daß sie nach Christo Christen genannt werden. Auch heißen sie Gottes Kinder, Gottes Volk, Gottes Eigenthum, Christi Brüder und Schwestern, seine Jünger, seine Schafe, seine Glieder, seine Freunde, Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, neue Creaturen, neue Menschen, gerecht, heilig, frei, Geistliche, von Gott gelehret, die Gesegneten des himmlischen Vaters, gute Bäume, Tempel des heiligen Geistes.

Was kann nun lieblicher, freundlicher und tröstlicher lauten, als daß wir neue Creaturen, Gottes Kinder, Christi Brüder und Schwestern, des heiligen Geistes Tempel und Erben Gottes sein sollen? Und woher bekommen wir solche Ehre und Herrlichkeit anders denn aus der Wiedergeburt?

»Wer ein Kind ist, spricht Dr. Luther, der ist ja auch Erbe zugleich; denn die Geburt bringt das Recht mit sich, daß, der ein Kind, auch zugleich ein Erbe sei. Niemand aber erlanget durch seine Werke oder Verdienst, daß er Erbe werde, sondern die Geburt allein bringt es ihm; daß also das Erbe nicht erworben, sondern allein gegeben wird, das ist: damit daß einer arbeitet, sorget und thut was er thun kann, wird er nicht zum Erben. Das macht ihn aber zum Erben, daß er als Kind in die Erbschaft geboren wird. Denn es thut ein Kind freilich nichts dazu, daß es geboren werde, sondern allein leidet es, und bleibet oft darüber, sammt der Mutter.

Also kommen wir auch zu den ewigen himmlischen Gütern, als da sind: Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, die herrliche Auferstehung und das ewige Leben, nicht durch unser Zuthun, sondern ohne alles unser Thun lassen wir sie uns darreichen und empfangen sie von Gott durch Christum. Da ist nichts, dadurch wir die Sache fördern. Allein der Glaube ergreift die angeborene Verheißung. Gleichwie nun im Weltwesen und Hausregiment ein Kind zum Erben wird allein dadurch, daß es in das Erbgut geboren wird: – also machet der Glaube allhier zu Gottes Kindern die, so da geboren werden durchs Wort, welches die Mutter ist, darin wir empfangen, getragen, geboren und erzogen werden (Jes. 46). Gleichwie wir nun durch solche Geburt, die Gott ohne unser Zuthun ausrichtet, Gottes Kinder werden, also werden wir auch durch gleiche Weise Erben. Nun wir aber Erben worden, sind wir frei vom Tode und Teufel, und haben Gerechtigkeit und ewiges Leben.

Und daher heißen, wir nun nicht allein Gottes Kinder, Gottes Erben und Miterben Christi, sondern wir sinds auch in der Wahrheit und haben das Gut mit dem Namen, unangesehen daß es auf dieser Welt nicht vor Augen scheinet, sondern liegt im Worte verborgen und wird allein mit dem Glauben gefastet. Summa: wer dem Evangelio glaubet, trauet unserem Heilande Jesu Christo und lasset sich durchs Wort unterrichten, regieren und wiedergebären, der ist in Wahrheit ein Kind des Allerhöchsten, ein Bruder oder Schwester des Herrn Christi, ein Gesegneter des himmlischen Vaters und ein Erbe des ewigen Lebens.« So Luther. –

Schließlich – weil solche Wiedergeburt keine andere Creatur unter der Sonne, als nur uns Menschen angehet, und aller Christen höchste Seligkeit daran gelegen ist – so nimm sie, lieber Christ, ja in gute Acht, und siehe dich wohl vor, daß du unserem lieben Gott, der aus großer inbrünstiger Liebe dich wiedergebieret und zum ewigen Leben bereitet, nirgend muthwillig oder vorsätzlich widerstrebest.

Du weißt, wie der Mensch anfänglich im Mutterleibe sich muß bereiten und mit dem Leben anzünden lassen, ehe denn er lebendig auf die Welt kommen und der Luft theilhaftig werden kann. Also laß du auch Gottes Wort auf dieser Welt deine geistliche Mutter sein, und in diesem geistlichen Leibe laß dich den Geist Gottes regieren, unterrichten und zur neuen Creatur bereiten. Sprich: Wohlan! auf dieser Welt gebieret mich der liebe Gott zum ewigen Leben, und von meiner Taufe an bis in den Tod liege ich ihm in seiner Mutter und lasse mich von ihm tragen in seinem Leibe, nämlich in seinem Wort, darin er mich neu bildet und geistlich lebendig machet. Darum will ich fleißig zur Kirche gehen, fleißig Gottes Wort hören, betrachten und zu Herzen nehmen, daß Gott sein Werk in mir schaffe und mich zur Seligkeit bereite.

Auch weiß man, wie ein Kind im Mutterleibe, ehe denn es zur Welt kommt, wunderbarlich vom mütterlichen Samen ernähret und damit gestartet wird, bis es durch die natürliche Geburt aus der Enge in die Weite, aus der Tiefe in die Höhe kommt. Seine Nahrung bekommt es unterdessen durch die Löchlein, welche die Gelehrten Kotyledonen heißen, und bekümmert sich gar nicht mit sorglichen Gedanken, wie solches zugehen möge; fragt nicht nach starkem Getränk und Speise, deren die Leute in der Welt gebrauchen; gafft auch nicht nach dem großen Erdboden, wie die Menschen darauf wohnen und leben. Ja wenn es vor der Geburt, ehe es zeitig ist, hinaus in die Welt sehen und seines Vaters Angesicht schauen wollte, und ihm solches gelänge: so würde es ihm das Leben kosten, daß beide, Mutter und Kind, darauf gingen. Darum hält es sich still in seinem engen Häuslein, trauet dem Samen seines Ursprungs, ist mit der zugeführten Nahrung zufrieden und läßt sich dadurch nähren, stärken und erhalten.

Also thue du auch, lieber Bruder! Von deiner Taufe an bis in den Tod halte dich in Gottes Wort verschlossen, wie ein Kind im Mutterleibe. Da laß das Evangelium deine Milch und Nahrung sein. Und wenn du hörest, daß im hochwürdigen Abendmahl der Sohn Gottes dich heißet seinen Leib essen und sein Blut trinken mit den sichtbaren Elementen des Brotes und Weines: da glaube den Worten einfältiglich, wie sie lauten und grübele bei Leibe nicht mit den Gedanken der klugen Vernunft, wie solches doch zugehen möge. Hüte dich vor allen Enthusiasten, welche das Wort fahren lassen und spekuliren, wie sie Gott in seiner bloßen Majestät mögen ergreifen. Dazu lassen sie nicht die Fülle der Gottheit Christi in seinem angenommenen Fleische wohnen, sondern wollen ohne das Fleisch mit ihr zu thun haben. Reden auch von seiner ewigen Vorhersehung, Gnadenwahl und dergleichen Geheimnissen nicht, wie er sich in seinem Wort geoffenbaret, sondern nach den Gedanken ihrer klugen Vernunft.

Darum hüte dich vor ihnen und begehre auch nicht auf dieser Welt Gott in seiner bloßen Majestät zu sehen. Denn es ist hier keine Zeit dazu, wie er selber spricht (2 Mos. 33, 20): »Kein Mensch wird leben, der Mich siehet.« Willst du aber deiner Seligkeit gewiß und sicher sein, so merke nur auf das Wort, und in dem Evangelio siehe Christum an, wie er empfangen, geboren, gekreuziget, gestorben, auferwecket, gen Himmel gefahren und zu der rechten Hand Gottes erhoben, auch was er geredet und eingesetzt habe. Da werde allerding zum Kinde, nimm deine Vernunft in den Gehorsam Christi gefangen und halte dich zum geoffenbarten Wort, so bleibst du sicher und unbetrogen.

Solchen Rath giebt auch unser Dr. Luther und spricht: »Gleichwie das göttliche Wesen unbegreiflich ist und von aller Welt und Creatur nicht mag ergriffen noch beschlossen werden, also ist auch menschlicher Natur nicht träglich noch leidlich, solch sein unbegreifliches und unendliches Wesen, Majestät und Herrlichkeit mit Sinnen ausforschen und fassen wollen. Darum willst du weislich, sicher und ohne Gefahr deines Gewissens und deiner Seligkeit fahren, so enthalte dich solches Spekulirens und Forschens, und lerne unseren Herrn Gott ergreifen aus die Weise, so die Schrift lehret, wie l Corinther l geschrieben stehet: Weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott dem Herrn wohl, durch thörichte Predigt selig zu machen die, so daran glauben (V. 21). – Wenn du betrachtest oder disputirest bei dir selbst, wo doch der Gott zu finden sei, der die Sünder gerecht und fromm macht und sie zu Gnaden annimmt, so siehe eben zu, daß du ja von keinem Gott wissest noch eines Gottes achtest außer dem Menschen JEsu Christo, sondern ergreife nur denselben und bleibe mit deinem Herzen an ihm hangen, und laß alle Gedanken und Spekulationen von der Majestät nur frei fahren. Denn wie Salomo Sprw. 25 saget: Wer schwere Dinge forschet, dem wird es zu schwer. Was ich hier sage, das habe ich erfahren, und weiß daß es also wahr ist. Die Schwarmgeister aber, so mit Gott außerhalb dieses Menschen Christi handeln wollen, glauben mir es nicht. Es sagt ja doch Christus selbst: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; Niemand kommt zum Vater, denn durch Mich. Darum wirst du ohne diesen Weg, der Christus ist, keinen anderen Weg zum Vater finden, sondern eitel Abwege und Verführungen; keine Wahrheit, sondern eitel Heuchelei und Lügen; kein Leben, sondern den ewigen Tod.«

Ferner befleißige dich, so lange du auf Erden bist, daß du im geistlichen Leben, das ist im Glauben, in der Liebe, in Gottes Erkenntniß und in allerlei Tugenden wachsest und zunehmest, nicht anders denn wie ein Kindlein im Mutterleibe, nachdem es mit dem natürlichen Leben angezündet ist, auch von Tage zu Tage an Kräften wächst und immer stärker wird bis zur Stunde seiner Geburt. Alsdann dringet es aus dem finstern Häuslein in diese Welt und schöpfet da die rechte Lebenslust, daß es nun ein völlig Leben wird. Also halt du auch stets an mit Uebung des Glaubens, mit Wachen und Beten und allen Stücken, welche zum geistlichen Leben gehören, so lange du auf dieser Welt unserem lieben Gott in seinem Wort gleich als in der Mutter liegst. So wird er dir zuletzt reichlich darreichen den Eingang aus diesem Jammerthal in das ewige Reich seines lieben Sohnes JEsu Christi.

Hierzu vermahnet uns die Schrift hin und wieder und spricht: »Lieben Brüder, thut desto mehr Fleiß, euren Beruf und Erwählung fest zu machen. Denn wo ihr solches thut, werdet ihr nicht straucheln. Und also wird euch reichlich dargereichet werden der Eingang zu dem ewigen Reich unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi« (2 Petr. 1, 10. 11). »Darum ermahnet euch unter einander, und baue einer den Anderen« (1 Thess. 5, 11). »Ziehet an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in Einem Leibe, und seid dankbar. Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit; lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern, und singet dem Herrn in eurem Herzen« (Col. 3, 14-16). »Ich bete, daß eure Liebe jemehr und mehr reich werde in allerlei Erkenntniß und Erfahrung, daß ihr prüfen möget, was das Beste sei; auf daß ihr seid lauter und unanstößig bis auf den Tag Christi, erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum geschehen in euch zur Ehre und Lobe Gottes« (Philipp. 1, 9-11).

Solchen Vermahnungen komme fleißig nach, du lieber Christ. Sei begierig nach Gottes Wort, wie ein Kindlein nach der Muttermilch. Laß ab von Sünden, bekehre dich von Herzen, höre gern die Predigt des Evangelii, gebrauche oft des Abendmahls zur Stärkung des Glaubens, fürchte Gott und liebe ihn über alle Dinge, habe auch lieb deinen Nächsten, folge nicht den sündlichen Lüsten, halt keine Gemeinschaft mit den Gottlosen, sei geduldig im Kreuz, thue Widerstand dem Teufel, der Welt und deinem eignen Fleisch im Glauben, warte deines Berufes und nimm deiner Seligkeit mit Furcht und Zittern wahr.

Auch sei stets fröhlich in dem HErrn und danke ihm ohne Unterlaß, bete und rufe ihn fleißig an, nachdem er aus inbrünstiger Liebe das heilsame Werk der Wiedergeburt in dir angefangen hat, daß er deswegen es auch väterlich vollenden und dich zum Eingänge in das Paradies völlig bereiten wolle.

Sprich: O lieber Gott, was ist der Mensch, daß Du sein gedenkest, und des Menschen Kind, daß Du Dich seiner annimmst? Du Vater meines Herrn JEsu Christi, wie segnest Du mich so reichlich mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Ihn! Du hast mich erwählet durch denselbigen, ehe der Welt Grund gelegt war, daß ich soll heilig sein und unsträflich vor Dir in der Liebe. Auch hast Du mich durch Ihn verordnet in der Kindschaft gegen Dich selbst, nach dem Wohlgefallen Deines Willens, zu Lobe Deiner herrlichen Gnade. O gütiger Vater, wie ist diese Deine Gnade so herrlich, durch welche Du mich hast angenehm gemacht in dem Geliebten! O welch eine edle Erlösung hab ich an Deinem Sohn durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichthum Deiner Gnade, welche mir reichlich widerfähret in allerlei Weisheit!

Herr mein Gott, wie groß ist Deine Güte, daß Du mich auf dieser Welt nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus Deinem lebendigen Worte, das da ewiglich bleibet, wiedergebierest zu einem unvergänglichen unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das mir im Himmel behalten wird! O mein lieber Gott, wie herzlich freu ich mich, daß ich von meiner Taufe an bis in die Grube Dir liege in Deinem Leibe und daß Du mich trägst in Deiner Mutter! Ich war todt in Sünden, aber Du machest mich lebendig in Christo und setzest mich sammt Ihm in das himmlische Wesen. Groß, ja überschwänglich groß ist die theure Gnade der Wiedergeburt, daß Du mich lässest Dein Werk sein, geschaffen in Christo Jesu, und lässest mich wissen das Geheimnis Deines Willens nach Deinem Wohlgefallen. Versiegelst mich auch mit dem heiligen Geist der Verheißung, welcher ist das Pfand meines Erbes zu meiner Erlösung, auf daß ich Dein Eigenthum sei zum Lobe Deiner Herrlichkeit.

O mein liebster Gott, wie soll ich Dir vergelten alle solche Wohlthaten, die Du an mir thust? O thue mir meine Lippen auf, daß mein Mund Deinen Ruhm verkündige und meine Zunge Deine Gerechtigkeit rühme; und erleuchte die Augen meines Verständnisses, daß ich im geistlichen und gottseligen Leben zunehme und erkenne, welches da sei die Hoffnung meines Berufs, der Reichthum Deines herrlichen Erbes und die überschwängliche Größe Deiner Kraft an mir. Denn ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Dein Sohn JEsus Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben Deines Sohnes, der mich geliebet hat und sich selbst für mich dargegeben. Und Dein Werk ist es, daß ich glaube. Sintemal ich glaube nach der Wirkung Deiner mächtigen Stärke, welche Du gewirket hast in Christo, da Du ihn hast von den Todten auferweckt und gesetzt zu Deiner Rechten im Himmel.

O Vater meines Herrn Jesu Christi, der Du der rechte Vater bist über alles was da Kinder heißet im Himmel und auf Erden; der Du auch Deiner neu geborenen Kindlein viel weniger kannst vergessen als eine Mutter ihres Kindleins vergessen kann, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes: vermehre in mir den Glauben! gieb mir Kraft nach dem Reichthum Deiner Herrlichkeit, stark zu werden durch den Geist an dem inwendigen Menschen, Christum wohnend zu haben durch den Glauben in meinem Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden, auf daß ich begreifen möge mit allen Heiligen, welche da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe; auch erkennen, daß Christum lieb haben viel besser ist denn alles Wissen, auf daß ich erfüllet werde mit allerlei Gottes-Fülle!

Mein allerliebster Gott, der Du in mir angefangen hast das gute Werk, ich bitte Dich: Du wollest es auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi! Der Du lässest Andere die Mutter brechen, der Du lässest Andere gebären – wollest ja nicht mit mir verschlossen bleiben! Dein Sohn JEsus Christus, Dein heiliger Geist und Dein Wort sind mein höchster Schatz. Und solchen Schatz habe ich allhier in irdischen Gefäßen, auf daß die überschwängliche Kraft Dein sei und nicht von mir, Darum stärke und erhalte Du mich zum ewigen Leben, und bewahre mich wie einen Augapfel in Deinem Auge, daß ich allhier in Deiner Liebe und in Deiner Erkenntniß immerdar zunehme, und vom Teufel, der Welt und allen Anfechtungen unverhindert zuletzt, wenn das Sterbestündlein kommt, aus diesem Jammerthal zu Dir in das ewige Paradies eindringe. Das verleihe mir, o gütiger Vater, durch Christum JEsum, Deinen Sohn, in der Kraft des heiligen Geistes! Amen.

IV.
Die selige Heimfahrt eines sterbenden Christen aus dieser Welt in das ewige Leben.

Die vierte Wohlthat Gottes hängt an der dritten und ist eigentlich nichts denn die Vollendung der allerheilsamsten Wiedergeburt, da Gott seine auserwählten Kinder von allem Uebel, Leibes und der Seele, errettet und zuletzt, wenn ihr Stündlein kommt, von diesem Jammerthal abfordert; nimmt ihre Seelen durch den zeitlichen Tod von der Welt zu sich in das Paradies der ewigen Freude, und lasset ihre Leiber mittlerweile sanft unter der Erde ruhen und schlafen bis hin zum jüngsten Tage.

»Hie hebt sich aber nun an die enge Pforte und der schmale Steig zum ewigen Leben, wie Luther schreibt, deß muß sich ein Jeglicher fröhlich erwägen. Denn obwohl dieser Weg fast eng ist, so währet er doch nicht lange, und gehet hie nicht anders zu, denn gleich wie ein Kind aus der kleinen Wohnung des Mutterleibs mit Gefahr und Aengsten geboren wird in diesen weiten Himmel und Erde, das ist auf die Welt. Also gehet der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben in das ewige Leben. Und wiewohl der Himmel und die Welt, da wir jetzt innen leben, groß und weit angesehen wird, so ist es doch alles gegen den zukünftigen Himmel viel enger und kleiner, denn der Mutterleib gegen diesen Himmel ist. Darum heißt der lieben Heiligen Sterben eine neue Geburt und ihr Fest nennet man den Tag ihrer Geburt. Denn wenn wir hier dieser Welt absterben, so werden wir in jenes Leben geboren. Aber die enge Pforte und der schmale Weg und die ängstlichen Schmerzen in Todesnöthen, die machen uns dieses zeitliche Leben so weit, daß wir gerne länger hier blieben und uns jenes Leben enge dünket. Aber es ist zu thun, daß wir uns des Sterbens frei erwägen und durch die enge Pforte des Todes hindurch dringen in das ewige Leben, gleich wie ein Kind aus Mutterleibe. Und müssen also an dem Exempel der leiblichen Geburt eines Kindes lernen sterben, wie denn auch Christus seine Jünger damit tröstet. Joh. am 16. sagt er: Ein Weib, wenn sie gebieret, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen daß der Mensch zur Welt geboren ist. Also auch im Sterben muß man sich der Angst erwägen und wissen, daß danach ein großer weiter Raum und ewige Freude sein wird.«

1.
Der Sterbens-Prozeß.

Die heilige christliche Kirche ist die schwangere Mutter. Ein sterbender Christ ist das Kind, welches von der Mutter soll geboren werden. Das Wort Gottes ist der Mutterleib, darin das Kind liegt umgeben und verschlossen. Sein alter Adam oder sein Fleisch und Blut ist die Nachgeburt oder das Häutlein, mit welchem das lebendige Kind im Mutterleibe umfangen ist. Der natürliche Tod aber ist wie der Auszug oder wie die Ankunft eines Kindleins aus seiner Mutter Leibe in diese Welt.

Gleichwie nun erstlich das Weib mit einem Kindlein schwanger geht, das sie in ihrem Leibe trägt, und das Kindlein im Mutterleibe ist auch schwanger mit seinem Leben, welches es begehret aus den engen Schranken hinaus zu bringen: also gehet die Kirche Christi auf dieser Welt alle Tage schwanger mit geistlichen Kindern, welche sie vom heiligen Geist durch die Taufe empfähet und träget sie in dem Wort ihres Bräutigams Jesu Christi als in ihrem Leibe, darin sie neugeboren und voll Tage zu Tage mehr zugerichtet und zum ewigen Leben bereitet werden. Und solche Kinder sind auch selbst schwanger mit dem geistlichen Leben, da Christus durch den Glauben in ihren Herzen wohnet sammt dem Vater und heiligen Geist, daß sie davon neue himmlische Kräfte und Bewegungen haben, wie an St. Paulo zu sehen, da er spricht: »Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir« (Gal. 2, 20).

Was thut nun ein lebendig Kind im Mutterleibe? Es hat daselbst die Erstlinge seines Lebens und sehnet sich nach der Vollkommenheit, daß es aus dem engen Häutlein und aus der schwangeren Mutter in die große weite Welt gebracht und erlöst werde. Ebenso trägt auch ein rechtgläubiger Christ, in welchem die heilige Dreifaltigkeit durch den Glauben wohnet und lebet, jederzeit ein herzlich Verlangen nach dem ewigen Vaterland. Darum sagt der Apostel: »Wir, die wir haben des Geistes Erstlinge, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft, und warten auf unseres Leibes Erlösung. Denn wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man siehet, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man deß hoffen, das man siehet? So wir aber deß hoffen, das wir nicht sehen, so warten wir sein durch Geduld« (Röm. 8, 23-28).

Fürs andere hat das Fell oder Häutlein, damit das Kind im Mutterleibe umwickelt ist, seine Löchlein und Gänge, dadurch das Kind die zugeführte mütterliche Luft und Nahrung an sich ziehet, daß es davon lebe, wachse und zunehme.

Also hat ein Christ auf Erden an seinem Leibe die äußerlichen Werkzeuge seiner Sinne: den Mund, die Augen und Ohren, daß er damit unserem lieben Gott diene, höre das Evangelium, sehe auf die Sacramente von Christo eingesetzt, und rede stets von ihm und seinen überschwänglichen Wohlthaten. Sintemal durch diese Mittel der heilige Geist gegeben wird. Denn durch fleißige Anhörung und Betrachtung des göttlichen Wortes, so wie durch den äußerlichen, rechten Gebrauch der heiligen Sacramente erleuchtet Gott die Herzen, bekehret sie, erwecket den Glauben, stärket, tröstet und vermehret ihn, daß sie davon süßiglich erquicket werden und je länger je mehr im geistlichen Leben zunehmen.

Fürs dritte: Wenn das Kindlein im Mutterleibe an seiner Gestalt und Leibeskräften wächst und sich zur natürlichen Geburt nahet, so wird ihm das Häutlein, damit es umfangen liegt, zu eng und ist ihm beschwerlich, daß es heraus begehret und sich nach der Erlösung sehnet.

Nicht anders gehet es den rechtgläubigen Christen und Kindern des Lichts auf dieser Welt, wenn das geistliche Leben in ihnen wächst, der alte Adam aber und baufällige Leichnam mit allerhand Wehetagen, Kreuz und Noth beladen wird. Da ängsten sie sich und begehren heraus in das geraume Vaterland des ewigen Lebens. »Denn der sterbliche Leichnam, sagt die Schrift, beschweret die Seele, und die irdische Hütte drücket den zerstreuten Sinn« (Weish. 9, 15). Aber doch sagen die Kinder Gottes, in welchen Christus durch den Glauben wohnt und sich reget: »Wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. Und nun sind wir getrost, und haben viel mehr Lust außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem Herrn. – Darum werden wir nicht müde, sondern ob unser äußerlicher Mensch verweset, so wird doch der innerliche von Tage zu Tage verneuert« (2 Cor. 5, 7. 8; 4, 16).

Es ist doch unser Leib auf Erden viel mehr ein Kerker, denn eine lustige Wohnung der Seele; sonderlich wenn er mit täglichem Jammer, Schmerzen und Elend ausgemergelt und abgemattet wird. Darum mögen wir wohl mit St. Cyprian sagen: »Lieber, so in deinem Haus oder Wohnung die Wände Alters halber schwankten, schlitterten und bebeten, und das ganze Gebäude so mürbe und faul wäre, daß es nicht länger bestehen könnte, sondern einfallen müßte: wolltest du dich nicht eilend daraus machen? Also auch, wenn du in einem finsteren stinkenden Gefängnisse säßest, darin du müßtest große Gefahr von Schlangen, Kröten, Basilisken und Lindwürmern ausstehen, die dir täglich nach der Kehle sprängen und aus der Schüssel mit dir fräßen: wolltest du dich denn nicht gern heraus begeben? Sonderlich wenn dir ein königlicher Palast anstatt des Kerkers sollte eingeräumt und alles gegeben werden, was nur dein Herz wünschen und begehren würde. Dieweil unser alter Adam der Seele nicht weniger überlästig und beschwerlich ist auf dieser Welt, als ein baufällig Haus seinem Einwohner, oder ein stinkender Kerker seinem Gefangenen – so sehnen sich gottselige Christen hinaus und wollten lieber außer dem Leibe wallen und daheim sein bei dem Herrn.«

Deß haben wir Exempel an den lieben Heiligen, deren in der Schrift hin und wieder gedacht wird. St. Paul spricht: »Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes«? (Röm. 7) »Ich habe Lust abzuscheiden, und bei Christo zu sein« (Phil. 1). David schreiet: O lieber Gott, »ich breite meine Hände aus zu Dir, meine Seele dürstet nach Dir wie ein dürres Land! Führe meine Seele aus dem Kerker, daß ich danke Deinem Namen!« (Ps. 143, 6; 142, 8). Desgleichen schreibet St. Peter: »Ich weiß, daß ich meine Hütte bald ablegen muß, wir mir denn auch unser Herr Jesus Christus eröffnet hat« (2 Petr. 1, 14).

Zum vierten ist der Mutter angst und bange, wenn sie gebären soll, daß sie rufet und schreiet, bis sie der Frucht ihres Leibes durch die gnädige Hülfe Gottes entbunden worden und das Kind zur Welt geboren hat.

Also ist auch die christliche Kirche auf Erden, unsere geistliche Mutter, stets schwanger mit Kindern des Lichts, die in ihrem Leibe, das ist in Gottes Wort, getragen werden, und lieget alle Tage in Kindesnöthen, wo rechtgläubige Christen von der Welt ihren Abschied nehmen und seliglich in dem Herrn sterben. Da schreiet und rufet sie täglich in ihrem Vaterunser: O allerliebster Vater, Dein Reich komme! und erlöse uns von allem Uebel! Dies Vaterunser ist ein recht allgemein Muttergeschrei und wird alle Tage gnädiglich erhört, sintemal kein Tag in der Welt hingehet, da nicht Christen sterben und im Glauben aus diesem Jammerthal durch den zeitlichen Tod in das ewige Leben geboren werden.

Und soll sich ein sterbender Christ dies lassen einen großen Trost sein, daß zu der Zeit seiner Heimfahrt aus diesem Elend die ganze Christenheit wie eine schwangere Gebärerin sich mit ihm ängstet, und daß das gemeinsame Vaterunser überall, wo es in den Kirchen Gottes gesprochen wird, als ein ängstlich Muttergeschrei bei Gott ihm mächtig zu Hülfe kommt. Darum er denn auch sonderlich in die christliche Fürbitte aller Gottseligen in Kirchen und öffentlichen Versammlungen sich soll mit einschließen lassen und nicht zweifeln, das Gebet werde von Gott dem Allmächtigen laut seiner Verheißung gewißlich erhöret.

Zum fünften gehöret hieher, daß nicht allein die christliche Kirche mit Gotteskindern auf dieser Welt als eine fruchtbare Mutter schwanger gehet, sondern auch dies ganze Gebäude Himmels und der Erde stellet sich wie ein schwanger Weib und sehnet sich nach der Erlösung. Denn also schreibt der Apostel: »Das ängstliche Harren der Creatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Sintemal die Creatur unterworfen ist der Eitelkeit, ohne ihren Willen, sondern um deßwillen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung. Denn auch die Creatur frei werden wird von dem Dienst des vergänglichen Wesens, zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß alle Creatur sehnet sich mit uns, und ängstet sich noch immerdar« (Röm. 8, 19-22).

Wer dies Geheimniß recht verstehen will, der muß auf die Art merken, wie diese drei: die ganze Creatur, die christliche Kirche auf Erden, und ein jeder rechtgläubige Christ einer schwangeren und wehklagenden Frau verglichen werden.

Erstlich siehest du dies große Gebäude Himmels und der Erde, das da ist wie eine runde Kugel und in sich schließt alle Adamskinder, die auf Erden wohnen. Da sind wir mit der Luft und mit dem hohen Firmament des Himmels allenthalben umgeben, und liegen mitten ein, wie viele Kinder in Einem mütterlichen Leibe. Denn da muß uns, das ganze Geschöpf Himmels und der Erde mit allem, was darin ist, dienen gleich als eine Mutter; sintemal Sonne, Mond, Sterne, Luft, Meer und der ganze weite Erdboden sammt allen unvernünftigen Thieren und allem Gewächs uns Menschen zu Nutz und Dienst geschaffen sind. Und weil nun Gott eine heilige christliche Kirche jederzeit unter den Menschen beruft, sammlet und erleuchtet, welche stets unter dem Kreuz liegt und sehr heftig vom Teufel, von Tyrannen und falschen Brüdern verfolgt wird: so vergleichet St. Paulus die Creatur, das ist das ganze Gebäude Himmels und der Erde, einer schwangeren Mutter, welche die Christenheit wie ein Kindlein in ihrem Leibe trägt und sehnet sich nach der Erlösung um der bösen Buben willen, denen sie ohne ihren Willen dienen muß, und wollte gern von solcher Eitelkeit befreiet werden, daß die Christenheit aus diesem Angsthause und Jammerthal gänzlich möchte wegziehen wie ein Kind aus Mutter Leibe und heimfahren in das ewige Leben.

Danach ist mitten in der ängstlichen Creatur die heilige christliche Kirche, wie droben gemeldet, auch selbst schwanger und gebieret alle Tage gottselige Seelen aus diesem Jammerthal durch den zeitlichen Tod in das große weite Vaterland der ewigen Freude. Und allhier hat es die Meinung, daß die lebendigen Christen sind wie die Glieder eines schwangeren Weibes, und der sterbende Christ wie das Kindlein, welches zur Welt geboren wird. Gleichwie nun die Glieder in der Mutter sich heftig ängsten und bemühen, daß die Frucht erlöst werde und zur Welt komme – also kommen auch die lebendigen Christen den sterbenden mit ihrem Vaterunser und ernstlichem Gebet bei Gott zu Hülfe, damit diese durch den Tod zum ewigen Leben eindringen. So lange daher ein recht gläubiger Christ auf Erden wallet, ist er ein Glied, der streitenden Kirche und hilft mit fleißigem Gebet seinem Nächsten, der aus diesem Jammerthal abscheidet. Wenn er nachher selbst auch sterben soll, so ist er das Kindlein, und kommen ihm die anderen Glieder alsdann gleicherweise zu Hülfe, daß er auch seliglich hinfahre. Und währet dies geistliche Kindergebären von einer Zeit in die andere und wird währen bis hin zum jüngsten Tage, daß einer den Anderen mit andächtiger Fürbitte bei Gott, wie auch mit gottseligem Vermahnen, Trösten und Warnen gleich als in das ewige Leben hineingebäre, und wie er gebieret, daß er also von Anderen zu seiner Zeit auch selbst in das ewige Leben wiedergeboren werde.

Endlich wohnet und lebet der Herr Christus durch den Glauben in aller Christen Herzen, also daß ein jeder Christ, der dem Evangelio glaubet, Gottes Tempel ist und aus solcher Einwohnung Christi ein himmlisch Leben führet, redet immer von Christo, denket Tag und Nacht an ihn, rühmet, lobet, preiset und bekennet ihn auch in aller Noth und Anfechtung öffentlich vor der Welt, nicht anders als ginge er mit Christo schwanger und trüge das liebe Jesuskind in seinem Leibe. Dies Geheimniß wird uns vorgebildet in der Offenbarung St. Johannis an dem schwangeren Weibe, welche schreiet in Kindesnöthen und große Qual hat zur Geburt (Cap. 12).

Da siehest du, was es mit diesem ganzen Geheimniß für eine unterschiedliche Gelegenheit habe. Wie nämlich das große Gebäude Himmels und der Erde als ein schwanger Weib die streitende Christenheit auf Erden wie ein Kind in ihrem Leibe trägt. Danach wie die streitende Kirche auch schwanger ist und einen mütterlichen Leib hat, der Gottes Wort heißt, darin eitel Kinder des Lichts gebildet werden. Endlich wie auch jeder gottselige Christ, in diesem mütterlichen Leibe für sich schwanger gehet mit einem himmlischen Leben, welches er führet im Glauben und sehnet sich danach, daß er kommen möge aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schauens. Deswegen beschließt und umgiebt hier ein schwanger Werk das andere, und liegt das eine im anderen verborgen. Glaubst du an Christum, so ist das Reich Gottes inwendig in dir, gleichwie das Leben ist im zarten Kindlein; du aber verhältst dich in Gottes Wort, so öffentlich in der Kirche gepredigt wird, nicht anders denn wie ein lebendig Kindlein in seiner Mutter Leibe. Was thut denn die christliche Kirche? Sie pilgert und wallet auf der Erde mitten in dem Kunstwerk der Natur und allenthalben von der Luft und hohem Gebäude des Himmels umgeben. Da ist denn das ganze Gebäude Himmels und der Erde wie eine runde Kugel. Gott aber regiert das ganze Werk und ist wie eine Hauptmutter, die solche Geburt allenthalben befördert.

Hieher gehöret auch recht, daß der große König Himmels und der Erde sich einer Gluckhenne vergleicht (Matth. 23, 37), und bei dem Propheten Jesaias spricht: »Sollte ich Andere lassen die Mutter brechen, und selbst nicht auch gebären? Sollte ich Andere lassen gebären, und selbst verschlossen sein?« (Cap. 66, 9).

Zum sechsten: Wenn der Mensch aus seiner Mutter Leibe zur Welt geboren wird, so muß er seine alte Haut daran setzen. Denn da stirbt ihm ab das Nachwesen oder das Fell, damit er in dem mütterlichen Leibe umfangen und umwickelt gewesen. Also gehet es auch mit dem sterbenden Christen zu. Er dringt zwar durch Gottes Kraft aus dieser Welt in das ewige Leben, aber den alten Adam und sein Fleisch und Blut muß er darüber wagen. Es stirbt ihm der Leib ab und verweset unter der Erde. Wie daher der Mensch mit Schmerzen zur Welt geboren wird, also fährt er auch mit Schmerzen davon. Und gehört hieher, was Jesaias sagt: »Gleichwie eine Schwangere, wenn sie schier gebären soll, so ist ihr angst, schreiet in ihren Schmerzen. So gehet es uns auch, HErr, vor Deinem Angesicht. Da sind wir auch schwanger, und ist uns bange, daß wir kaum Athem holen« (Cap. 26, 17. 18).

Sehr tröstlich ists aber, daß unser Leib doch nicht ewig unter der Erde bleiben soll, sondern liegt da wie ein Weizenkörnlein, das am jüngsten Tage grünen und mit Freuden wieder hervorkommen wird. Denn wie Christus gestorben und von den Todten auferstanden, also werden auch alle, so an ihn glauben, vom Tode zur ewigen Herrlichkeit auferweckt werden. So wird der Leib »gesäet in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesäet in Schwachheit, und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesäet ein natürlicher Leib, und wird auferstehen ein geistlicher Leib« (1 Cor. 15, 43. 44).

