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Ein lehrreicher Anblick.
Die sechs Eigenschaften des ewigen Lebens.

Wen sollte nun nach einem solchen Leben nicht herzlich verlangen? wen sollte nicht gelüsten, mehr davon zu hören? Die Pforte zu diesem Geheimniß ist nun geöffnet – wer wollte ihm nicht weiter nachdenken? Ich will zur bessern Erklärung des edlen trostreichen Artikels mit Freuden fortfahren und sechs Eigenschaften anzeigen, welche der heilige Geist dem ewigen Leben zuschreibt. Die erste heißt: Liebe und Gegenliebe zwischen Gott und seinen Auserwählten. Die andere ist die Ehre und Herrlichkeit solcher Liebe. Die dritte: Gottes liebliche Einwohnung in seinen Auserwählten. Die vierte heißet: Gott Alles in Allem. Die fünfte zeiget sich in der Liebe des Nächsten. Die sechste bestehet in der vollkommenen Einigkeit und Verknüpfung durch das Band der Liebe.

I.
Liebe und Gegenliebe zwischen Gott und seinen Auserwählten.

Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten ist die erste Eigenschaft, das erste Gut des ewigen Lebens. O der edlen Freude, des edlen Trostes, der edlen Erquickung, da Gott und Menschen in heiliger süßer Liebe ewiglich zusammenleben! Denn Gott hat die Leute überschwänglich lieb und ist ein Gott der Liebe, ja die heilige Liebe selbst. Und weil er die Menschen so herzlich liebet, will er auch von ihnen herzlich wieder geliebt sein, und macht die Gegenliebe zum Haupt aller Gebote, auf daß sein Bund, mit uns aufgerichtet und im Gesetz offenbaret, in gar nichts Anderem bestehe, denn in Liebe und Gegenliebe. Nun ist kein Zweifel, daß solcher Bund der Liebe, davon das Gesetz handelt, nirgends so vollkommen, fest und unauflöslich gehalten werde, als im ewigen Leben. Denn daselbst, wie St. Paulus sagt, höret die Hoffnung sammt dem Glauben auf, aber die Liebe höret nimmer auf, sondern ist so stark und mächtig, daß keine Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges sie aufheben, noch zerstören kann.

Darum, wenn du wissen willst, was Gott und alle Heiligen im Himmel machen: so kann ich sicher antworten und mit Wahrheit sagen, daß sie eine ewige freudenreiche Hochzeit halten und leben in eitel vollkommener Liebe. Gott liebet die Engel und Menschen, und die seligen Engel und Menschen lieben ihren Gott wieder, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe.

Es ist aber ein groß Geheimniß um diese Liebe, damit Gott von seinen Auserwählten in jener Welt geliebt wird. Denn was die selig Vollendeten daselbst denken und reden, das schmeckt, wie Augustinus sagt, nach himmlischer Liebe und riechet nach himmlischer Liebe, so ganz hat sie Gottes Liebe eingenommen und besessen. Gott liebet sie, und mit seiner Liebe zündet er in ihnen an eine Gegenliebe, die sie ganz zu ihm wendet. Er liebet, auf daß er geliebet werde; Er begehret für seine Liebe nichts Anderes, denn daß man ihn wieder liebe, damit sie alle miteinander, Gott, Engel und Menschen, in Liebe fröhlich und in Liebe herrlich seien. Darum gehen auch die seligen Engel und Menschen mit keinen anderen Gedanken und Neigungen um, sondern warten allein der Liebe, daß sie ihren Gott lieben und seiner Liebe mit ihrer Liebe entgegen kommen.

Daselbst ergeußt sich die auserwählte Seele und quillet wie ein fließender Brunnen von ewiger Liebe zu Gott. Ist nun solche Seele schon eine Quelle und Springborn der ewigen Liebe zu Gott, was meinst du wohl, daß denn Gott dagegen sein muß für ein unausschöpflicher Brunnen und ewigwährende Quelle der allermächtigsten und ewigwährenden Liebe gegen die edle Seele, seine traute Liebhaberin und auserwählte Braut? Wahrlich, da schwimmet, fähret und fleußt die Seele in eitel reiner Liebe und fühlet eitel himmlische Wollust. Ja aus herzlicher, inbrünstiger Liebe redet sie von diesem hohen Geheimniß der Liebe mit ihrem Gott, und mitten in solchem Gespräch schmeckt sie die Süßigkeit seiner Liebe, und aus diesem Geschmack der Süßigkeit Gottes wächst sie und nimmt immer zu in der Liebe, also daß sie nichts Lieberes wünschet und an nichts Lieberes denket als an ihren lieben Gott.

Siehet man doch unter den Menschen auf Erden, wo beständige Freundschaft ist und zwei Personen sich herzlich lieben, wie ihre Liebe und Gegenliebe als ein Feuer brennet und die Gemüther verbindet, als würden sie mit einer feurigen Gluth in einander gelöthet. Denn sie sind für's Erste gleich gesinnet. Darnach kennet Einer den Anderen. Für's Dritte haben sie einerlei Willen. Zum vierten trauet Einer dem Anderen. Zum fünften sehen sie sich herzlich gern. Zum sechsten halten sie unter einander freundlich Gespräch. Und endlich zum siebenten können sie nicht ruhen, sie seien denn stets bei einander.

1.
In Gott und seinen seligen Kindern ist Gleichheit der Gesinnung.

Wie herrlich meinest Du wohl, daß es nun in jener Welt zugehe, im ewigen Leben der ewigen vollkommenen Liebe und Gegenliebe zwischen Gott und seinen Auserwählten? O wie muß da sein vor Allem eine edle Gleichheit der Gesinnung, daß die Seele nicht anders ist gesinnet, denn wie sie siehet, daß Gott nach seinem Wesen ist beschaffen und gesinnet. Denn sie trägt da vollkommen das Ebenbild Gottes, wie St. Johannes schreibt: Wir wissen, daß wir Ihm gleich sein werden. Was ist aber Gottes Bild und was hat er für ein Wesen, daß die Kinder des Lichts solchem Bilde und solchem Wesen gleich sein können? Hierauf antwortet derselbe Apostel und erklärt: Gott sei die Liebe selbst, und wer in der Liebe bleibt, der bleibe in Gott und Gott in ihm.

»Was soll man viel davon sagen, schreibt Doctor Luther über diese Worte, wenn man spricht, die Liebe sei eine edle, hohe Gabe der Seele und die allerköstlichste und vollkommenste Tugend, wie die Weltweisen und Werklehrer davon reden, – das ist noch alles nichts gegen dieses, daß er mit vollem Munde herausschüttet und spricht: Gott ist die Liebe und sein Wesen ist lauter Liebe, daß wenn Jemand wollte Gott malen und recht treffen, so müßte er ein solch Bild treffen, das eitel Liebe wäre, als sei die göttliche Natur nichts, denn ein Feuerofen und Brunst solcher Liebe, die Himmel und Erde füllet. Und wiederum, wenn man könnte die Liebe malen und bilden, so müßte man ein solch Bild machen, das nicht menschlich, nicht englisch noch himmlisch, sondern Gott selbst wäre. Siehe, also kann der Apostel hier malen, daß er aus Gott und der Liebe Ein Ding machet, auf daß er uns durch solch edel, köstlich und lieblich Bild desto mehr an sich locke und ziehe, darnach zu trachten, daß wir auch unter einander Liebe haben und uns hüten vor Neid, Haß und Zwietracht. Denn die Liebe ist ein Bild Gottes und nicht ein todtes Bild, noch auf Papier gemalet, sondern ein lebendig Wesen, in göttlicher Natur.«

Es zeigt auch die Betrachtung der heiligen Dreifaltigkeit, daß Gott nichts als Liebe und die Liebe selber sein muß. Denn Lieber, wo kommen diese Werke, als: gebären, geboren werden, und lieblich im Schooß sitzen, ursprünglich anders her, denn von eitel großer Liebe und aus einem solchen Gut, das da quellet von Güte und wird durch die Geburt mitgetheilet, daß es gemein sei? Gebieret der Vater, so muß ers aus ewiger Liebe thun; ist der Sohn ewig geboren, und bleibt doch gleichwohl in des Vaters Schooß, so muß er auch die ewige Liebe sein mit dem Vater. Und haben sie beide, der Vater und der Sohn, einen Geist, den sie zugleich von Ewigkeit her aushauchen, so muß ebenso dieser Geist mit dem Vater und mit dem Sohn die ewige Liebe sein. Sonderlich aber müssen sie alle drei, der Vater, der Sohn und der heilige Geist die wesentliche Liebe selbst sein, dieweil der Sohn durch seine Geburt und der heilige Geist durch seinen Ausgang nicht ein eignes abgesondertes Wesen bekommen, sondern sind und bleiben Eines Wesens mit dem Vater und mit dem Sohn.

Also ist die heilige Dreifaltigkeit nichts denn eitel Liebe, und alle innerlichen Werke der heiligen Dreifaltigkeit, als: ewig gebären, ewig geboren werden und ewig im Schooß sitzen, ewig ausgehen – sind Werke der innerlichen ewigen Liebe, und diese Liebe ist nicht irgend eine Gabe noch erschaffene Tugend, sondern ist ein Wesen, das Gott genennet wird.

Darnach bezeugend auch die äußerlichen Werke der heiligen Dreifaltigkeit: das Werk der Schöpfung, das Werk der Erlösung, und das Werk der Heiligung, daß Gott die Liebe selbst sein muß. Denn siehe was die heilige Dreifaltigkeit thut, daß wir ewig leben mögen. Aus großer Liebe hat Gott der Vater Engel und Menschen zum ewigen Leben erschaffen. Und da der Mensch gefallen war, ist Gottes Sohn aus großer Liebe Mensch worden und gestorben, und hat uns damit vom Tode zum ewigen Leben erlöst. Desgleichen heiliget, sammlet und erleuchtet uns der heilige Geist, aus herzlicher inbrünstiger Liebe, zum ewigen Leben. Und läßt die ganze heilige Dreifaltigkeit unser Heil und Seligkeit sich so hoch angelegen sein, daß einer wohl aus Verwunderung noch mit Mose rufen mag: Wie hat Er doch die Leute so lieb! (5 Mos. 33, 3) und mit St. Augustin: Wie ist doch Gott so begierig nach unserer Seligkeit! Was sind aber alle diese Werke, denn starke Zeugnisse, daß Gott die Liebe selbst ist?

Ist nun Gott die Liebe selbst, und sind die seligen Menschen im Himmel diesem Bilde und Wesen Gottes gleich, so folgt, daß sie auch voll sein müssen von heiliger, reiner Liebe, und gleich wie sie von Gott herzlich geliebet werden, daß sie ihn also wieder lieben von ganzem Herzen.

Ich verwundere mich aber und mit Verwunderung denke ich ihm nach, was doch das für eine Gluth der Liebe sein muß, damit Gott seine auserwählten Kinder im Himmel umfähet? Ich rede abermals mit meinem Herzen und mein Geist, wie David sagt, muß forschen. Was ist's doch für eine Liebe? O meine Seele: es ist fürwahr keine irdische Liebe, und nicht wie eine vergängliche Brautliebe, Vaterliebe, Mutterliebe, Bruderliebe, auch nicht wie eine englische Liebe, sondern ist eine unaussprechliche, unausforschliche, überväterliche, übermütterliche, übermenschliche, überenglische und übernatürliche himmlische Liebe, viel hunderttausend und aber tausendmal tausend lieblicher, süßer, herzlicher und anmuthiger, denn alle zeitliche und irdische Liebe sein kann.