Zum siebenten aber kommt der schwangeren Mutter die Hebamme in der Geburt zu Hülfe und errettet das Kindlein. Also kommt auch Gott mit seiner Hand aus der Höhe wie eine himmlische Wehemutter dem sterbenden Christen zu Hülfe und fasset die ausfahrende Seele, daß sie nicht in den Abgrund der höllischen Angst und Qual niedersinket, sondern in das hohe Paradies der ewigen Seligkeit mit Freuden aufgenommen wird. Darum spricht David: »In Deine Hände befehle ich meinen Geist; Du hast mich erlöset, HErr, Du treuer Gott!« (Ps. 31, 6). Als wollte er sagen: O lieber Gott, ich ringe mit dem Tode und muß die Welt verlassen; mein Leib ist baufällig, meine Kräfte nehmen ab und meine Seele fahret von mir aus. Da gehets mir wie einem Kindlein, das zur Welt geboren wird und kann sich selbst nicht rathen in der großen Angst, wenn nicht die Wehemutter mit hülfreicher Hand dazu kommt und das Beste thut. Also wollest Du, lieber Gott, mit Deiner väterlichen Hand meine arme Seele auch fassen, heben und aufnehmen, daß sie ja nicht zu Grunde gehe, sondern auf die Höhe fahre und in das ewige Leben sicher gelange!

Ebenso verstehet auch Luther dies Geheimniß in seiner Erklärung über den Spruch des vierten Psalms: »Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein Du, HErr, hilfst mir, daß ich sicher wohne.« »Der Prophet, sagt er, brauchet hier ein feines Wort: der Herr hält mich. Darin er anzeigt, daß einer der da stirbt, nicht verlassen wird vom Herrn, sondern werde erhalten von oben herab, gleich als strecke Gott seine Hand aus und lege sie auf ihn, auf daß er nicht herunter falle, sondern vielmehr errettet und empor gehoben werde. Damit drückt er aus und malet ab eigentlich und meisterlich die Weise eines sterbenden Menschen und Gottes der ihn erhält. Denn ein sterbender Mensch wird dafür angesehen, als verderbe er und werde unter sich verschlungen. Aber da nahet sich Gottes Hand von oben herab auf ihn und erhält ihn, daß er nicht kann verderben, sondern vielmehr zum Leben aufgehoben wird und also vor seinen und aller Welt Augen wohl stirbt, aber bei Gott erhalten und aufgehoben wird.«

Siehe, lieber Bruder, so gehet es mit einem sterbenden Christen zu, wenn er seinen Abschied von der Welt nimmt und hinfähret in das selige Vaterland des ewigen Lebens. Solcher Zug ist fürwahr recht ein neuer Geburtstag, und kann der ganze Prozeß dieser Heimfahrt nirgend besser an gelernt werden, als an dem Exempel der leiblichen Geburt eines Kindes.

2.
Der beste Geburtstag.

Nun ist Gott Lob in vielen Büchern so viel Unterricht, wie man sich auf den Tod bereiten soll, aus heiliger göttlicher Schrift vorgeschrieben, daß ichs für unnöthig achte, an diesem Ort solches weitläufig zu wiederholen. Allein behalt mit Fleiß, du lieber Christ, den ganzen Prozeß deiner Wiedergeburt, und präge ihn dir sorgfältig ein, wie er allhier mit seinen Eigenschaften abgemalet und kürzlich entworfen ist. Und so lange du auf Erden lebest, laß dir nicht anders zu Muthe sein, denn als liegest du von deiner empfangenen Taufe an bis zur letzten Stunde des Todes in Gottes Wort wie im Mutterleibe verschlossen, und laß dich daselbst durch die allmächtige Kraft und Wirkung des heiligen Geistes gebären und zurichten zu einem anderen Leben, davon die blinde Welt, Juden, Türken und Heiden nichts wissen.

Da halt dem heiligen Geist still in seinem Wort, besuch die Predigt und laß das Evangelium reichlich in deine Ohren klingen. Glaub der Stimme unseres Herrn JEsu Christi einfältiglich, und laß dich bei Leibe die närrische thörichte Vernunft mit ihrem fleischlichen Dünkel von Gottes Wort nicht abtreiben. Hüte dich vor den Papisten, und vor allen Schwarmgeistern, die Christum mit seinem Evangelio zur Schule führen und den Text der Schrift mit ihren Glossen so durchspicken, martern und radbrechen, daß der Same, aus welchem du wiedergeboren werden sollst, nicht mehr ein reiner bleibt, sondern mit giftigem Unkraut und tödtlichem Gift vermischet wird. Darum siehe dich wohl vor und stelle dich gleich einem Kindlein, wie Christus sagt: »Wahrlich, Ich sage euch: es sei denn, daß ihr euch umkehret, und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen« (Matth. 18, 3).

Auch rufe Gott täglich an, sonderlich Abends und Morgens, um ein seliges Sterbestündlein, und bereite dich zum Tode, dieweil er noch nicht da ist, auf daß, wenn er herzu nahet, dein Herz vor ihm nicht graue noch sich zu hart entsetze. Sprich:

Ach Du mein herzallerliebster Schatz, Herr JEsu Christe, Du werthe Krone: nach Dir verlanget mich; und wie ein Hirsch schreiet nach frischem Wasser, also dürstet meine Seele nach Dir. Ich bitte Dich durch Deinen herben bittern Tod, Du wollest mich trösten in meiner letzten Noth und mir die Augen meines Herzens erleuchten, wenn meine leiblichen Augen gebrochen sind und ich keinen Stich mehr sehe, wenn mir alle menschliche Hülfe zerrinnet und mein Verstand sich nicht mehr besinnet. Laß mich nicht versinken in des bittern Todes Noth! Laß mich nicht verzagen vor der tiefen Hölle Gluth! Laß mich nicht entfallen von des rechten Glaubens Trost! Gieb, daß ich durch die trüben schwarzen dicken finstern Wolken Deinen freundlichen tröstlichen Gnadenblick ersehe; und bescheide, Du höchster Hort, Deine auserwählten heiligen Engel auf mich, die mir auf den Dienst warten und meine Seele in Deinen Schooß tragen, da sie keine Qual mehr rühren, da sie von aller Arbeit seliglich ausruhen wird. Und so mir aus menschlicher Gebrechlichkeit irgend ein ungeduldiges Wort oder Werk entführe, so wollest Du Deinen Gnadenmantel darüber decken und in meiner Schwachheit stark und kräftig sein, daß ich ja mein Herz von Deinem Verdienst, Schweiß und Blut nimmer abwende, sondern bis auf den letzten Seufzer mich darauf stütze und verlasse, und also durch den Tod zum Leben eindringe und ewiglich bei Dir bleibe! Amen.

3.
Die letzten Züge.

Wenn nun der Tod kommt, so thue ihm also: Stelle dich, als trätest du in ein Schifflein und führest darin über ein großes ungestümes Meer in ein schönes Land, da alles lebet von großer Freude und Herrlichkeit.

Der Tod mit seinen höllischen Anfechtungen, die ängstliche und schwermüthige Betrachtung der vielfältigen begangenen Sünden, der Zorn Gottes, die schreckliche Gewalt des Teufels – sind allzusammen wie das große Meer, welches von grausamen Sturmwinden, Wellen und Wasserwegen allenthalben brauset und wüthet. Das Evangelium aber von unserer Seligkeit, Vergebung der Sünden und Erlösung vom Tode, sammt den Artikeln unseres christlichen Glaubens – ist das Schiff, darein wir mit freudigem unerschrockenen Bekenntniß treten und getrost wagen müssen, darin in dem Namen Gottes über das große todte Meer zu fahren, bis wir die Küste des himmlischen Vaterlandes erreichen.

Nun scheinet zwar für unsere Vernunft das Meer sehr weit und schrecklich, das Schifflein dagegen sehr schwach, klein und gering. Aber gleichwie einer, der über den Rhein oder über die Donau will, nicht ansiehet den breiten Wasserstrom, sondern verläßt sich aufs Schiff, wenn es schon klein und gering ist, und trauet dem Schiffsmann, daß er ihn glücklich hinüberbringen werde: also sollst du, lieber Christ, auch nicht ansehen, wie gewaltig das todte Meer ist und wie es allenthalben brauset, sondern verlaß dich auf das Schifflein des göttlichen Wortes und der evangelischen Verheißungen, darin Christus, der Schiffspatron, selbst gegenwärtig ist und spricht: »Fürchte dich nicht, denn Ich habe dich erlöset. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein. Denn so du durchs Wasser gehest, will Ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen« (Jes. 43, 1. 2).

Und hierbei kannst du merken, woher es kommt, daß so viel tausend Menschen verloren werden und, wenn sie sterben, nicht zum ewigen Leben eindringen, sondern im todten Meer ersaufen und in den Abgrund der Hölle hinunterfahren. Denn die Juden, Türken und Heiden, wie auch die Werkheiligen unter den Christen, verlassen das Schifflein und wollen mit guten Werken hinüberschwimmen. Sacramentirer, Arianer Leugner der wahren Gottheit Christi, wie auch die Rationalisten der neueren Zeit. Arius, ihr Heerführer, war ein Presbyter oder Pfarrer zu Alexandrien, der seine Irrlehre klüglich auch durch Lieder zu verbreiten suchte. Als er nach seiner Verbannung feierlich zu Constantinopel in die Kirchengemeinschaft wieder aufgenommen werden sollte, starb er plötzlich mitten im Zuge vom kaiserl. Palast zur Apostelkirche, indem er zu Boden stürzte und zerbarst. Es war im J. 336. und dergleichen Flattergeister thun wie vorwitzige Leute, die im kleinen Nachen sich nicht wollen setzen, wenn das Wasser wüthet und tobet, sondern stehn auf stolzen hohen Füßen ihrer Vernunft, wackeln und schaukeln mit allerlei Glossen so lange, bis sie den Schwindel bekommen und plumpen danach über Bord mitten in das Wasser. Desgleichen thun auch alle Sterbenden, welche in den letzten Todeszügen nicht auf die evangelischen Trostsprüche merken, sondern allein die Menge ihrer Sünden, die schrecklichen Strahlen des göttlichen Zorns, die Gewalt des Teufels, die Macht des Todes und die grausame Höllenangst betrachten und damit elendiglich hinfahren. Diese alle verlassen Gottes Wort als das rechte Schifflein, und bekümmern sich um das ungestüme Meer außer dem Evangelio so lange, bis sie darin ersaufen und untergehen.

Darum siehe dich wohl vor, du lieber Christ, und sonderlich, wenn du in den letzten Zügen mit dem Tode ringst, daß du ja nicht außer dem Evangelio in schwermüthige Spekulationen, Gedanken und Grübeleien dich vertiefest. Es werden zwar die Anfechtungen nicht ausbleiben. Die begangenen Sünden, Laster und Untugenden, wie auch das Bild des göttlichen Zorns, des Gesetzes Fluch, des Todes Gestalt, des Teufels Gewalt und der Hölle Marter wachen dann erst auf, und mögen vielleicht allerlei traurige Einfälle dazu schlagen, wie: ob ich auch wohl erwählt sein mag zum ewigen Leben? Ach wie viel tausend Menschen werden verdammt und gehen verloren! ob ich auch wohl darunter gehöre? Und dergleichen mehr.

Aber hier ergreife eilends die evangelischen Trostsprüche: Also hat Gott die Welt geliebt – oder die Artikel des christlichen Glaubens. Darein vermumme, verstecke und verhülle dich mit starkem Nachdenken, nicht anders denn als schlügest du einen Haufen Tücher mitten im Schifflein um dich, über dich und unter dich, wider allerlei Sturmwinde des Meers und wider das ungestüme Heulen, Brausen und Wüthen des Ungewitters. Und lege dich, in diese Tücher fest eingewickelt, nieder, damit du es nicht hörest. Stehe bei Leibe nicht im Schifflein auf den Füßen deiner menschlichen Vernunft, und gaffe nicht weit hinaus nach den tiefen Wasserwogen und Wellen, die sich rings um dich her sehen lassen, sondern – noch einmal – setze dich oder lege dich mitten in das Schiff, verschließ dich mitten in das Wort und laß nichts denn Christi Geburt, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt in deinem Herzen wallen.

Was thut der Mensch, wenn er aus seiner Mutter Leibe in diese Welt geboren wird? Wahrlich, wenn er seiner Vernunft gebrauchen könnte und ihm nachdächte, wie es möglich wäre, daß er durch die kleine enge Thür zur Welt hinein dringen sollte, so würde er sich zu Tode kümmern und nicht lebendig zur Welt kommen. Da ist aber kein Vorwitz, keine Sorge und keine Furcht, sondern eitel kindliche Einfalt; und das zarte Leben, welches er im Mutterleibe empfangen hat, höret nicht auf und läßt nicht ab, bis es in die Welt kommt und seine Vollkommenheit daselbst erlangt. Also mußt du auch zum Kinde werden, so du willst in das Reich Gottes kommen, und mit traurigen Todesgedanken dich unverworren lassen. Glaube nur fest dem Evangelio und laß diesen Glauben dein einiges Leben sein. Dies Leben exercire, übe und treibe fort mit unablässiger Betrachtung des theuren Verdienstes JEsu Christi, bis du durch die schmale Pforte des zeitlichen Todes zum ewigen Leben hinein gedrungen bist.

Auch siehe, was Christus für ein sehr treuer und freundlicher Herzog des Lebens. Er ist selbst in seinem Wort bei uns gegenwärtig. Und gleich als ein Schiffsmann, der Jemand von seinem Volk im Nachen stehen und vor den Wellen und Fluthen des ungestümen Wassers jämmerlich wanken, zittern und zusammenschauern sähe, demselbigen eilend würde zurufen: hörest du, Freund? setze dich lieber, setze dich, lege dich mitten in das Schiff und fürchte dich nicht! laß mich nur sorgen, ich will dich wohl überführen, daß du nicht ersaufen noch untergehen sollst – – also thut unser himmlischer Schiffspatron JEsus Christus auch. Er ruft uns zu: wir sollen nur seinem Worte glauben, so werden wir nicht sterben, sondern durch den Tod zum Leben eindringen. »Wahrlich, wahrlich, spricht er, Ich sage euch: wer Mein Wort höret, und glaubet Dem, Der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben, und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurch gedrungen« (Joh. 5, 24).

Darum entschlage dich aller Einreden, die dir vom Tode, von den Sünden, vom Teufel, vom Gesetz und von der Hölle begegnen, und laß nur den Sohn Gottes mit seinem vergossenen Blut und ausgestandener Höllenangst für dich antworten. Thue als ein Mensch, der unten im Schiff sitzet und lässet die Winde, die Wasserwogen und großen Fluthen wüthen und toben wie sie wollen. Er läßt den Schiffs-Capitain sorgen, sitzet unterdessen, singt und ist wohl zufrieden. Also halt du dich auch in dem Schifflein des Evangelii und deines christlichen Glaubens, traue deinem Heilande, dem allmächtigen Steuermann, und mitten in den Todeszügen laß in deinem Herzen und wo möglich auch auf deiner Zunge schweben und klingen die fröhlichen Christnachtslieder und Ostergesänge: Vom Himmel hoch da komm ich her – In dulci jubilo – Gelobet seist du, JEsu Christ – Christ lag in Todesbanden – und andere. Das sänftiget ein nothleidendes Herz über die Maaßen. O wohl dem Volk, das so jauchzen kann!

Gleichen Rath giebt auch Dr. Luther, wie zu sehen in einer Auslegung des 23. Psalms vom Jahre 1530. »Und ob ich schon wanderte im finstern Thal, fürchte ich kein Unglück etc. Aus diesem Verse, sagt er, werden wir sehr fein unterrichtet, mit welchem Gemüth, Sinn und Gedanken man sich in den Tod wagen und geben soll. Nämlich also, daß man auf nichts überall denke, denn nur auf den Herrn Christum. Denn so lautet der Vers: Denn Du bist bei mir, das ist: an Dich gedenke ich, und thue Alles aus Zuversicht und Glauben auf Dich, und sinne also auf nichts Anderes. Wohl denen, so alsdann die Augen gar zuthun und nicht begehren zu sehen den Ort, da sie hinfahren sollen, sondern erwägen sich mit vollem Vertrauen und Gedanken auf Christum mitten in der Finsternis des Todes. Dieselbigen sterben in dem HErrn.«

Desgleichen sagt Luther (über das 14. Cap. des Johannes): »Wenn es dahin kommt, daß man in ein ander Leben treten und aus diesem scheiden soll, so mußt du entweder diesen Weg allein ergreifen, oder ewig verloren gehen. Denn Ich, spricht Er, bin der Weg, darauf man zum Vater kommt, und sonst keiner. Ich bin die Wahrheit und das Leben, und sonst keiner. Da mußt du hin, daß du dich an diesen Mann haltest, und fest bei dem Glauben und Bekenntniß bleibest. Und immer dieselben geübet im Leiden und Sterben, und gesagt: Ich weiß keine andere Hülfe noch Rath, kein Heil noch Trost, keinen Weg noch Steg, denn allein meinen Herrn Christum, der für mich gelitten, gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren. Da bleibe ich bei und gehe hindurch, ob auch eitel Teufel, Tod und Hölle unter und vor mir wären. Denn das ist ja der rechte Weg und Brücke, fester und gewisser denn kein eisernes noch steinernes Gebäu, und müßten eher Himmel und Erde brechen, denn dieses sollte fehlen und trügen.«

Und abermal über den Spruch Joh. 8, 51: »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: so Jemand Mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich: Sterben müssen wir und den Tod leiden; aber dies ist ein Wunder, daß, wer sich an Gottes Wort hält, soll den Tod nicht fühlen, sondern gleich wie in einem Schlaf dahinfahren, und soll nun nicht mehr heißen: ich sterbe, sondern: ich muß schlafen. Aber wer sich außer dem Worte finden läßt, der muß mit Aengsten sterben, und ewig verderben und verdammt sein, da hilft nichts vor. Darum das Beste ist: gar nicht disputiret, sondern gesprochen mit ganzem Herzen: ich glaube an JEsum Christum, Gottes Sohn – mehr weiß ich nicht, will auch nicht mehr wissen.«

Und (über das 23. Cap. Jeremiä: von Christi Reich): »Siehe nun, was ein Christ für Reichthum hat, der da nimmer mehr sterben kann. Denn er hat Christum Selbst. Was will nun der Tod oder die Sünde einem Christen in Todesnöthen anhaben? Nichts. Der Tod wird ein Gelächter für ihn. Auch fragt er nach der Sünde nichts. Denn weder Sünde noch Tod, weder Teufel noch Hölle kann etwas aufbringen wider Christum, den ein Jeder bei sich hat. Wenn nun der Tod an einen gläubigen Christen kommt, so spricht der Christ: Lieber Tod, seid willkommen! ihr kommt zur guten Stund. Was bringt ihr Guts? Was suchet ihr hier? Lieber, weißt du auch, wen ich bei mir hab? Christus ist meine Gerechtigkeit! Komm her und nimm sie mir! Wenn du sie mir nimmst, so will ich dir folgen. Du wirst es aber wohl lassen. – Also trotzen die Christen dem Tode, und sprechen mit St. Paulo (1 Cor. 15): Tod wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Und wie er weiter Philipp. 1. sagt: Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. Sterbe ich, so hab ich Gewinn; denn ich komme desto eher zum Leben. Da siehest du, was der Tod bei den Christen ausrichtet. Er ist nur ihr Gewinn. Sie verlieren nichts durch ihn. Er aber beißet sich an ihnen zu Tode.« –

4.
Der Abschied.

Es sollte wohl nicht undienlich sein, daß ein Christ in Zeiten gedächte, mit welchen fröhlichen Worten er zur Stunde des Todes seinen seligen Abschied von der Welt nehmen und gen Himmel fahren möchte. Ich denke ihm oft nach und kommt mir immer vor, daß, so herzlich sich eine Braut erfreuet, wenn sie ihrem Bräutigam soll zugeführt werden; so herzlich die Kinder in fremden Landen frohlocken, wenn sie sollen heimfahren und aus fernen Orten wieder in ihr liebes Vaterland kommen: – eben also und noch vielmehr ein Christ sich von Herzen erfreue, daß er aus diesem elenden betrübten Jammerthal durch den zeitlichen Tod in Gottes Paradies hinfahren soll.

Gebe der treue Gott, daß ich dann ja möge alle Traurigkeit, Schwermuth und Elend mit starkgläubiger Betrachtung des Todes Christi und der vorstehenden Erlösung überwinden, und mitten im Tode des ewigen Lebens herzlich froh werden, nicht anders als hätte ich es schon im Gesicht; gleichwie die Kinder aufjauchzen, wenn sie aus der Fremde kommen und der hohen Thürme, Spitzen und Mauern ihres vielgeliebten Vaterlandes von ferne ansichtig werden!

Dazu schicke dich in Zeiten, du lieber Christ, und sprich alsdann, wenn das Sterbestündlein kommt: O nun freue dich, meine liebe Seele, und frohlocke in Gott, deinem Heiland, daß dein Jammer, Trübsal und Elend soll kommen zu einem seligen End. O wohl mir, daß die mühselige Wallfahrt meines traurigen Lebens auf Erden nun aufhören soll! O willkommen, du selige Stunde meines Abschieds von dieser argen bösen Welt! Ich bin so müde der unnützen vergeblichen Sorgen dieses Lebens, so müde der verdrießlichen Pilgrimschaft, und freue mich von ganzem Herzen, daß ich von der sterblichen Hütte meines Leichnams als aus einer finstern stinkenden Herberge und als aus einem faulen Gefängniß soll erlöset werden.

Nun bin ich einmal dem lieben Vaterlande des ewigen Lebens nahe gekommen, und ist mir nicht anders zu Muthe, denn als sähe ich von ferne das himmlische Jerusalem, die schöne Stadt mit ihren hohen Spitzen, mit ihren herrlichen Thürmen und ihren güldenen Pforten. O du schönes Jerusalem, du Stadt des lebendigen Gottes, mein ewiges Vaterland – wie hat mich so herzlich nach dir verlanget! Jetzt komme ich! Dies ist der Tag meines Ausgangs aus der Welt, der Tag meines Eingangs in das himmlische Paradies, der Tag meiner neuen Geburt, da meine Seele aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schauens geboren wird!

Ade Welt mit deiner stolzen Pracht, mit deiner großen Eitelkeit, mit deinen vergänglichen Gütern und mit deiner betrüglichen Wollust! Du hast mich lange genug vexirt, gekränkt, gequält, betrogen und mir viel Bekümmerniß gemacht. Dies ist mein letzter Kampf, damit ich all meine Arbeit, all meine Gefahr, all meine Sorge und all meine Anfechtung vollende und überwinde. Meine Erlösung nahet sich! die Morgenröthe meines ewigen Heils, meiner ewigen Freude und meiner ewigen Seligkeit bricht hervor! Und weil mein Leben bis daher gewesen ist wie eine unruhige und ängstliche Schiffahrt auf dem ungestümen Meer und auf der wilden See, so komme ich nun endlich – Gott sei Lob und Dank – zum rechten Hafen, aus der wüsten Welt in das himmlische Canaan, in das rechte Freudenland, da alles lebet von Freuden, da die Sonne der Gerechtigkeit ewig scheinet und das Licht nimmer untergehet, da keine Nacht, keine Finsterniß, keine Angst, kein Tod und kein Schmerz mehr gespüret wird.

O freue dich doch, meine Seele, du auserwählte Braut JEsu Christi, der mich mit seinem rosinfarbenen Blut so theuer erkauft, erworben und gewonnen hat! Siehe, derselbige dein allerliebster Erlöser, dein höchster Freund und edler Bräutigam, ist hier mit seinen heiligen Engeln, den großen Himmels-Fürsten, gegenwärtig und will dich heim holen aus diesem Jammerthal in seines Vaters Reich! O freue dich, und verziehe ja nicht länger in dieser argen schnöden Welt! Eile hinaus mit Lot aus Sodom, und siehe bei Leibe nicht zurück! Ja was ist die Welt anders, denn ein Sodom und Gomorra? was ist dein Leben mehr, denn eine egyptische Dienstbarkeit? Darum, o meine Seele, ziehe aus von Sodoma und weiche aus von Egypten! Eile durch das rothe Meer des zeitlichen Todes, da Jesus Christus die Höllenströme und das gräuliche Angstwasser mit dem Stabe seines Kreuzes zertheilet hat, daß du sicher und unbeschädigt kannst hindurchkommen. Eile du nun und siehe nicht zurück, daß der höllische Pharao, der leidige Satan, mit Weltlüsten und Welt liebenden Gedanken dich nicht ergreife! Eile daß du kommest in das himmlische Canaan, da die Berge von Milch und Honig fließen!

O meine Seele, Gott der Vater hat dich zum ewigen Leben erschaffen. Jesus Christus hat dich zum ewigen Leben erlöst. Gott der heilige Geist hat dich zum ewigen Leben geheiligt. Die ganze heilige Dreifaltigkeit hat dich zum ewigen Leben erwählt. Zum Himmelreich bist du bereitet, zum Himmelreich bist du erkoren, zum Himmelreich wiedergeboren, und deine Bürgerschaft ist droben im Himmel. Daselbst sollst du ewiglich wohnen und deine ewige Freude finden. Darum laß nur alle deine Gedanken dorthin gerichtet sein, und lege nur getrost ab die unreine und ganz beschwerliche Bürde deines Fleisches. Kommt dich die Erlösung hart an, und schmerzt dich der Auszug aus diesem Leibe? Ei meine liebe Seele, sei zufrieden! es ist ja heut dein schönster Geburtstag, da du aus dieser mühseligen Welt in das ewige Leben eingehest. Deswegen drücke dich eine kleine Weile und halte stille deinem Erlöser und Seligmacher, der dich bald auflösen wird. Du wirst doch »nicht sterben, sondern leben, und des Herrn Werk verkündigen« (Ps. 118, 17).

Du aber, mein Leib, sollst in der Erde ruhen und schlafen bis zum jüngsten Tage. Ich habe mit dir nun Jahre lang viel zu schaffen gehabt und viel edler Zeit mit dir verloren. Du bist mir sehr beschwerlich und sehr hinderlich gewesen, daß mein Herz sich zu Gott nicht so viel erhoben und an das ewige Gut nicht so viel gedacht hat, als ich hätte billig thun sollen. Dieweil denn Gottes Wille ist, daß du wieder zur Erde werdest, und die vielen Krankheiten, Schmerzen und Wehetage gleich als Kammerboten und Vorläufer des Todes schon viele Male angeklopft und dich gefordert haben – wohlan! so gehorche dem Herrn deinem Gott, fahre unter die Erde in dein Schlafkämmerlein, thue die Thür hinter dir zu, und harre eine kleine Weile, bis dich Gott auferwecken und wieder hervorrufen wird am jüngsten Tage.

Bis daher hast du getragen das Bild des irdischen Adams, dann aber sollst du das Bild des himmlischen tragen und in deinem Fleisch das Angesicht Gottes sehen, wenn du erwachest nach seinem Bilde. Und ob du schon wie Pulver zerstreuet wirst, so gehörest du dennoch dem Herrn Jesu an und bist Bein von seinen Beinen und Fleisch von seinem Fleische. Daher kannst du nicht verloren werden, sondern wenn Er dich rufen wird, so wirst du gesund, stark und vollkommen wieder erscheinen.

Warum sollt ich mich denn entsetzen, und nicht viel mehr fröhlich sein über meiner Auflösung? Ich werde zwar jetzt ausgemergelt und bin krank bis in den Tod, aber es soll nicht lange währen. Die ganze Creatur hat Mitleiden mit mir und sehnet sich mit mir nach ihrer Erlösung. Und was sage ich von der Creatur? Christus selbst, mein Erlöser und mein Heiland, träget herzlich Mitleiden und ich weiß, daß ihm jetzund sein Augapfel angetastet wird über meiner Schwachheit, daß er es nicht lange kann ansehen. Darum komm Tod und löse mich immer auf; du bist mir nicht schrecklich, sondern ein angenehmer Gast und eine Pforte durch Christum aus dieser Welt in das himmlische Vaterland. Getrost ist mir mein Herz und Sinn, sanft und stille, wie mir Gott verheißen hat. Lieber Tod, Bruder des Schlafs, du bist mein Schlaf worden.

Es hat kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret und ist in keines Menschen Herz kommen die unaussprechlich große Freude, zu welcher ich jetzt aus diesem elenden Jammerthal eindringen werde. Darum singe ich fröhlich:

» O patris charitas! (Liebe des Vaters)
O Nati lenitas! (Lindigkeit des Sohnes)
Wir wären all verdorben
per nostra crimina, (durch unsere Vergehungen)
so hat Er uns erworben
Cölorum gaudia. (die Freuden des Himmels)
Eia, wären wir da!
Eia, wären wir da!«

Dahin ruft mich die ganze heilige Dreifaltigkeit. Und ich höre jetzt die Stimme meines Heilandes: Komm, du Elender, du Mühseliger und Beladener! komm, Ich will dich erquicken! komm, Ich will dich mit einsammeln, der Ich bin wie eine Henne, die ihre Küchlein sammelt unter ihre Flügel. Komm, du mein liebes Schäflein, und folge mir nach! Ich will dir geben das ewige Leben, und es soll dich Niemand aus Meiner Hand reißen. Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: heut noch wirst du mit Mir im Paradiese sein!

Ja komm, mein allerliebster Herr Jesu! Ich komme, o Du mein allerliebster Freund, und bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Creatur von Deiner Liebe mich scheiden mag. O Jesu, mein trauter Bruder und meines Herzens werthe Krone, ob ich schon den Leib jetzt lassen muß, so weiß ich doch, daß mich Niemand wird aus Deiner Hand reißen. Ich bin dieses Lebens so herzlich müde, und nach Dir verlanget mich, mein Gott! Ich hoffe auf Dich! eile bald mich zu erretten! In Deine Hände befehle ich meinen Geist, Du hast mich erlöset, Du getreuer Gott!

Damit gute Nacht, Welt! gute Nacht, Vater, Mutter, Weib, Kinder, Bruder, Schwester! Ade Haus, Hof und alles was in der Welt ist! Ich singe noch zuletzt mit Luther:

»Mit Fried und Freud ich fahr dahin
in Gottes Willen.
Getrost ist mir mein Herz und Sinn,
sanft und stille.
Wie Gott mir verheißen hat:
der Tod ist mein Schlaf worden.

Das macht Christus, wahr'r Gottes Sohn,
der treue Heiland,
Den Du mich, HErr, hast sehen lan,
und machst bekannt.
Daß Er sei das Leben und Heil
in Noth und auch im Sterben.«

Ich habe einen guten Kampf gekämpfet und meinen Lauf vollendet. Nun auf und immer fort, meine Seele, und laß dich aus dem Tode reißen, deine Augen von den Thränen und deinen Fuß vom Gleiten, daß du mögest wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen. Nun begleite mich, Gott Vater, Gott Sohn, Gott heiliger Geist, und die heiligen Engel mögen mich mit herzlicher Frohlockung empfangen! Der HErr gesegne mich, und behüte mich! der HErr lasse Sein Angesicht leuchten über mir, und sei mir gnädig! der HErr erhebe Sein Angesicht über mich, und gebe mir Seinen Frieden! Er behüte meinen Eingang und Ausgang, von nun an bis in Ewigkeit! Amen. Amen. –

5.
Was lebt, das stirbt durch Adams Noth. Was stirbt, das lebt durch Christi Tod.

Wer also stirbt und seinen Abschied von der Welt nimmt, der fahret nicht allein selig, sondern preiset und ehret auch Gott mit feinem Tode; wie denn alle Christen billig thun sollen und wir deß ein schön Exempel an St. Paulo haben, da er seinen Tod ein Opfer heißet: »Ich werde schon geopfert, sagt er, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden« (2 Tim. 4, 6). Wie ist es aber ein Opfer? Also spricht er, »daß Christus hoch gepriesen werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod« (Phil. 1, 20). Desgleichen, da unser Herr JEsus Christus seinem Jünger Petro weissaget von seinen zukünftigen Banden, Stricken und Gefängniß, schreibet St. Johannes, daß der Herr solches gesagt habe »zu deuten, mit welchem Tode Petrus Gott preisen würde« (Joh. 21, 19).

Summa: es soll ein Christ frohlocken in Christo und ihn so ehren, bekennen und preisen, daß er, wie St. Paulus sagt, auch trotzen, rühmen und fröhlich sein kann, wenn es übel zugehet. Es soll sein Herz eitel solche Gedanken ergreifen, daß er einen großen Schatz habe, wenn er arm ist; ein mächtiger Fürst und Herr sei, wenn er im Kerker liegt; stark, wenn er schwach und krank ist; in eitel Ehre schwebe, wenn er geschändet und geschmähet wird. Also auch, daß er erst ein neuer lebendiger Mensch werde, wenn er jetzt sterben muß. Und so sollen wir durch den Glauben eitel neu Herz und Muth gewinnen und nicht vergessen, daß hier das Vorspiel anfänget des zukünftigen Wesens, da es heißen wird: »Das Alte ist vergangen; siehe, es ist Alles neu worden!« (2 Cor. 5, 17).

»Solches haben gethan die lieben Väter, wie Luther sehr tröstlich hiervon schreibt, und sich stark an den Herrn Christum gehalten. Auch pflegten sie dies Liedlein zu singen: Der Tod seiner Heiligen ist werth gehalten vor dem HErrn! (Ps. 116, 15). Ihr Blut wird theuer geachtet werden vor Ihm! (Ps. 72. 14). Er gedenket und fraget nach ihrem Blut! (Ps. 9, 13). Also reden sie daher, die frommen Herzen, und aus solchen Worten werden sie gar manche Predigten gesponnen haben, ob sie wohl kurz gefastet und nur als ein Thema oder Beschluß ihrer Predigt beschrieben sind. Denn es giebt gar mächtig reichen Trost, damit man ein Herz kann aufrichten, weil sie so gewaltig daher schließen: Lieber, es dünket dich wohl anders, und ist vor deinen Augen anzusehen, daß der Heiligen Tod sei ein lauter Untergang und Verderben, und scheinet, als sei ihrer nun gar vergessen und geschwiegen, und haben keinen Gott, der sich ihrer annähme. Weil er sich ihrer bei ihrem Leben nicht hat angenommen und sie so elendiglich hat dahin sterben lassen, als die zerrissen und zerfressen, verbrannt und zerpulvert sind; daß keine Vernunft kann anders sagen, denn es sei ein jämmerlich, elend, schändlich Ding um ihren Tod. Aber vor Gott, sagen die lieben Väter, sollt ihrs gewißlich dafür halten: wenn ein Heiliger, d. i. ein wahrer Christ, stirbt, daß Ihm geschehe ein trefflich theuer köstlich Opfer, der lieblichste und süßeste Geruch von Weihrauch, und der beste höheste Gottesdienst, so Ihm widerfahren mag.

Denn Er hält auch nicht so viel von den lebendigen Heiligen, als von den todten. Ja, weil sie leben, läßt er sie hingehen so schwach und elend, und sich mit der Sünde, Welt, Teufel und Tod zermartern, als sähe ers nicht und wollte ihnen nicht helfen. Aber flugs, wenn sie den Leuten aus den Augen sind, und nun ein faul stinkend Aas, das Niemand leiden kann, oder zerpulvert und zerstäubt, daß Niemand weiß, wo sie blieben, und gar abgeschieden und vergessen sind von der Welt, als die nichts mehr zu hoffen haben – da heben sie erst an, vor Gott köstlich Ding zu werden und nicht allein eitel Leben, sondern ein solcher theurer Schatz, den die Majestät selber theuer und hoch achtet und nichts weiß Köstlicheres zu rühmen; und je mehr sie vergessen sind vor der Welt, je höher er sich ihrer annimmt und von ihnen rühmet.