Höre, liebe Seele, wenn allerlei Freundschaft und Liebes-Art, in der anderen Tafel des Gesetzes geboten, zusammenkamen, und du so einen großen Freund und Liebhaber auf Erden hattest, der zugleich wie ein Vater, wie eine Mutter, wie ein Bruder, Schwester, Braut und Bräutigam, ja wie ein Engel dich lieben könnte und solche Liebe durch die That beweisen: – so würde doch alle solche Liebes-Art, in Eine Liebe zusammengebracht, kaum wie ein Fünklein, ja nichts gelten gegen die große Liebe Gottes, damit er seine Kinder im Himmel liebet. Und wenn alle menschliche und alle englische Liebe im Himmel und auf Erden zu Einer Liebe gegen einen Menschen erwüchse, – so könnte solche gemengte Liebe noch die geringste Kraft, Lieblichkeit, Tugend und Herrlichkeit nicht geben, als von der großen Freundlichkeit und Leutseligkeit unseres Gottes herrühret, damit er in jenem Leben seine himmlischen Hausgenossen lieblich und tröstlich erquicket, daß sie davon ewig stark, ewig jung, ewig beherzt, ewig gesund sind und freuen sich darüber mit unaussprechlicher Freude in alle Ewigkeit.

O der seligen Freude, die aus solcher Leutseligkeit Gottes herfleußt und hat die seligen Kinder des Lichts durch und durch in Besitz genommen! O wie zündet diese Liebe Gottes die Herzen seiner Auserwählten an mit einer solchen Gegenliebe, daß sie Gott, ihren allerhöchsten Freund und allerfreundlichsten Liebhaber, mit ganz heiliger und nach Verhältniß vollkommener Liebe wieder lieben! O wie lieblich und fröhlich werden sie ihn daselbst über alle natürlichen Freunde, über Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Braut und Bräutigam, ja über alle Kreaturen hoch ehren, hoch preisen und hoch erheben! O wie lieben sie ihn daselbst recht aus allen Kräften und bringen die ewige Zeit mit ewiger süßer Liebe zu, deren sie nimmer satt, nimmer müde und nimmer überdrüssig werden, sondern bekommen dadurch allerwege neue Stärke, neue Kraft, neuen Trost, daß also ihr ganzes Leben ist eitel Liebe, Liebes-Freude, Liebes-Süßigkeit, Liebes-Trost, Liebes-Kraft, so wie auch Lob, Ehre, Preis und Herrlichkeit der reinen himmlischen Liebe!

2.
Gott und seine Auserwählten kennen sich im ewigen Leben unter einander.

Es ist aber diese Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten droben auch voll himmlischen Lichts und voll seliger Erkenntniß. Man weiß da von keiner blinden Liebe, blinden Freude, noch blinden Wollust, wie auf Erden die tolle Jugend und unzüchtigen Venus-Brüder in fleischlicher Lustseuche daher rauschen und nur nach äußerlicher Gestalt und nach äußerlicher Schönheit sehen. Im Himmel kennet Gott seine Himmelreichs-Kinder inwendig und auswendig und wird von ihnen herzlich wieder erkannt, wie St. Paulus von solcher vollkommenen Erkenntniß zeuget: Ich erkenne es jetzt stückweise, dann aber werde ich's erkennen, wie ich erkannt bin (1 Cor. 13). Und abermal: So Jemand Gott liebet, der ist von ihm erkannt (C. 8).

Ich kann mich freilich nicht genugsam verwundern über dieses Geheimniß, daß ich höre: wer Gott liebet, daß der von ihm erkannt werde. Wie mag doch solche Erkenntniß im Himmel zugehen? Wo eheliche Liebe ist, da ist auch eheliche Erkenntniß zwischen Mann und Frau. Wo natürliche Liebe ist, wie zwischen Eltern und Kindern, Brüdern und Schwestern, da regiert auch natürliche Erkenntniß. Nun ist aber Gottes Liebe, damit er uns liebet, eine übernatürliche, übermenschliche und überenglische Liebe, die mit ihrer Kraft und Süßigkeit aller Menschen und aller Engel Liebe und Lieblichkeit übersteiget: – wie viel tausendmal hoher, edler und lieblicher muß denn auch sein die Erkenntnis!, damit er erkennet alle die ihn lieben?

Höre Tochter, spricht David, schaue darauf und neige deine Ohren! Also sage ich auch: merke auf, meine Seele, und neige deine Ohren! Es werden die Auserwählten in jenem Freudensaal des ewigen Lebens sehr freundlich mit unaussprechlicher Leutseligkeit von Gott erkannt, und diese Erkenntniß gebieret eitel himmlische Freude und Erquickung, sintemal sie gehet über alle natürliche Erkenntniß und ist viel hunderttausendmal süßer, tröstlicher und lieblicher, denn wo Braut und Bräutigam, wo Mann und Weib, wo Eltern und Kinder, und wo Brüder und Schwestern auf dieser Welt sich kennen.

Gott kennet die Seinen in jener Welt so lieblich und so freundlich, daß er sie füllet mit seinem Geist, und tränket sie mit Wollust, wie mit einem Strom. Er hat sie in seine Hände gezeichnet und schaffet alles, was sie vor- und nachher thun. Und wie sich ein Bräutigam freuet über die Braut, also freuet er sich über sie, und kann ihrer viel weniger denn eine Mutter ihres Kindes vergessen. Er liebet und kennet sie, als trüge er sie in seinem Leibe und als lägen sie ihm in seiner Mutter (Jes. 46, 3). Er hält seine Hand über ihnen und erfüllet sonderlich, was Christus sagt: Ich erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen. Und Ich gebe ihnen das ewige Leben: und sie werden nimmermehr umkommen, und Niemand wird sie Mir aus Meiner Hand reißen (Joh. 10).

Gleich wie er nun sie kennet, also kennen sie ihn wieder, und seines Herzens Freude ist, daß sie die tiefen Geheimnisse seiner Herrlichkeit sehen und verstehen, weil sie ja seine Freunde sind und seine auserwählte Braut. Ein Knecht, sagt der Herr Christus (Joh. 15), weiß nicht was sein Herr thut. Euch aber habe ich gesagt daß ihr Freunde seid, denn alles was ich habe von meinem Vater gehöret, habe ich euch kund gethan.