Deß hast du ein schön Exempel an den ersten zween Brüdern 1 Mos. 4, da der Schalk Cain seinen Bruder heimlich ermordet und verscharret hatte, ging hin und wischte das Maul, meinete es sollt's Niemand wissen und nun wohl verborgen bleiben, dieweil Abel Niemand hätte, der sich seiner annähme. Und da Gott ihn fraget: wo ist dein Bruder Abel? machet er sich so heilig und rein, daß er sich auch rühmet, er wäre nicht schuldig für ihn zu sorgen, und sprach: was weiß ichs? wie kann ich meines Bruders Hüter sein? Aber da kam, Der da heißt der Blutsucher und Bluträcher, ja der das Blut seiner Heiligen fordert und rächet, und sprach: deines Bruders Blut schreiet zu mir gen Himmel! Wer heißt Gott jetzt also reden? Kann er es nicht vergessen, nun er todt und dahin ist? muß noch vom Himmel rufen und über das Blut schreien, als das ihm so viel zu schaffen mache, daß ers nicht leiden noch schweigen könne? so ers doch wohl vorhin hätte können wehren; oder sein schonen, da Cain nun allein war und keinen Bruder noch Erben hatte. Sondern straft ihn so gräulich, daß er von den Eltern muß verstoßen und auch die Erde um seinetwillen muß verflucht werden. Das heißt sich ja weidlich angenommen des Bluts, das da verfaulet war. Solchen Ernst und Sorge erzeigte er nicht, da Abel noch lebete, ohne daß er ihm sein Opfer gefallen ließ. Aber nun er hinweg ist und unter der Erde liegt, da muß er flugs leben und reden im Himmel, also daß Gott selbst für ihn predigt und so ausschreiet in alle Welt, daß beides, er und sein Mörder, muß ewiglich zum Exempel stehen in der Schrift und nimmermehr ausgelöschet werden.

Siehe, also haben die lieben Väter solch Exempel angesehen und ihre Sprüche daher genommen, daß die todten Heiligen gewißlich müssen vor Gott leben und wieder hervorkommen viel herrlicher denn zuvor. Denn also nimmt er sich keines lebendigen Thieres an, das keine Hoffnung hat, auch nicht der Tyrannen und Gottlosen, die dahin sterben in des Teufels Namen; sondern nur seiner armen Heiligen, die so elendiglich und schändlich umkommen, und achtet derselben Tod viel theurer, denn ihr ganzes Leben. Denn dasselbe kann nicht ohne Sünde sein, wiewohl es auch unter der Vergebung und unter Christo ist. Ist aber nichts gegen das, wenn ein Mensch von diesem Leben scheidet und der Sünde und der Welt abstirbt. Also daß Gott alsdann alle beide Augen aufthut, und müssen alle Engel da sein und auf ihn warten unten, oben und rings um ihn her, wo er anders gekleidet ist mit der Taufe Christi und mit dem Glauben und Gottes Wort, daß er möge gezählet werden unter diejenigen, die da heißen: Gottes Heilige.

Denn ihr wisset ja Gott Lob, was da heißet: Gottes Heilige; daß die Schrift nicht meinet die Heiligen droben im Himmel, wie der Papst Heilige macht, die man soll anrufen, ihre Tage fasten und feiern, und sie zu Mittlern setzen; auch nicht, die sich selbst geheiligt haben, wie die Carthäuser, Barfüßer und andere Mönche oder Welt-Brüder, und solche Teufel die von sich selbst wollen heilig werden durch ihre Werke, sondern die Gott geheiligt hat ohn all ihr Werk und Zuthun, dadurch sie in Christi Namen getauft sind, mit seinem Blut besprenget und rein gewaschen, und mit seinem lieben Worte und Gaben des heiligen Geistes begabet und gezieret; welches alles wir nicht erzeugt haben noch erzeugen können, sondern aus lauter Gnaden von ihm empfangen müssen. Wer aber solches nicht hat und andere Heiligkeit suchet, der ist eitel Stank und Greuel vor Gott, als der da leugnet, daß solch Bad, als des unschuldigen Lämmleins Blut, heilig und rein mache.

Welche nun solche getaufte Christen sind, die sein Wort lieb haben und fest daran halten, und in demselben sterben – Gott gebe, sie werden gehenkt, geradebrecht, verbrannt, ersäuft; oder an der Pestilenz, Fieber oder sonst umkommen –: die schließ nur in Christi Tod und Auferstehung und sprich flugs den Text über sie: Der Tod seiner Heiligen ist theuer und werth vor dem Herrn, daß ers hält für so einen trefflichen schönen Schatz und köstlich Kleinod auf Erden. Es würge dich der Teufel auf dem Bett oder der Henker am Galgen, so ist es beschlossen, daß solcher Tod ein heiliger Tod ist und so theuer vor ihm geachtet, daß ers nicht will ungerochen lassen, sondern den Teufel, so dich ermordet, vor Gericht ziehen und mit ewiger Pein quälen, der Sünde den Kopf abschlagen und den Tod in die Hölle begraben, und alles rächen, dadurch seine Heiligen haben sterben müssen.« – Bis daher Luther.

V.
Der herrliche Zustand der auserwählten Seelen bei Gott in Seinem Paradies.

Hierauf folget nun die fünfte Wohlthat Gottes, welche von der ewigen unaussprechlichen Ehre, Freude und Herrlichkeit handelt, deren unsere Vorväter und alle die lieben Unsrigen, so in Christo seliglich entschlafen sind, jetzt in jener Welt nicht mehr im Glauben, sondern im Schauen theilhaftig werden. Denn wenn ein Christ im Herrn gestorben ist, da wird wohl der Leib unter die Erde gescharret, ruhet in seinem engen Häuslein, verweset auch und wird zu Staub bis hin zum jüngsten Tage. Aber die Seele, mit Christi Blut durch den Glauben besprengt und von Sünden gereinigt, fähret vom Mund auf gen Himmel und wird versammlet zu allen auserwählten Engeln und Menschen, mit welchen sie in vollkommener Freude bei Gott lebet und schwebet, und wartet mit freudiger Sehnsucht des lieben jüngsten Tages.

Wie nun solches Alles recht eigentlich zugehe, können wir mit unserer Vernunft und allem Scharfsinn nicht errathen, viel weniger allerwege ergründen. Die Maler pflegen wohl ein Kindlein zu malen, welches zum Munde ausfähret und in die hohen Wolken steigt, und soll dadurch die lebendige Seele verstanden werden, die von ihrem Körper ausziehet und gen Himmel reiset. Und giebt's hierbei auch sonst viel vorwitzige Gedanken, viel Grübelns und Nachfragens. Denn da die Seele ein unsichtbarer Geist ist, so kann man sie nicht mit leiblichen Augen sehen, noch merken was sie für ein Wesen habe, wie sie aus der sterblichen Hütte ihres Leibes wegziehe und wo sie bleibe. Gleichwohl begehret solches Mancher zu wissen, sonderlich dem seine Freunde, Mann, Weib, Kinder, Eltern, Geschwister, oder sonst geliebte Menschen dahinsterben. Je größer die Liebe auf Erden gewesen, desto stärker denkt er über das Alles nach; und wenn hiervon ein genauer und zuverlässiger Bericht vorhanden wäre, so würde er denselben mit der allergrößesten Aufmerksamkeit anhören und mit ganzem Eifer studiren.

Aber wir müssen hier nicht auf unseres Fleisches Träume, sondern auf Gottes Wort Achtung geben, und uns bei jedem Schritt sorgfältig vorsehen, daß wir uns nicht zur Rechten noch zur Linken verlaufen. Zur Linken verlaufen sich die Epicuräer und rohen Weltkinder, welche vorgeben, die Seele sterbe mit dem Leichnam und zerflattere wie eine dünne Luft; oder aber sie liege, schlafe und schnarche bis zum jüngsten Tage; daß man daher nichts von ihrer Seligkeit oder Verdammniß sagen könne. Das haben sie von St. Paulo nicht gelernet. Zur Rechten verirren sich die vorwitzigen Leute, die Gottes Wort hintenan setzen und gleichwohl von der heiligen Seelen Zustand und ihrem geräumigen Himmel groß Posaunen machen, nicht anders als wäre es ihnen von Gott sonderlich geoffenbaret. Hier müssen wir uns ja versehen und Gottes Wort als die einige Mittelstraße inne halten, wenn wir von den Irrlichtern unbetrogen bleiben und die Lehre von diesem Geheimniß recht fassen wollen.

Mein Glaube und Bekenntnis ist hier, daß die Seelen der Gerechten ewig leben und nach dem zeitlichen Tode von keiner Angst noch Trübsal mehr wissen. »Fürchtet euch nicht, sagt der Herr, vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten« (Matth. 10, 28). »Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, und der Gott Jacobs. Gott aber ist nicht ein Gott der Todten, sondern der Lebendigen« (Matth. 22, 32). »Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: heute wirst du mit Mir im Paradiese sein« (Luc. 23, 43), »Die Gerechten werden ewiglich leben; und der Herr ist ihr Lohn, und der Höchste sorget für sie. Darum werden sie empfangen ein herrliches Reich, und eine schöne Krone von der Hand des Herrn« (Weish. 5, 16. 17). Und abermal: »Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an. Von den Unverständigen werden sie angesehen, als stürben sie; und ihr Abschied wird für eine Pein gerechnet, und ihre Hinfahrt für ein Verderben. Aber sie sind im Frieden« (Weish. 3, 1-3).

Deswegen glaube ich von Herzen und bekenne hiermit schriftlich und öffentlich, daß die Seelen der Auserwählten nicht wie ein Licht verlöschen, noch wie eine dünne Luft oder wie ein Rauch zerflattern; daß sie auch nicht liegen, schnarchen und schlafen bis hin zum jüngsten Tage, wie die Dormitantianer geschwärmt haben; – sondern daß sie leben, und daß ihr Leben ein friedlich Leben und ein recht Paradies-Leben, ja ein herrlich Freuden-Leben ist voll alles Trostes und aller himmlischen Wonne; und daß solch Leben sofort nach dem Tode angehet, wie Christus zum Schächer spricht: Heut wirst du bei mir im Paradiese sein. Solche Worte soll ein sterbender Christ sich recht zu Nutze machen und sie wohl herausstreichen lernen. Heut, heut! spricht Er, Gottes Sohn, als wollt er sagen: nicht erst am jüngsten Tage soll dein Paradies-Leben angehen, sondern noch heut, über eine Stunde, zwei, drei oder vier, sobald du stirbst und die Seele von deinem Leibe abgerissen wird. Alsdann wird deine Seele nicht schnarchen noch schlafen, auch nicht zwischen Himmel und Erde in der Irre herum schweben, sondern alsbald bei mir im Paradiese sein, und ein Paradies-Leben voll Freude und Herrlichkeit mit Mir ewiglich führen.

1.
Die himmlische Hochzeit.

An einem anderen Orte (Matth. 28) wird dies Paradies-Leben eine Hochzeit genannt, auf welcher Christus mit den auserwählten Kindern des Lichts sich erfreuet, und dahin er auch von diesem Jammerthal abfordert alle, die seine Zukunft mit gläubigen Herze» gleich als mit brennenden Lampen erwarten. Denn er vergleichet sich einem Bräutigam, der um Mitternacht anklopfet und dem seine gottseligen Christen als kluge Jungfrauen mit brennenden Lampen entgegen kommen und gehen mit ihm hin zur Hochzeit. Auch vermahnet er uns zur stetigen Bereitschaft und Erwartung seiner Ankunft, wenn Er spricht: »Seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wenn er aufbrechen wird von der Hochzeit, auf daß, wenn er kommt und anklopfet, sie ihm bald aufthun. Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch, er wird sich aufschürzen, und wird sie zu Tische setzen, und vor ihnen gehen, und ihnen dienen« (Luc. 12, 36. 37).

Aus diesen und ähnlichen Reden ist abzunehmen, daß der selige Zustand und die Gemeinschaft der auserwählten Seelen mit Christo im Himmel kann etlichermaaßen durch Gleichnisse erklärt und abgemalt werden, wenn man nur recht Acht hat auf die Beschreibung eines Paradieses und einer Hochzeit.

Nun wird durch das Wörtlein Paradies gemeiniglich ein Lustgarten oder Park verstanden, darin allerlei herrliche Bäume, als: Eichen, Tannen, Buchen, Birken, Eschen, Ahorn, Espen, Acazien, Elsen u. a.; Felsen mit Moosen und Farrnkraut, Gehege mit Hirschen, Rehen, Fasanen; allerlei edler Früchte, als Orangen, Granaten; wohlriechende Kräuter, weithin duftende Sträucher, weiße Lilien, Rosen und andere Blumen, wie auch stattliche Lusthäuser und Hallen, von allerlei Laubwerk köstlich durchflochten, gefunden werden. Denn wo man in ein solch Gartengepränge kommt, sonderlich nach dem Ausgange des Winters in der Maienzeit, und siehet mitten unter die blühenden und ausschlagenden Bäume, fein ordentlich und dicht zusammengesetzt, als in einen grünen lustigen Wald; dazu die edlen Gebäude, die grünen hochgewölbten Bogen, die prächtigen Spaziergänge, rauschende Wasserbäche, plätschernde Springbrunnen, spiegelglatte Fischteiche mit Kähnen und allerhand Wasservögeln, dunkel bewaldete Berge mit weiten Aussichten, anmuthige Sommerlauben und einladende Ruheplätze aller Art; höret die Nachtigall, den Pfingstvogel, die Singdrossel, den Laubsänger, die Grasmücke und andere liebliche Vögel ohn Unterlaß singen; höret auch schönen Gesang von Menschenstimmen und allerlei Musika und Concert von Harfen, Geigen, Lauten, Flöten, Trompeten und andern Instrumenten; siehet dazu eitel große Herren und glänzende Frauen, wie sie darin zu Tische sitzen, umher gehen, essen, trinken und sich in aller Weise in Ehren fröhlich erzeigen: – da heißet man wohl solchen Lustgarten ein Paradies, und die Freude, so darin zu sehen, ein irdisch Paradies-Leben.

Wo aber der Hochzeiten und hochzeitlichen Ehren gedacht wird, da meinet man ja mit solchen Worten den hohen Ehrentag eines Bräutigams und seiner lieben Braut, wie auch die fröhliche Gesellschaft und Zusammenkunft ehrsamer und schöngekleideter Leute, welche mit Braut und Bräutigam sich freuen, essen, trinken, singen und haben eitel frohe Gemüther.

Wiewohl nun der Himmel, dahin alle gottseligen Seelen aus dieser Welt kommen, nicht ein irdisch Paradies noch ein Elysium oder weltlich Freudenfeld und Freudenland ist, sondern ein Freudenort, desgleichen kein Auge gesehen, kein Ohr gehöret und kein menschlich Herz erfahren hat; wiewohl die auserwählten Seelen daselbst nicht eine irdische leibliche Hochzeit halten, sondern eitel unaussprechliche himmlische Freude und Herrlichkeit empfinden: so wird das ewige Leben doch ein Paradies und Hochzeit genannt, damit anzuzeigen, daß eines frommen Christen Seele flugs nach dem Tode wiederum in den Stand vollkommener Seligkeit kommt, darin unsere ersten Eltern, Adam und Eva, vor dem Fall sich befanden, als das irdische Paradies ihr Vaterland war und sie mit heiliger Freude ihre Hochzeit darin hielten. Denn was wir in dem ersten Adam, der irdisch war, verloren, das finden wir in Christo als in dem anderen himmlischen Adam reichlich und überflüssig wieder, und besitzen es auf dieser Welt im Glauben, aber flugs nach dem Tode sind wir bei ihm und sehen's vor Augen.

Was ist aber das Leben unserer ersten Eltern vor dem Fall anders gewesen, denn ein recht Paradies-Leben, Paradies-Freude und eine Gemeinschaft mit Gott, gleich einer fröhlichen Hochzeit, da sie Gottes Tempel, Gottes Braut und Gottes Eigenthum waren? Sie wohneten in dem edlen schönen Lustgarten, den Gott ihnen selbst bereitet hatte; hielten darin Hochzeit, und waren beide Gottes Wohnungen und lebendige Spiegel oder Ebenbilder seines göttlichen Wesens, daß sie mit eitel inbrünstiger Liebe umgingen und liebten ihren Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe, und einer den Anderen als sich selbst.

Siehe, ein solch Leben führeten Adam und Eva in Eden, ehe denn sie sündigten und ehe der Tod in die Welt gekommen war. Und nachdem unser Herr Christus die Sünde getilgt und dem Tode seinen Stachel genommen, auch das Leben und die verlorene Seligkeit als der himmlische Adam uns zu Trost wieder gefunden und theuer erworben hat – was kann denn einer auserwählten Seele nach ihrem seligen Auszug von der Welt, wenn sie die Sünde und den Tod im Glauben überwunden hat, anders begegnen, denn ein wundertröstlich Paradies-Leben, da sie dem himmlischen Adam als eine neugeborene Eva zugeführt wird und in eitel Freude eine himmlische Hochzeit mit ihm hält? Wahrlich, da wird ihr nicht anders zu Muthe sein, als käme sie aus diesem Jammerthal durch den zeitlichen Tod plötzlich in einen wunderschönen Lustgarten, auf eine Hochzeit, da von unaussprechlicher Freude, Lust, Schönheit, Klarheit, Majestät und Herrlichkeit alles lebet, lachet, hüpfet und springet, so lieblich, so prächtig, so gewaltig und so tröstlich, daß es kein Mensch auf Erden jemals ausreden kann. –

Ja, sprichst du, wer hat es aber gesehen und ist im Himmel gewesen und von dannen wieder zu uns herabgekommen, daß er solches bezeugete? wer ist todt gewesen und wieder lebendig geworden?

Höre, lieber Freund, es wird in der Schrift Einer namhaft gemacht, der in der Hölle und im Himmel gewesen, hat alles erfahren, ist auch von den Todten wieder hervorgekommen und offenbaret es uns reichlich. Weißt du nicht, wer Der ist? Er heißet JEsus Christ, Gottes und Marien Sohn. »Ich war todt, sagt er zu dem Apostel auf der Insel Pathmos, und siehe, Ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit, und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes« (Offenb. 1, 18).

Nun berichtet uns dieser Mann, in Dessen Munde kein Betrug gefunden wird, daß ein gläubiger gottseliger Christ durch den Tod in das ewige Leben dringe, daß er zu Gott fahre in sein Paradies, sobald er sterbe, ja dahin von den heiligen Engeln getragen werde! Werde dann angezogen mit einem weißen Kleide, sitze zu Tische mit Abraham, Isaak und Jakob, fühle keinen Hunger noch Durst, werde auch mit keiner Sonnenhitze beschweret, sondern zu den lebendigen Wasserbrunnen geleitet und lieblich erquicket. Und damit Niemand daran zweifle, führet er eine Historia von Lazaro an, welcher selig gestorben und nach dem Tode von den heiligen Engeln in Abrahams Schooß getragen worden, mit fernerer Anzeige, daß er da getröstet werde für seine große Armuth, Jammer und Elend, so er hier auf Erden gelitten und ertragen (Luc. 16).

Auch ist St. Paulus einmal, wie er selbst zeuget (2 Cor. 12), in den dritten Himmel, das ist in das Paradies, entzücket gewesen und hat daselbst unaussprechliche Worte gehöret, welche kein Mensch sagen kann. Und ob ihm wohl verboten war, viel davon zu rühmen; er auch selbst nicht weiß, ob er in dem Leibe oder außer dem Leibe gewesen: doch ist aus seinem Verlangen, das er nach dem Himmel trägt und hin und wieder mit Worten zu verstehen giebt, genugsam abzunehmen, wie sehr es ihm dort gefallen habe. »Ich elender Mensch, sagt er, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?« »Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein.« »Wir haben viel mehr Lust, außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem Herrn.« »Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorn ist; und jage nach, dem vorgesteckten Ziele nach, dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu« (Röm. 7; Phil. 1; 2 Cor. 5; Phil. 3, 13. 14).

Siehe, wie thut hier der Apostel? O wie jaget, eilet und schreiet er, daß er möge von seinem sterblichen Leibe bald erlöset werden und bei Christo sein! Ist es denn nicht gut auf Erden wohnen, da es doch so viel Lust, Pracht, Freude und Ergötzung giebt? Antwort: St. Paulus ist im dritten Himmel gewesen und hat daselbst getrunken von den reichen Gütern des Hauses Gottes; er hat erfahren, wie das edle Paradies-Leben mit aller Welt Pracht, Ehre, Reichthum, Herrlichkeit und allem ihren Himpelwerk nicht zu bezahlen noch zu vergleichen ist. Darum ist er so himmeldurstig und wollte gern, daß es auch alle Menschen wären und dies zeitliche Leben nur mit dem linken Auge, das ewige aber mit dem rechten ansähen; wie er denn schreibt und sonderlich alle gottseligen Christen vermahnet: die da Weiber haben, daß sie seien, als hätten sie keine; die da weinen, als weineten sie nicht; die sich freuen, als freueten sie sich nicht; die da kaufen, als besäßen sie es nicht (1 Cor. 7) – davon wir im ersten Theile dieses Freuden-Spiegels gehört haben.

Es hat auch der Heide Plato auf seinem Todtenbette zu seinen Kindern gesagt: Lieben Kinder, ihr sollt nicht meinen, wenn ich nun von euch scheide, daß ich gar dahin sei wie ein Thier. Denn so lange ich bei euch gewesen, habt ihr auch den Geist, der diesen Leib regiert hat, nie gesehen, sondern allein durch seine Wirkung erkannt. Ich scheide von hinnen als aus einem Gasthofe, nicht als aus einer Wohnung. Denn die Natur hat uns hier auf Erden nur eine Herberge gegeben, nicht ewig da zu bleiben, sondern zu reisen. O des seligen Tages, wenn mein Geist nun kommen wird unter die Gesellschaft der himmlischen Geister und zum göttlichen Rath! Und wenn mir Gott verliehe, daß ich wieder jung werden könnte, so wollte ich es doch nicht thun; denn was hat dies Leben anders, denn Mühe und Arbeit?

Dies redet der Heide daher, und scheinet als habe er etwas von diesem edlen Geheimniß in Egypten aus der von den alten Patriarchen hinterlassenen Lehre vernommen und gleich als von ferne gesehen. Wie viel mehr aber sollen wir Christen über diesem Trost halten und ihn nicht lassen verrosten, nachdem uns das helle Wort Gottes zum starken Grunde gegeben ist, darauf wir unseren Glauben bauen und uns sicher verlassen können. Hätten Sokrates und Plato ein solch Fundament gehabt, sie würden dem Tode wahrlich anders getrotzet und viel höhere Freude, Schutz und Rettung wider alle ihre Anfechtungen gefunden haben.

Gern bekenne ich aber, daß solche Herrlichkeit von unserem Fleisch und Blut sich nicht begreifen noch verstehen läßt. Denn wo ein Christ stirbt, da scheinet es vor unseren leiblichen Augen nicht anders, als wo ein Heide stirbt, ja als wo ein unvernünftig Thier stirbt. Denn wer kann den ausfahrenden Geist des Menschen mit leiblichen Augen sehen? Wer siehet die heiligen Engel und Heerschaaren des allmächtigen Gottes, wie sie als feurige Wagen und Rosse den sterbenden Christen umgeben und seiner Seele mit großer Freude wahrnehmen? Wer siehet den gegenwärtigen Heiland JEsum Christum sammt der ganzen heiligen Dreifaltigkeit? Wer höret auch das himmlische Jubelgetön und Frohlocken der heiligen Engel, das sich da erhebt? Man siehet da mit leiblichen Augen nichts denn den todten Körper – das Andere ist alles vor unseren Sinnen tief verborgen.

Aber da müssen wir das Urtheil unserer Sinne fahren lassen und nur auf das Wort Gottes Achtung geben, welches uns die Wahrheit verkündigt und leugt nicht. Dürfen auch nicht vergessen, daß Gottes Wesen, wie auch die englischen Naturen und menschlichen Geister, ob sie wohl für unsere leiblichen Augen unsichtbar sind, dennoch unter sich einer den anderen recht wohl sehen und hören können. Denn, Lieber, ist uns nicht Gott selbst gegenwärtig mit seinen Engeln? Aber wer siehet diese gegenwärtigen Geister? Wer siehet den allmächtigen Gott? Wer siehet die heiligen Engel? Kein Mensch siehet sie auf Erden mit fleischlichen Augen. Und gleichwohl ist gewiß und kann nicht geleugnet werden, ob schon wir sie nicht sehen, daß sie dennoch unter einander sich sehen; wie Christus ausdrücklich sagt, daß die Engel, so um die kleinen Kinder sind und ihrer warten, allezeit schauen das Angesicht Gottes im Himmel. Also sage ich auch von den Seelen der verstorbenen gottseligen Christen: wir zwar sehen sie nicht mit unseren leiblichen Augen, sie aber sehen und kennen sich unter einander sehr wohl, sind ganz und gar im Reich des Schauens, sehen Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den heiligen Geist, desgleichen alle heiligen Engel und alle auserwählten Patriarchen, Propheten und Apostel, mit welchen allen sie eine sichtbare, selige Gemeinschaft halten. –

Aus dem nun, was uns von diesem edlen paradiesischen, hochzeitlichen Leben der auserwählten Seelen in Gottes Wort geoffenbaret ist, ersehen wir, daß es vornämlich in drei Herrlichkeiten bestehet, welche ich allen betrübten Christen, denen ihre Freunde hinweggestorben und in dem HErrn entschlafen sind, zum seligen Trost und zur Linderung ihrer Traurigkeit jetzt noch besonders vorhalten will.

2.
Die englische Gesellschaft.

Zunächst sind die heiligen Engel als himmlische Fürsten und Trabanten des allmächtigen Gottes für die sterbenden Christen verordnet, daß sie ihre Seelen, sobald sie von der Welt abscheiden, mit großer Freude und Frohlockung aufnehmen und gleich als auf ihren Händen tragen; wie geschrieben stehet: »Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen; daß sie dich auf den Händen tragen, und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest« (Ps. 91, 11. 12). »Der Engel des Herrn lagert sich um die her, so ihn fürchten, und hilft ihnen aus« (Ps. 34, 8). Und im Ebräerbriefe heißt es: Sind nicht die Engel allzumal dienende Geister, ausgesandt zum Dienst, um derer willen, die da ererben sollen die Seligkeit? (c. 4, 14).

Damit nun nicht Jemand meine, es sei solches allein von dem Schutze und der Beiwohnung der heiligen Engel in diesem Leben zu verstehen, so bezeuget die Historia von Lazaro ausdrücklich, daß es auch auf die sterbenden Christen soll gezogen werden. Denn wer kann uns besseren Bericht hievon geben, als unser HErr und Heiland JEsus Christus Selber? Der Arme starb, spricht er, und ward getragen von den Engeln in Abrahams Schooß.

So ist denn erstlich dies unwidersprechlich gewiß und haben wir daran gar nicht zu zweifeln: so bald ein recht gläubiger Christ in dem HErrn entschläft und die Seele von ihm ausfährt, sind alsbald Gottes Heerschaaren, die heiligen himmlischen Frohngeister, am Sterbebett gegenwärtig, umgeben und umschweben dasselbe, und mit freundlichen holdseligen Blicken empfahen sie die ausfahrende Seele, nehmen sie mit Freuden in ihre Mitte und dann mit sich in die Höhe. Darum sagt Luther recht wie dieser seiner Worte droben weiter gedacht worden: »Wenn ein Mensch von diesem Leben scheidet, den Sünden und der Welt abstirbt, alsdann thut Gott alle beide Augen auf und müssen alle Engel da sein und auf ihn warten, unten, oben und rings um ihn her – wo er anders gekleidet ist mit der Taufe Christi, mit dem Glauben und Gottes Wort, daß er kann gezählt werden unter die, so da heißen: Gottes Heilige.«

Wer kann aber diese majestätische Pracht und himmlische Herrlichkeit genugsam rühmen, daß der allmächtige Gott, Schöpfer Himmels und der Erde, seine Kinder, welche von dieser Welt durch den zeitlichen Tod zum ewigen Leben hineindringen, so stattlich läßt empfangen und von seinen heiligen Engeln begleiten?

Denke ihm ein wenig nach, lieber Christ. Wenn ein irdischer Kaiser oder großmächtiger König einem armen Gefangenen, der im finstern Thurm eingekerkert liegt, aus großer Liebe die königliche Kindschaft und Ererbung des Reichs anbieten ließe, und schickte dazu eine stattliche Legation von Fürsten, Grafen und ansehnlichen Herren mit prächtigen Wagen, Reitern und Rossen zum Gefängniß, daß sie den Bettler, so bald er ausgelassen, aufnähmen und ihm zuführeten; nun wird solches alles laut Königlichen Befehls ausgerichtet, die stattlichen und gewaltigen Fürsten, Grafen, Freiherren und Potentaten umgeben mit ihrem reisigen Zeug das Gefängniß, der arme Gefangene kriecht aus der schlammigen Tiefe hervor, sie aber nehmen ihn mit großem Triumph und Frohlockung zu sich, setzen ihn auf einen goldenen Wagen und führen ihn mit herzlicher Freude zu ihrem Könige: – was könnte auf der ganzen weiten Welt einem solchen Gefangenen Höheres, Edleres und Prächtigeres begegnen?

Nun aber ist dies alles eitel Kindertand, Puppenspiel, Flick- und Stümpelwerk, und, wie Salomo sagt, Eitelkeit über alle Eitelkeiten, gegen die himmlische Ehre und Herrlichkeit, da der große König aller Kreaturen, Gottes und Marien Sohn, seine heiligen himmlischen Wächter, Throne und Heerschaaren, die lieben Engel, welche ohne Unterlaß das Angesicht des allmächtigen Vaters sehen, zu uns abfertigt, daß sie der ausfahrenden Seelen wahrnehmen, sobald sie von der Welt abscheiden, und mengen sie zwischen sich ein wie einen theuren Schatz, daß sie mitten unter den Engeln vor Gott erscheinen und seines allerlieblichsten Wesens mit Freuden ansichtig werden.

Da sind die lieben Engel wie hell leuchtende Morgensterne und wie überaus fröhliche Brautführer. Die Seele aber, von dem Kerker und der Hütte ihres Leichnams erlöst, ist wie eine triumphirende Braut, mit ihres himmlischen Bräutigams JEsu Christi schneeweißer Gerechtigkeit bekleidet und mit seinem rothen rosinfarbenen Blute hell und schön gemacht. Da reden alsdann zweifelsohne die heiligen Engel mit ihr und sagen: »Höre Tochter, schaue darauf, und neige deine Ohren, vergiß deines Volkes und deines Vaters Hauses, der Welt darin du bisher gewöhnet hast. So wird der König Lust an deiner Schöne haben, denn Er ist dein Herr, und du sollst Ihn anbeten. Also führet man sie, wie David sagt, in gestickten Kleidern zum Könige; man führet sie mit Freude und Wonne, und gehen in des Königs Palast« (Ps. 45).

O der seligen Heimfahrt und der tröstlichen Herrlichkeit, da die Seele, von ihrem sterblichen Leibe abgesondert, also stattlich mit himmlischer Pracht empfangen und umgeben wird! O der wunderbarlichen Ehre, da sie nicht von irdischen Königen, Fürsten, Grafen und Herren, sondern von den allerdurchlauchtigsten und großmächtigsten Himmelreichs-Fürsten und Trabanten des lebendigen Gottes aufgenommen wird, und nicht in köstlich behangenem Wagen mit reichen Teppichen und Decken, nicht in sammetgepolsterter Sänfte noch in seidenbeschlagener Kutsche, sondern auf englischen Händen sich führen und tragen läßt! O der wunderlieblichen Klarheit, davon es allenthalben über ihr, neben ihr und um sie her leuchtet und flimmert! Wie muß da eitel Freude und Wonne ihr Herz ergreifen! Wie muß sie sich verwundern über den wunderlieblichen, wunderfreundlichen und wundertröstlichen Anblick der wunderschönen Helden Gottes!

Auch dürfen wir nicht denken, daß diese himmlische Klarheit, Freude und Wonne weit von dem sterbenden Christen sei, über etliche tausend Meilen und über die sichtbaren Himmel, wie die Schwarmgeister, Enthusiasten, Spiritualisten und Speculisten träumen. Sondern es hat ein gottseliger Mensch das ewige Leben allezeit gegenwärtig, hier auf dieser Welt im Glauben, und sobald er stirbt, hat es die Seele vor sich und zugegen im Schauen. Eben wie ein Kind im Mutterleibe sein natürlich Leben hat und ist allbereit in der Welt, nur daß solch Leben verschlossen und verborgen ist, und daß es die schöne Welt noch nicht sehen kann. Sobald es aber seine alte Haut ablegt und durch die natürliche Geburt von der Mutter hinweg kommt, da siehet es das weltliche Wesen vor sich, verwundert sich des Lichts, so ihm in seine Aeuglein scheint, und höret die freundliche holdselige Stimme seiner Mutter, wie auch anderer Freunde, die es nehmen, küssen, herzen, tragen, wiegen und tröstlich anlachen.

Nicht anders gehet es mit der auserwählten Seele zu. Auf dieser Welt liegt ihr himmlisch Leben und ihre Seligkeit, wie Paulus redet, in Gott verborgen, sintemal Gottes Wort ihr mütterlicher Leib und geistliche Behausung ist. Dazu bleibt sie auch mit dem alten Adam und sterblichen Leibe als mit einer Haut umgeben, daß sie die himmlische Seligkeit nicht sehen kann, sondern wandelt nur im Glauben und noch nicht im Schauen. Sobald sie aber ihren Leichnam durch den zeitlichen Tod als eine Hütte abgelegt hat, da ist sie aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schauens geboren und siehet augenscheinlich die Herrlichkeit Gottes, hält Gespräch mit den heiligen Engeln, hat die himmlische Freude vor ihren Augen gegenwärtig und kann sich deren nicht genugsam verwundern.

Ja es ist das ewige Leben eines gottseligen Christen, sobald er in dem Herrn entschlafen, recht wie eine Eröffnung der Augen und Aufschließung der Ohren, daß die Seele siehet als wäre sie bisher blind und höret als wäre sie bisher taub gewesen. Gleich als wenn die helle klare Sonne einen blinden und tauben Menschen mit ihrem Glanz und Schein umfinge, als wenn lieblich Harfenspiel oder Glockenklang oder Orgelgetön mit vollen Registern vor seinen Ohren erschallte – solches alles könnte der arme Mensch weder sehen noch hören wegen seiner Blindheit und Taubheit, und lebte doch gleichwohl mitten in dem klaren Sonnenschein und mitten unter den kunstgeübten Spielleuten. Wenn nun ein weit berühmter Arzt käme, der den bösen Staar stäche und risse dem Blinden das dicke hinderliche Fell von seinen Augen, eröffnete ihm danach auch die Ohren, daß er also das Licht plötzlich sehen und den lieblichen Schall plötzlich hören könnte – was meinest du, daß er denken und reden würde? Sonderlich da er sähe den hellen Tag, die liebe Sonne, die schöne Welt, und hörete die herrlichen Posaunen und die anderen wohllautenden Stimmen und Instrumente um sich her? Da würde er ja bekennen, daß sein voriges Leben der halbe Tod gewesen; da würde er sagen: nun empfinde und erfahre ich erst, was leben heißt!

Also kannst du dir auch fein einbilden den unterschiedlichen Zustand unseres irdischen und himmlischen Lebens. Wohl ist ein recht gläubiger Christ auf dieser Welt schon selig und hat den allmächtigen Herrn Zebaoth, Gott Vater, Sohn und heiligen Geist mit seinen heiligen Engeln als eine himmlische feurige Wagenburg um sich her gegenwärtig; und ist kein Zweifel, die lieben Engel, so um ihn her sind, preisen allerwege ihren Schöpfer und singen ihm ohne Unterlaß das: Heilig, Heilig, Heilig ist Gott der Herr Zebaoth! Aber es kann der Christ solchen himmlischen Glanz, Majestät und Herrlichkeit Gottes und seiner auserwählten Engel nicht leiblich sehen noch hören, dieweil er wandelt im Glauben und nicht im Schauen, und ist dazu, wie die Schrift sagt, mit dem sterblichen Leichnam als mit einer irdischen Hütte beschweret (2 Cor. 5, 4). Deswegen liegt es an dem, daß er nur den alten Adam ganz ausziehe und durch den zeitlichen Tod gänzlich von seinem sündlichen Leibe erlöst werde. Alsdann hat er die himmlische Herrlichkeit flugs im Gesicht und schwebet in unaussprechlicher Freude mitten unter den Engeln Gottes.

Ich zweifle gar nicht, wenn solches ein Christ in der Welt recht verstände, er würde sich jederzeit solcher gegenwärtigen Beiwohnung Gottes und seiner lieben Engel herzlich erfreuen und denken: ich bin schon selig und mein Wandel ist schon im Himmel! Halte ich mich doch zu Gottes Wort und liege darin wie ein Kind im Mutterleibe verschlossen. Weiß auch, daß mich Gott mit seinen Engeln allenthalben sehr freundlich umringet und umfähet. Und ob ich schon die große Herrlichkeit mit leiblichen Augen nicht sehe, noch die englischen Stimmen mit leiblichen Ohren höre, sondern wandle nur im Glauben – und muß solches währen bis an meinen Tod: so wird doch nach meinem Tode die Offenbarung sofort angehen, daß meine Seele, von diesem Leibe erlöset, das ewige Leben alsbald vor Augen sehen und den allmächtigen Gott, wie auch seine heiligen Engel selbst wird reden hören.

Daß es sich wirklich also verhält mit unserer Seligkeit, daß die himmlische Freude und englische Herrlichkeit nicht weit von uns abwesend, sondern nahe zugegen ist und daß es allein liegt an dem Unterschiede des Glaubens und des Schauens, solches sehen wir zuerst an unserem einigen Erlöser und Seligmacher JEsu Christo, welcher, da er aus Erden sichtbar wandelte, auch dazumal als des Menschen Sohn im Himmel war. »Des Menschen Sohn, sagt er, der im Himmel ist« (Joh. 3, 13). Auch waren die heiligen Engel fort und fort bei ihm und dieneten ihm, wie die Evangelisten Matthäus und Marcus öffentlich bezeugen. Nun sah man aber an Christo keine himmlische Majestät noch Klarheit, auch nicht wie die starken Helden Gottes, die himmlischen Heerschaaren, Seiner warteten. Das sahe man nicht mit leiblichen Augen, weil sein himmlisch Leben und göttliche Herrlichkeit unter dem Kreuz und Stand der Erniedrigung bedeckt und verborgen lag. Aber doch war diese himmlische Herrlichkeit nicht über etliche tausend Meilen und über alles Firmament weit von ihm abwesend oder abgesondert, sondern nahe zugegen und mangelte nirgend an, denn allein an der Offenbarung, daß er es nicht mochte entdecken, welches er doch thun konnte, wenn er wollte. Denn als er mit seinen drei Jüngern auf dem hohen Berge war und sie etlichermaaßen wollte sehen lassen, wie er allbereit im Himmel wäre: siehe, da leuchtete sein Angesicht wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß als ein Licht! Auch erschienen ihm da Moses und Elias und redeten mit ihm von dem, was er zu Jerusalem leiden sollte (Matth. 17, Marc. 9, Luc. 9).

Danach haben wir ein merkliches Exempel an dem Propheten Elisa, der sich auch dieser himmlischen Herrlichkeit und Beiwohnung der heiligen Engel tröstete und gar nicht daran zweifelte, ob er sie schon mit leiblichen Augen nicht sah. Denn als er im Flecken Dothan von den Syrern feindlich belagert war und sein Knabe sich hart wegen der Belagerung entsetzte, daß er schrie und sprach: »Awe, mein Herr, wie wollen wir nun thun?« da tröstete ihn Elisa und sprach: »Fürchte dich nicht, denn Derer ist mehr, die bei uns sind, denn derer, die bei ihnen sind.« Ferner betete Elisa und sprach: » Herr, öffne ihm die Augen, daß er sehe! Da öffnete der Herr dem Knaben seine Augen, daß er sahe. Und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her« (2 Kön. 6, 15-17).

Hier siehest du, wie das Wesen der himmlischen Herrlichkeit und die heiligen Engel als feurige Wagen und Rosse einen gottseligen Menschen auf Erden stets umgeben und nicht weit von ihm, sondern nahe um ihn her sind. Deswegen hat jeder rechtgläubige Christ, so lange er auf Erden lebt, das Reich Gottes in sich, über sich und um sich her, und mangelt ihm nichts mehr denn daß ers augenscheinlich sehe. Solches aber begegnet ihm, sobald er den Tod überwunden und die sterbliche Hütte seines Leibes abgelegt hat. Dann siehet er augenblicklich die himmlischen Heerschaaren und stattlichen Diener des ewigen allmächtigen Gottes vor Augen und verwundert! sich des neuen hellen Lichtes, der großen Herrlichkeit und der ewigen Klarheit, eben wie ein junges Kind, wenn es vom Mutterleibe zur Welt geboren ist, seine Aeuglein aufthut und siehet mit Verwunderung den lieben Tag und den glänzenden Sonnenschein, davon es allenthalben leuchtet und funkelt.

Also hat die auserwählte Seele nach ihrem seligen Auszuge aus dem sterblichen Leichnam gleich alle himmlische Freude gegenwärtig. Gott ist ihr gegenwärtig, die heiligen Engel sind ihr gegenwärtig, und die unaussprechlich große Herrlichkeit ist ihr gegenwärtig. Sie hat alles dicht vor Augen, obschon die Leute, so um das Sterbebett her stehen, die lieben Engel nicht sehen und ihr Frohlocken, damit sie die heimgehende Seele empfangen und zu sich nehmen, – mit ihren leiblichen Ohren nicht hören. Es ist solches für ihre fleischlichen Augen und Ohren verhüllt und verborgen, weil sie noch sterblich sind und im Leibe wohnen. Die Seele aber des Verstorbenen siehet die lieben Engel augenscheinlich und höret ihre Stimme, was sie ausdrücklich und persönlich reden, und kann solches ohne Hinderniß sehen und hören, weil sie nicht mehr im Leibe pilgert, sondern von demselben gänzlich erlöst und ausgezogen, wie auch von allen Sünden errettet ist.

Wunderlieblich aber und wunderfröhlich gehet es zu, da die himmlischen Frohngeister die auserwählte Seele mitten unter sich nehmen und auf ihren Händen tragen. Denn da freuen sie sich, daß der Mensch Buße gethan und daß er als ein Bußfertiger einen christlichen seligen Abschied von der Welt genommen hat. Darüber frohlocken sie und freuen sich viel mehr und viel herrlicher, als über Himmel und Erde, über sich selbst, und über alle die der Buße nicht bedürfen (Luc. 15, 7).

Man siehet in den königlichen Palästen und an großer Herren Höfen, wenn ein junges Herrlein zur Welt geboren ist, welche große Freude sich daselbst erhebet. Da wird das zarte Kindlein in stattliche Windeln gewickelt und mit Freuden umhergetragen. Die nächsten Freunde nehmen es in ihren Arm, herzen's, küssen's und lachen's freundlich an; und je beschwerlicher es sich mit der Geburt angelassen, daß man gefürchtet hat, es würde das Kindlein todt auf die Welt kommen, welches doch Gott in Gnaden verhütet, – je größer ist die mütterliche Freude, so darauf folget. Also freuen sich die heiligen Engel und jauchzen vor großer Freude, daß die edle Seele des Menschen den herben bittern Tod durch des Lammes Blut und durch die evangelischen Trostsprüche im Glauben überwunden hat und zum Paradies der ewigen Freude eingedrungen ist. Ja, deß freuen sie sich und frohlocken über die gebenedeiete Seele, welche sie auf ihren Händen tragen, herzen und küssen sie, reden mit ihr wunderhold und geben ihr eitel freundlichen Anblick, wie einem zarten neugebornen Kindlein.

Wahrlich, keinem jungen Kinde auf Erden mögen seine zarten Windeln und warmen Tücher, darin es eingewickelt liegt, auch selbst nicht seiner Mutter Schooß, so sanft thun als der triumphirenden Seele die englische Frohlockung und Herrlichkeit des ewigen Lebens zu Herzen gehet. Denn allenthalben hat sie mitten unter den Heerschaaren Gottes, mitten unter den stattlichen großmächtigen Fürsten des Himmels eitel Freude und Wonne, und die tröstliche Hand Gottes des allmächtigen Vaters, wie auch die sonnenklaren Hände der heiligen Engel sind ihr wie eine weiche Windel und süßes Bündelein, darein sie gewickelt ist und sich als ein neugebornes Kindlein tragen und wiegen läßt.

Von diesen wundertröstlichen Windeln und Bündlein der auserwählten Seelen predigt die kluge Frau Abigail dem Könige David und stärket ihn damit wider seine Verfolger, da sie spricht: »Wenn ein Mensch sich erheben wird, dich zu verfolgen, und nach deiner Seele stehet: so wird die Seele meines Herrn eingebunden sein im Bündlein der Lebendigen bei dem Herrn, deinem Gott« (1 Sam. 25, 29).

Gleichwie nun das Angesicht der holdseligen Eltern, der lieben Brüderlein und Schwesterlein dem neugebornen Kind nicht schrecklich, sondern sehr lieblich und tröstlich anzuschauen ist, sonderlich wenn es Vater, Mutter, Bruder, Schwester und andere Freunde lieblich anlachen und ihm auf das freundlichste zureden: also sind auch Gottes und der heiligen Engel Angesichter im himmlischen Paradies gegen die auserwählte Seele nicht wie zornige Larven oder schreckliche Gespenster, sondern eitel holdselige Bilder, welche wunderlieblich mit der Seele reden, wundertröstlich sie erfreuen und mit einem wunderfreundlichen Anblick sie allenthalben umgeben. Denn es lieben ja die Engel den Herrn unseren Gott von ganzem Herzen und die seligen Menschen als sich selbst, und weil diese Liebe, so da ist die Erfüllung des Gesetzes, bei Gott dem Allmächtigen in seinem Leben und Reich des Schauens ihren vollen Gang und Schwang hat: was konnte denn da Schreckliches oder Abscheuliches an den lieben Engeln vorkommen, davor die menschliche Seele sich entsetzen müßte?

Wohl ists richtig, daß ein Mensch auf dieser Welt mit seinen leiblichen Augen kein englisch Angesicht und viel weniger das Angesicht Gottes anschauen und ertragen kann, wie deutlich zu sehen an dem Propheten Jesaia, an Daniel, an Manoah (Simsons Vater; Richt. 13, 22) und an St. Johannes auf der Insel Pathmos, wie heftig sie erschrecken und in große Angst fallen, da Gott und seine Engel sich nur etlichermaaßen und von ferne sichtbar offenbaren. Aber solche Furcht und Angst kam daher, daß sie noch in der sündlichen Haut des alten Adams steckten und ihre Wiedergeburt noch nicht vollendet war. Darum wie einem unzeitigen Kinde im Mutterleibe höchst gefährlich und fast tödtlich sein würde, vor der Geburt die Welt und die Menschen auf der Welt zu sehen, also können wir auch in der sterblichen Hütte unseres Leibes das Angesicht Gottes und seiner heiligen Engel mit unseren fleischlichen Augen ohne Gefahr Leibes und Lebens nicht ansehen noch ertragen, bis wir aus diesem Jammerthale heimfahren und unsere Seele aus dem Reich des Glaubens ins Reich des Schauens vollkommen geboren wird.

Daher ist die Schuld solcher Angst, Furcht und Gefahr nicht bei Gott und seinen Engeln, als ob sie etwa von Natur mit einem feurigen und verzehrenden Haß des menschlichen Geschlechtes angezündet wären, – was doch ganz und gar nicht der Fall – sondern ist lediglich unserer fleischlichen Blödigkeit, Sünde und Schwachheit zuzuschreiben. Denn es ist Gott die Liebe selbst, und damit wir seine starke Liebe ertragen können, so formirt und gebiert er uns auf dieser Welt durch sein Wort zum ewigen Leben der ewigen Liebe. Desgleichen wo die heiligen Engel gottseligen Leuten in diesem Jammerthale erschienen sind und an den Menschen die fleischliche Furcht, Angst und Zaghaftigkeit gemerkt haben: da ist stets ihr höchster Fleiß gewesen, wie den armen Leutlein solche Furcht und Angst benommen und abgewandt werden möchte.

Deß finden wir schöne und merkwürdige Exempel in der Schrift. Es fürchteten sich die Hirten auf dem Felde zur Zeit der Geburt Christi sehr vor dem Engel des Herrn, welcher des Nachts mit himmlischer Klarheit sie umleuchtete. Aber da tröstete er sie und sprach: »Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird!« (Luc. 2). Also auch, da der Prophet Daniel sich vor dem Gesicht eines Engels über alle Maaßen entsetzte, daß ihm seine Gelenke bebten und er aus großer Mattigkeit zur Erde sank: da bekümmert sich der liebe Engel mit eitel holdseliger Erquickung, wie er den so heftig Erschrockenen trösten und stärken möchte, rührete ihn deswegen an und sprach: »Fürchte dich nicht, du lieber Mann! Friede sei mit dir! und sei getrost!« (Dan. 10, 19).

Siehe, so lieblich und holdselig sind die heiligen Engel mit Worten, Gebehrden und Gedanken. Und liegt es offenbar nur an unserer großen Schwachheit, daß gleich wie ein unzeitig Kindlein im Mutterleibe vor seiner Geburt ohne Gefahr Leibes und Lebens nicht in die Welt hinaussehen, noch die Angesichter seiner Eltern, Brüder und Schwestern beschauen kann: also dürfen wir auch in dieser Welt das Angesicht Gottes und seiner Engel mit unsern leiblichen Augen ohne Verletzung des Lebens nicht sehen, wie Gott selbst zu Moses sagt: »Kein Mensch wird leben, der mich siehet« (2 Mos. 33, 20).

Aber in jenem Leben und bei Gott in seinem himmlischen Paradies hat die auserwählte Seele das Ende ihrer seligen Wiedergeburt erreicht und ist durch den zeitlichen Tod und Ablegung des sündlichen Leibes aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schauens eingegangen. Darum siehet sie da Gottes Angesicht und die wunderschöne Gestalt der heiligen Engel mit Freuden, wird auch davon lieblich erquickt und gestärkt, daß sie sich keinesweges entsetzt, weiß von keiner Furcht, von keiner Angst, von keiner Blödigkeit noch Trübsal, sondern hat unaussprechliche Lust, Freude und Wonne an solcher Anschauung, und wollte sie Jemand um diesen Zustand ihres Lebens befragen, so würde sie ohne allen Zweifel bekennen, daß sie nicht Himmel und Erde, nicht die ganze Welt noch alle Güter, Pracht, Ehre und Freude, die darinnen sind, für solche Herrlichkeit nähme.

Zudem ist diese Herrlichkeit auch um deshalb so groß und ansehnlich, weil nicht nur einer, sondern viele Engel für eine jegliche Seele beschieden sind, wie die Schrift ausdrücklich meldet, daß Freude sei vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße thut. Ferner heißt es: der Arme starb und ward getragen von den Engeln in Abrahams Schooß. »Warum, spricht Chrysostomus, Auf deutsch: Goldmund, Beiname des Patriarchen Johannes zu Constantinopel, von dem wir noch köstliche Predigten und andere geistreiche Schriften haben. Ein treuer unermüdlicher Streiter für das wahre, lebendige Christenthum, gehasst von Geistlichen und Weltlichen, von seiner Kaiserin Eudoxia ins Exil geschickt, aus Furcht vor dem Volke und in Folge eines Erdbebens zurückgerufen, später abermals verbannt, zuletzt in eine öde Stadt am schwarzen Meere verwiesen, die er aber nicht mehr erreichte. Als er die Nähe seines Todes fühlte, zog er ein weiß Gewand an und empfing noch einmal mit seliger Freude das h. Abendmahl. Seine letzten Worte waren dieselben, die in den trübsten Tagen seines bewegten Lebens stets seine Loosung gewesen: Δόξα τῷ ϑεῷ πάντων ἕνεϰεν – Ehre sei Gott für Alles!. Es war am 14 September d. J. 407, als ihn die Engel heimführten ins Himmelreich. – Die erste Bekanntschaft mit ihnen verdankte er seiner frommen Mütter Anthusa, einer rechten Wittwe (1 Tim. 5, 5) von ihrem zwanzigsten Lebensjahre an. Sie war ihm, was Monica dem Augustin und Nonna dem Gregor von Nazianz. Mütter, laßt euch wiederfinden, wie im ersten Christenthum! – stehet hier: er ward getragen von den Engeln? Hätte denn nicht ein Engel es können ausrichten und stark genug sein, einen armen Lazarus zu führen und zu tragen? Ja traun, es wäre wohl freilich zu dieser Bestallung ein Engel überlei genug gewesen. Es kommen aber ihrer viele dazu, anzuzeigen daß sie große Freude haben ob der Menschen Seligkeit. Denn ein jeder Engel hat Lust und Freude, solchen Dienst zu thun und lässet ein jeder Engel ihm diese Arbeit, die Menschen in das Himmelreich zu führen, gar gern auflegen.«

Nun siehe, was sich hier für ungleich Ding und rechtes Widerspiel eräugnet. Der todte Leichnam des verstorbenen Christen liegt da wie ein Klotz und Stein, weiß nirgend von, wird noch einmal gereinigt, in ein weiß Sterbehemd gehüllt, in einen Sarg gelegt, mit Blumen und Kränzen schön geschmückt, auf einer Todtenbahre zum Hause hinausgetragen und nach dem Gottes-Acker gebracht. Das Crucifix geht voran. Die nächsten Freunde, Nachbarn und Blutsverwandten folgen der Leiche in schwarzen Trauerkleidern mit herzlichem Seufzen, Schreien und Weinen, danach die Liebe zu dem Verstorbenen groß ist. Auch singet man die Klagelieder: Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen – Aus tiefer Noth schrei ich zu Dir – (oder: Haben wir das Gute empfangen von der Hand des HErrn, warum sollen wir das Böse nicht leiden? Der HErr hat es gegeben. Der HErr hat es genommen. Als es dem HErrn gefallen hat, so ist es geschehen. Der Name des HErren sei gelobet – Heute mir und morgen dir! so hört man die Glocken klingen – Was Gott thut, das ist wohlgethan – Wer weiß wie nahe mir mein Ende – JEsus meine Zuversicht –) oder andere. Dann die Einsegnung. Unter dem Gesange: Nun laßt uns den Leib begraben – wird der Todte unter die Erde verscharret. Die Lebenden hören noch in der Kirche die Leichenpredigt. Und gehen von dannen nach Haus. – Oder aber es wird der Leib eines Christen um der bekannten Wahrheit willen von Tyrannen und Bluthunden feindlich erstochen, geköpft, gehängt, gerädert und nachher der todte Leichnam zu Pulver verbrannt, oder in Stücke zerrissen, den wilden Thieren vorgeworfen und dergleichen, welches alles schrecklich anzusehen ist, und abscheulich solchen Spectakeln beizuwohnen.

Inmittelst aber fähret die aufgelöste Seele daher, nicht unter den sterblichen Menschen auf Erden, sondern mitten unter den Engeln Gottes im hohen Himmel, erlöst von allem Jammer, Noth, Anfechtung, Bekümmerniß und Herzeleid. Weiß von keiner Angst noch Traurigkeit mehr, sondern singet, jauchzet, jubiliret und triumphiret über ihre Erlösung. Und ist ihre selige Freudenfahrt unter den fürstlichen Heerschaaren und hell leuchtenden Wagen und Rossen des allmächtigen Gottes viel hundert tausendmal stattlicher, prächtiger, fröhlicher, gewaltiger und herrlicher, als wenn du hier unten auf Erden solltest hoch ankommen auf einem goldenen Wagen sitzend, dazu von allen Kaisern und Königen, von allen Fürsten und Herren der ganzen weiten Welt in großem Pomp, Solennität und Freude mit viel tausend glänzenden Wagen und reichgeschmückten Rossen, wie auch mit fröhlichen Pfeifen, Pauken, Trommeln und Trompeten begleitet, und in den allerschönsten und großartigsten Palast, der in Europa, Asien oder Afrika sein möchte, denselben einzunehmen und zu besitzen hingeführt werden.

Menschliche Gedanken auf Erden können diese himmlische Freude und Herrlichkeit nicht ergründen, und noch viel weniger könnens unsere Zungen erreichen. Da ist der Wagen Gottes viel tausendmal tausend (Ps. 68, 18), und wie die Himmelfahrt des Propheten Elia bezeuget, so sind es feurige Wagen und feurige Rosse (2 Kön. 2, 11). Nicht daß sie wie ein materielles oder irdisches Feuer Jemand bei der Himmelfahrt beleidigten, ansteckten, sengten, brenneten oder verzehrten. Sondern es sind die lieben Engel Gottes, welche daher fahren, feurig wegen ihrer großen Herrlichkeit, feurig von himmlischer Freude, feurig von unaussprechlich großer Liebe, darin sie lieblich wallen und brennen gegen ihre anbefohlenen und von Gott ihnen vertraueten Seelen, die sie führen und begleiten. Denn nach dem königlichen Hauptmandat des Gesetzes lieben sie Gott ihren Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allen Kräften, und ihren Nächsten als sich selbst. Nun aber ist solche vollkommene Liebe wie eine feurige Gluth, als Salomo im Hohenliede schreibt, und eine Flamme des Herrn. Darum also, weil die lieben Engel im Himmel einen jeglichen triumphirenden seligen Christen mit feuriger inbrünstiger Liebe herzlich umfangen und tröstlich umgeben, scheinen und leuchten sie von Liebes-Klarheit und Liebes-Flammen, als wären sie eitel feurige Wagen und Rosse.

Sonderlich aber sollen wir hier wissen, daß solche Freudenfahrt und Herrlichkeit recht ein Triumph der Seele ist, in dem sie von den Engeln Gottes getragen wird und daher führet als eine großmächtige Heldin, die nicht Türken und Tartaren, noch andere Barbaren, sondern alle Teufel in der Hölle, den Tod, die Bäche Belials und die ganze Welt durch Christi Blut im Glauben überwunden. Frohlocket und triumphiret deswegen nicht anders, als wenn ein tapfrer Held die Schlacht gewonnen und seine Feinde in die Flucht getrieben hat. Nun kommt er heim mit Freuden, sitzend auf einem köstlichen güldnen Wagen, darauf ihn der König einholen und mit einem großen reisigen Zeug von ansehnlichen Fürsten, Grafen, Edelleuten und Rittern auf das allerköstlichste und herrlichste begleiten läßt.

Wie ging es doch so prächtig zu, als Titus die Juden bezwungen hatte und nach vollendetem Siege aus dem jüdischen Lande zu Schiffe nach Italien wiederum zurückkehrte. Es kamen ihm, wie die Geschichtschreiber erzählen, die römischen Bürger in einer unzählbaren Menge draußen vor der Stadt mit großer Freude entgegen. Er aber, (der menschenfreundliche Feldherr und nachmalige Kaiser) Titus, und sein Vater Vespasianus zogen daher, gezieret auf ihren Häuptern mit Kränzen von Lorbeerzweigen in Gold gearbeitet, und angelegt mit römischen Purpur-Kleidern. Da sähe man in dem Triumphzuge allerlei Kunstwerk von Gold, Silber und Elfenbein zubereitet, so ordentlich nach einander folgte als ob es nicht getragen, sondern daher geflossen käme. Man trug kostbare Kleider, waren auch viel Teppiche zu sehen, mit babylonischer Kunst gewirkt und gemalt, auch viel glänzend Edelgestein in güldene Kronen und in andere Kleinodien eingefaßt. Die redseligen Oratoren (Professoren der Beredtsamkeit) standen da, in Seide gekleidet und mit Lorbeerkränzen gekrönet, und rühmeten ihres Siegesfürsten ritterliche Thaten. Summa: alles Volk war fröhlich und die ganze Stadt Rom stund in Freuden.

Aber was ist diese kurze vergängliche Pracht und Freude gegen den ewigwährenden Triumph und die ewige Freude einer Seele, die unter den heiligen Engeln hoch daher fähret und frohlocket in Gott ihrem Heiland, daß sie in Christo obgesieget und die ganze Welt sammt ihrem Fürsten, dem leidigen Teufel, überwunden hat? Wird auch darum von unserem Herrn JEsu sehr Prächtig im Himmel gekrönet und vor Gott dem Vater, wie auch vor seinen Engeln ewiglich gerühmet. » Sei getreu, sagt der Sohn Gottes, bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben« (Offenb. 2, 10). Und abermal: » Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angelegt werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buche des Lebens; und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln« (3, 5).

Ist nun der arme Lazarus, als er starb, sofort von den heiligen Engeln ausgenommen und zur ewigen Freude getragen worden, und ist der bekehrte Schächer am Kreuz gleich nach seinem Tode in dem himmlischen Paradies bei Christo gewesen; ists auch gewiß, daß ein gottseliger Christ durch den Tod zum Leben eilend hinein dringt, wie Gottes Wort ausdrücklich bezeuget und wir also gar nicht daran zweifeln dürfen: so muß wahrlich dieser Triumph sich alsbald eräugnen, daß die edle Seele eines verstorbenen Christen in dem himmlischen Paradies jauchzet und frohlocket, mit unaussprechlicher Ehre von ihrem Bräutigam und Seligmacher angenommen, gelobt und gekrönet, und von allen Engeln selig gepreiset wird.

Nun mag in ganz Europa, in ganz Asien, selbst in dem schönen Kaiserthum China, und in allen Morgenländern an keinem Ort eine so überaus stattliche Pracht und Herrlichkeit gesehen noch gehöret werden, als dies ist und sein muß; ja eine hohe Freudenpracht und fröhliche Herrlichkeit, da der große König Himmels und der Erde, JEsus Christus, die auserwählte Seele zu Sich nimmt und vor Seinen heiligen Engeln rühmet, da sie bei tausendmal tausend vor Ihm stehen, und spricht zu ihnen: Sehet, ihr Engel und ihr Erzengel, ihr Cherubim und ihr Seraphim, ihr himmlischen Throne, ihr Herrschaften, Fürstenthümer und Obrigkeiten: sehet, das ist der Prophet Jesaias! das ist mein Jünger Petrus! das ist der Lehrer Augustinus! das ist der Martin Luther! das ist der – –, der sich meiner nicht geschämet und mein Wort nicht verleugnet, sondern vor aller Welt solches öffentlich bekannt und mich geehret hat im Glauben und wahren Vertrauen, mit Beten, Danksagung, Anhörung und fleißiger Betrachtung meiner heilsamen Lehre bis in den Tod! Sehet, ihr Engel, das ist der selige Mensch, die auserwählte Seele, das liebe Kind, mein folgsam Schäflein, mein Schatz, mein treuer Freund und theuer erworbenes Gut! Lasset ihn nun mit euch zu Tische sitzen und freuet euch mit ihm! frohlocket mit ihm und lasset ihn unter euch trinken von den reichen Gütern meines Hauses und mit eitel himmlischer Wollust getränket werden wie mit einem Strom!

Wie sanft muß das der edlen Seele thun, da sie von dem Herrn JEsu so hoch vor allen heiligen Engeln geehret wird! Man liefet von Michael III, griechischen Kaiser zu Constantinopel, als derselbige an seinem Diener Basilius Macedo große Treue spürete und durch desselben Fleiß von seinem feindlichen Oheim Bardas errettet ward, da rühmete er ihn vor dem ganzen Reich und ließ öffentlich ausrufen: der Bardas hat mit List mir nach dem Leben gestanden und hätte mich erwürget, wenn nicht mein treuer Diener Basilius dem Unglück vorgebauet hätte! Darum will ich, daß dieser Basilius mein Mitgenoß in der Regierung sei und für einen Kaiser neben mir ausgerufen werde! Da fing Basilius an zu weinen und fiel dem Kaiser zu Füßen. Der Kaiser aber ließ ihn krönen und für einen Mitgenossen an der kaiserlichen Regierung öffentlich ausrufen. Später, 867, wurde Michael von demselben Basilius ermordet. –

Also und viel tausendmal lieblicher, herrlicher und gewaltiger gehet es im Himmel zu, da unser Immanuel die gebenedeiete Seele vor seinen heiligen Engeln rühmet, daß sie ihm so getreu gewesen bis in den Tod, und krönet sie darauf, daß sie mit ihm herrsche und regiere, wie er spricht: » Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl (Offenb. 3, 21). Wahrlich, da mögen die seligen Auserwählten auch wohl vor Freuden weinen, daß es sie dünkt, es sei ein Traum, und was da geredet, gesungen und mit lachendem Munde, fröhlich gerühmet wird, das gehe alles gleich als im Traum zu. Inmaaßen David hievon weissaget und spricht: » Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens, und unsere Zunge voll Rühmens sein« (Ps. 126).

Desgleichen ist es nicht irdisch, fürstlich und königlich, sondern überfürstlich, überköniglich und über aller Welt Pracht, Majestät, Ehre und Herrlichkeit, daß die Fürsten des Himmels, Gabriel, Raphael, die Cherubim und die Seraphim mit allen englischen Thronen und Herrschaften die auserwählte Seele umgeben, sie hoch rühmen und erheben, und tröstlich, mit ihr reden in eitel unaussprechlicher Freude und Wonne.

Als die fromme und gottselige Wittwe Judith ihrem Volke den Sieg wider die Assyrer von Gott erlangt hatte, preiseten sie alle Juden und sprachen: »Du bist die Krone Jerusalems, du bist die Wonne Israels, du bist eine Ehre des ganzen Volks, daß du solche löbliche That gethan und Israel so große Wohlthat erzeiget hast, daß sie Gott wiederum errettet hat. Gesegnet seist du vor Gott ewiglich! Und alles Volk sprach: Amen, Amen« (Judith 15. 12. 13). Heut zu Tage wollen Etliche von der »frommen und gottseligen Wittwe« (c. 8. 7; c. 9) mal wieder nichts wissen, weil sie den Feldhauptmann Holofernes »gemordet«; und tönt das ausländische, puritanische Geschrei: weg mit den Apokryphen! auch in die Kirche deutscher Reformation herüber. Lassen wir uns, liebe Leser, doch ja nicht irre machen an diesen Büchern, so immerdar »nützlich und gut zu lesen.« Keine Bibel ohne Apokryphen! dabei soll es unter uns bleiben. – Wer das Philipp Nathusiussche alte liebe »Volksblatt für Stadt und Land« liest – und es sollte es doch Jeder lesen, dem die wahre Union der Kinder Gottes am Herzen liegt – wird sich hierbei an manches ernste Wort wider »die neumodigen Apokryphen-Stürmer« erinnern. S. auch namentlich Hengstenberg über den Apokryphenstreit im Juli-Heft der Ev. Kirchen-Zeitung v. 1853. Scherz und Kinderwerk aber ist diese irdische Ehre gegen die große Himmelsehre, da die königlichen und fürstlichen Heerschaaren des ewigen unsterblichen Gottes den seligen Christen, welcher von diesem elenden Jammerthale ausgeschieden ist, zwischen sich nehmen und seinen beständigen Glauben rühmen, dadurch er den Tod verschlungen und alle Feinde überwunden, hat.

O wie lieblich muß es lauten, da sie auf gut englisch intoniren, singen, klingen, spielen, jauchzen und in großer Freude rufen: Selig bist du, du auserwählte Seele, ja selig bist du, die du geglaubet hast! Denn nun wird dir vollendet, was dir gesagt ist vom Herrn. Du hast einen guten Kampf gekämpfet, du hast deinen Lauf in der Welt vollendet, du hast Glauben gehalten, du bist gekommen aus großer Trübsal, du hast deine Kleider gewaschen und hast sie hell gemacht im Blute des Lammes. Wir preisen dich, die du vom Hause des Herrn bist. Siehe, du bist nun gekommen zu dem himmlischen Jerusalem, zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeinde der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind. Du bist nicht gestorben, sondern du lebst, und sollst nun des Herrn Werk verkündigen. Darum fürchte dich nichts du liebes Kind! Friede sei mit dir! – sei getrost und fürchte dich nicht, du liebe Seele, du seliger Christ! Siehe, auf unsern Händen tragen wir dich und sind von dem großen Könige Himmels und der Erde als dienstbare Geister dir zum Dienst ausgesandt! Wir lagerten uns um dich her, da du noch im Fleische warst und fürchtetest den Herrn, unseren Gott. Und ob du wohl mit leiblichen Augen uns nicht sahest, so waren wir doch als feurige Wagen und feurige Rosse um dich her und hatten unsere herzliche Freude an deiner Buße, da du von Sünden abließest und dich dem Herrn Christo und seinem gepredigten Evangelio ergabst, darein uns mit gelüstet zu schauen. O lieber Bruder, nun siehe, wir sind deine Mitknechte, und deiner Brüder und derer, die das Zeugniß Jesu haben!

Solche englische Herrlichkeit siehet und höret die auserwählte Seele und freuet sich der königlichen Ehre, der lieblichen Lust und der seligen Gemeinschaft die sie da hat mit Cherubim und Seraphim, mit den durchlauchtigen Heerschaaren Gottes und mit allen himmlischen Thronen, Fürstenthümern und Obrigkeiten. Einmüthig loben und preisen sie den ewigen allmächtigen Gott, und lieben ihn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allen Kräften, und sie sich unter einander, die Engel den Menschen, der Mensch die lieben Engel, als sich selbst. Das ist ihre Gemeinschaft, Bund und ewige Verknüpfung, voll großer Freude, voll höchster Ehre, voll wahrhaftiger Wonne.

O wie muß einer Seele diese Freude und Seligkeit zu Herzen gehen! O wie sehr muß sie sich verwundern der Majestät und Herrlichkeit, die ihr daselbst widerfähret! Wie wird sie da in ewiger Freude frohlocken und jauchzen! wie tröstlich wird ihr zu Muth sein, da sie gedenket, wie sie auf Erden in großer Trübsal, Jammer, Angst und Elend herumgezogen, hat Armuth, Verfolgung, Schmach, Hohn und Spott um des Evangelii willen leiden und den gottlosen Buben ein Narr, ein Fluch und ein Fegeopfer sein müssen! Nun aber lebet und schwebet sie mitten unter den heiligen Engeln in ewiger Freude und Wonne. Da wird sie verspeien, verachten und kecklich verlachen die stolze Pracht der aufgeblasenen Welt und denken: pfui der stinkenden Hoffahrt auf Erden, da sich einer über den anderen erhebt, pranget in Sammt und Seide, bauet stattliche Häuser, trachtet nach eitler Ehre, wie er in königlichen Palästen oder an Fürstenhöfen sich einheucheln, einschmeicheln und über andere herrschen möge! Was sind aller Welt Kaiser, Könige, Fürsten und Potentaten gegen die heiligen Engel? und was ist aller Welt Pracht gegen diese englische Herrlichkeit? Hier neiget mir Gott den ganzen Himmel mit allen heiligen Engeln zu und führe ich unter ihnen so ein Freudenleben, daß ich dafür nicht hundert tausend Welten noch zehnmal hundert tausend irdischer Königreiche nehmen wollte.

Sehet, liebe Christen, das ist die erste Herrlichkeit der auserwählten Seele, deren sie theilhaftig wird, sobald sie von der sterblichen Hütte ihres Leibes aufgelöst ist und deren sie sich freuet mit unaussprechlicher Freude und Wonne. Und gleichwie einen Menschen in dieser Welt sein natürlich Leben und Wandel hier auf Erden dünkt ungleich besser und vollkommener zu sein, als da er im Mutterleibe verschlossen lag und ein verborgen Leben führete; wie er denn auch solch verschlossen und verborgen Leben nicht noch einmal leben möchte, wenn er schon wieder dazu kommen könnte: – also führet die wiedergeborene Seele im Himmel mitten unter den heiligen Engeln ein recht lustig Paradiesleben, gegen welches ihr diese Welt, darin sie eine Zeit lang hat wohnen müssen, viel enger und schmäler erscheint, denn ein Mutterleib, und würde sie nimmer wieder dahin zurückkommen, wenn es ihr schon erlaubt und frei gestellt wäre.

3.
Die göttliche Gemeinschaft.

Die andere Herrlichkeit der erlösten Seele ist die selige Gemeinschaft, die sie hat mit ihrem trauten Erlöser und Bräutigam, Jesu Christo, welchen sie da vor Augen siehet, wie auch Gott den Vater und Gott den heiligen Geist, und ist bei der ganzen heiligen Dreifaltigkeit im himmlischen Paradies, höret daselbst unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann; fühlet dazu keinen Hunger noch Durst und wird von keiner Qual berühret, auch von keiner Sonne noch vom irgend einer Hitze befallen, sondern dienet dem allmächtigen Gott Tag und Nacht in seinem Tempel, und wird von ihrem herzlieben Immanuel zu den lebendigen Wasserbrunnen geleitet und für alle Schmach, Hohn, Spott, Verfolgung und Elend, so sie um seinetwillen in der Welt hat tragen müssen, herzlich getröstet.