Darum ist ihre Vernunft vom heiligen Geist mit einem Wunderliche der vollkommenen Erkenntniß Gottes angezündet, daß sie wissen, wie reichlich sie von Gott begnadigt sind, verstehen seine heimliche Weisheit und bedürfen keines Lehrmeisters, sondern sind alle von Gott gelehret. Sie erkennen ihn, der allein wahrer Gott ist, und den er gesandt hat, Jesum Christum. Solch Leben und solche Erkenntnis gehet da in voller Freude, wo sie unserem lieben Gott in sein Herz sehen, schauen seine große Güte, Weisheit, Gnade, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, genießen auch und schmecken die himmlische Süßigkeit seiner Liebe in ihren Herzen und erfahren's in der That und Wahrheit, wie der Herr sehr freundlich ist und seine Güte ewiglich währet.

3.
Gott und seine Auserwählten haben einerlei Willen.

Ferner stimmet auch der Wille der Auserwählten mit Gottes Willen überein. Da nun Gott will, (weil er die wesentliche Liebe ist und Engel und Menschen nach diesem seinem Bilde erschaffen hat), daß sie ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe, und einer den Andern als sich selbst: so thun sie solches ohne Verdruß, ohne Murren, ohne Einreden, aus herzlicher Liebe, und lieben ihren himmlischen Vater und ihren ewigen Bräutigam, so wie auch ihren himmlischen Tröster aus allen Kräften, und Jeder seinen Nächsten wie sich selbst. Was also Gott will, das wollen sie auch, und was sie wollen, das will Gott wiederum. Ja es ist ihr Wille dem Willen Gottes so gleichförmig, daß beider Wille aus herzlicher Liebe herquillet und daß die auserwählten Himmelsbürger und Himmelsbürgerinnen an Gottes Willen ihre vollkommene Lust und ewige Freude haben.

Wenn auf Erden ein großmächtiger König ein armes Mägdlein zur Ehe nähme, ließe sie krönen, setzte sie in alle seine Güter, und begehrete dagegen nichts von ihr, denn daß sie ihn herzlich liebte, – würde sie das nicht mit Freuden thun? Wie viel tausendmal herrlicher aber muß es in der Stadt des lebendigen Gottes droben zugehen, da Gott als die Liebe selbst über alle Königliche Pracht in Europa, Asien, Afrika und der ganzen weiten Welt seine Kinder mit himmlischen Gütern sehr hoch erhebet, auch über alle irdische Brautliebe, Elternliebe, Kindesliebe und über alle natürliche Liebe sehr hoch herfähret, und liebet die Seinen mit unaussprechlicher ewiger Liebe, dafür er nichts Anderes suchet und will, denn daß man ihn wieder liebe? O wie werden sie das so herzlich gerne thun, die lieben Engel und die seligen Menschen, und kommen dem Willen Gottes nach mit großer Freude und aus allem Vermögen! sehen dem lieben Gott in sein Herz und verstehen alles was er von ihnen begehret, thun es auch freiwillig, fröhlich, unverdrossen und einmüthiglich, daß er an solchem ihrem kindlichen Gehorsam eine väterliche Freude, Königliche Lust und ewiges Wohlgefallen hat.

Daher beten wir im heiligen Vaterunser: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden! Das ist: o gieb, Du barmherziger Gott, daß es auf Erden mit gehorsamer Erfüllung Deines göttlichen Willens unter den Christen doch so lieblich und so herrlich zugehen möge, wie droben im Himmel, da die Engel und Erzengel sammt allen heiligen Patriarchen, Propheten, Aposteln und anderen Auserwählten mit großer Freude und ewigem Frohlocken Dir zu Willen stehen und thun alles was Dir gefällig ist! O lieber Gott, also laß es doch auf Erden auch zugehen! Lobet den Herrn, sagt David (Ps. 103), ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seine Befehle ausrichtet, daß man höre die Stimme seines Wortes! Lobet den Herrn, alle seine Heerschaaren, seine Diener die ihr seinen Willen thut!

Was Gott ihnen gebeut, das fleußt aus unaussprechlicher großer Liebe, und was sie nach seinem Willen thun, wird alles aus vollkommener Gegenliebe verrichtet. Also loben ihn miteinander die schönen Morgensterne und jauchzen ihm alle Kinder Gottes. Alle Engel, Himmel, Cherubim und alle Gewaltigen erzählen seine Ehre, und die Seraphim singen ihm ohne Unterlaß: Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth! (Jes. 6, 3). Dazu lobet die herrliche Gesellschaft der Apostel und der löbliche Haufe der Propheten, auch der reinen Märtyrer Schaar, sammt der ganzen triumphirenden Kirche den Vater voll unermeßlicher Majestät, seinen rechten einigen Sohn, wie auch den Tröster, den theuer werthen heiligen Geist.

4.
Gott und Menschen im Himmel trauen sich unter einander.

Sodann wird diese Liebe und Gegenliebe im himmlischen Paradies bestätigt und bekräftigt mit ewiger Treue und Wahrheit, da Gott seinen Auserwählten als einem heiligen Volke und wahrhaftigen Kindern väterlich trauet und sie wiederum auch herzlich auf ihn sich verlassen.

Ei, sagt er zu ihnen, ihr frommen und getreuen Knechte, Ich habe euch in der Welt meine Gaben gleich Centnern und Pfunden, dem Einen weniger, dem Andern mehr vertrauet. Ihr habt damit gehandelt als treue Haushalter über meine Geheimnisse. Ihr habt einen guten Kampf gekämpft und mir Glauben gehalten. Ihr habt um meines Namens willen auf Erden müssen Schmach, Hohn und Spott erleiden, dazu Bande und Gefängniß. Ihr seid gesteinigt, zerhackt, zerstochen und durch's Schwert getödtet. Ihr seid umhergezogen in Pelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach. Die Welt ist euer nicht werth gewesen, da sie euch hassete und über eure Traurigkeit sich erfreuete. Ihr seid im Elend gegangen in der Wüste, auf den Bergen und in den Klüften und Löchern der Erde. Ich versuchte euch in der Welt und läuterte euch, wie das Silber geläutert wird. Ich ließ euch in den Thurm werfen und legete auf eure Lenden eine Last. Ich ließ Menschen über eure Häupter fahren, daß ihr in Feuer und Wasser kamet. Aber ihr habt fest gehalten und nicht gewanket. Ihr habt alles, was euch widerfuhr, erlitten und seid geduldig gewesen in aller Trübsal. Ihr habt geeifert um mein Wort und euch gegrämet daß euch das Herz verschmachtete. Ihr habt geredet von meinen Zeugnissen vor Königen und euch nicht geschämet. Ihr habt mein Wort behalten, und meinen Namen nicht verläugnet. Ihr seid getreu gewesen bis in den Tod. Darum setze ich euch nun über große Güter, und gebe euch die Krone des ewigen Lebens.

Dies sind Worte der heiligen Schrift (Luc. 19, 2 Tim. 4, 1 Cor. 4, Ebr. 11, Ps. 66), damit ohne Zweifel unser lieber Gott die Treue seiner Auserwählten im ewigen Leben rühmet, und vertrauet ihnen darauf alle die reichen Güter seines Hauses. Der Sohn Gottes läßt sie in weißen Kleidern mit ihm wandeln und bekennet ihre Namen vor seinem Vater und seinen Engeln (Offb. 3, 4, 5). Und der heilige Geist vertrauet ihnen nicht allein die Erstlinge, sondern auch den vollen Schnitt seiner großen Gaben, daß sie die Tiefe der mancherlei Geheimnisse Gottes erfahren, und ewig in seinem Bunde bleiben.

So trauen dagegen die Auserwählten durch völlige Kraft und Wirkung des heiligen Geistes ihrem Gott wieder und sagen: Treu ist Gott und ist kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist er (5 Mos. 32, 4). Gericht und Gerechtigkeit ist seines Stuhles Festung, Gnade und Wahrheit sind vor seinem Angesicht. Er ist nicht ein Mensch, daß er lüge, noch ein Menschen-Kind, daß ihn etwas gereue (4 Mos. 23, 19). Alle seine Verheißungen sind Ja in ihm und sind Amen in ihm, und ist kein Betrug in seinem Munde (2 Cor. 1, 20). Herr, Dein Wort ist wahrhaftig, und was Du zusagst, das hältst Du gewiß. Du liebest Gerechtigkeit und Gericht; Du bist Sonne und Schild, Du giebst Gnade und Ehre, Du wirst kein Gutes mangeln lassen den Frommen (Ps. 84). Darum trauen wir Dir, und unser Herz verläßt sich auf Dein Wort. Du wirst Deine Gnade nimmer von uns wenden und Deine Wahrheit nicht lassen fehlen. Du wirst Deinen Bund, mit uns aufgerichtet, nicht entheiligen, noch ändern was aus Deinem Munde gegangen ist. Nach Deinem Wort (Ps. 92) leben wir nun ewiglich, grünen wie die Palmbäume und wuchsen wie die Cedern auf Libanon.

5.
Gott und seine Kinder im Himmel sehen einander freundlich an.

Die himmlische Liebe und Gegenliebe wird aber auch merklich gestärket durch die ewige Anschauung des göttlichen Wesens. Wir werden ihn sehen, sagt St. Johannes, wie er ist. Desgleichen betet Christus: Vater, ich will daß wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast. Spricht auch (Joh. 14 u. 16): Ihr sollt mich sehen. Denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. Ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen.« Auch sagt er von den lieben Engeln (Matth. 18): Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel. Desgleichen freuen sich Hiob und David, daß sie Gottes Angesicht sehen werden. Hiob spricht (C. 19): Ich werde in meinem Fleisch Gott sehen und meine Augen werden ihn schauen. Also auch David (Ps. 42): Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue? Ich will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit (Ps. 17). Denn bei Dir ist die lebendige Quelle, und in Deinem Lichte sehen wir das Licht (Ps. 36).

Da nun Gott die Liebe selbst ist und im Himmel sein Wesen sichtbarlich offenbart, also daß Engel und Menschen sein Antlitz anschauen: Lieber, was sehen sie denn an Gott mit ihren reinen Augen Anderes, denn eitel Liebe? und was ist die majestätische Klarheit des göttlichen Wesens mehr, denn eitel Liebes-Klarheit, die mit hellem Schein zu allen Himmelsbürgern stark hineinleuchtet? Was könnte aber die Kinder Gottes mehr erfreuen und erquicken, als die selige Anschauung solches allerlieblichsten Wesens?

Ist's doch eitel Freude, wenn gottselige Eltern und Kinder, holdselige Brautleute, einträchtige Brüder und Schwestern sich freundlich einander mischen und zusammen einig sind. Und wird (Hesek. 24, 16) ein freundlich Weib ihres Mannes Augenlust oder Augentrost genannt. »Denn, wie Mathesius schreibt in seiner zwölften hochzeitlichen Predigt, wenn ein ehrlicher Mann sein liebes Weib ansiehet, so hat er eitel Lust und Freude an ihr. Sie erfreuet ihm das Herz im Leibe, macht ihn lustig und guter Dinge, daß er allen Unmuth aus dem Herzen schlägt und vergisset alle Mühe und Arbeit, die er in seiner Handthierung oder Amt bekommen hat.«

Auch rühmet sonst Mancher ein menschlich Angesicht, daß ihn dünket, es sei kein lieblicher Bild auf Erden zu finden. Die Königin Dido siehet den trojanischen Fürsten Aeneas an und kann seiner nicht müde werden, wie Virgilius schreibet. Der Patriarch Jakob wollte gerne sterben, da er seinen Sohn Joseph wieder gesehen hatte. Der römische Dichter Catullus preiset sehr die schöne Gestalt des Jünglings Roscius und darf sie als blinder Heide dem schönen Angesichte Gottes vorziehen. Herodot erzählt von des Clistenes Tochter, genannt Agarista, und ihrer Anmuth, die so groß gewesen, daß die Jünglinge aus Griechenland in Haufen zu dieser Jungfrau auf ihren hochzeitlichen Ehrentag gekommen seien, ihr Angesicht zu sehen und der Freude beizuwohnen.