»Wo ich bin, sagt er, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren« (Joh. 12, 26). »Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast« (Cap. 17). Dies sind wundertröstliche und wunderselige Verheißungen, welche über alle recht gläubigen Christen gehen und stracks dahin lauten, daß sie bei ihrem himmlischen Heiland und Seligmacher sein und seine ewige Herrlichkeit sehen sollen. Und damit nicht Jemand meine, daß solche Offenbarung der Herrlichkeit erst am jüngsten Tage angehe und daß die Seele des verstorbenen Christen mittlerweile nichts davon sehe noch wisse, so bezeuget unser Immanuel klärlich das Gegentheil, da er ausdrücklich zu dem bekehrten Schächer spricht: »Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: heut wirst du mit mir im Paradiese sein.«

Solche Worte – ich muß immer wieder dazu ermahnen – erwäget mit Fleiß, ihr Lieben, und denket recht daran, was sie mitbringen und in sich begreifen. Der Schächer stirbt am Holz, und seine Seele fähret von ihm aus. Wo kommt sie aber hin? – Sie gehöret Christo an und kommt zu ihm und bleibet bei ihm. Woda? – Nicht in der Hölle, noch in einer Wildniß, auch nicht in tiefem stinkenden Gefängnis, noch in irgend einem finsteren Wald, da es blutdürstige Straßenräuber, Mörder, Lindwürmer, Drachen, Scorpione, Vampyre, Stechfliegen, Tiger, Hyänen, Parder, Büffel, Wölfe, Löwen, Bären und dergleichen giebt – sondern sie fähret zu Ihm in das Paradies. Also kommt auch eine jede gläubige Seele, sobald sie dem alten Adam und der Hütte ihres Leibes ganz abgestorben, zu Christo in das Paradies, wohnet im Paradies und ihr ganzes Leben, das sie mit ihrem Bräutigam Jesu Christo führet, ist anders nichts denn ein freudenreiches Paradies-Leben.

Da sind die lieben Engel wie königliche Brautführer. Die auserwählte Seele ist die königliche Braut und Jesus Christus ist ihr königlicher Bräutigam, der himmlische Adam. Demselbigen wird sie nach ihrem seligen Abschied von dieser Welt durch die himmlischen Heerschaaren eilend zugeführt, daß sie bei ihm sei. Und gleichwie es auf Erden sehr prächtig, fröhlich und ansehnlich sich ausnimmt, wenn eine stattliche Braut in einem überaus schönen Lustgarten, der eben die lustige Maienzeit ist und sich die edle Nachtigall allenthalben hören läßt, mit großer freudenreicher Solennität, Glanz und Herrlichkeit ihrem Bräutigam zugebracht wird: also gehet, wenn ein Kind des Lichts seliglich in dem Herrn entschlafen, sofort sein Paradiesleben an, daß die edle Seele wie in einem königlichen Lustgarten, mit viel hundert tausend Engeln begleitet, zu ihrem allerschönsten Bräutigam, dem Herrn Christo kommt, bei welchem sie eitel Paradies-Freude, Paradies-Lust und Paradies-Herrlichkeit findet und ergötzet sich ewiglich an Seiner inbrünstigen Liebe.

Ja da gehet die wahre Freude und die himmlische Seligkeit der Liebe erst an, deren in dem hohen Liede Salomonis mit verblümten Worten gedacht wird. Da kommt die Seele aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schattens, und ihr Vertrauen, das sie in dieser Welt auf ihren himmlischen Bräutigam gesetzet, sammt der seligen Hoffnung wird da zum edlen Licht und Glanz, daß sie wie die Morgenröthe und wie der schöne Mond mitten unter den heiligen Engeln aufgehet und blicket mit aufgethanen Augen nach ihrem trauten Freunde und Erlöser, von welchem sie auf Erden so viel gehöret und den sie mit ihrem Munde so oft gerühmet, bekannt, gelobet, geehret und gepreiset hat. Da ist »ihr Mund voll Rühmens,« ihr Herz voll Freude, ihre Seele voll Wonne.

Die heiligen Engel preisen sie selig und das ganze Himmelsheer freuet sich ihrer Ankunft und spricht: »Wer ist, die hervorbricht, wie die Morgenröthe, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie die Heeresspitzen? Wie schön ist dein Gang in den Schuhen, du Fürstentochter. Wie schön und lieblich bist du, du Liebe in Wollüsten!« (Hohel. 6, 9; 7, 1. 6).

Ihr Bräutigam und allerliebster Jesus Christus empfängt sie auch mit Freuden und läßt sich sehen in großer Majestät und Herrlichkeit. »Wer ist sie, sagt er, die herauf gehet aus der Wüste, wie ein gerader Rauch, wie ein Geräuch von Myrrhen, Weihrauch und allerlei Pulver eines Apothekers?« (Hoh. 3, 6). Als wollte er sagen: es ist die Welt eine rechte Wildniß, Wüste und Einöde, darin die spöttischen Epikuräer nichts fragen nach dem ewigen Leben, sondern meinen, die Seele verschwinde und zergehe wie ein Rauch und Dampf. »Das Schnauben in unserer Nase, sprechen sie, ist ein Rauch; und unsere Rede ist ein Fünklein, das sich aus unserem Herzen reget. Wenn dasselbige verloschen ist, so ist der Leib dahin, wie eine Loderasche, und unser Geist zerflattert, wie eine dünne Luft. Wohl her nun, und laßt uns wohlleben, weil es da ist, und unseres Leibes brauchen, weil er jung ist. Wir wollen uns mit dem besten Wein und Salben füllen. Laßt uns die Maienblumen nicht versäumen. Laßt uns Kränze tragen von jungen Rosen, ehe sie welk werden. Unser Keiner lasse es ihm fehlen mit Prangen, daß man allenthalben spüren möge, wo wir fröhlich gewesen sind. Wir haben doch nicht mehr davon, denn das (Weish. 2, 2. 3. 6-9). Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt« (1 Kor. 15, 32). Das ist der Weltkinder Reim und Loosung, und so gar nichts halten sie von dem ewigen Leben der unsterblichen Seele. – Wer ist aber dagegen die edle Seele, die ich dort sehe kommen aus der wüsten Welt, nicht als einen vergänglichen Dampf noch Rauch, sondern wie einen geraden durchdringenden Rauch, so durch den Tod zu mir in dies Paradies hinein dringet, und riecht lieblich von herzlichem Vertrauen und inbrünstiger Liebe zu mir, wie ein Geruch von Myrrhen, Weihrauch und allerlei Pulver eines Apothekers?

Gleichwie nun eine Braut, welche um ihres Bräutigams willen von ihren Feinden und Widersachern viel Hohn, große Schmach und allerlei Verfolgung hat leiden müssen, sobald sie ihres herzliebsten Bräutigams ansichtig wird – da weinet sie vor Freuden und erzählt ihm die große Angst und Gefahr, die sie seinethalben ertragen und ausgestanden: also thun die auserwählten Seelen auch, die um ihres Heilandes und Bräutigams Jesu Christi und um Seines Wortes willen auf dieser Welt vom Teufel und seinen Consorten weidlich sind durch die Brände gejagt, verfolgt, verlacht, mit Schmach und Hohn gequälet und jämmerlich erwürget worden. Da erzählen sie und klagen im Himmel dem Sohne Gottes ihre erlittene Noth und alles Elend, wie St. Johannes schreibt daß er gesehen habe die Seelen derer, »die erwürget waren um des Wortes Gottes willen, und um des Zeugnisses willen das sie hatten. Und sie schrieen mit großer Stimme und sprachen: Herr, Du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest Du, und rächest nicht unser Blut an denen, die auf Erden wohnen?« (Offenb. 6, 9. 10).

Diese Worte quellen nicht daher aus fleischlicher Feindseligkeit, Neid oder Rachgier, sondern aus großer Liebe zu Christo und aus sehnlicher Begierde, daß er doch seine Ehre wider den Teufel und alle verstockten Feinde, Verfolger und Tyrannen schützen und retten wolle.

Und ist also die Seele eines verfolgten Christen vor Gott in jenem Leben, dahin sie der Herr Christus abgefordert hat, wie eine gesprächige, lebendige, frische und eifrige Braut, die aus brennender Liebe mit großem Freudengeschrei ihrem Geliebten entgegenkommt; und dann weinet sie vor ihrem himmlischen Bräutigam und erzählt ihm alles, was um seines Namens willen ihr vom Satan und von der argen schnöden Welt widerfahren. Hoja! sehe ich Dich nun endlich, so spricht sie zu ihm, Du großer Ehrenkönig, Du mein herzallerliebster Freund, unter vielen Tausenden auserkoren! O Jesu, Du Krone meines Hauptes, mein einziger Trost, meine herzlichste Freude und Wonne! O nun müssest Du hoch gepreiset, hoch gelobet und hoch geehret sein, Du süße Wurzel Jesse, Du heller Morgenstern, Du König des ewigen Lebens! Hosianna, Du Sohn Davids! Ach wie haben mich die gottlosen Leute auf Erden um Deines Namens willen so feindlich gekränkt, gemartert und geplagt! Dein Wort habe ich bekannt, Deiner Wahrheit habe ich Zeugniß gegeben und falsche Lehre, Abgötterei, Irrthum, Laster und Untugend habe ich in Deinem Namen an den Irrgeistern und bösen Buben alle Zeit und aller Orten tapfer gestraft. Da habe ich denn nun Deinetwillen ein Narr, ein Fluch, ein Fegeopfer und Scheusal ihnen sein müssen. Ich bin geneidet, verspeiet, ausgestoßen, verlästert und endlich gar hingerichtet und schändlich umgebracht worden. O JEsu, wie lange willst Du Deine Ehre schänden lassen? Wie lange richtest Du und rächest nicht das Blut, das um Deinetwillen vergossen wird?

Darauf tröstet sie ihr Jesus und reichet ihr, wie St. Johannes meldet, ein weißes Kleid, welches allhier bedeutet das neue Licht, die höchste Ehre und himmlische Freude, damit sie umgürtet wird. Und gleich als wäre sie bis daher wie eine Hindin von Löwen und Leoparden über Berge, Hügel und Thäler elendiglich gejagt, verfolgt und darüber nackt und müde worden: also beklagt sie ihr Bräutigam, ruft sie freundlich zu sich und spricht: »Komm, meine Braut, vom Libanon, komm vom Libanon. Geh herein, tritt her von der Höhe Amana, von der Höhe Senir und Hermon, von den Wohnungen der Löwen, und von den Bergen der Leoparden!« (Hohel. 4, 8).

Auch tröstet er sie mit der himmlischen Freudenlust und Ergötzung, die sie ewiglich in dem wunderschönen Paradies des ewigen Lebens bei ihm finden und haben soll, und meldet ihr daß all ihr Jammer und Elend wie ein saurer Winter und ungestüme Regenzeit nunmehr vorüber sei. Deswegen soll sie von nun an ein recht Paradiesleben führen im Lande der Lebendigen und in diesem himmlischen Lustgarten von keinem Winter noch Ungewitter der Trübsal mehr wissen, sondern eitel Freude und Wonne erleben und ihre Gestalt mit Freuden sehen und ihre Stimme mit Freuden hören lassen. »Stehe auf, spricht er zu ihr, meine Freundin, meine Schöne, und komm her. Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin. Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeikommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserem Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Augen gewonnen, und geben ihren Geruch. Stehe auf meine Freundin, und komm meine Schöne, komm her. Meine Taube in den Felslöchern, in den Steinritzen, zeige mir deine Gestalt, laß mich hören deine Stimme!« (Hohel. 2, 10-14).

Summa: der Tod seiner Heiligen wird vor Ihm werth gehalten, dieweil er ihre Seele aus dem Tode reißet, ihre Augen von den Thränen und ihre Füße vom Gleiten, daß sie in dem allerschönsten, allerlustigsten und alleredelsten Lande der Lebendigen vor ihm wandeln (Ps. 116, 8. 9). Sie sind kommen, sagt die Schrift, » aus großer Trübsal, und haben ihre Kleider gewaschen, und haben ihre Kleider helle gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Stuhle Gottes, und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel« (Offenb. 7, 14. 15).

Und solches kommt ihnen nicht anders vor, als wären sie auf dieser Welt wie in einem kalten, dunkeln, mitternächtigen Lande gewesen, da es stets friert, hagelt, schneit und eitel brausende Winde gehört werden, die allenthalben den Frost und Schnee unter die Augen treiben, daß man nichts siehet denn, eitel dicke Finsterniß, gefroren Wasser, Schneeberge, Eisklumpen, Eiszacken und kahle, unfruchtbare Bäume; da man sich auch allenthalben fürchten muß vor den reißenden Wölfen, Bären und dergleichen wilden Thieren, die da wüthen, brummen und brüllen nach dem Raub und zerreißen was ihnen begegnet. Nun aber sind sie aus solchem frostigen, elenden, unfruchtbaren, dunkeln und ganz gefährlichen Winterlande durch den Tod plötzlich wie in einem Hui in das schöne Paradies als in ein himmlisches Sommerland transportirt worden, da der Winter vergangen, der Regen weg und dahin ist, da der Mai ewig grünet, die Sonne nimmer untergehet, der heilige Geist als die rechte himmlische Turteltaube sich freundlich hören läßt und die heiligen Engel viel schöner als Nachtigall, Lerche, Kuckuck, Amsel, Wachtel, Ortolan, Stieglitz, Zeisig, Hänfling und die lieblichsten Feld- und Waldvögelein dem allmächtigen Ehrenkönig mit fröhlichem Munde ihr »Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth« singen.

Ferner meldet die Schrift (Offenb. 7, 16. 17), daß die auserwählten Seelen daselbst weder hungern noch dürsten, daß auch die Sonne nicht auf sie falle, noch irgend eine Hitze. Denn das Lamm Gottes mitten im Stuhl der ewigen Glorie und Herrlichkeit weide sie und leite sie zu den lebendigen Wasserbrunnen, daß sie trunken werden von den reichen Gütern seines Hauses und getränket mit Wollust als mit einem Strom. Hat es denn der arme Lazarus auf Erden böse gehabt, so wird nun seine Seele im Himmel getröstet; und sind die auserwählten Kinder des Lichts in dieser Welt umhergegangen in Pelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal und mit Ungemach, in den Wüsten, auf den Bergen und in den Klüften und Löchern der Erde: so werden nun ihre Seelen reichlich gestärket und erquicket, daß sie essen, trinken, fröhlich sind und vor gutem Muth ewiglich jauchzen (Jes. 65, 13. 14).

Wir essen auch wohl auf Erden unseres Herrn Christi Leib und trinken sein Blut, geistlich im Glauben und sacramentlich im hochwürdigen Abendmahl mit dem äußerlichen Munde, aber dort im himmlischen Paradies siehet und schmecket die auserwählte Seele nicht mehr im Glauben noch im dunkeln Wort, sondern augenscheinlich, wie lieblich und freundlich ihr Bräutigam sei. Sie isset von dem Holz des Lebens, das im Paradiese Gottes ist und höret die liebliche holdselige Stimme ihres Königs zu allen Auserwählten: »Esset, meine Lieben, und trinket, meine Freunde, und werdet trunken!« (Hohel. 5, 1).

Und dies ist ein recht Bankett, das ewiglich währet und gehet über alle königliche Pracht und Herrlichkeit, die man auf Erden siehet. Als der König Ahasverus vor den Gewaltigen in Persien und Medien, den Landpflegern und Obersten in seinen einhundert und sieben und zwanzig Ländern den herrlichen Reichthum seines Königreichs und die köstliche Pracht seiner Majestät entfaltete und auf seinen Befehl allem Volke zu Schloß Susan ein herrlich Mahl im Königlichen Lustgarten bereitet ward: »da hingen weiße, rothe und gelbe Tücher, mit leinenen und scharlachenen Seilen, gefasste in silbernen Ringen auf Marmelsäulen. Die Bänke waren golden und silbern, auf Pflaster von grünen, weißen, gelben und schwarzen Marmeln gemacht. Und das Getränk trug man in goldenen Gefäßen, und immer andern und andern Gefäßen und königlichen Wein die Menge, wie denn der König vermochte. Und man setzte Niemand was er trinken sollte; denn der König hatte allen Vorstehern in seinem Hause befohlen, daß ein Jeglicher sollte thun, wie es ihm wohlgefiele« (Esth. 1, 6-8).

Nun treibt wohl Gott der Allmächtige in seinem himmlischen Paradies vor seinen Engeln und auserwählten Menschen nicht so ein irdisches köstliches Gepränge mit goldenen und silbernen Stühlen, Lehnsesseln, feinen Tischen, glänzenden Tafeln, strahlenden Leuchtern, Schüsseln, Bechern, gewirkten Tüchern, Tapisserie, Sammt und Seide und dergleichen, sondern es gehet da nach unerforschlicher himmlischer Art und Weise, die kein Mensch auf Erden verstehet und keine Zunge ausreden kann. Aber doch wird uns die hohe, unaussprechliche Magnificenz und Pracht der ewigwährenden himmlischen Hochzeit durch irdische Bilder in dem hohen Liede Salomonis, und auch sonst hin und wieder in der Schrift angedeutet und wie von ferne gezeigt, damit wir gleich den jungen Kindern etwas von diesem edlen freudenreichen Geheimniß in dieser Welt anheben zu wispeln, zu lallen und zu buchstabiren, bis dermaleinst unsere Seele von diesem Jammerthale im Glauben abgefordert und in das Paradies der himmlischen Freude und Seligkeit aufgenommen wird, da sie dann alles selbst gegenwärtig sehen, schmecken und erfahren kann.

Mit Wahrheit aber können wir sagen und ungezweifelt darob halten, daß jene Hochzeit, Freude und Herrlichkeit im Reiche Gottes viel hundert tausendmal stattlicher, köstlicher, lieblicher und freudenreicher sich anläßt, als wenn alle Kaiser, Könige, Fürsten und Herren auf dem ganzen Erdboden alle ihre Güter, Gewalt, Pracht und Ehre zusammen brächten und für ein einziges sybaritisches Bankett alles verwendeten.

Zudem ist überaus lieblich und tröstlich zu hören, was der heilige Geist von den auserwählten Seelen im Himmel ferner anzeigt, daß nämlich Gott alle ihre Thränen von ihren Augen abwische (Offenb. 7, 17). Das ist, er tröstet sie herzlich wie einen seine Mutter tröstet, und danach die Seele auf Erden in Angst und Noth gewesen, herzet und küsset er sie und spricht zu ihr: O selig bist du, meine Freundin, meine Braut, meine Taube, daß du auf Erden bist geistlich arm gewesen, siehe, nun ist das Himmelreich dein! O wie selig bist du, daß du geweinet und Leid getragen hast, denn siehe, nun sollst du lachen und ewiglich getröstet werden! Dich hat gehungert und gedürstet nach der Gerechtigkeit, darum sollst du nunmehr gesättigt werden. Man hat dich um Gerechtigkeit willen verfolgt, aber siehe, der Himmel ist dein! Die Menschen haben dich gehasset, dich abgesondert und gescholten und deinen Namen verworfen als eines Boshaftigen um Meinetwillen, aber nun freue dich und hüpfe, denn siehe, dein Lohn ist groß im Himmel!

Und derlei Trostsprüche höret die edle Seele daselbst nicht mehr im dunkeln Wort, wie zuvor allhier, sondern sie höret den eingeborenen Sohn Gottes, ihren Bräutigam, persönlich reden, und frohlocket darüber von Herzensgrund. O wie tröstlich und holdselig sind Deine Lippen, spricht sie, sind sie doch wie Rosen die mit fließender Myrrhen triefen, und deine Worte sind mir süßer denn Honig und Honigseim!

Sie siehet da ihren herzallerliebsten Freund, den Herrn Jesum, wie er ist der Schönste unter den Menschenkindern. Sie siehet sein Haupt und sein Haar, wie des Königs Purpur in Falten gebunden (Hohel. 7, 5); sein edelstes Angesicht, weißer als der Schnee, heller leuchtend als die Sonne. Sie siehet seine Augen, als wären es Feuerflammen; seine Füße wie glühend Messing. Sie siehet seinen goldenen Gürtel, und höret seine Stimme wie großes Wasserrauschen. Sie siehet Ihn, den Reiter auf weißem Pferde, deß Wege sind im Wetter und Sturm, und dicker Staub unter Seinen Füßen. Sie siehet seine Herrlichkeit, die ihm Gott sein himmlischer Vater gegeben hat, als eine Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes Gottes. Sie siehet die beiden Naturen, die göttliche und die menschliche, wie sie persönlich in ihm vereinigt sind. Sie schauet, wie er erhoben zu der Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, und gesetzt über alles Fürstenthum, Gewalt, Macht, Herrschaft und Alles was genannt werden mag, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Sie schauet, wie ihm alle Dinge unter seine Füße gethan, wie ihm die heiligen Engel dienen und alle Creaturen ihm unterworfen sind (Eph. 1, 20-23; Ebr. 1, 6).

In Christo siehet sie die ganze Fülle der Gottheit. Sie siehet, wie Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Sie siehet in ihm das Angesicht des ewigen allmächtigen Vaters. Sie siehet den Vater augenscheinlich in seinem Sohn als in einem hellen Glanz und Spiegel seiner Herrlichkeit und in dem rechten Ebenbilde seines Wesens (Ebr. 1, 3). Sie siehet in Christo, wie er, der Vater, ist. Und durch Christum offenbaret er sein väterlich Angesicht und siehet die Seele an als sein liebes Kind, in Christo erwählet. Die Seele freuet sich und frohlocket ewiglich mit über diesen wunderlieblichen, wunderfreundlichen und wundertröstlichen Anblick des Vaters. Sie siehet den Vater in dem Sohn und den Sohn in dem Vater. Sie siehet die zwei Personen in einem unzertrennten Wesen. Sie siehet beide mit süßer Verwunderung und kann des lieblichen Ansehens nimmer satt noch müde werden.

Auch siehet sie den ewigen allmächtigen Tröster, Gott den heiligen Geist. Sie siehet ihn in dem Vater und in dem Sohn, sie siehet die ganze heilige Dreifaltigkeit in unterschiedenen Personen und in einem ewigen unzertrennten Wesen. Sie siehet in dem Vater den Sohn, in dem Sohn den Vater, und in den beiden den einigen heiligen Geist. Sie siehet die ganze Fülle des göttlichen Wesens. Sie siehet auch den Tempel solcher Fülle, des Weibes Samen und der edlen Jungfrauen Sohn. Sie siehet, wie ihm der Geist nicht nach dem Maaß gegeben ist (Joh. 3, 34). Sie siehet, wie in ihm verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntniß (Col. 2, 3). Sie siehet, wie das gebenedeiete Lamm eine Leuchte ist der Herrlichkeit Gottes (Offenb. 21, 23).

Und, was das Wunderlieblichste und Wundertröstlichste von allem ist, so siehet sie, wie Gott die Liebe selbst und wie sein Wesen ein Feuer und eine Gluth der Liebe ist. Sie siehet, wie in dieser wesentlichen Liebe der Vater den Sohn aus Liebe zeuget (Ps. 2), wie der Sohn in des Vaters Schooße sitzt, und wie beide, der Vater und der Sohn, einen Geist haben, der das Band ihrer Liebe ist. Nun verstehet sie auch, wie Gott der Vater aus inbrünstiger Liebe alle Dinge durch seinen Sohn um des Menschen willen, und den Menschen um Seinetwillen nach Seinem Bilde geschaffen hat. Ja das treue väterliche Herz siehet sie, wie er aus großer Liebe seinen Sohn der Welt geschenkt hat. Sie siehet, wie Gottes Sohn aus großer Liebe Mensch geworden, den Zorn des Vaters gestillet und uns vom Tode, vom Teufel und von der Hölle erlöst und den heiligen Geist uns erworben hat. Den heiligen Geist siehet sie, wie er aus inbrünstiger Liebe kommt von dem Vater und von dem Sohne, und uns zu Tempeln Gottes und zu Kindern des ewigen Lichtes macht.

Ihr Herz ist freudenvoll, da sie solches siehet, und mit Freuden verwundert sie sich der unaussprechlich großen Ehre, daß unser Fleisch und Blut in Christo so hoch erhoben und zur persönlichen Vereinigung mit dem Sohne Gottes kommen ist, also daß daher die Fülle der Gottheit, die Fülle der Liebe und Leutseligkeit in demselben Tempel hervorblickt. Da brennet und leuchtet alles von reiner himmlischer Liebe, Liebes-Freude, Liebes-Ehre und Liebes-Herrlichkeit. Da küsset der Herr Christus die auserwählte Seele als seine Freundin, seine Braut und seine Schwester, mit dem Kusse seines Mundes und ist ihr wie ein Büschel Myrrhen, das zwischen ihren Brüsten hanget, und wie eine Traube Copher Das hebräische Wort für: Versöhnung. Ist aber zugleich der Name eines wohlriechenden Baums, der auch Cypernbaum heißt (Hohel. 4, 13) und dessen Früchte wie blühende Weintrauben gestaltet sind. in den Weingärten zu Engeddi. Er erquicket sie mit Blumen und labet sie mit Aepfeln von den Bäumen des Lebens. Er leget seine Linke unter ihr Haupt und seine Rechte herzet sie (Hohel. 1, 13. 14; 2, 5. 6).

Sie findet da an Christo alles, was ihr Herz begehret, und nähme für dies Paradies-Leben nicht Himmel und Erde. Sie ergötzet sich an der großen Liebe, damit sie geliebet wird von Gott dem Vater, von Gott dem Sohn und von Gott dem heiligen Geist. Die ganze heilige Dreifaltigkeit liebet sie als Gottes Tempel, Gottes Braut und Gottes Eigenthum. Davon redet sie, davon singet sie, daran gedenket sie ewiglich.

Auch brennet sie da von vollkommener Gegenliebe zu ihrem allerschönsten und allerholdseligsten Immanuel. Sie siehet ihn an mit inbrünstigen Augen, als wären es blitzende Heeresspitzen, und umfähet ihn mit wahrer brennender Liebe wie mit einer goldenen Halskette. Sie offenbaret ihm ihr liebereiches Herz, als reichte sie ihm ihre Brüste, und preiset, lobet, ehret und erhebet ihn mit den auserlesensten Worten, als ob eitel Milch und Honig unter ihrer Zunge wäre und ihre Lippen von triefendem Honigseim flößen. Alle ihre Gebehrden sind Anzeichen der heiligen vollkommenen Gegenliebe und ihr ganzes himmlisches Leben ist wie ein Geruch der Liebe, der alle Würze übertrifft; denn sie ist gesalbet und erfüllet mit dem heiligen Geist, der sie durch und durch besitzet, durchsäubert und durchleuchtet, daß sie wunderschön aussieht und ihrem Bräutigam herzlich wohl gefällt. Sie nimmt ihm sein Herz und schleußt es in ihres Herzens Schrein, und läßt es darin ewig wallen wie ein lebendig Wasser; und was sie in ihrem Herzen mit ihm thut, das giebt sie mit mancherlei himmlischen Liedern, edlen Psalmen und süßen Lobgesängen vor allen Engeln öffentlich zu verstehen, nicht anders als wäre sie eine verschlossene Quelle und ein verschlossener Garten von allerlei lieblichen Früchten und den allerbesten Würzen.

Ihr Bräutigam preiset solche ihre treue Liebe zu ihm und rühmet sie vor Gott, seinem Vater, und vor dem ganzen Himmelsheer. Du bist schön, sagt er, meine Freundin, wie Thirza, lieblich wie Jerusalem. Wende deine Augen von mir, denn sie machen mich brünstig. Du hast mir das Herz genommen, du liebe Braut. Wie schön sind deine Brüste! sie sind lieblicher denn Wein, und der Geruch deiner Seele übertrifft alle Würze. Deine Lippen, meine Braut, sind wie triefender Honigseim, Honig und Milch ist unter deiner Zunge. Deiner Kleider und deiner Salben Geruch ist wie der Geruch des Libanon. Du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Brunnen. Dein Gewächs ist wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, Cypern mit Narden, Narden mit Safran, Kalmus und Cynnamen, mit allerlei Bäumen des Weihrauchs, Myrrhen und Aloes; wie ein Garten-Brunnen, wie ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon herabfließen (Hohel. 4).

St. Augustinus führet dergleichen Reden viele aus dem Hohenliede Salomonis und ziehet sie auf die auserwählte Seele und ihren seligen Zustand im ewigen Leben. »Selig ist, spricht er im 23. Cap. seiner Meditationen, die vom irdischen Leibe aufgelöste Seele, die frei und ungehindert gen Himmel fähret, ist sicher und wohl zufrieden und fürchtet keinen Feind noch Tod. Denn sie hat allerwege zugegen und siehet den allersäuberlichsten Herrn, welchem sie gedienet, den sie geliebet hat, und zu welchem sie mit Freude und Wonne nun gekommen ist. Diese Glorie und Ehre ihrer Seligkeit währet ewiglich und kein Gottloser kann sie verkleinern, verderben noch wegnehmen. – Da sie die Tochter Zion ansahen, preiseten sie dieselbige selig; die Königinnen und Kebsweiber lobeten sie und sprachen: Wer ist die, die herauffährt von der Wüste, und lehnet sich auf ihren Freund? Wer ist die hervorbricht wie die Morgenröthe, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie die Heeresspitzen? (Hohel. 6, 8. 9; 8, 5). Wie fröhlich fähret sie daher! Wie eilet sie und wie läuft sie, da sie mit Verwunderung höret, daß ihr Freund zu ihr spricht (c. 2, 10 ff): Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her. Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin. Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbei kommen und die Turteltaube läßt sich hören in unserem Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Augen gewonnen und geben ihren Geruch. Stehe auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her. Meine Taube in den Felslöchern, in den Steinritzen, zeige mir deine Gestalt, laß mich hören deine Stimme. Denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt ist lieblich. Komm meine Auserwählte, meine Schöne, meine Taube, meine Reine, meine Braut, komm, ich will dich setzen auf meinen Thron, daß ich deine Gestalt sehe. Komm, daß du dich vor meinem Angesicht erfreuest sammt meinen lieben Engeln, welcher Gemeinschaft ich dir verheißen habe. Komm, nachdem du so viel und mancherlei Gefahr, Jammer, Noth und Arbeit erlitten und ausgestanden hast. Komm und gehe ein in deines Herrn Freude, welche Niemand vor dir nehmen wird.«

Hieher gehöret auch, daß die auserwählte Seele mit Christo, ihrem königlichen Bräutigam, sitzet in einem unzertheilten Leben und eben auf demselbigen Stuhl, darauf er sitzt, daß sie mit ihm herrsche und regiere. Denn also lautet seine Verheißung: »Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen; wie ich überwunden habe, und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl. Und wer da überwindet, und hält meine Werke bis an das Ende, dem will ich Macht geben über die Heiden. Und er soll sie weiden mit einer eisernen Ruthe, und wie eines Töpfers Gefäße soll er sie zerschmeißen. Wie Ich von meinem Vater empfangen habe. Und will ihm geben den Morgenstern« (Offenb. 3, 21; 2, 28-28).

In diesen edlen trostreichen Verheißungen finden wir eine gründliche Antwort auf die Frage: was doch die Seelen der Auserwählten vor dem jüngsten Tage für Werke mit Christo in seinem himmlischen Paradies vornehmen, sonderlich die Seelen der h. Apostel, der lieben Väter, St. Athanasii Athanasius – der berühmte alexandrinische Bischof im 4. Jahrhdt., der treue Kämpfer für die christliche Wahrheit und ihr eifriger Vertheidiger gegen alle Irrlehre, sonderlich gegen die arianische seiner Zeit, daher »der Vater der Orthodoxie« genannt; lebt noch unter uns fort durch das seinen Namen führende Symbol, daß letzte der 3. öcumenischen oder allgemeinen Glaubensbekenntnisse der ganzen Christenheit. Mußte auch Absetzung und Verbannung erfahren und entging nur wie durch ein Wunder den kaiserlichen Soldaten., Augustini, Ignatii, Ignatius, Bischof von Antiochien, von dem wir noch 7 herrliche Briefe haben, auf der Reise zu seinem Tode geschrieben, den er a. 116 im Colosseum zu Rom durch 2 Löwen fand unter Kais. Trajan, demselben Kaiser, der einige Jahre vorher den Simeon, Bischof zu Jerusalem und Nachfolger des jüngeren Jacobus, am Kreuze hatte sterben lassen. Polykarpi, Polykarp (auf deutsch: der viel Frucht bringt), ein Schüler St. Johannis, Bischof von Smyrna, ward unter Kais. Marc. Aurel verbrannt, weil er sich geweigert, dem HErrn JEsu zu fluchen, dem er 86 J. gedienet und von dem er nur Liebes und Gutes erfahren hatte. Ehe der Greis mit dem Silberhaar zum Scheiterhaufen hinaufstieg, bewirthete er noch seine Verfolger. Da das Feuer durchaus nicht brennen wollte, mußte man ihn mit einem Schwert durchstoßen. Erst nach Vollziehung dieses Befehls gerieth das Holz in den gewünschten Brand. – Unter desselben Kaiser wurden auch Attalus und Blandina, Ponticus (ein 15 jähr. Knabe) und Pothinus (ein 90 jähr. Greis) zu Tode gemartert. Besonders zeigte die junge Blandina einen wahren Heldenmuth. Als sie schon am ganzen Leibe durch die entsetzlichsten Martern blutig zerfleischt war und man sie aufforderte, abzuschwören, rief sie dennoch: »Ich bin eine Christin!« – Unter Kais. Severus schonten die Heiden auch der Mütter nicht, die mit Säuglingen in den Armen vor den Richtern erschienen, wie Perpetua und Felicitas; ja es, ward edlen Jungfrauen das Schändlichste zugemuthet, wie der Patamiäna, die zuletzt – ganz langsam – in siedend Pech eingetaucht ward. Cypriani, Von Cyprian und seinem Martertod ist im Kaiserswerther Kalender von 1849 zu lesen. Von Augustin in dem trefflichen Missionsfreund von Ahlfeld, Jahrgang 1852 Nr. 24 ff. und anderer, und aller treuen Lehrer, Märtyrer, Prediger, Kirchendiener und Bekenner der edlen Wahrheit, welche dem Evangelio Zeugniß gegeben, falsche Lehre, Abgötterei, Laster, Heuchelei, Sünden und Schanden jeder Zeit an der Welt gestraft und durch des heiligen Geistes Anregung solch Werk unverzagt getrieben haben bis in den Tod. Da antworte ich nach der Schrift: sie sitzen mit Christo auf seinem Stuhl, herrschen mit ihm über die Heiden und zerschmeißen sie mit einer eisernen Ruthe, wie eines Töpfers Gefäße.