Nun aber ist aller menschliche Schmuck und Schönheit eitel Kinderspiel und armseliges Flick- und Flitterwerk gegen die wunderschöne und wundertröstliche Gestalt der allerheiligsten Dreifaltigkeit, so sich in jenem Leben zur großen Freude aller Seligen herrlich sehen läßt. Ich denke diesem Geheimniß nach und sage also: Ist irgend ein schönes menschliches Angesicht auf Erden, das vieler Leute Augen zu sich wenden kann, wie ein Magnet das Eisen an sich ziehet; und ist das Anschauen der vertrauten Freunde köstlich und so angenehm, daß es das Herz erfreuet, da doch Menschen nicht sind die Liebe selbst, sondern haben nur herzliche Zuneigung zu ihren Freunden: – wie viel tausendmal freundlicher muß denn sein das schöne Wesen Gottes, welcher die Liebe selbst ist; das helle aufgedeckte Angesicht unseres himmlischen Vaters und seines eingebornen Sohnes, unseres allerschönsten und allerholdseligsten Bräutigams Jesu Christi, wie auch des heiligen Geistes im ewigen Leben?

O wie überaus herrlich müssen da die majestätischen Augen Gottes leuchten und brennen von eitel Liebesflammen! o wie stark wird er da mit seinem freundlichen inbrünstigen Anblick aller Engel und aller Menschen Augen zu sich wenden, daß sie nichts im Himmel noch auf Erden so gerne sehen als ihn, und sich von keinem Dinge so sättigen lassen, als von der Anschauung Gottes!

Da sehen sie an Gott dem Vater so eine väterliche Liebe, wie kein väterlich noch mütterlich Angesicht auf Erden zeigen kann. Der Sohn Gottes läßt sich sehen wie ein lieber Bruder und himmlischer Bräutigam, schöner und prächtiger denn irgend ein Bräutigam auf Erden. Auch sehen sie an dem heiligen Geist so ein tröstlich Bild, daß nichts Tröstlicheres weder im Himmel noch auf Erden zu finden ist. Und weil denn die heilige Dreifaltigkeit mit ihrem allerschönsten hellen Angesicht lieblicher wie ein Vater, tröstlicher wie eine Mutter, freundlicher wie ein Bruder und fröhlicher wie ein prächtiger Bräutigam sie anblickt und anlacht: – so genesen sie von solchem Anschauen, ihr Herz freuet sich und wird viel mehr davon erquickt, als ein junges Kind von dem freundlichen Anblick seiner holdseligen Mutter, oder eine Braut von der Stimme und Gegenwart ihres herzliebsten Bräutigams erquickt werden kann.

Hier soll aber Niemand denken: weil doch kein menschlich Auge in dieser Welt die helle klare Gestalt der Sonne ohne Verletzung des Gesichts ertragen mag, daß eben darum der Glanz des göttlichen Wesens sich noch viel weniger in jener Welt mit menschlichen Augen sehen lasse. Denn es hat dort eine ganz andere Bewandtniß mit den Auserwählten, als mit uns Christen in dieser Welt. Wir schleppen uns hier auf Erden noch mit unserm sündlichen Fleisch und Blut herum. Aber in jener Welt sind die Kinder Gottes ohne Mangel, ohne Fehl, ohne Uebertretung, ohne Sünde und ohne sündliche Lust, und haben ewiglich mit Gott ihren herrlichen Verkehr und ihre selige Gemeinschaft. Daher können sie das Angesicht Gottes mit fröhlichen Augen in Heiligkeit und Gerechtigkeit wohl anschauen und die unendliche, feurige Liebe Gottes durch des heiligen Geistes Kraft wohl ertragen, daß sie dadurch nicht vergehen noch sterben, sondern vielmehr herzlich ergötzt, gestärkt und gelabet werden.

Es ist ihnen das liebliche und wunderfreundliche Angesicht Gottes eine rechte Augensalbe, und vermag kein Heilwasser noch präparirte Salbe, Latwerge oder Pulver das blöde menschliche Gesicht auf Erden so zu stärken und trübe Augen so hübsch, wacker, rein, lauter und scharfsichtig zu machen, als Gottes Antlitz und Wesen der Auserwählten Augen im Himmel erfrischet, erleuchtet und läutert. Sie sehen da den klaren hellen Schein der majestätischen Herrlichkeit Gottes mit Freuden, und sagt ein Jeder mit dem Patriarchen Jakob: Ich sehe Gott von Angesicht, und meine Seele geneset davon (1 Mos. 32, 30); und sie alle zugleich mit dem Apostel Philippus: Wir sehen den Vater, darum genüget uns (Joh. 14).

Und während man alles Dinges auf Erden zuletzt satt und müde wird, ist Gottes Wesen und Angesicht so sehr freundlich, schön und lieblich, daß Engel und Menschen dessen nimmer überdrüssig werden, sondern sehen allezeit neue Schönheit, neue Freude, neuen Trost, neue Klarheit und neue Wunder, darob ihnen das Herz vor Freude springt und davon ihre Augen ewiglich durchleuchtet werden.

Wiederum hält Gott auch seine Augen offen, und wie seine Kinder ihn ohne Unterlaß inbrünstig anschauen, und können aus herzlicher Liebe solches Anschauens nimmer satt werden: also siehet er sie auch mit ewiger Freude an und hat seine Herzens-Lust an ihrer schönen Gestalt. Und weil sie durchaus engelrein, heilig, unbefleckt und ohne Sünde sind, daß sie ihren Schöpfer, Erlöser und Tröster mit vollkommener Liebe lieben und solche inbrünstige Liebe zu Gott ihnen zu den Augen und allen Gliedern herausblicket: – so träget der König Himmels und der Erden an solchem Glanz und Schein seiner Auserwählten ein groß Wohlgefallen, hält sie für einen Augapfel in seinem Auge und läßt ihre Gestalt, Schönheit und Wesen ihm lieber, werther und angenehmer sein, denn die schöne Gestalt der Sonne, des Mondes und aller Sterne am Himmel mit ihrem Licht, Glanz und Klarheit.

6.
Gott und seine Auserwählten halten unter einander freundlich Gespräch.

Die Liebe Gottes und die Gegenliebe seiner Reichsgenossen in jener Welt ist auch keine stumme Liebe, sondern wird mit holdseligem Gespräch, lieblichen Unterredungen und fröhlicher Stimme öffentlich bezeuget und mit hellen Lobgesängen bestätigt, daß der ganze Himmel davon erschallet.

Es muß aber wundertröstlich und wunderlieblich lauten, da Gott seine lebendige Stimme der ganzen triumphirenden Christenheit lässet durchs Herz gehen und redet sie freundlicher an, denn kein Vater auf Erden, holdseliger denn keine Mutter, lieblicher denn kein Bräutigam und angenehmer denn kein Bruder und Schwester, und spricht: Ich habe dich mir zugerichtet daß du sollst meinen Ruhm erzählen (Jes. 43, 21). Siehe, Ich, dein Schöpfer, bin dein und dein Erlöser, der Heilige in Israel, der aller Welt Gott genennet wird (Jes. 54, 5). Du heißest meine Lust, und bist meine schöne Krone und ein königlicher Hut in meiner Hand (Jes. 62, 3). Ich habe dich mir bereitet, daß deine Lippen seien wie triefender Honigseim, und Honig und Milch sei unter deiner Zunge, daß du seiest durch und durch schön, ohne Sünde, ohne Runzel, ohne Flecken und ohne allen Mangel (Eph. 5, 27), schön wie Thirza, lieblich wie Jerusalem, daß du hervor brechest wie die Morgenröthe, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne und schrecklich wie die Heeresspitzen (Hohel. c. 4 u. 6.)

Was für große Freude und Wonne muß es sein, wenn ihm das ganze himmlische Heer mit Frohlocken antwortet!

Ubi sunt gaudia? (wo sind die Freuden?)
Nirgends mehr denn da.
Da die Engel singen
Nova cantica, (neue Lieder)
Und die Schellen klingen
In regis curia (an des Königs Hofe).
Eya! wir sind da!
Eya! wir sind da!

Wie herrlich muß es sein, wenn die himmlischen Chöre im lieblichen Wechselgesang ihr: »Heilig, Heilig, Heilig« ertönen lassen, und Jedermann aus den Kindern des Lichts vor der hohen Majestät Gottes aus inbrünstiger Liebe sich demüthigt, schüttet sein Herz mit Freuden gegen ihn aus und spricht:

HErr mein Gott, Du bist sehr herrlich, Du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist Dein Kleid, das Du anhast (Ps. 104). Du bist der Schönste unter den Menschenkindern, holdselig sind Deine Lippen (Ps. 45). Du bist unser Ruhm und Stärke, und durch Deine Gnade erhöhest Du unser Horn. Dein Haupt ist das feinste Gold, Deine Backen sind wie die wachsenden Würzgärtlein der Apotheker. Deine Lippen sind wie Rosen, die mit fließenden Myrrhen triefen. Deine Hände sind wie güldene Ringe voll Türkise. Dein Leib ist wie rein Elfenbein, mit Sapphiren geschmückt. Deine Beine sind wie Marmorsäulen, gegründet auf goldenen Füßen (Hohel. 5, 11 ff). Deine Kleider sind eitel Myrrhen, Aloes und Kezia, wenn Du aus den elfenbeinernen Palästen daher trittst in Deiner schönen Pracht! (Ps. 45, 9). Deine Kehle ist süß und ganz lieblich. Du bist ewig mein Freund, unter vielen Tausenden auserkoren.

Wer bin ich aber, HErr mein Gott, daß Du mich bis hieher gebracht hast? daß Du mich ansiehst in der Gestalt eines Menschen, der in der Höhe Gott der Herr ist? Was ist der Mensch, daß Du sein gedenkest, und des Menschen Kind, daß Du Dich seiner annimmst? (Ps. 8). Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die Du an mir gethan hast (1 Mos. 32). Daß Du mich je und je geliebet und mich aus großer Gnade zu Dir gezogen (Jerem. 31, 3). Daß Du mich hast mit Freuden umgürtet und mich zum Segen gesetzt ewiglich. Daß Du eine güldene Krone hast auf mein Haupt gesetzt, und erfreuest mich mit Freuden Deines Antlitzes. Daß Du so große Dinge an mir thust, der Du mächtig bist und deß Name heilig ist! Darum will ich singen von Deiner Gnade ewiglich und Deine Wahrheit verkündigen mit meinem Munde für und für. Ich will Dich loben allezeit und Dein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.

Solcherlei himmlische Zwiegespräche erweckt da der heilige Geist und ist die Rechnung gut zu machen: Hat Johannes dem Täufer auf Erden über der Stimme Christi als eines Bräutigams sich so hoch können erfreuen; ist auch das geschriebene Wort Gottes bei den Rechtgläubigen in dieser Welt, durch Kraft und Wirkung des heiligen Geistes im Glauben ergriffen, so stark, so lieblich und so tröstlich, daß es alle Anfechtungen Leibes und der Seele überwindet, den Satan verachtet, den Tod vertreibet, des Kreuzes Bitterkeit durchzuckert, das Herz erfreuet, dringet durch wie ein zweischneidiges Schwert, ist köstlicher als Silber und Gold und süßer denn Honig und Honigseim, wie David (Ps. 19) sagt: – wie viel tausendmal lieblicher, herrlicher und süßer muß denn Gottes Wort lauten in jenem Leben, da Gott selbst redet und läßt seine fröhliche Stimme aus seinem holdseligen Munde in aller Engel und aller Menschen Ohren mit unaussprechlicher Lieblichkeit ertönen?