Wie aber solches eigentlich zugehe, können wir auf das genaueste in diesem Leben nicht erfahren. Nur das kann ich mit Wahrheit sagen, daß es eine große himmlische Herrlichkeit ist: mit Christo auf seinem Stuhl sitzen, mit ihm herrschen, regieren und die widerspenstigen Feinde bezwingen; und daß solche Werke der himmlischen Regierung bei den auserwählten Christen sogleich nach ihrem Tode angehen, wie geschrieben stehet: »Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Ja der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach« (Offenb. 14, 13). Da hörest du, daß gottselige Christen und treue Diener des Wortes auf Erden große Mühe und Arbeit haben mit richtiger, reiner Lehre, unermüdlichem, freudigen Bekenntniß der Wahrheit und muthiger, scharfer Widerlegung der Abgötterei, der Seelen und Rottengeister. Da stehen sie als die Schafe mitten unter den reißenden Wölfen. Da leuchten sie als Lichter Gottes mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht. Da zeugen sie wider die kalten, zähneknirschenden Feinde des Kreuzes Christi; da zeugen sie wider die Lauen, die da sind als die lebendig Todten. Da werden sie von weltlichen großen Hansen, von stolzen Pharisäern, von fleischlichen Epicuräern, denen der Bauch ihr Gott ist, weidlich schimpfiret und verhöhnet, verfolgt, verjagt, hingerichtet. Hier in meiner Nachbarstadt Sorau lebte von 1706-15 als Gräfl. Promnitzischer Oberhofprediger und Consistorialrath Erdmann Neumeister, der bekannte fruchtbare Liederdichter, vorher Hofpred. in Weißenfels. Der damalige Graf Erdmann II. v. Promnitz haßte, wie er damals noch war, den treuen Zeugen Christi, that ihm viel Herzeleid an, und verjagte endlich den Mann, der ihm und besonders seinem verderbten Hofe so ungescheut allerwege die Wahrheit gesagt. Nach alter, hier ganz allgemeiner Tradition sah sich auf dem sogen. Lugkeberge bei der Stadt der Vertriebene noch einmal nach ihr und ihrem großen Schlosse um, rief: Wehe! und verkündigte, wie in dem Schlosse noch die Verbrecher und Wahnsinnigen wohnen und die Eulen nisten würden. Das Grafengeschlecht aber werde bald untergehen. In einer alten Handschriftl. Chronik der Stadt heißt es: »1715 am 7. Juli 3. n. Tr. hielt uns. R. seine Abzugpredigt unter vielem weinen der Zuhörer, weil er bei der Gemeine ein sehr beliebter Mann war, gelehrt, annehmlicher Sprache, konnte alle schweren glaubensartückel so leichte vorbringen, daß sie jedwedes Gemeines fassen konnte. Und wußte ihn niemand in seiner Lehre und Leben nichts auszusetzen. Die Bürgerschaft geleitete ihn bis Gassen.« Er ging nach Hamburg, wurde Pastor zu St. Jacob und starb am 18. Aug. 1756 im 85. Lebensjahre. Die gräfl. Herrlichkeit dauerte noch bis 1765. Jetzt findest du im Schlosse Criminal-Gefängniß und Irren-Anstalt. Und Eulennester sind schon viele da ausgenommen. Und muß also ihre Arbeit währen bis in den Tod. Wenn sie aber gestorben sind, so hat solche mühselige Arbeit ein Ende. Und ihre Werke folgen ihnen nach; daß sie nämlich dann mit Christo herrschen, die Welt richten, alle Heiden (auch die in Europa und deutschen Landen –) zerschmeißen und mit großer Verwunderung sehen, wie Alles erfüllt, ins Werk gesetzt und vollbracht wird, was sie der argen schnöden Welt nach Gottes Wort gedrohet und mit eifrigen Bußpredigten an ihr ohne Unterlaß gestraft haben.

Ein herrlich Exempel haben wir deß an den heiligen Propheten und Aposteln, welche von des Papstes Ankunft, Tyrannei und Untergang geweissagt haben. Und ob sie wohl längst abgeschieden sind und zu unserer Zeit nicht leben, da des Feindes Reich durch die reine Lehre des Evangelii offenbaret und umgestoßen ist, so gebeut doch der heilige Geist, daß sie sollen fröhlich sein, und zeiget an, daß Gott ihr Urtheil an der großen Stadt Babylon gerichtet habe. »Freue dich über sie, Himmel, spricht er, und ihr heiligen Apostel und Propheten; denn Gott hat euer Urtheil an ihr gerichtet!« (Offenb. 18, 20). Also kann ich sagen von Luthero, dem theuren Manne Gottes, dem Manne mit dem Feuerschein über seinem Haupt: ob er schon vor fünfzig Jahren gestorben ist und nicht mehr wider das Papstthum und die Rottengeister mündlich und schriftlich zeugen kann, so sitzet er doch heut mit Christo auf seinem Stuhl, zerschmeißt seine Feinde wie Töpfergefäße und erfüllet gewaltig seinen Spruch:

Pestis eram vivus, moriens ero mors tua, Papa. (d. h. Da ich lebte, o Papst, war ich eine Pest für dich; wenn ich sterbe, werde ich dein Tod sein), »Höret mich auch, ihr Bischöfe! Lebe ich, so bin ich eure Pestilenz; sterbe ich, so bin ich euer Tod. Denn Gott hat mich an euch gehetzt; ich muß, gleich wie Hosea, euch ein Bär und Löwe sein im Wege Assur. Ihr sollt doch vor meinem Namen keine Ruhe haben, bis daß ihr euch bessert, oder zu Grunde gehet!
Non moriar, sed vivam
Et narrabo opera Domini,
M. Lutherus. D.
«
d. h. Ich aber werde nicht sterben, sondern leben, und des HErrn Werk verkündigen (Ps. 118, 17). – Verschaffe dir, lieber Leser, doch das Buch von Wildenhahn »Martin Luther, kirchengeschichtliches Lebensbild aus der Zeit der Reformation.« besonders den 3. Theil unter dem Titel: Der Tag zu Augsburg.

Desgleichen regieren und herrschen heute mit Christo alle gottseligen Lehrer: Johannes Huß, Hieronymus Savonarola, Hier. Savonarola, auch ein Vorläufer Luthers, in Florenz, ein ausgezeichneter Prediger, besonders Strafprediger. Und weil sein Leben leuchtete wie der Blitz, so trafen seine Worte wie Donnerschläge. Vielen war er zu streng. Die epicuräische Jugend haßte ihn. Leider ließ er sich in das politische Partheitreiben in seinem durch Sünden der Herrscher republikanisch gewordenen Staate allzutief ein. Papst Alexander 6. that ihn in den Bann, ließ ihn grausam foltern und am 23. Mai 1498 aufhängen und sammt dem Galgen verbrennen. Mitten unter den entsetzlichen Schmerzen betete der Sterbende laut für seine Peiniger. Und zwischen den lodernden Flammen zeigte sich noch einmal die schon halb versengte rechte Hand, aufgehoben zum letzten Segen. Pomeranus, Johann Bugenhagen aus Wollin, daher auch Dr. Pommer genannt, Pastor und Professor zu Wittenberg, Luthers treuer Hausfreund, zuletzt Generalsup. von Chursachsen, † 1558 am 10. April. Brentius, Johann Brenz, schwäbischer Prediger, durch Luthers Heidelberger Disputation (1518) zuerst fürs Evangelium erweckt, seit 1522 in Hall, † 1570; für die Reformation in Würtemberg besonders thätig; derselbe, der von einer spanischen Reiterschaar verfolgt und von seinem Herzog Ulrich gewarnt, in Stuttgart auf einem Holzboden 14 Tage lang durch eine Henne erhalten ward. S. Wölbling christl. Geschichten S. 4. Urbanus Regius Auch einer, der in dem Sacramentstreit auf Luthers Seite stand wider die Schweizer. und alle, welche Gott die Ehre gegeben, die evangelische Wahrheit öffentlich bezeuget und die päpstliche Abgötterei, wie auch der Sacramentirer, Wiedertäufer und dergleichen Rottengeister Irrthümer in der Kirche Gottes entdeckt und sie mit Gottes Wort stark widerlegt haben. Sie herrschen und regieren mit Christo, ob wir schon nicht sehen noch wissen, wie es mit solcher Regierung zugehe. »Die Heiligen, sagt David, sollen fröhlich sein, und preisen und rühmen auf ihren Lagern. Ihr Mund soll Gott erhöhen, und sollen scharfe Schwerter in ihren Händen haben; daß sie Rache üben unter den Heiden, Strafe unter den Völkern; ihre Könige zu binden mit Ketten, und ihre Edlen mit eisernen Fesseln; daß sie ihnen thun das Recht, davon geschrieben ist. Solche Ehre werden alle seine Heiligen haben. Halleluja!« (Ps. 149, 5-9).

Gottes Wort ist auf dieser Welt ihre Wehr und zweischneidiges, Schwert gewesen, damit sie wider den Teufel und seine Schuppen tapfer gestritten und deshalb allerlei Gefahr, Hohn, Spott und Verfolgung haben leiden müssen. Davon reden sie nun mit Christo persönlich und erzählens ihm. Und er tröstet sie und lässet sie bei sich auf seinem Stuhl sitzen und zeigt ihnen die Kraft seines Wortes, wie wunderbarlich er seine Kirche und die edle Wahrheit wider des Teufels List und Gewalt schütze und erhalte. Da frohlocken die seligen Lehrer in Christo, ihrem allmächtigen Schlangentreter und Siegesfürsten, und sehen die ganze Regierung des Himmels und der Erde, die Verwaltung seines Reichs, wie wunderlich er seine Heiligen in der Welt durch das Kreuz führet; helfen auch selbst die Welt richten und haben ihres Herzens Lust und Freude daran, daß sie sehen, wie jetzt vor dem jüngsten Tage das Evangelium immer weiter durch Europa, in Asien, Afrika und Polynesien ausgebreitet und des Teufels Reich gewaltig zerstört wird.

Für die große Herrlichkeit würde es Mancher (auch selbst heute noch –) halten, wenn er könnte Sultan zu Constantinopel sein, sitzen daselbst auf kaiserlichem Stuhl und herrschen über Griechenland, Klein-Asien, Syrien, Egypten und über viele vornehme Inseln des mittelländischen Meers, erfahren auch alle Tage, was in den verschiedenen Ländern, Städten und Festungen Neues, Bedeutendes und Interessantes vorfiele. Aber was ist diese vergängliche Ehre gegen die Herrlichkeit einer auserwählten Seele in dem Paradiese des ewigen Lebens, da sie wie eine königliche Braut sitzet mit Christo, ihrem Bräutigam, auf seinem Stuhl und siehet nicht allein, wie er das große Gebäude Himmels und der Erde gewaltiglich regiert und seine Kirche durch die ganze weite Welt berufet, sammlet, erleuchtet, sondern hilft auch selbst die Welt mit richten, die Feinde verurteilen und sie wie Töpfergefäße zerschmeißen?

Auf dieser Welt zwar ist ein recht gläubiger Christ allbereit ein König und Herr in Christo, seinem Heilande, über Tod, Teufel und Hölle, so wie auch über die ganze Welt. Denn Christus hat uns zu Trost die Welt sammt ihrem Fürsten überwunden. Daher denn »alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt (d. h. in Christo Jesu); und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat« (1 Joh. 5, 4). Auch haben wir Gottes Wort als unser Schwert, damit wir verstören die Anschläge und alle Höhen, die sich erheben wider die Erkenntniß Gottes. Aber die Herrlichkeit solcher Regierung und Victorie ist in diesem Leben mit dem Kreuz bedecket und verborgen, dieweil wir noch immer streiten müssen und den Tod noch nicht vorüber haben. Denn wir müssen gleich werden dem Ebenbilde des Sohnes Gottes, welcher auch in den Tagen seines Fleisches, ob er wohl ein allmächtiger Herr und Herrscher war, dennoch solche Majestät und Herrlichkeit nicht wollte sehen lassen.

Eine auserwählte Seele aber, welche den letzten Strudel des Todes überwunden und im seligmachenden Glauben ihren Abschied von der Welt genommen hat, wohnet in dem Paradiese Gottes und herrschet mit ihrem Bräutigam Jesu Christo als eine durchlauchtige Königin in großer Majestät, Kraft und Herrlichkeit. Und solche Gewalt hat sie nicht von sich selbst, sondern empfängt sie von ihrem Bruder im Himmel, eben wie er seine Macht empfangen hat von seinem himmlischen Vater. Darum sagt er ausdrücklich: wer überwinde, dem wolle er geben mit ihm auf seinem Stuhl zu sitzen, eben wie er überwunden habe und gesessen sei mit seinem Vater auf seinem Stuhl. Auch wolle er ihm geben Macht über die Heiden, eben wie er sie von seinem Vater empfangen.

O der überschwänglichen Ehre, der großen Pracht und der mächtigen Herrlichkeit, daß die Seele eines gottseligen Christen, der selig in dem Herrn entschlafen ist, nicht allein Part und Antheil hat an den heiligen Engeln und Erzengeln, den Cherubim und Seraphim und allen himmlischen Thronen, Fürstenthümern und Herrschaften, sondern auch an Jesu Christo, dem großen König Himmels und der Erde, als an ihrem wunderlieblichen, wundertröstlichen und wunderschönen Bräutigam, und sitzet mit ihm auf seinem Stuhl, daß sie mit ihm über Tod, Teufel und Hölle, wie auch über die ganze weite Welt herrschet und regieret! O der seligen Freude und Wonne, daß sie in Christo als in dem hellen Spiegel und Ebenbilde des göttlichen Glanzes siehet das wunderfreundliche Angesicht des ewigen allmächtigen Vaters, und siehet zugleich in dem Vater und in dem Sohne den wahren himmlischen Paraclet, Tröster und Freudenbringer, Gott den heiligen Geist! O der edlen Hochzeit und der königlichen Paradiesfreude, damit sie ewiglich gekrönet und umgürtet wird!

Wahrlich, diese andere Herrlichkeit schwingt ihre Flügel hoch und erhebt sich über aller Welt Pracht und Majestät, Gewalt, Ehre und Herrlichkeit. Ist auch viel tausendmal höher, edler und stattlicher als die erste; denn so viel Gott höher ist als seine Engel, so viel unsere Gemeinschaft mit Gott einen Vorzug hat vor der Gemeinschaft, die wir mit den heiligen Engeln haben. Indessen findet sich eben beides in jener Welt, daß die auserwählten Seelen zugleich mit Gott und mit seinen himmlischen Dienern, den starken Helden, einen segensreichen Commerz und selige Gemeinschaft halten und freuen sich über sie Beide, sind ewig fröhlich mit Gott dem Vater, mit Gott dem Sohn, mit Gott dem heiligen Geist, und ewig fröhlich mit allen heiligen Engeln.

4.
Der selige Umgang.

Die dritte Herrlichkeit der auserwählten Seele in dem Vaterlande des ewigen Lebens ist ihre selige und freudenreiche Gemeinschaft, die sie da hat mit allen auserwählten Patriarchen, Propheten, Aposteln und anderen triumphirenden Christen, welche der Welt und diesem vergänglichen Leben gänzlich abgestorben und zum ewigen Leben eingegangen sind.

Denn es fähret die Seele, nicht eines »Herr! Herr! sagers,« eines Lippen- oder Namenchristen, sondern eines wahren, rechtschaffenen That-Christen, sobald er in dem Herrn entschlafen, von Mund auf gen Himmel und kommt da zu einem großen Volk, zu der Menge der Kinder Gottes, welche vor uns hergezogen sind und im hohen himmlischen Paradies unsere Ankunft in großer Freude erwarten. Du sollst fahren, spricht der Herr zu Abraham, zu deinen Vätern mit Frieden (1 Mos. 15, 15). Und hernach (Cap. 25, 8) sagt die Schrift: Abraham starb in einem ruhigen Alter, da er alt und Lebens satt war, und ward zu seinem Volk gesammelt. Eben so Isaak nahm ab und starb und ward versammelt zu seinem Volk, alt und des Lebens satt (Cap. 35, 28. 29). Und: Jacob that seine Füße zusammen auf das Bett und verschied und ward versammelt zu seinem Volke (Cap. 49, 33).

Luther schreibt über diese Worte also: »Dies ist ein schöner und herrlicher Trost, nämlich die allerlieblichste Beschreibung des Todes, den er nicht einen Tod nennet, sondern redet glimpflich und lieblich davon also: du sollst fahren zu deinen Vätern und ruhen bei Noah und anderen Helden. – Solche des heiligen Geistes Worte sind gar nicht vergebliche Worte, sie werden auch nicht zu unvernünftigen Thieren, sondern zu den Menschen geredet und zeugen gewaltig, daß nach diesem Leben ein anderes und besseres sei. Ja daß auch vor der Zukunft und Menschwerdung Christi ein Volk gewesen sei, welches im Lande der Lebendigen gewöhnet und zu dem die Frommen aus diesem Leben sich versammelt haben. – Die Worte in beiden Texten sind gar eigentlich und deutlich gesetzt. Du wirst zu den anderen Heiligen versammelt werden, die vor dir gestorben sind Darum leben die Väter und sind Völker, welches von den Gottlosen nicht gesagt wird, sondern wird allein geredet von den Heiligen und Gerechten.«

Wir finden auch gewisse Exempel, damit solche Versammlung und Gemeinschaft der Heiligen im himmlischen Paradies bestätigt wird. Denn es hat ja Lazarus sehr viele Jahrhunderte nach Abrahams Zeiten gelebt. Aber sobald er starb, ward er von den Engeln in Abrahams Schooß getragen. Desgleichen hat Elias viele hundert Jahre nach Moses gelebt. Aber da er gen Himmel fuhr, kam er zu Mose, wie sie denn auf dem heiligen Berge zur Zeit der Verklärung Christi bei einander waren und beide mit Christo ihr Gespräch hielten (Matth. 17). Auch sagt David von seinem verstorbenen Kindlein, es werde nicht wieder zu ihm kommen, er aber, der Vater, werde zu ihm kommen, welches denn hernach geschah, da er entschlief und zu seinem Volk versammelt ward (2 Sam. 12, 23).

Wohlan! da haben wir einen starken und gewissen Grund, wenn ein Christ selig in dem Herrn stirbt und seine Seele von hinnen fährt, daß sie dann, von den heiligen Engeln stattlich empfangen und begleitet, in das Paradies komme zu ihrem allerliebsten Bräutigam Jesu Christo, und bei ihm versammelt finde ein großes Volk und Anzahl vieler auserwählter Seelen. Du hörest ja, daß sie fahre zu ihren Vätern und versammlet werde zu ihrem Volk. Damit klärlich angezeigt wird, daß eines recht gläubigen Christen Seele komme zu ihren Freunden, Vater, Mutter, Brüdern, Schwestern, Verwandten und Bekannten, welche im Glauben und seligem Vertrauen auf Christi Blut vorangegangen und durch den Tod in das himmlische Vaterland eingezogen sind. Da kommt ein sterbender Bruder oder eine sterbende Schwester aus diesem Jammerthale zu ihnen und wird zu ihnen versammlet, sobald der Tod vorüber ist, und hat dann ihre ewige selige Gemeinschaft mit ihnen allen.

Auch dürfen wir nicht daran zweifeln, daß solche Gemeinschaft sichtbar sei, obschon das Wesen der Seelen, wie auch das Wesen der Engel sich in dieser Welt mit leiblichen Augen nicht sehen läßt. Denn was ich schon droben auseinandergesetzt habe: gleichwie die Engel Gottes für unsere leiblichen Augen unsichtbare Geister bleiben und sich auf dieser Welt mit fleischlichen Augen nicht sehen lassen – sie selbst aber können sich unter einander sehr wohl sehen –: also sind auch die Seelen der Menschen unsichtbare Geister, die man mit fleischlichen Augen in dieser Welt nicht siehet; sie aber, wenn sie von der sterblichen Hütte ihrer Leiber aufgelöst und durch den zeitlichen Tod von der Welt abgesondert und weggerafft sind, können sich unter einander gar wohl sehen, wie die Historia des reichen Mannes und des armen Lazari bezeuget, von welchen der Herr Christus meldet, daß der Reiche nach seinem Tode, als er begraben war und in der Hölle lag, seine Augen aufgehoben und den Lazarus von ferne in Abrahams Schooß liegen gesehen habe.

Desgleichen sehen sich einander Moses und Elias auf dem heiligen Berge zur Zeit der Verklärung unseres Herrn Jesu Christi. Und ist wohl zu merken, daß die Schrift ausdrücklich setzet, Moses sei gestorben im Lande der Moabiter und begraben im Thal desselben Landes gegen dem Hause Peor; auch daß Michael, der Erzengel, mit dem Teufel gezanket habe über dem Leichnam Mose (5 Mos. 34; Ep. Jud. v. 9). Diese Worte verstehe ich einfältig, wie sie lauten, und wird damit bezeuget daß Moses wahrhaftig gestorben und sein Leib wahrhaftig begraben sei. Gleichwohl erscheinet er mit Elia auf dem heiligen Berge und hält Gespräch mit dem Herrn Christo. Daraus unwiderruflich folget, daß nicht allein Enoch und Elias, welche lebendig mit Leib und Seele gen Himmel ausgenommen sind, sondern auch die Seelen der verstorbenen gottseligen Christen sich im himmlischen Paradies des ewigen Lebens unter einander in großer Klarheit und Herrlichkeit von Angesicht zu Angesicht sehe; obschon unser Fleisch und Blut nicht verstehen noch begreifen kann, wie solches zugehet.

Nicht allein aber sehen sie sich, sondern indem sie sich sehen, kennen sie sich unter einander. Denn es kennet ja der reiche Mann den armen Lazarus von ferne, trotzdem daß er in der Hölle liegt. Wie vielmehr kennen sich also die Auserwählten im Himmel? Wie sollte auch eine auserwählte Seele wissen, daß sie zu ihrem Volk versammelt wäre, wenn sie ihr Volk in jener Welt nicht kennete? Zudem ist ja das Leben der Kinder des Lichts im Himmel ein recht Paradiesleben, wie der Herr zum Schächer spricht: Heut wirst du bei mir im Paradiese sein! Ist es nun ein Paradiesleben, so folget: gleichwie Adam und Eva im irdischen Paradies, ehe denn die Sünde und der Tod in die Welt kommen waren, sich kannten und herzlich einer den anderen liebte, daß auch die triumphirenden Christen im himmlischen Paradies des ewigen Lebens, nachdem sie die Sünde und den Tod durch den Glauben an Christum überwunden haben, sich einander mit ungefärbter reiner Liebe umfangen und recht kennen.

Es war ein recht Paradies-Leben auf Erden, da Adam ohne Sünde war und sein Weib Eva, als sie ihm zum ersten Male zugeführt ward, flugs nach dem Schlaf kannte. Fragte sie auch nicht: ei was bist du für eine Creatur? wo kommst tu her? und was suchest du hier? sondern sprach alsbald: das ist doch Bein von meinen Beinen und Fleisch von meinem Fleische; man wird sie Männin heißen, darum daß sie vom Manne genommen ist. Desgleichen kennet das Weib sofort ihren Mann, von dessen Rippen sie erbauet war, und fragt nicht lange, wer und von wannen er sei, sondern hält und gesellet sich zu ihm als zu ihrem eignen Fleisch und Blut und recht bekanntem lieben Freunde. Siehe, solch ein lieblich Wesen und freundliche Erkenntniß war unter den Menschen im irdischen Paradies, ehe man von der Sünde und von der Gewalt des Todes irgend etwas wußte.

Also kann man auch mit vollstem Recht sagen vom himmlischen Paradies, welches von Gottes Zorn, von allen Sünden und den Anfechtungen des Todes durchaus befreit und rein gefegt ist, daß die Seelen der Auserwählten sich daselbst wie Adam und Eva vor dem Fall ganz lieblich kennen. Und so Jemand siehet seinen Vater, Mutter, Bruder, Schwester oder sonst einen Geliebten von der Welt herauffahren und nach Ablegung des sterblichen Leibes die edle Seele mit unter den heiligen Engeln daherkommen –: da kennet er sie alsbald und fragt nicht lange: wer ist der oder die? sondern spricht ohne Verzug: ach siehe, da kommt mein lieber Vater! siehe, da fähret meine Herzens-Mutter daher! ei sieh doch, das ist ja mein alter treuer Bruder – das ist meine herzige Schwester – das ist mein geliebter, viel bewährter Freund – der daher kommt und aus dem tiefen Jammerthal der Welt zu uns in dies Paradies herauf fähret! O bis tausendmal willkommen im Namen des HErrn, mein lieber Vater, du meine liebe Mutter, mein lieber Mann, mein liebes Weib, mein lieber Bruder, meine liebe Schwester, mein lieber Freund! O nun sei Gott gelobet in alle Ewigkeit, daß ich dich endlich sehe daher kommen und zu diesem unseren Volk versammelt! O Freude über Freude, daß du den Tod auch verschlungen hast in dem Sieg unseres HErrn und Heilandes JEsu Christi und bist durch den Glauben zu uns in dies ewige selige Leben hereingedrungen!

Desgleichen wie Eva ihren Adam sobald erkannte, als sie seiner ansichtig ward im irdischen Paradies, also kennet die auserwählte Seele eines gottseligen Christen, sobald sie nur die Hütte ihres Leibes abgelegt hat und durch den Tod zum Leben eingegangen ist, alle ihre Freunde, die lange vor ihr her gestorben und im himmlischen Paradiese bei einander versammlet sind, und fragt nicht lange: wer bist du? wer seid ihr? wie ist dein Name? sondern spricht alsbald: o lieber Vater, o liebe Mutter, o lieber Mann, o liebe Frau, o liebes Kind, o lieber Bruder, o liebe Schwester, o lieben Freunde, finde ich euch in diesem edlen Paradies und Lande der Lebendigen so fröhlich bei einander? Da müsse der Herr JEsus, unser Erlöser und allmächtiger Ehren-König, mit Gott dem Vater und Gott dem heiligen Geist gelobet, gerühmet, gepreiset und hoch geehret sein in alle Ewigkeit, Halleluja! O nun laßt uns jauchzen, frohlocken, danken dem HErrn, unserem Gott, von ganzem Herzen fröhlich sein und mit Freuden warten des lieben jüngsten Tages und der seligen Auferstehung unseres Leibes!

Zudem halte ich ungezweifelt dafür und sage es hell, daß die auserwählten Seelen sich in jenem Leben viel tausendmal besser kennen, als sie sich aus dieser Welt gekannt haben. Denn es ist hier unten je zuweilen Argwohn, Zorn, Hader und allerlei bitter Kraut mit untergelaufen. Aber dort oben sind sie im Stande der Vollkommenheit, errettet und gereinigt von allen Sünden, daß sie Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe, und einer den anderen als sich selbst. Ist nun die Liebe gegen Gott und gegen den Nächsten, wie sie ja sein soll, ganz und vollkommen, so muß auch an der Erkenntniß, die doch ein gut Partikel der Liebe ist, nichts mangeln. Sie muß eben so vollkommen und eben so stark sein, als die Liebe selbst.

Sonderlich aber erfreuen sie sich der herrlichen Gemeinschaft, darin sie vollkommen stehen mit den heiligen Patriarchen, Propheten und Aposteln, von welchen sie so viel in dieser Welt gelesen und gehöret haben. Dort aber halten sie selbst Gespräch mit ihnen und hören sie persönlich reden, und gehet also in selige Erfüllung des Herrn Christi Weissagung, da er sagt, daß Viele werden kommen vom Aufgang und Niedergang der Sonne und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen im Reiche Gottes (Luc. 13, 28. 29). Je eifriger nun ein Christ in diesem Leben für die reine Lehre des Evangelii sich verhalten hat, und je größer Verlangen in ihm gewesen ist nach den gottseligen Patriarchen, Propheten und Aposteln: je mehr und je höher wird er dort von ihnen gerühmet und gepreiset.

Dr. Pommer stellet uns deß ein Exempel an Dr. Luther seligem, da er in seiner Leichenpredigt über ihn also schreibet: »Wir sollen uns mit freuen der ganz fröhlichen, seligen, ewigen Gemeinschaft, so er jetzt hat mit Gott, mit dem Sohne Gottes, unserem Herrn JEsu Christo, und mit den heiligen Vätern, Propheten und Aposteln, so er bei seinem Leben im Glauben und Vertrauen zu Gottes Sohn allezeit zum höchsten begehret und mit großem Verlangen darauf gewartet hat. Da er nun nicht allein höret, daß seine schwere Arbeit und treuer Fleiß, so er gehabt und gezeigt, die reine Lehre des Evangelii zu pflanzen und auszubreiten, von Gott und der ganzen himmlischen, seligen Kirche im ewigen Leben gelobet und gepreiset wird, sondern auch er selbst, als der nun aus diesem sterblichen Körper als aus einem Kerker ledig worden und in eine andere, gar viel höhere, herrlichere, göttliche Schule kommen, jetzund nun vor Augen schauet und erkennet das hohe, unergründliche, ewige Wesen göttlicher Majestät und die zwei Naturen, göttliche und menschliche, in einer Person des Sohnes Gottes vereinigt, und den ganzen hohen, wunderbaren göttlichen Rath, dadurch er seine Kirche im menschlichen Geschlecht erschaffen und erlöset. Und weil er diese über alle Maaße hohe, unbegreifliche Sache allhier durch den Glauben im Wort und kurzen Sprüchen der göttlichen Schrift eingewickelt und zugedeckt betrachtet, hat er jetzt unaussprechliche Freude, daß er solches offenbarlich vor Augen stehet und von ganzem brennenden Herzen Gott für diese allerhöchste Wohlthat ohne Unterlaß danket. Es haben auch unserer Viele im guten Gedächtniß, wie gern und mit welcher Lust er zu reden pflegte von der heiligen Propheten Regierung im Volke Gottes und von ihrer Lehre und gutem Rath, auch von ihrem Kampf, Gefahr und Verfolgung, so sie erlitten, und wie sie Gott wunderbarlich errettet; und mit wie großem Verstand und hoher Weisheit er die verschiedenen Zeiten der Kirche Gottes in der Welt gegen einander hielt, damit er genug anzeigete, wie ein sehnlich Verlangen er hätte, bei denselben hohen Leuten zu sein. Zu diesen hat er sich jetzt gesellet und freuet sich, daß er ihre lebendige Stimme hören und mit ihnen reden kann. So sind sie auch wiederum dieses ihres Schulgesellen und Mitdieners herzlich froh, empfangen und grüßen ihn freundlich und sagen also beide Gott ewig Dank, der aus grundloser Gnade und Güte seine Kirche in dem menschlichen Geschlecht sammlet und erhält.«

Auch halten die Seelen unter einander Gespräch von ihrem Jammer, Kreuz, Verfolgung und Elend, so eine jegliche in der argen schnöden Welt hat dulden und über sich ergehen lassen müssen. Wie solches daraus abzunehmen, daß Abraham, der Patriarch, von Lazaro redet, wie ers auf Erden böse gehabt habe und nun getröstet werde. Und daß die Schrift sagt von Abels Blut, wie es gen Himmel schreie. Auch von den Seelen der erwürgten Christen, daß sie über ihre Verfolger rufen und klagen (Offenb. 6, 10).

Sie reden aber von ihrer ausgestandenen Angst und geschmolzener Miserie oder Elend nicht, weil sie solcher Schmerzen und Trübsale etwa noch etliche fühleten, sondern daß sie dagegen rühmen den überschwänglichen Trost, so ihnen von Gott dem Allmächtigen dafür reichlich und überflüssig widerführet. Wie wir deß ein Exempel nehmen können an St. Paulo, welcher hin und wieder in seinen Episteln über die Verfolgung klaget, damit der Teufel ihm hart zusetze. Aber dagegen tröstet er sich der zukünftigen Herrlichkeit, die er ihm nach dem Tode bereitet weiß. Nun ist kein Zweifel, wie er hievon geschrieben hat, also werde er auch mit den Auserwählten Gottes im himmlischen Paradies mündlich davon reden und sagen: Ich bin oft gefangen, oft in Todesnöten gewesen. Ich bin in Fährlichkeit gewesen zu Wasser (auf den Flüssen), in Fährlichkeit unter den Mördern, in Fährlichkeit unter den Juden, in Fährlichkeit unter den Heiden, in Fährlichkeit in den Städten, in Fährlichkeit in der Wüste, in Fährlichkeit auf dem Meer, in Fährlichkeit unter den falschen Brüdern. In Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße (2 Cor. 11). Aber nun sehe ich, daß mein zeitlich Leiden nicht ist werth gewesen der Herrlichkeit, die nun an mir offenbaret wird (Röm. 8, 18). Ich sehe nun, daß meine zeitliche und leichte Trübsal mir geschaffet hat eine ewige und über alle Maaße wichtige Herrlichkeit (2 Cor. 4, 17). Christus war auf Erden mein Leben; aber nun sehe ich, wie Sterben mein Gewinn ist worden und wie ich viel mehr Leben damit gewuchert habe (Philipp. 1, 21).

Desgleichen kommen auch alle gottseligen Christen und sonderlich bekannte Freunde, welche der Tod hier auf Erden getrennet hat, in jenem himmlischen Paradies aufs fröhlichste wieder zusammen, daß einer zum anderen spricht: O lieber Vater, Mutter, Brüder, Schwestern, Verwandte und Freunde, wie haben wir doch in der Welt so mancherlei Gefahr, Angst und Elend erlitten! wie oft hat einer dem anderen seine Noth geklagt! Wie war ich doch gar so betrübt, traurig, elend und fühlte mich so sehr verlassen, da du mir hinstarbst und mich als einsame Wittwe – als ein hülflos Waiselein – als ein recht armes Kind zurücke ließest! Ach wie manche heiße Thräne habe ich deinethalben vergossen! ja ich weinete mir schier meine Augen aus. Nun siehe, all unser Jammer, Trübsal und Elend ist kommen zu einem seligen End! Und obschon unsere Leichname gestorben sind und ruhen unter der Erde, so leben doch unsere Seelen ohne alle Klage, und in großer unaussprechlicher Freude erscheinen wir allhier wieder bei einander!

Freude und Wonne ergreift daselbst ihr Herz, und gleichwie ein Weib, wenn sie geboren hat, nicht mehr an die Angst gedenket, um der Freude willen daß der Mensch zur Welt geboren ist: also ist auch ihre Freude im Himmel viel tausendmal größer, als ihre Traurigkeit und Schwermuth, damit sie in dieser Welt täglich sind gemartert und sattsam gequälet worden. Ihr Herz ist freudenvoll, und mit Freuden loben und preisen sie einmüthig Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den heiligen Geist. Sind auch ewige Consorten und Mitgenossen der heiligen Engel an ewiger Freude und an ewiger himmlischer Herrlichkeit, und warten unser mit herzlicher Freude und zuversichtlicher Hoffnung, daß wir nach Vollendung unseres zeitlichen Lebens in dieser Welt auch zu ihrer Freude eingehen und an den Ort ihrer fröhlichen Versammlung kommen werden.

Man schreibt von dem großmächtigen und weithin sich erstreckenden Reiche China, am äußersten Orient jenseits Indien gelegen, und von seinen vielen Landschaften, unsäglich großen Städten, seiner Fruchtbarkeit, überschwänglichem Reichthum an Perlen, Edelsteinen, Gold, Silber und allerlei Mineralien, sonderlich dem Tseki (Porzellan), auch von ihrem vernünftigen Regiment und Polizei, dergleichen in keiner Historie weder bei den Medern noch Persern, Assyrern, Indiern, Griechen, Römern, noch irgend welchen anderen Völkern in der weiten Welt jemals befunden. Die Städte sind da mit großen starken Mauern von gehauenen Steinen umgeben. Die Mauern sind hoch, weiß und so stark, daß man sie mit Pickeln schwerlich durchbrechen kann; dazu in bestimmten Zwischenräumen mit Zinnen und Thürmen, und auswendig mit gar schönen Castellen und Lusterkern gezieret. Die Straßen im Lande sind ebenfalls mit großem Fleiße gebaut, und die Gassen in den Städten so breit, daß fünfzehn Mann zu Pferde neben einander darauf einherziehen können. Auch sind in ihnen viele Triumphbögen in gleicher Weite von einander errichtet und von guten Werksteinen mit sehr schönen Bildwerken gleich den römischen Antiquitäten ausgehauen und bereitet. Die Häuser sind inwendig weiß wie Milch, und die Wände als wären sie mit geglättetem Papier überzogen. Die Balken von köstlichem Holze gelegt und mit Goldfarbe eingestrichen, daß sie weithin erglänzen. Auch haben alle Häuser ihre Höfe und Gärten voller Blumen, herrlicher üppiger Gewächse, Fischweiher und dergleichen. Die Felder des Landes sind nicht allein fruchtbar, sondern auch ganz lustig anzusehen und geben einen lieblichen Geruch von sich; denn sie tragen unzählige Sorten wohlriechender Blumen. Daneben machen die köstlichen Gesträuche an den Ufern der Flüsse, Bäche und Kanäle, die allenthalben daherrauschen, sonderlich die vielen Theesträucher, das Land äußerst anmuthig. Du findest da ferner eine sehr große Anzahl von prächtigen Villen und Landhäusern mit Lustgärten, deren sich dieses außerordentlich arbeitsame Volk zur Erholung und Erquickung sehr fleißig bedient. Auch halten sie sich unter einander freundlich, sittig, ehrerbietig und haben viel fröhlicher Zusammenkünfte, da sie sich nicht allein mit Essen und Trinken, sondern auch mit schöner Musik von Geigen, Harfen, Lauten, Flöten, Clavichorden und anderen Instrumenten lieblich ergötzen. Summa: trotz des Elends der Sünde, das auch da wohl zu finden sein wird, (welcher Missionsfreund wüßte das heut zu Tage nicht, selbst wenn er den sel. Gützlaff nicht gehört hätte?) – wird doch das Kaiserthum China so gerühmet und beschrieben, daß man wohl versucht werden könnte, es ein irdisch Paradies zu nennen.

Daran gedenke ich manchmal, wenn ich den tödtlichen Hingang meiner gottseligen Freunde beklage und beweine. Dann sage ich zu mir: was betrübst du dich doch, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Sind sie doch seliglich in dem Herrn entschlafen, deine Geliebten, wohnen nun im himmlischen Paradies des ewigen Lebens! Sieh, wenn sie in das chinesische Reich gezogen wären, und Jemand brächte dir die zuverlässige Nachricht, daß sie daselbst in der allerschönsten Stadt, in dem lieblichsten Lusthause und Lustgarten bei einander wären, würden herrlich empfangen, hoch geehret und tractiret, als wären sie Könige, Fürsten oder großmächtige Potentaten; wüßten auch von keiner Angst, von keiner Trübsal noch Elend mehr, sondern wären alle ohne Unterlaß fröhlich und guter Dinge und warteten deiner Ankunft mit Freuden, daß du ersten Tages zu ihnen kommen und ihrer königlichen Lust, Pracht und Herrlichkeit mit theilhaftig werden mochtest: – wahrlich, du würdest solcher Botschaft gegenüber deine Thränen trocknen, oder doch nur noch Freudenthränen weinen, und würde dir nicht anders zu Muthe sein, als dem gottseligen Patriarchen Jacob zu Muthe war, da er meinete, sein Sohn Joseph wäre gestorben, nun aber mit einem Male erfuhr, daß er noch lebte und wäre ein königlicher Statthalter und heimlicher Rath über ganz Egyptenland.

Und doch, was ist das chinesische Reich, Wir wissen ja, daß nicht alles Gold ist, was glänzt. Wissen auch, daß in jenem glänzenden Reiche trotz aller feinen äußeren Formen Eigennutz, Lug und Trug, Fleischeslust und sonderlich eine ins Weite gehende Heuchelei zu Hause sind. Wissen endlich, wie dort allem Anschein nach bei der gegenwärtigen gewaltigen Gährung etwas ganz Neues sich vorbereitet. – und was ist Egypten – gegen das himmlische Paradies der ewigen Freude und Herrlichkeit? Sind die auserwählten Seelen im himmlischen Canaan und in der Stadt des lebendigen Gottes droben bei einander, woran doch billig kein Christenmensch zweifeln sollte; und führen sie ein hochzeitlich Leben mit dem eingeborenen Sohne Gottes, ihrem allerschönsten Bräutigam: so sind sie viel hundert tausendmal besser daran und in größerer Freude, Lust und Herrlichkeit, als wenn sie mit dem gewaltigen Beherrscher von China in seinem ungeheuren Kaiserlichen Palast zu Tschuntian (Peking) zu Tische säßen und spazierten nach der Tafel in dem überköstlichen Saale, von welchem man schreibt, daß er mit lauter Karfunkeln und anderen leuchtenden Steinen besetzt sei, also daß er auch in der dunkelsten Nacht schimmere, wie wenn brennende Kerzen darin wären.

Ja die himmlische Wohnung, die himmlische Glorie, Pracht und Herrlichkeit, Freude und Wollust der seligen auserwählten Seelen ist überschwänglich höher, edler und ansehnlicher, und ihre Versammlung, Societät und Gemeinschaft mit Gott und seinen heiligen Engeln gehet über alle Gemeinschaft, die ein Mensch auf Erden mit irdischen Königen, Fürsten und Herren halten mag. Denn es liebet sie Gott und wird von ihnen wieder geliebet von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüth; und von solcher Liebe und Gegenliebe scheinen sie heller als die klare Sonne, wie denn auch ihre Gemeinschaft, die sie untereinander haben, anders nichts ist denn eitel inbrünstige Liebe voll himmlischer Klarheit und Herrlichkeit.

Ueber dies alles will ich nicht leugnen, daß die seligen Seelen, ob sie schon in unaussprechlicher Freude und Wonne leben und schweben, dennoch in herzlicher Liebe herabgedenken an ihre hinterlassenen Lieben auf Erden. Denn es gedenket ja der reiche Mann in der Hölle seiner fünf Brüder mit dem herzlichen Wunsch, daß sie doch möchten bei Zeiten vor solcher Qual und Pein gewarnet werden. Thut solches der Verdammte, wie viel mehr gedenken erst die Auserwählten an die geliebten Ihrigen! Außerdem ist ja reine vollkommene Liebe also beschaffen, daß sie ihres Nächsten nimmermehr vergessen kann, sintemal sie ihn liebet als sich selbst. Nun aber sind die Seelen im Himmel engelrein, ohne Sünde und völlig in der Liebe, so daß sie Gott über alle Dinge lieben und ihren Nächsten als sich selbst. Lieben sie aber ihren Nächsten als sich selbst, so können und werden sie auch ihre hinterlassene Freundschaft nun und nimmer vergessen.

Wenn der Prophet Jesaias spricht: »Bist du doch unser Vater. Denn Abraham weiß von uns nicht, und Israel kennet uns nicht« (Cap. 63, 16): so ist solches zu verstehen von der Herzenskündigung und Erforschung unserer Anliegen, Nöthe, traurigen Gedanken und mancherlei schwermüthigen Anfechtungen, so wie auch von der Erhörung unseres Seufzens und unseres Gebetes, welches keinem anderen weder im Himmel noch auf Erden mit Wahrheit zugeschrieben werden kann, denn nur dem allmächtigen Gott und Jesu Christo, seinem eingeborenen Sohne, der allein mit dem Vater und dem heiligen Geist will angerufen sein. Der auch allein unsere Gedanken weiß und verstehet, wie seine Worte lauten, da er (Offenb. 2, 23) sagt: »Es sollen erkennen alle Gemeinden, daß Ich bin, der die Nieren und Herzen erforschet.« Darum mag solches Werk keinem Engel, viel weniger einem Menschen zugeeignet werden, daß sie sollten Nieren und Herzen erforschen, Gedanken erkennen und Gebete erhören können. So sehen wir es auch an dem heiligen Engel, den St. Johannes in der Offenbarung anrufen wollte, wie er solche Ehre von sich abweiset und spricht: »Siehe zu, thue es nicht, ich bin dein Mitknecht, und deiner Brüder, und derer, die das Zeugniß Jesu haben. Bete Gott an!« (Cap. 19, 10).

Abgesehen aber davon, daß die lieben Engel Nieren und Herzen zu erforschen und unser Gebet zu erhören nicht vermögen, welche Ehre sie dem Allerhöchsten allein zuschreiben: so sind sie doch stets um und bei uns, denken an uns und erfreuen sich unser, wo sie sehen daß wir Buße thun und uns fleißig halten zum Evangelio, darein sie gelüstet mit uns zu schauen. Desgleichen kann ich von dem Patriarchen Abraham sagen: ob er wohl droben im Himmel nicht kennet unsere Gedanken auf Erden und nicht weiß um unsere Noth, Angst, Seufzen und Gebet, wie Jesaias bezeuget – so denket er doch an des reichen Mannes fünf hinterlassene Brüder, wie bei dem Evangelisten Lucas zu sehen; weiß auch wohl, daß sie Mosen haben und die Propheten, und wünschet daß sie dieselbigen hören und ihnen gehorchen.

Also verheißet der Prophet Elias seinem Jünger Elisa, bei Gott durch Fürbitte zu erhalten, wenn er lebendig von ihm hinweggenommen würde gen Himmel, daß dann sein Geist sollte bei ihm zwiefältig sein (2 Kön. 2). Item der selige Mann Gottes und dritte Elias Doct. Luther schreibt in seinem Sendbrief an Jacob Probst, Prediger zu Bremen, kurz vor seinem Tode (17. Januar 1546; s. Luth. WW. von Walch Th. XVII. S. 2633): »So wenig als ich zweifle, daß dein Gebet für mich kräftig ist, so wenig zweifle du, daß das meine für dich gelte. So ich auch vor dir hingehe, welches ich wünsche, so will ich dich nach mir ziehen. Gehest du ehe denn ich, so wirst du mich nach dir ziehen. Denn wir bekennen uns zu einem Gott und warten mit allen Heiligen auf unsern Seligmacher.« » Sicut ego non dubito, tuas pro me orstiones valere, ita ne dubites meas pro te valere. Et si ego prior abiero, quod opto, traham te post me; si tu prior abieris, trahes me post te. Quia unum Deum confitemur, et expectamus Salvatorem cum omnibus sanctis.«

Nun hat ohne allen Zweifel der Prophet Elias, da er gen Himmel kam, seines Elisa nicht vergessen, wie der Schenke in Egypten am Königlichen Hofe des armen Joseph im Kerker vergaß, sondern mit heiliger Fürbitte ihm des heiligen Geistes doppelte Kraft von Gott erwirkt. Und wie Lutherus verheißet, daß er des gottseligen Freundes eingedenk sein wolle und ihn mit christlicher Fürbitte in das ewige Leben nach sich ziehen, so er nur erst sterben und von der Welt zu Gott abscheiden würde – also mache ich mir auch keinen Zweifel: gottselige Eltern im Himmel denken an ihre hinterlassenen Kinder auf Erden, und gottselige Kinder, die bei Gott in seinem Paradiese sind, denken an ihre lieben Eltern, Brüder, Schwestern und guten Freunde, die noch auf Erden sind.

Und solche ihre Gedanken sind ganz sicherlich nach der Richtschnur der christlichen vollkommenen Liebe, so daß eine auserwählte Seele im Himmel nicht mehr fleischlich, sondern allerdinge geistlich gesinnet ist und spricht: ich bin Gott Lob in diesem schönen edlen Paradies! Meine Eltern, mein Mann, mein Weib, meine Kinder, meine Brüder, meine Schwestern, Verwandte und Freunde sind noch auf der Erde. Es ist meines Herzens großer Wunsch, daß sie alle dem Evangelio glauben und selig werden. Nun wohlan! sie haben Mosen und die Propheten, dazu die h. Schriften der Evangelisten und Apostel. Ach Herr, mein Gott, gieb doch, daß sie denselbigen gehorchen! Thun sie es, so werden sie auch durch den Tod zu diesem Paradies hereinkommen, und sollen meine herzlieben Eltern, mein Mann, mein Weib, meine Kinder, meine Brüder, meine Schwestern und Freunde sein und bleiben in alle Ewigkeit. Wo nicht, so bist Du, HErr, gerecht daß du sie strafest und verdammest, und will ich sie für die Meinen nimmermehr erkennen noch halten. Denn ob sie mir wohl sehr lieb und theuer sind, so bist Du mir doch, HErr mein Gott, viel hundert tausendmal, ja unermeßlich lieber, und habe ich Dich so herzlich lieb, daß alles was Du nach Deiner Gerechtigkeit hassest, verfluchest und verdammest, das hasse, verfluche und verdamme ich auch, es heiße wie es wolle.

Dies sind Abrahams Gedanken im Himmel, wie aus seinen Worten abzunehmen, welche auch einer jeglichen auserwählten Seele daselbst mit Recht können zugeschrieben werden. Und kann wohl sein, wenn gottselige Eltern sterben und ihre Kinder bald nachfolgen, oder wenn sonst Jemand in dem Herrn entschläft und sein vertrauter Freund bald darauf auch ein christlich gottselig Ende nimmt – daß die verstorbenen gottseligen Eltern und Freunde, die vorausgezogen sind, mit ihrer Fürbitte solches von Gott erhalten haben, in Rücksicht darauf, daß die Welt gottlos und verzweifelt böse ist, und junge Kinder, wie auch andere fromme Herzen bald können verführet und jämmerlich um ihre Seligkeit gebracht werden. Deshalb lasse ichs mir Wohlgefallen, wenn eine gottselige Mutter stirbt und ihr Kind bald nachfolgt, daß man sagt: ach es hats die Mutter nach sich erbeten! Es ist doch in der Welt nicht viel Gutes zu erleben. Darum hat Gott der lieben Mutter Gebet erhört und dem Kinde nicht besser thun können, denn daß ers von hinnen geholet.

»Er gefällt Gott wohl, sagt die Schrift, und ist ihm lieb, und wird weggenommen aus dem Leben unter den Sündern, und wird hinweggerückt, daß die Bosheit seinen Verstand nicht verkehret noch falsche Lehre seine Seele betrüge. Denn die bösen Exempel verführen und verderben einem das Gute, und die reizende Lust verkehret unschuldige Herzen. Er ist bald vollkommen worden und hat viele Jahre erfüllt. Denn seine Seele gefällt Gott. Darum eilet er mit ihm aus dem bösen Leben. Aber die Leute, so es sehen, achten es nicht und nehmen es nicht zu Herzen, nämlich daß die Heiligen Gottes in Gnade und Barmherzigkeit sind, und daß er ein Aufsehen auf seine Auserwählten hat. Denn es verdammt der verstorbene Gerechte die lebendigen Gottlosen, und ein Junger, der bald vollkommen wird, das lange Leben der Ungerechten« (Weish. 4, 10-16). –

Dies ist also die dreifache Herrlichkeit, welche allen gottseligen auserwählten Seelen im himmlischen Paradies widerfährt und deren sie auch schon vor dem jüngsten Tage in dem jetzigen Stande ihrer Seligkeit gewißlich theilhaftig sind. Nämlich ihre fröhliche Gemeinschaft, die sie haben erstlich mit den heiligen Engeln, fürs andere mit dem Herrn JEsu Christo und der ganzen heiligen Dreifaltigkeit, und endlich mit allen Patriarchen, Propheten, Aposteln und auserwählten Kindern des Lichts, welche hier seliglich gestorben und durch den Tod zum Leben eingedrungen sind.

Unter welchen Herrlichkeiten ich ihre himmlische Gemeinschaft, die sie mit den Engeln Gottes haben, darum voransetze, weil der Herr Christus in der Historia von dem armen Lazaro derselben auch zuerst gedenket und machet die Engel zu himmlischen Brautführern, welche die Seelen der Gottseligen, wenn sie von ihren Leichnamen aufgelöset sind, alsbald zwischen sich nehmen und dem ewigen allmächtigen Bräutigam mit Freuden zuführen.

Denn wie ein großer Monarch in der Welt mit Fürsten, Grafen, Freiherrn, Rittern und Edelleuten umgeben ist, und wenn er Jemand von seinen Unterthanen im Lande hoch ehren und vor sein Angesicht kommen lassen will, da wird derselbe auf königlichen Befehl vorerst von den stattlichen Dienern empfangen und nachgehends dem Könige zugeführt: also hat auch Gott seine himmlischen Heerschaaren, Fürstenthümer, Throne und Obrigkeiten, das sind die heiligen Engel, welche ihm jederzeit zu Diensten stehen und seinen Willen auch darin sonderlich vollbringen, daß sie die gottseligen Seelen aus diesem Jammerthal aufnehmen und sie Ihm mit Freuden zutragen. Nicht als ob solches auf irdische Weise und mit weltlicher Pracht zuginge, sintemal Gott ja nicht ein endlich Wesen ist, das sich räumlich beschränken und mit Engeln umschreiben läßt, wie ein König auf Erden mit Dienern und Trabanten dem Raume nach umgeben ist: sondern auf eine himmlische, verborgene Art, davon kein Mensch auf Erden weiß, bis er nach Ueberwindung des zeitlichen Todes solche Herrlichkeit vor Augen siehet und in der Wirklichkeit erfähret.

Ambrosius schreibt (im 2 Cap. seines Buchs de bono mortis, d. i. von dem Gut des Todes, auch von der Ordnung der himmlischen Freude mit nachfolgenden Worten: »Der gerechten Seelen erste Freude ist, daß sie das Fleisch überwunden haben und durch seine reizenden Lüste nicht sind verführet worden. Die andere, daß sie in Gottes Beruf und ohne Schaden für andere Leute gelebt, daß sie nun Ruhe haben und nicht, wie die Seelen der Gottlosen, mit ihrer Laster Gedächtniß gequälet und mit viel Sorgen und Anfechtungen geplaget werden. Die dritte, daß sie durch den Glauben Gottes Gesetz erfüllet und auf Gottes Zeugniß sich verlassen haben, daher auch nicht zu fürchten brauchen, wie es ihnen am jüngsten Gericht ergehen und was es für einen Ausgang mit ihnen nehmen werde. Sie kommen nicht in den ewigen Tod. Denn »wer nur einmal geboren, der muß zweimal sterben; wer aber zweimal geboren, stirbt nur einmal« (Volksbl. 1853 Nr. 61 S. 976). Die vierte, daß sie anheben, ihre stolze Ruhe zu verstehen und zu fassen ihre zukünftige Herrlichkeit, mit welcher sie sich trösten und erquicken; ruhen in ihren Wohnungen mit höchster Sicherheit und sind mit der heiligen Engel Schutz und Schirm umgeben. Die fünfte, daß sie aus dem Gefängniß des vergänglichen Leibes zum Licht und zur süßen, lieblichen Freiheit kommen sind und das verheißene Erbe besitzen. Die sechste, daß ihnen gezeigt wird, wie ihre Angesichter anheben zu leuchten wie die Sonne und wie die Sterne am Himmel, welcher Glanz nimmermehr vergehen wird. Die siebente, daß sie gewisse Zuversicht und Trost haben, freuen sich ohne allen Schrecken, eilen zu sehen das Angesicht Dessen dem sie gedienet, und erwarten die vollkommene Belohnung für die kleine Mühe und Arbeit die sie gehabt. Da verstehen sie, das gesagt ist Röm. 8: Wir halten dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht werth sei, die an uns soll geoffenbaret werden.« Bis daher St. Ambrosius. Der treue, so wunderbar durch ein Kind berufene Bischof von Mailand; der unerschütterliche Felsenmann wider den kaiserl. Hof und dessen arianische Uebergriffe; der Vater der Armen und Bedrängten, dessen Thür Tag und Nacht für Jeden offen stand; der liebliche Hymnensänger, † 387. Von seinen 12 wunderherrlichen Hymnen sind die bekanntesten: O lux beata trinitas (Der Du bist drei in Einigkeit), Veni redemtor gentium (Nun komm der Heiden Heiland); außerdem hat er aus dem Griechischen übersetzt das allbekannte Te Deum laudamus, das unser Luther eben wie die beiden vorgenannten Hymnen ins Deutsche übertragen (Herr Gott Dich loben wir).

Wie kommt's aber, könnte wieder einer unter euch hier fragen, daß du immerfort und so ununterbrochen hiervon redest, da doch die Schrift nur hin und wieder und mit kurzen abgebrochenen Sprüchen, nirgend aber länger hinter einander und so ausführlich davon Meldung thut?

Antwort: Was Gottes Wort von dem seligen Zustande, der Freude und Herrlichkeit der auserwählten Seelen im himmlischen Paradiese offenbaret und mitbringet, es geschehe so kurz als es wolle, das darf ein jeder Christ für sich, zum Trost und zur Stärkung seines Glaubens wohl groß machen, erweitern und mit vielen Worten herausstreichen. Da nun bekanntermaaßen viele fromme und gottselige Herzen, welche den Hingang ihrer verstorbenen Freunde mit heißen Thränen beweinen und auch selbst nicht wenig vor dem Tode sich entsetzen, oftmals wünschen und sehnlich begehren, daß sie doch möchten über das ewige Leben der verstorbenen Christen gründlich berichtet werden: – so können sie solchen Bericht aus den angezogenen Zeugnissen der h. Schrift reichlich nehmen, wenn sie denselbigen nur recht fleißig nachdenken und sie gründlich verstehen lernen, wie ich dazu kurze Anleitung eben hierin gegeben habe.

Daß aber die Schrift mit wenig Worten solche Herrlichkeit der auserwählten Seelen berühret und nicht so weitläuftig von dem Reich des Schauens als von dem Reich des Glaubens redet, solches geschiehet erstlich darum, weil wir lebendigen Christen mit denen, die selig in dem Herrn entschlafen sind, einerlei Seligkeit besitzen, und nur dies der Unterschied ist, daß wir es haben im Glauben, die Seelen der entschlafenen Gerechten aber habens im Schauen. Danach will auch Gott kein menschlichen Vorwitz damit steuern, daß man nicht mit verächtlicher Hintenansetzung des geoffenbarten Evangelii, in prophetischer und apostolischer Schrift verfasset, die Todten auf gut heidnisch und papistisch um Rath frage, welches ganz sicherlich geschehen würde, wenn er den ganzen Proceß uns entdeckt hätte: wie etwa die Apostel und Märtyrer sammt anderen Auserwählten mit seinem Sohne auf seinem Stuhl säßen, wie sie herrscheten mit ihm über die Heiden und wie sie Herren wären über Tod, Teufel und Hölle, und dergl. Da würde unsere Vernunft flugs zufahren, sie zu Patronen aufwerfen, anbeten und um Rath fragen, wie in dem Papstthum geschehen ist und leider noch geschiehet. Gott aber verbeut solches und redet darum wenig von der Seelen Herrlichkeit in seinem Paradies, auf daß er solcher Abgötterei vorbaue. »Soll man die Todten, spricht Er, für die Lebendigen fragen? Ja, nach dem Gesetz und Zeugniß. Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröthe nicht haben« (Jes. 8, 19. 20).

So lange ein Christ auf Erden lebt, soll er sich hauptsächlich bekümmern um das Reich des Glaubens, sich halten zu dem geoffenbarten Worte Gottes, fleißig die Predigt des Evangelii hören, zum h. Abendmahl gehen, Buße thun, glauben, beten und einen christlichen Lebenswandel führen. Das soll er treiben bis an seinen Tod und dann nicht zweifeln, seine Seele fahre aus diesem Leben und aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schauens, und was er hier von seiner Seligkeit aus dem gepredigten Evangelio oftmals gehöret und geglaubet, das werde er dort vor Augen sehen und sichtbare Gemeinschaft haben in ewiger Freude und Herrlichkeit, in holdseligem Gespräch und in süßer himmlischer Wonne mit der ganzen heiligen Dreifaltigkeit, mit allen heiligen Engeln und mit allen gottseligen Menschen, Patriarchen, Propheten, Aposteln, seinen Eltern, Brüdern, Schwestern und viel tausend Heiligen, welche vor ihm her gestorben und durch den finstern Tod zur lichten seligen Ewigkeit hindurch gedrungen sind.

Hieran soll auch kein Christ im mindesten zweifeln, sondern sich getrost darauf verlassen: sobald er selig in dem Herrn heut oder morgen entschläft, daß seine Seele dann schwebe mitten unter den heiligen freudenreichen Engeln, Gott schaue von Angesicht zu Angesicht und versammelt werde zu ihrem Volk. Diese himmlische Volksversammlung ist der rechte Anfang der unaussprechlich großen Freude, Ehre und Herrlichkeit, die ewiglich währen soll. Und wie wenn Hochzeitsleute einer nach dem anderen bei Braut und Bräutigam sich versammeln, in ihr schön gebautes Haus geführet und zum fröhlichen Willkommen mit einem Ehrentrank, köstlichen Confecten und dergleichen empfangen werden, halten unter einander liebliche und holdselige Gespräche, bis die Gäste alle beisammen sind; alsdann gehet der festliche Zug, Bräutigam und Braut an der Spitze, hin nach der Kirche, mit allem hochzeitlichen Gepränge, und aller Freude ist dann erst vollkommen: also sammeln sich auch die Seelen der Auserwählten im Paradies und feiern mit ihrem Bräutigam JEsu Christo den Anfang ihrer hochzeitlichen Freude und Herrlichkeit, bis der jüngste Tag anbricht, da sie ihre Leiber aus der Erde wieder bekommen und in ihrem Fleische Gott sehen sollen, daß die Freude und Herrlichkeit dann erst aus dem vollen Fasse gehen wird.

Inmittelst aber wissen sie so gar von keiner Zeit noch Langwierigkeit der Jahre, daß über die große unaussprechliche Freude ihnen tausend Jahre zu sein dünken wie ein Tag, als St. Petrus meldet. Daraus abzunehmen wenn ich in jener Welt die heiligen Apostel, so vor fünfzehnhundert Jahren gestorben sind, um ihren Zustand fragte: Lieber Thoma, lieber Johannes, lieber Paule, wie lange seid ihr doch schon in dieser hohen himmlischen Freude gewesen? sagt, wie lange dünkt euch dies Paradies-Leben bereits gewährt zu haben? O, würden sie antworten, fragst du, wie lange? Wir wissen hier in dieser Freude und Herrlichkeit von keiner weltlichen Zeit. Unser Leben ist ein so paradiesisches, daß uns zu Muthe ist, als hätte es kaum anderthalb Tage gewähret! – Oder wenn du kommen wirst zu deinen lieben Eltern, Mann, Weib, Kindern, Brüdern, Schwestern, Verwandten und Freunden – sind vielleicht schon vor zwanzig Jahren gestorben – so werden sie dir doch bekennen und sagen, es komme ihnen vor, als habe solch, ihr Leben im Himmel kaum erst eine Viertelstunde gedauert. Ja wenn Gottes Kinder schon auf Erden selten Langeweile haben, so kennen die seligen Kinder im Himmel dieselbe ganz und gar nicht.

Sag selbst, wenn du in ein fern Land kämest und sähest daselbst, was dein Herz begehrte, eine feine christliche Kirchenordnung, gute tüchtige Polizei und eitel friedlich Hausregiment; sähest auch, wie das Volk mit Freuden sich zur reinen Lehre göttlichen Wortes hielte, ein löblich und unsträflich Leben führte; die Leutchen empfingen dich mit herzlicher Freude und gingen dir mit allerlei Freundschaft unter Augen: nicht wahr, da würdest du Lust haben, unter ihnen zu wohnen und dir in so freundlicher Gesellschaft nicht die Zeit lang werden lassen? sonderlich wenn du da fändest deine Eltern, Brüder, Schwestern, deinen Mann, Weib, Kinder und andere Freunde, die dir zu deinem großen Schmerze früher hinweggestorben? Und doch ist dies alles eitel Kinder- und Himpelwerk gegen die Seligkeit der auserwählten Seelen im himmlischen Paradies, da in der herrlichen Versammlung aller Auserwählten auch jetzt schon, vor dem jüngsten Tage, solche Freude, Lust und Herrlichkeit sich eräugnet, daß man aller Zeit vergisset und weiß von keinen vergänglichen Jahren, Monden, Tagen und Stunden.

Darum ist diese fünfte Wohlthat Gottes so beschaffen, daß ein gottseliger Christ, der sie nur fleißig betrachtet, um so viel williger zur Zeit des Sterbestündleins sich dem väterlichen Willen Gottes ergeben kann, sich fein darauf schicken und bereiten lernt, mit Freuden seinen Abschied von der Welt nimmt und nicht anders denket, denn daß er aus dem rauhen, eisigen Winterlande in ein lieblich Sommerland und aus dem Jammerthal in das schöne Paradies des ewigen Lebens zieht.

VI.
Die zukünftige Auferstehung unseres Fleisches zum ewigen Leben.

Die sechste und letzte Wohlthat Gottes wird die Auferstehung unseres Fleisches am jüngsten Tage zum ewigen Leben sein. Wie denn die Schrift an vielen Orten davon zeuget. Ich weiß, spricht Hiob, daß mein Erlöser lebet; und Er wird Mich hernach aus der Erde auferwecken. Und werde danach mit dieser meiner Haut umgeben werden, und werde in meinem Fleische Gott sehen. Denselben werde ich mir sehen, und meine Augen werden ihn schauen, und kein Fremder (c. 19, 25-27). Item St. Paulus: »Wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verhalten von denen, die da schlafen, aus daß ihr nicht traurig seid, wie die andern, die keine Hoffnung haben. Denn so wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch, die da entschlafen sind durch Jesum, mit ihm führen. Denn das sagen wir euch, als ein Wort des Herrn, daß wir, die wir leben und überbleiben in der Zukunft des Herrn, werden denen nicht vorkommen, die da schlafen. Denn er selbst, der Herr, wird mit einem Feldgeschrei und Stimme des Erzengels, und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel. Und die Todten in Christo werden auferstehen zuerst. Danach wir, die wir leben und überbleiben, werden zugleich mit denselbigen hingerückt werden in den Wolken, dem Herrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem Herrn sein allezeit« (1 Thess. 4, 13-17).

Solcher Zeugnisse ist die heilige Schrift Alten- und Neuen Testaments voll und haben zu unseren Zeiten Lutherus, Mathesius, Basilius Faber Ein gläubiger Philolog und Förderer des Reformationswerks, aus Sorau gebürtig, als Wittenberger Student mit den Reformatoren bekannt geworden, Hauptmitarbeiter an den berühmten Magdeburger Centurien, der ersten Kirchengeschichte evangelischerseits, Uebersetzer mehrerer Schriften Luthers, besonders des lat. Lutherschen Kommentars zum 1. Buch Mosis (S. Luth. W. W. Ausg. v. Walch Th. I. unter den Vorreden), † als Rector in Erfurt 1576. Er war seinem »lieben Vater Luther, der Teutschen Propheten« mit großer Liebe zugethan. und andere gottselige Lehrer sehr schöne Auslegung derselben gegeben, welche ich nicht zu verbessern weiß. Will deswegen auch nur ein Weniges davon hier sagen.

1.
Der Same, der in die Erde fällt und wieder hervor kommt.

Erstens, »das du säest, spricht St. Paulus (1 Cor. 15, 37. 38), ist ja nicht der Leib, der werden soll; sondern ein bloßes Korn, nämlich Weizen, oder der andern eins. Gott aber giebt ihm einen Leib, wie er will, und einem jeglichen von den Samen seinen eigenen Leib.« Er will also sagen: des Menschen Leib, wenn er todt ist und begraben wird, ist nicht der Leib, der da werden soll. In der Auferstehung wird er eine andere Gestalt gewinnen, viel schöner und herrlicher sein, denn er jetzt ist. Gleichwie das Korn, nachdem es verweset, viel schöner wieder daherwächst. Es behält wohl seine Natur und Wesen, aber es kriegt eine andere Gestalt; ist nicht mehr ein dürr und gerunzelt Korn, wenns aus der Erde wächst, sondern ein grüner, frischer und lebendiger Halm. Also wird es auch mit dem menschlichen Leibe zugehen. Wenn er in der Erde verfault ist, wird er viel schöner und herrlicher auferstehen. Es wird wohl eben derselbige Leib eines Menschen bleiben, wie er geschaffen ist, aber es wird eine andere Gestalt und Brauch dieses neuen Leibes sein. Er wird nicht mehr essen, trinken, verdauen, Kinder zeugen, haushalten, wirthschaften, handthieren, ackern, weben und dergl.; er wird der keines bedürfen, was zu diesem vergänglichen Leben und Erhaltung des Leibes gehört.

Doch wird der Unterschied zwischen Mann und Weib bleiben, wie Gott einen jeden geschaffen hat, und wie auch das Korn seine Natur und Art behält. Aus einem Weizenkorn wächst nichts anderes denn ein Weizenhalm, aus einem Gerstenkorn nichts anderes denn ein Gerstenhalm. Ein jedes bleibet bei seinem Wesen, das Gerstenkorn gehet nicht auf in einem Weizenhalm, das Weizenkorn nicht in einem Haferhalm. Wie die Natur einmal geschaffen ist, so bleibet sie nach dem Wort, daß ein jegliches nach seiner Art Frucht tragen und seinen eigenen Samen bei sich selbst haben soll (Genes. 1). Also wird Gott auch in der Auferstehung einem jeglichen geben seinen eigenen Leib. Was ein Mensch geschaffen ist, das soll ein Mensch bleiben, Mann oder Weib, Gott wird sein Geschöpf nicht ändern. Wie ein jeglicher gesäet wird, also wird er eben derselbigen Art und Natur wieder auferstehen. Aber viel schöner und herrlicher sein, denn er gesäet ist. Er wird schärfere Augen haben als die Adler Augen die durch einen Berg sehen können, und keiner Gläser mehr bedürfen. Er wird leise Ohren haben, die von einem Ende der Welt bis zum anderen hören können.

Diesen Artikel haben von je alle Gottesfürchtigen geglaubet und auf diesen Freudentag, da uns alles wieder eingeräumt und erstattet werden soll, sehnlich geharret. Ja sie haben sich dieses Tages sehr getröstet, und so oft sie an den Tag ihrer seligen Hoffnung, ihrer Erlösung und Erquickung gedacht: haben sie auch der Restitution, das ist, daß sie wieder zu dem Ihren kommen werden, mit Freuden sich erinnert. Wie sich Hiob, der Elende, in seinen höchsten Nöthen auch herzlich tröstet, daß er doch endlich vom Tode erweckt und seinen Heiland und Erlöser, mit menschlichem Fleische in der Fülle der Zeit bekleidet, mit sehenden Augen in seinem funkelnagelneuen Fleische wahrhaftig sehen und mit ihm in alle Ewigkeit leben werde.

Ich glaube, sagt der fromme Dulder und Kreuzträger, daß mein Erlöser jetzt lebet und regieret. Der wird zur letzten Zeit menschlich Fleisch an sich nehmen, darin für unsere Sünden sterben, wieder vom Tode mit seinem unverweslichen Fleische erstehen und als der Erstling unter denen, so da schlafen, zuletzt alles Fleisch mit sich erwecken in seiner Ordnung. Das wird am Ende der Welt geschehen, da wird er als der Letzte auf dem Staube stehen und auf Erden zum Gericht erscheinen. Wenn er dann die Todten aus dem Staube erweckt und die Lebendigen verwandelt, dann wird Er auch mich vor Sein Angesicht stellen, mich für Sein Kind erkennen, mich von allen Beschuldigungen meiner Feinde freisprechen und mich ewig selig machen. Dann wird all mein Gebein erneuert und wie das grüne Gras wieder blühen, und ich werde meinen Goel, d i. meinen Erlöser sehen eben mit diesen meinen Augen, die aber zu der Zeit gänzlich werden verneuert und gescheuert sein. Und wie ich meinen Herrn in seinem Fleisch alsdann schauen werde, also werde ich auch alle meine Freunde, so auf den verheißenen Weibes-Samen gläubig geharret haben, wieder sehen und mit ihnen in großer Freude essen und trinken in alle Ewigkeit.

Also tröstet sich auch der betrübte König David, da ihm sein liebes Kindlein verschieden war. Denn er spricht (2 Samuel. 12): Ich kann mein liebes Kind freilich nicht wieder zu mir in dies Elend bringen. Aber das weiß ich, daß ich hernach zu ihm fahren werde. Wenn ich dann den Weg alles Fleisches gehe, komme ich wieder zu ihm. Ja der Heiland aller Welt wird mir nach der Auferstehung dasselbe wieder zustellen und überantworten. – Hier glaubt und bekennet also auch David unseren Artikel, daß er wieder zu seinem Söhnlein kommen und daß es der Sohn Gottes ihm wiedergeben werde; wie Er denn der weinenden Wittwe zu Nain ihren Sohn, dem erleuchteten Schulvorsteher sein Töchterlein und den tief betrübten Schwestern zu Bethanien ihren lieben Bruder noch in diesem Leben eine Zeit lang wieder überantwortet hat.

Das ist doch ein sehr seliger Trost für alle, so ihre theuren Angehörigen zu Grabe schaffen müssen, daß sie gewiß sein dürfen – ja so wahr Gott lebt und Christus Gottes Sohn und sein Wort die wahrhaftige Wahrheit ist, und so gewiß als Christus ein Richter der Lebendigen und der Todten sein wird und alles Fleisch vor seinem Gerichtsstuhl erscheinen muß –: also wahrhaftig werden auch alle, die durch Christum und in Christo einander verwandt sind, auf dem seligen Kirchentage vor Seinem Angesicht erscheinen und einem jeglichen Gläubigen werden die Seinen wieder zugestellet werden, eben wie dort der Sohn Gottes der armem Mutter ihren einigen Sohn in großer Liebe lebendig wieder überreichte.

David könnte seines beschnittenen Kindleins halber seine Thränen trocknen und starke Hoffnung hegen, daß er wieder mit ihm zusammen kommen werde, weil es auf das künftige Blut des verheißenen Samens in seiner Unschuld abgeschieden war. Aber über Absalom, der auch sein Fleisch und Blut war, konnte er sich mit nichten trösten, da er wohl wußte, daß er ihn nimmermehr in Ehren und Freuden wieder sehen würde.

Darum, wenn unser Gott christlichen Eltern ihre getauften und gläubigen Kinder abfordert, wenn einem gottesfürchtigen Ehegemahl sein liebster Schatz in diesem Elend auf Erden von der Seite genommen und ihm die Hälfte von seinem Herzen weggerissen wird – oder wenn sonst gute Freunde, die in Ehren Freundschaft geschlossen und treulich gehalten, mit großen Schmerzen von einander scheiden müssen – – so sollen sich alle solche wahren rechtschaffenen und lebendigen Christen über den Tod ihrer Lieben, so in wahrhaftiger Erkenntniß Christi hienieden gelebt und in herzlicher Anrufung Seines allerheiligsten Namens von hinnen gegangen, mit diesen Worten trösten: ich weiß wohl, sie kommen nicht wieder zu mir; ich aber werde zu ihnen kommen, und sie wieder sehen, und in alle Ewigkeit bei ihnen bleiben. Denn dort giebt es keine Trennung mehr. Und dies Wiederkommen macht, daß ich ob der zeitlichen Entbehrung nicht traure wie die, so keine Hoffnung haben.

Komm, Herr JEsu, und bringe mich und meine Allerliebsten durch Deine Zukunft bald zusammen! Gieb mir alle die Meinen wieder, wie Du jener Wittwe ihren lieben Sohn in dies vergängliche Leben aus Gnaden wiedergegeben hast!

2.
Die Verklärung der ganzen Substanz des Menschen

Für's andere sollen wir uns auch damit trösten und erfreuen, daß der Christen Verneuerung und Verklärung, darin sie im ewigen Leben bei dem Herrn Christo sein sollen, geschehen wird an der ganzen Substanz des Menschen, das ist an Leib und Seele und an allen ihren Gliedern. In einem solchen verklärten und herrlichen Leibe wird der seligen Christen ewiges Leben sein; in einem solchen Leibe, dem durchaus benommen alle Gebrechlichkeit, Schwachheit, Mangel und all das Ekelhafte, damit er durch die Sünde in diesem Leben beschmutzt gewesen. Da wird er bekleidet und geschmückt sein mit einer trefflichen Vollkommenheit an allen Gliedmaßen, innerlich und äußerlich. Denn die Seele wird da aller ihrer Beschwerung, so sie zuvor in dem sterblichen Leibe gehabt, entledigt, und statt dessen angethan und geziert mit den allertrefflichsten, reinsten und stärksten Kräften, wie dieselbigen in Adam vor dem Fall werden gewesen sein. Daß also der Mensch mit vollkommener und höchster Weisheit und Erkenntniß Gottes und seines ganzen Wesens und Willens wird begabet und begnadet sein, wird auch mit herzlicher Neigung und Freudigkeit annehmen und mit eitel Lust und höchster Begierde pflegen und ausrichten alles was Gott wird haben wollen, wird vor eitel Liebe zu Gott und lauter guten Regungen und Gedanken brennen und verstehen den wunderbaren Rath der göttlichen Majestät bei dem Werk der Erschaffung und Erlösung des menschlichen Geschlechts sammt den Ursachen aller wunderbaren Werke Gottes, so von der Welt Anfang zu allen Zeiten von ihm geschehen und ausgerichtet worden.

Solcher Vollkommenheit der Seelen wird dann auch folgen der ganze Leib mit allen seinen Gliedern, welche alle vollkommen herrlich, immerdar kräftig, bereit und fertig sein werden. Denn Paulus sagt, daß wir unsere vorigen schweren, faulen, kranken und ungeschickten Leiber nicht behalten, sondern himmlische Leiber überkommen werden, die so hell, so klar, so geschwind, so leicht sein werden als die heiligen Engel, ja wie der Sohn Gottes selbst. Wir werden dann vollen Antheil haben an der göttlichen Natur, wie Petrus davon schreibt (II. 1), werden leuchten viel schöner denn die Sterne und die liebe Sonne, und werden so schnell sein als die Gedanken, mit welchen ein Mensch hier in diesem Leben viel tausend Meilen weit, so oft er will, verreisen kann.

Denn maßen wir alsdann dem verklärten Leibe Christi sollen ähnlich sein, wie Paulus sagt (Röm. 8), müssen wir auch die Eigenschaften des Leibes Christi erlangen. Also wie er durch verschlossene Thüren gehet, aufwärts in die Wolken fähret und in einem Augenblick da ist, wo er will, im Himmel oder auf Erden: eben so wird es um unsere Leiber auch gethan sein. Es werden dieselben gar behend sein, durch alle Berge und Mauren werden sie sehen und in der Luft daher fahren und sein können, wo wir wollen, im Himmel oder auf Erden, viel eher denn wir es jetzt ausdenken können. Ja wir werden sein wie Gott selbst und wie die lieben Engel heilig, gerecht, unsträflich, voll Friede und Freude des heiligen Geistes in Ewigkeit, also daß sich alle Engel und alle Creaturen über unsere schönen Leiber verwundern werden und Gott selbst seine Lust und sein Wohlgefallen daran haben wird.

Es wird auch ein jeder selige Christ insonderheit so voll Stärke und Kraft sein, daß er mit einem Finger eine große Last regieren und einen hohen Berg versetzen könnte, wenn er wollte. Wird auch in den Stand gesetzt sein, ganz allein viel hundert tausend Mann zu schlagen, wie wir in der Bibel lesen von der Engel, der starken Helden, großer Kraft. Zudem werden auch die Augen und die Ohren an uns so scharf sein, daß wir so weit sehen und hören können, als die ganze Welt ist.

Denn unsere Leiber werden dann geistlich werden und nicht mehr schwere, schläfrige, langsame, ekelhafte und unfläthige Leiber sein. Darum werden sie auch eitel Leben und starke, wackere und behende Sinne und Kräfte an sich haben. Solches wollen wir nun mit Zeugnissen der Schrift beweisen. So spricht St. Paulus an die Philipper am dritten: »Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi, welcher unseren nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung damit er kann alle Dinge ihm unterthänig machen.« Und in seiner ersten Epistel am 3. spricht Johannes: »Wir werden Gott gleich sein, und ihn sehen, wie er ist.« Das ist: wir werden sein wie Gott selbst, gerecht, heilig, unsterblich und allenthalben im Himmel und auf Erden schweben und wandeln wie er. Wir werden ihn sehen, nicht wie ihn die heiligen Patriarchen in fremder Gestalt, wie Augustinus sagt, gesehen haben, sondern wie er ist in seinem göttlichen und allmächtigen Leben und Wesen. So weit kommen wir in diesem sterblichen und sündlichen Leben noch nicht. Denn unsere Augen, Sinne und Vernunft sind dazu viel zu blöde und zu schwach und mögen solchen Glanz der Herrlichkeit Gottes nicht leiden noch ertragen. Wie wir denn auch in die Sonne nicht sehen können, deren Glanz doch nichts ist gegen die himmlische Klarheit, damit wir alle, wie Gott selbst, sollen bekleidet werden.

In der anderen Epist. Petri (c. 1) stehet also: wir werden theilhaftig werden der göttlichen Natur, so wir fliehen die vergänglichen Lüste der Welt. Das heißt: wir werden im ewigen Leben Gott, Christo und den heiligen Engeln gleich sein, so wir uns hier in diesem Leben mit rechtschaffenem Glauben an Christum halten und auf dies Zeitliche unser Vertrauen nicht sehen, sondern uns vielmehr des Ewigen trösten und freuen, und uns danach sehnen mit herzlichem Verlangen. Und Matth. 13 spricht Christus: es werden alsdann, nach der Auferstehung, im ewigen Leben die Gerechten leuchten wie die helle Sonne, so mit Himmel und Erde gar neu wird geschaffen werden und viel tausend mal schöner und heller sein, denn sie jetzunder ist. Ja es wird ein Sternlein, spricht Dr. Luther, alsdann schöner sein denn die ganze Welt. Matth. am 22. spricht Christus weiter: wir werden den Engeln gleich sein; in der Auferstehung werden sie weder freien, noch sich freien lassen. Mit anderen Worten: in jenem Leben wird aufhören der Ehestand, und alles Unglück und Unlust, alle Sorge mit Weib, Kindern und Nahrung, so man darin gehabt hat. Wir werden leben in Ewigkeit ohne alle Sorge und Furcht, so hell, so gerecht, so geschwind und so stark als die lieben Engel. Zu den Römern am 14. spricht St. Paulus ferner: »Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist.« Das ist solche überschwängliche, unbegreifliche Freude, die kein Auge je gesehen, kein Ohr je gehört hat und die in keines Menschen Herz gekommen ist, wie wir droben vernommen haben. Ja solche Freude, darin Gott selbst von Ewigkeit gelebt hat, daran seine Engel mit Ihm theilgenommen, und darin er hinfort mit ihnen und mit allen seinen Auserwählten leben wird in Ewigkeit. Solche Freude wird der heilige Geist als wahrer Gott, daß wir voll sein werden, in uns wirken und uns damit also stärken, erquicken, lebendig, gesund, freudig und lustig machen, daß wir an kein Essen, an kein Trinken nimmermehr gedenken werden. Vielmehr wird jeder auserwählte Christ von Herzen sprechen: Wollte ich doch das geringste Stäublein oder Tröpflein dieser himmlischen Freude und Süßigkeit nicht hingeben für alle herrlichen Confecte und köstlichen Speisen aller Kaiser, Herren und Fürsten, so von Anbeginn der Welt je sind bereitet worden, ja für alle Herrlichkeit der ganzen Welt. Denn es wird alsdann Gott Essen und Trinken und dergleichen leibliche und natürliche Dinge, damit wir hier in diesem Leben ausgehalten, beschweret und geplaget worden, gar aufheben und uns speisen mit der Speise, davon er und die lieben Engel immerdar gelebt haben und davon wir hunderttausendmal frischer, stärker, schöner, fröhlicher und klarer sein werden, denn hier in dieser Welt von den allerschönsten, edelsten, feinsten, besten und herrlichsten Speisen und Getränken.

Weiter spricht St. Paulus 1 Thessal. 4: wir werden bei Gott sein allezeit. Also wir werden sein an allen Orten, wo wir wollen, wie Gott selbst. Ehe denn wir es recht ausdenken, werden wir schon da sein, es sei droben im Himmel oder hier unten auf Erden. Denn Gott wird alles sein in allem, das ist: wir werden an Gott alles haben, was wir wollen, wünschen und begehren.

Was wir hienieden an den Kreaturen suchen, das werden wir droben alles an Gott haben, und zwar überreichlich und überflüssig, an Leib und Seele, also daß kein Essen und kein Trank so köstlich ist noch so wohl speisen oder tränken kann, als Gott selbst mit seinem Anblick thun wird. Davon werden wir immer stark und frisch, gesund und fröhlich, dazu heller und schöner sein denn Sonne und Mond. Und alle seidenen, sammtnen, mit köstlichem Pelzwerk verbrämten Kleider, alle goldenen Ketten, Ringe, Ehrenzeichen und dergl., was ein König oder Kaiser trägt, ist nichts als lauter Koth im Vergleich damit, daß wir nur von einem einzigen göttlichen Anblick durchleuchtet werden. So wirds dann auch keines Schutzherrn, keiner Obrigkeit, keines Gelds noch Guts, nicht Hauses und Hofes, noch anderer leiblicher Güter mehr bedürfen, sondern Gott allein wird uns das alles sein. Nicht minder werden wir auch alle geistlichen Güter, ewige Gerechtigkeit, Trost und Freudigkeit des Gewissens haben, daß uns Niemand mehr schrecken, ärgern, irre machen noch verstören kann. Summa: was wir jetzt bei den verschiedensten Creaturen hin und her einzeln und stückweise zusammen suchen und empfangen müssen – wiewohl es auch von ihm herkommt und aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all unser Verdienst und Würdigkeit uns gegeben wird – dafür werden wir dann Ihn allein haben ohne Mittel, ohne allen Mangel und ohne Aufhören.

Da werden wir kein Brot noch Wein ansehen, keine Apotheke noch Arzenei mehr nöthig, sondern genug haben an dem Anschauen Gottes. Der wird den ganzen Leib so schön, frisch und gesund machen, ja so federleicht, daß wir daher fahren wie ein Fünklein und wie die Sonne am Himmel läuft, daß wir in einem Augenblick hier unten auf Erden oder droben im Himmel sein werden. Wohl glaube ich, daß alles wird viel schöner sein, Wasser, Bäume, Gras u. s. w. und daß gar eine neue Erde sein wird, wie St. Petrus sagt, daß es mit rechter Lust wird anzusehen sein. Aber Leib und Seele erhalten, das wird Gott selbst thun, als der allein alles soll in allem sein und dessen Anblick mehr Leben, Lust und Freude geben wird, denn alle Creaturen vermögen. Ja gewißlich, lieber Christ, dann sagst du mit mir: ich würde nicht einen Augenblick im Himmel für aller Welt Gut und Freude geben, und wenn ihr Wesen tausend und abertausend Jahre währete!

Darum wird auch aufhören das Predigt- oder Pfarramt, Fürstenthum, alle weltliche Herrschaft und Regiment, und werden überhaupt keine Aemter noch Stände mehr sein. Die Personen, als: Mann und Weib, sollen bleiben und das ganze menschliche Geschlecht, wie es geschaffen ist, aber der Nothdurft keine, die zu diesem Leben gehört. Es wird ein jeglicher ein vollkommener Mensch sein und alles für sich selbst in Gott haben, daß er keinen Vater, Mutter, Herrn, Knecht, Magd, Speise, Kleider, Haus und drgl. weiter bedürfen wird.

Nun erwäge bei dir selbst in deinem Herzen, was du gerne haben möchtest. Willst du Geld oder Gut, Essen und Trinken in Fülle, langes Leben, gesunden Leib, schöne Kleider, angenehme Wohnung, stete Freude und Lust, dazu reichlich Weisheit und Verstand, große Herrschaft und Ehre haben: so siehe hierher, da sollst du alles genug kriegen! Er will dich kleiden herrlicher denn kein Kaiser mag gekleidet sein, ja schöner als die Sonne und alles Edelgestein. Willst du ein großer Herr sein, so will Er dir geben mehr, denn du begehren kannst. Willst du scharf sehen und hören, durch Wände und Mauern, und so leicht sein daß du in einem Nu unten auf Erden und flugs oben an den Wolken dich findest: das soll alles geschehen. Und was du mehr erdenken, erbitten und verstehen magst, was du zu haben wünschest an Leib und Seele, woran dein Herz Lust und Freude sucht: das sollst du alles reichlich und überschwänglich haben, wenn du Ihn hast. Denn wo Gott ist, da müssen alle Güter, Freude und Lust zugleich mit sein. Und wie er, wenn er die Creatur ansiehet, seine Lust, Freude und Gefallen daran hat, also werden auch wir, die alsdann der Creatur nicht mehr bedürfen denn daß wir Freude daran haben als an einem Schaugericht, wenn wir den schönen neuen Himmel und die neue Erde sehen, Gott darum loben und lieben von Herzensgrund. Aber in Ihm selbst werden wir allerwege unser Leben und volles Genüge haben.

Siehe, das ist die tröstliche Erwartung, mit der wir auf jenes Leben blicken, daß Gott selbst wird unser und daß unser Alles wird in ihm sein. Denn stelle dir vor Augen alles was du begehrst, du wirst nichts Besseres noch Lieberes zu wünschen finden, denn Gott selbst zu haben, der das Leben ist, ein unausschöpflicher Abgrund alles Guten, die ewige Freudenquelle. Nun giebts traun kein edler Ding auf Erden denn das Leben, und alle Welt fürchtet kein Ding mehr denn den Tod. Und diesen höchsten Schatz, das Leben, sollen wir eben über alles Maaß und ohne Aufhören an ihm haben. Dazu soll dir der Himmel, wenn du es wolltest, eitel Joachimsthaler und Goldstücke regnen, die Elbe voll köstlicher Perlen und Edelsteine fließen, die Erde allerlei Lust bringen, daß, wenn du es zu einem Baum sagtest, so müßte er dir pure silberne Blätter und güldene Aepfel und Birnen tragen, und Gras und Blumen auf dem Felde wie eitel Smaragde, Rubine und Demanten leuchten. Summa: woran dein Herz Lust und Freude suchet, das soll reichlich da sein. Denn es heißt: Gott selbst soll alles in allem sein. Wo aber Gott ist, da müssen alle Güter mit sein, so man immer wünschen kann.

Zu solcher überschwänglichen Herrlichkeit des ewigen Lebens gehöret weiter und zwar ganz wesentlich, daß sich die ganze Gottheit uns wird offenbaren und entdecken, und wir Gott sehen werden wie er ist, wie Johannes spricht, d. i. in seiner göttlichen Allmacht und Majestät, welche die Gottlosen in Ewigkeit nicht werden zu sehen bekommen. Daß wir ihn anschauen werden und daran all unsere Lust und Freude haben, daß wir auch in seiner Erkenntniß immer zunehmen, darin die ganze Seligkeit und das ewige Leben stehen wird, wie Christus Johannes am 17. saget. Daß wir ferner mit unserem Erlöser werden umgehen, allenthalben um Ihn sein, mit Ihm Gespräch halten und Ihm zuhören, wie er uns von den allerhöchsten, himmlischen und göttlichen Dingen, von den Ursachen aller Gotteswerke lehren und uns gründlich darin unterrichten wird. Was aber das für eine Herrlichkeit sein wird, das kann in diesem Leben in keines Menschen Herz oder Gedanken fallen, sondern wir müssen warten, bis wir es in der That und in der Wahrheit finden und erfahren werden.

Und was wird erst noch für herrliche Lust und Freude gewähren die allerlieblichste Gesellschaft, so wir mit den Engeln haben, die uns dienen und mit uns Gott ohne Unterlaß rühmen und erheben, wie die lieben Väter davon geredet haben! Desgleichen die Gesellschaft der heiligen Propheten, Patriarchen, Apostel sammt allen unseren Vorfahren und Nachkommen, in Summa mit allen Christen und Heiligen, so auf Erden jemals gelebt haben! Mit denen werden wir und sie mit uns auf das allerfreundlichste umgehen; werden mit ihnen reden von göttlichen Dingen, werden uns miteinander verwundern über die unaussprechliche Liebe, Gnade und Gütigkeit Gottes, die er in der Erlösung des menschlichen Geschlechts bewiesen hat, und werden ihn mit einander in Ewigkeit loben und preisen. Da wird dann erklingen die liebliche Intonation: Lobet unseren Gott, alle seine Knechte, und die ihn fürchten, beide Kleine und Große! Und wird darauf erschallen eine starke Stimme, das Responsorium der großen Schaar, so da singen wird: Halleluja! denn der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen. Lasset uns freuen und fröhlich sein, und ihm die Ehre geben! wie Offenb. am 19. geschrieben steht. Das heiße ich recht eine freudenreiche, himmlische Antiphonie!

Ach es wäre kein Wunder, wenn ein Mensch, der solche hohen tröstlichen Dinge zu Zeiten nur ein wenig bedächte, in seinem ganzen Leben nichts Lieberes thäte denn Gott immer anrufen, daß er ihn doch ja bald aus diesem stündlichen Leben erlösen, ihm seine Sünden aus Gnaden um Christi willen vergeben und ihn in sein ewiges Reich zu solcher Herrlichkeit aufnehmen möchte.

3.
Das Erkennen der Freunde.

Zuletzt haben wir noch besonders zu merken und zu behalten, weil Christus ja einem Jeden das Seine wieder zustellen will und wir gewißlich einander vor dem Richterstuhl des HErrn sehen, daß einer auch den andern kennen wird. Es ist sicherlich nicht das geringste Stück des ewigen Lebens, wenn Sünde und Tod ganz von uns hinweg und wir zum Leben und zur Gerechtigkeit gekommen sein werden, daß dann auch eine völlige Erkenntniß Gottes, so wie der Unseren und aller Kreaturen stattfinden muß.

Kannte doch Adam, ehe er in das ewige, geistliche Leben versetzt war, seine Eva und wußte, daß sie aus seinem Fleisch und Bein erbauet wäre, wiewohl er sie zuvor nie gesehen hatte. So kennen auch die drei Apostel bei der Verklärung des leibhaftigen Sohnes Gottes auf dem heiligen Berge den Moses und Elias, die bei Christo erschienen und ihn trösteten. So erkannte Maria Magdalena den Auferstandenen an seiner Rede, ob er wohl diesmal in Gärtnergestalt sich verbarg. So siehet St. Stephanus den Herrn Christum in seiner Herrlichkeit zur Rechten seines Vaters stehen und erkennet ihn wohl. Desgleichen erkennen die Gläubigen die Heiligen, so mit Christo erstanden und ihrer Vielen erschienen.

Denn die Schlafenden erstehen und behalten ihr Fleisch und Blut, das sie zuvor gehabt, ob es schon erneuert und in einen geistlichen und unverweslichen Leib verwandelt wird.

So denn ein sterblicher Mensch die Auferstandenen in ihren geistlichen Leibern mit natürlichen Augen siehet und erkennet, sollten nicht die Erweckten in ihrem neuen Leben und völligen Kräften die Ihrigen im ewigen Leben aufs genaueste erkennen?

Ja Moses wird seine Juden vor Gottes Angesicht beschuldigen. So werden dagegen die von Corinth St. Pauli Ehrenkranz sein am jüngsten Tage, wie auch alle Gottseligen diejenigen rühmen und preisen werden, durch deren Zeugniß sie zum Glauben, zur Erkenntniß Christi und zum seligen Leben gekommen sind. Darum kann die Erkenntniß unserer Nächsten und Verwandten nicht außen bleiben. Der heilige Geist nimmt die natürlichen Kräfte und angeborenen Neigungen aus unserem sterblichen Leibe nicht hinweg, sondern er reiniget sie. Obwohl daher Gott in allen den Seinen wird alles sein und obwohl die Auferweckten die Fülle des Geistes Gottes bekommen und durchaus an Leib, Seele und Geist vollkommen rein und neu sein werden, so können sie doch nimmermehr ohne Gedanken, Gesicht und Erkenntniß sein. Was wäre das für ein ewiges Leben, wenn einer seine Allerliebsten nicht mehr kennen sollte? Siehet und erkennet doch der reiche Fresser, der in der höllischen Qual lag, Abraham und den armen Lazarus in seinem Schooß, obwohl eine große Kluft zwischen ihnen befestigt lag. Daraus folgt, daß die Seligen auch die Verdammten in ihrer Qual kennen und der Gerechtigkeit Gottes vollständig Recht geben werden.

Freilich macht es dem sterblichen David schwere Gedanken, daß er sein Fleisch und Blut am ungehorsamen und gottlosen Absalom in der ewigen Verdammniß sehen soll. Aber es wird dennoch die Erkenntniß der Gerechtigkeit Gottes alle natürliche Liebe, Sehnsucht und Weichlichkeit weit überwiegen, wie ja auch in der Welt die größeren Affecte die kleineren zurückdrängen.

Ferner ergiebt sich aus des Herrn JEsu Erzählung vom reichen Mann klärlich, daß umgekehrt auch die Unseligen die Seligen in ihrer Freude erkennen, damit ihre Qual und Pein desto größer werde, wenn sie die in ihrer Himmels-Wonne erblicken, die sie auf Erden untergetreten und für der Welt Schab-ab und Fegeteufel gehalten haben. Ja derer Freude und Wonne wird groß sein. Den frommen in den Staub gedrückten Hiob tröstet es über alles, daß er in der Auferstehung mit einem neuen Leibe und geistlichen Augen seinen Herrn und Heiland sehen, mit ihm reden und umgehen, daß er in seinem verjüngten Fleische den verklärten und leibhaftigen Sohn Gottes anschauen werde.

Derhalben sollen die Christgläubigen an dem Artikel gar nicht zweifeln. So wahr wir in diesem unseren Fleisch werden auferstehen in gleicher Verklärung und Herrlichkeit mit dem Leibe Christi, dem wir in Ewigkeit ähnlich sein werden; so wahr wir zu ihm kommen, ihn sehen, erkennen und preisen werden als die höchste Person unter dem menschlichen Geschlecht: so wahr werden auch alle Christgläubigen zusammenkommen und einander mit großem Frohlocken wieder erkennen.

Ach das ist ein gar süßer und lieblicher Trost für alle diejenigen auf Erden, so der geliebten Ihrigen eine Zeit lang schmerzlich entbehren müssen. Hierher kommt keiner von ihnen zurück. Wir sehen einander hienieden nimmer wieder. Der Teufel ist's der in Samuelis (1 Sam. 28) oder Scipionis Ist wohl der a. 159 v. Chr. Nachts im Bett erdrosselte römische Held gemeint, Scipio Africanus II, der Besieger von Carthago (146) und Numantia, allem Anschein nach durch seine Gemahlin Sempronia aus dem Wege geschafft. – Gestalt oder sonst in derlei Erscheinungen, Gespenstern und Spukgeschichten sich sehen und hören lasset. Aber das ist nicht recht geredet im letzten Stündelein: Lebt wohl, ihr Lieben, heut sehet ihr mich zum letzten Mal! Denn also sagen die Heiden und Ungläubigen. Wir hingegen sprechen in Todesnöthen getrost und freudig: Gesegne euch Gott, meine Allerliebsten! hier zwar sehen wir einander nicht mehr, aber dort kommen wir in Ehren und Freuden bald, so es Gott geliebt, wieder zusammen, und bleiben dann bei einander, ungetrennt und ungeschieden in alle Ewigkeit! Denn der Sohn Gottes wird uns vereinigen um Seinen Thron, und am jüngsten Tage auch unsere Leiber wieder auferwecken aus der Erde!

Traun, lieben Freunde, wer mit diesen Gedanken umgehet und solches alles aus Gottes Wort recht in sich befestiget, der kann sich trösten und zufrieden geben, kann stark und gewiß auf den fröhlichen Tag warten, da wir einander wieder anschauen, einander kennen, in stetem Frieden, in völliger Liebe und ganzer Freundschaft bei einander sein und bleiben werden. Denn wir werden nicht allein bei Gott und vor seinem Angesicht in Freude und seligem Leben ohne Aufhören zusammen kommen, eines das andere kennen und entsprechen, sondern es sollen auch die alten christlichen Freundschaften, so wir in der Erkenntniß Christi hier geschlossen, bis ans Ende getreulich erhalten und mit ins Grab genommen, mit uns wieder erstehen, verneuert, verklärt und ganz vollkommen werden und bleiben in alle Ewigkeit.

Die höchste und seligste Freundschaft wird freilich die sein und bleiben, daß wir mit Gott dem Vater, mit seinem Sohne und mit dem heiligen Geiste, auch mit allen Engeln Gottes in Liebe, in lieblicher Eintracht und bestem Vernehmen stehen und die ganze väterliche Liebe und Treue als seine angenommenen lieben Kindeskinder in Ewigkeit fühlen werden. Da wird sichs erst recht finden, was Gott für ein Vater ist und wie seine väterliche Liebe und Treue über alles gehet und alles so gar weit hinter sich läßt, was Vater oder Vaterschaft auf Erden genannt wird.

Jetzt hat es noch kein Ohr gehöret, kein Auge gesehen und ist in keines Menschen Herz kommen, wie herzlich und mütterlich uns unser lieber Vater in seinem geliebten Sohne liebet. Da wird sich erst die brüderliche Treue unseres Herrn und Bruders JEsu Christi mit Augen schauen und tief genug empfinden lassen, warum er sein Blut für uns vergossen und an seinem Leibe so unsägliche Schmerzen getragen hat. Da werden wir erst die wesentlichen Flammen des heiligen Geistes sehen, vollkommen durchgeistet und mit reiner göttlicher Liebe und Brunst angezündet und durchflammet sein.

Wie nun solche Liebe des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, die wir hier im Glauben nur ein wenig und gleich als in Tröpflein kosten, in jenem Leben erst recht empfindlich und vollkommen in uns sein wird: also wird auch das starke Liebes-Band, damit Gott Mann und Weib, Eltern und Kinder, Brüder und Schwestern und andere Blut-Freundschaft natürlich zusammen geknüpft, erst ganz vollkommen werden, wenn Sünde und Tod, wenn alle Unordnung und Unfreundlichkeit, aller Argwohn und alles Mißtrauen, so der leidige Satan in uns einschleichet, einkrautet und eingiftet, im neuen heiligen Leben ausgefeget und die angefangene Freundschaft ganz wird verneuert und göttlich bekräftigt sein.

Liebe und Freundschaft ist ja nicht das schlechteste Theil unserer vernünftigen und unsterblichen Seele, die Christus theuer erkauft und selig gemacht hat. Wie nun die Seele errettet und ewig leben wird, also kann auch alles, was in die Seele gepflanzet und gebildet ist, kein Verderben noch Aufhören haben. Und weil eben Liebe und Freundschaft sonderlich zum Wesen der unsterblichen Seele gehören, so ist es unwidersprechlich gewiß, daß alles, was hier auf Erden in Erkenntniß JEsu Christi mit sehnlichen Gedanken der Liebe einander verbunden gewesen und seine Freude und Ergötzung an solchem ehrlichen und rechtschaffenen Bunde gehabt, im ewigen Leben in steter himmlischer Liebe und herzlicher Freundschaft bei einander vor Gottes Angesicht ewiglich bleiben und für alles Leid, so die Liebe in dem Jammerthale in viel Angst und Noth und endlich im Scheiden mit Schmerzen gefühlet, mit ewiger lieblicher und freundlicher Beiwohnung überreichlich wird entschädigt werden. Denn hier auf Erden bleibt das Sprüchwort wahr:

Was liebet, das betrübet.
Was herzet, das schmerzet.

Es haben fromme Eltern und Kinder, Mann und Weib, und allerlei gute Freunde nicht eitel Freude in dem Elend hienieden an einander. Es läuft oft viel Trübsal mit unter, da sich einer des anderen Widerwärtigkeit und Unfalls halber herzlich betrübet, und wird die Freude in rechten Freundschaften nicht selten mit Unglück versalzen. Aber in der Auferstehung der Gerechten wird Liebe und Freude ewig und vollkommen sein. Da werden wir lauter Freude und Wonne von einander und an einander haben in Ewigkeit.

Wir müssen nur diese neue himmlische Freundschaft und ewige Beiwohnung der Liebe nicht verstehen wie die Sadducäer zu Christi Zeit, da sie über ein Weib fragten, so bei ihnen sieben Männer gehabt, wessen Weib sie in der Auferstehung sein würde. Auch nicht, wie die schändlichen Türken – heutiges Tages davon reden, die von keiner anderen Freude wissen denn auf einmal viele Frauen haben, und in ihrer Rohheit und Unwissenheit allein mit Wollust dieses sündlichen und verderbten Fleisches umgehen. Solche Leute nennet unser Herr Christus Gottlose, Narren, Spötter und Verächter Gottes und seines Wortes, so die Schrift und die Kraft Gottes nicht verstehen und gehen nur mit fleischlichen und epikurischen Gedanken um.

Es ist mit ihnen eben wie mit der Sau: als ihr die Thiere von einem herrlichen Bankett sagten, wie sie bei den Leuten zu Gaste gewesen und herrlich und wohl gelebt hätten, da fraget das unfläthige Thier, ob sie auch Kleie und Träber gehabt hätten! Also sind die verzweifelten Spötter und Epicuräer, sie achten Christi Blut und Tod für nichts, sie schänden und lästern sein Wort. Darum blendet und bezaubert sie der garstige und unsaubere Geist, daß sie anders von Gott und dem zukünftigen Leben nicht denken noch reden, denn wie es in ihren bösen und stinkenden Herzen steckt. Wir aber wissen, Gott sei Lob und Dank, aus Christi wahrhaftigem Wort und Bericht, daß die künftige und gehoffte Seligkeit ein englisch, himmlisch und geistlich Leben ist in einem unsterblichen, geistlichen und unverweslichen Leibe, da wir keines Ehestandes noch einiger Kreatur mehr bedürftig sein werden, sondern Gott wird alles in allen Seligen sein und bleiben, wie Christus sagt zu den spöttischen Sadducäern: »Die Kinder dieser Welt freien, und lassen sich freien. Welche aber würdig sein werden, jene Welt zu erlangen, und die Auferstehung von den Todten, die werden weder freien, noch sich freien lassen. Denn sie können hinfort nicht sterben; denn sie sind den Engeln gleich, und Gottes Kinder, dieweil sie Kinder sind der Auferstehung« (Luc. 20, 34-36).

Wie Moses schreibt und St. Paulus die Worte Mosis ausleget, hat Gott uns Menschen zu zweierlei Leben erschaffen, erstlich zum natürlichen, danach zum geistlichen. Für dieses natürliche Leben hat Gott den heiligen Ehestand eingesetzt und geordnet, da ihrer zwei mit einem unauflöslichen Bande durch Gottes Wort zusammen gebunden werden, daß sie in dem Fleisch nach GOTTES Ordnung wachsen und sich mehren sollen, damit die Erde erfüllet und das Himmelreich erbauet werde; aus welchem menschlichen Geschlecht sich Gott im Hinblick auf die ewige Fürbitte und das Verdienst seines SOHNES eine ewige Kirche und himmlische Gemeinde durch das Wort und die Sakramente sammlet und die Zahl der gefallenen Engel erstattet. Wenn aber die Menge der Auserwählten erfüllet sein, wenn Christus als der Richter alles Fleisches bei seiner glorreichen und gewaltigen Wiederkunft in den Wolken erscheinen, alle Lebendigen im letzten Feuer in einem Augenblicke verwandeln und durch die letzte Posaune alle Todten erwecken wird: dann wird das Wesen dieser Welt vergehen, das natürliche Leben aufhören, Lehramt, Regiment, Ehestand und das ganze Hauswesen abgeschafft und ein neu, himmlisch, geistlich und englisch Leben angehen. Dann werden wir ewiglich bei Gott sein, und sein Angesicht schauen in vollkommener Freude. Dann werden wir auch wiederum zu unseren Geliebten kommen und in ewiger Freude und rechter göttlicher Charitas, d. i. in innigster Affection der Liebe, in dem neuen Himmel und Erde bei einander leben auf ewig. Und ob nach Gottes gnädigem Wohlgefallen mancher arme Wittwer oder Wittwe, von Noth gedrungen, zwei oder drei Frauen oder Männer in diesem Leben nach einander gehabt, so wird das doch im künftigen Leben nicht mehr sein, wie jenes vernünftige Weib sagte, der lebendige wäre ihr am allerliebsten gewesen. Es wird dort kein Unterschied gemacht, kein Neid noch Mißgönnen stattfinden, er wird sie alle wiedersehen und kennen, und werden ihm alle, doch im Geiste des ewigen englischen Lebens, lieb und theuer sein, weil ihre Herzen durch Gottes Wort einander verbunden sind und weil sie in ihrem züchtigen Ehebett den HErrn Christum erkannt und Ihn im Glauben beständig angerufen haben.

Wird auch einen schönen Dank und fast große Freude geben, wenn die andere oder dritte ihrer Vorgängerinnen Mann und Kinder herzlich gemeinet und diese zu Gottes Furcht, Zucht und Tugend treulich und christlich auferzogen hat. Denn da wird der Vers erfüllet werden:

Crescit amor verus vera pietate fideque;
Est pietas verae nervus amicitiae.

Auf Deutsch: Was hier in wahrer Erkenntniß JEsu Christi, im rechten Glauben und reinen Gewissen, mit guter Einigkeit und Freundschaft beharret und auf das lebendige Wort Gottes zusammengewachsen und verbunden gewesen, das wird beständige Freundschaft und Gemeinschaft behalten in alle Ewigkeit. –


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