Zwar auf Erden, wie Salomo schreibt (Pred. 12, 12), machet viel predigen den Leib müde; und wenn auch die allerbesten Freunde zusammen kommen und über ihrem holdseligen Gespräch vor großer Freude die Zeit verläuft, daß sie ein ganzer Tag kaum dünkt eine Stunde lang zu währen: so werden sie doch zuletzt müde, daß sie aufbrechen und von einander gehen müssen.

Aber des lebendigen Gottes Stimme in jenem Leben heißt: Jelänger – Jelieber!! Ihrer können die auserwählten Gottes-Kinder nimmer überdrüssig werden, hören immer aus Gottes Munde neue Freude, neue fröhliche Zeitung, neue Geheimnisse, neue Seelenlust und neue Offenbarung, sonderlich die himmlische Weisheit von der ewigen Geburt des Sohnes Gottes, von dem ewigen Ausgang des heiligen Geistes, von der ewigen Gnadenwahl, von der wunderbaren Schöpfung Himmels und der Erde, von der persönlichen Vereinigung beider Naturen in Christo, vom Werk der Erlösung, von der allmächtigen Regierung der Welt, von den himmlischen Gütern, himmlischer Herrlichkeit, himmlischem Wohlleben und dergleichen, darüber sie sich mit Freuden verwundern, auch mächtigen Trost, Kraft, Leben, Heil und Stärke daraus ewiglich schöpfen.

7.
Gott ruhet aus großer Liebe in seinen Himmels-Kindern, und sie in Ihm.

Endlich ist die Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten im Himmel voll ewiger freudenreicher Ruhe, weil da Gott in seinen Kindern einen ewigen Sabbath oder Ruhetag hält und wiederum auch ihre Liebe ewiglich in ihm ruhet.

Des Menschen Herz ist wie ein siedender Topf, kochet, schäumet und läuft immer über von Begierden und allerlei Lüsten, und mag auf dieser Welt nimmer recht gestillt noch gesättigt werden. Denn Alles, was auf Erden erlustigt, als: Speise, Trank, Gold, Silber, vergängliche Ehre, zeitliche Pracht, Schönheit des Leibes, Augenlust, Leibes-Wollust und dergleichen – ob man schon sehr danach trachtet und ringet – so ist es doch nicht das vollkommene Gut, darin das Herz also seine vollkommene Ruhe fände, daß es aufhörte zu sieden, ganz zufrieden würde und nichts Höheres mehr wünschen noch begehren sollte. Das Erste, was den Menschen gefällt, wenn sie noch Kinder sind, ist Schönheit. Danach folget Lust zum Ehestande. Im Ehestande trachtet man nach Reichthum, im Reichthum nach Vermehrung der Güter, wie auch nach zeitlicher Ehre und Herrlichkeit. Und hat solch Dichten und Trachten und solche Begierde kein Maaß noch Ende, dieweil alle vergänglichen Güter sind arme Parteken und Bettelstücke, die das Herz nicht können zu vollkommener Genüge ersättigen.

Aber in jenem Leben siehet man an Gott ein solches Gut, an welchem das Herz sein vollkommen Genügen hat und in welchem die Liebe ihre völlige Ruhe findet. Denn da knüpfet die Liebe und Gegenliebe Gott und seine Auserwählten stark und unauflöslich zusammen. Da ist Gott der Allerschönste und Allersäuberlichste in den Augen seiner Kinder, das Freundlichste und Allerholdseligste in ihren Ohren, das Allersüßeste in ihrem Munde und auf ihren Zungen, das Allerwertheste und Allerangenehmste in ihren Händen, das Alleranmuthigste und Allerfröhlichste in ihren Herzen, und das Allerlieblichste und Allerkräftigste in allen ihren Gliedern, also daß sie nicht begehren einen Augenblick ohne Gott allein zu sein und auch Gott wiederum nicht einen Augenblick sie verlassen will. Gott ruhet ewiglich in seinen Auserwählten, und sie ruhen ewiglich in ihm. –

*

II.
Die Ehre und Herrlichkeit solcher Liebe und Gegenliebe.

Die andere Eigenschaft des ewigen Lebens ist die Ehre und Herrlichkeit der himmlischen Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten. Diese Herrlichkeit bestehet aber darin, daß die Auserwählten unserem lieben Gott im Himmel gleichförmig sind. Wir werden ihm gleich sein, spricht St. Johannes. Und St. Paulus: »Welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes« (Röm. 8, 29).

Wie sind sie aber Gott gleich? Antwort: Gott ist die Liebe, sagt die Schrift. Daraus folgt: Weil alle gottseligen Himmelsbürger in jener Welt das Bild Gottes tragen, so müssen sie helle und sonnenklare Spiegel der allerheiligsten und allerreinsten Liebe Gottes sein, und wie Er in sie leuchtet und scheinet, so müssen sie auch einen Gegenglanz und Gegenschein von sich geben. 1. Er ist die Liebe selbst und liebet seine Kinder im Himmel mit unaussprechlicher Liebe. Also lieben sie ihn wieder von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüth. 2. Er kennet sie, als wären sie Sternlein, in seine rechte Hand gezeichnet; und wie Er sie kennet, also kennen sie ihn nach gegebenem Maaß vollkömmlich wieder. 3. Desgleichen alles, was Er will, das wollen sie auch. 4. Er ist weise, gerecht, heilig und unsterblich – das sind sie auch. 5. Er ist selbst ihr Tempel, in welchem sie einmüthiglich wie Glieder an Einem Leibe sich zusammenhalten. So sind auch sie wiederum seine Tempel und Lust-Häuser, darin er aus großer Liebe residirt und ruhet.

Sonderlich aber sind sie ähnlich unserem einigen Erlöser und Seligmacher JEsu Christo. 1. Denn Christus ist Gottes Sohn, ein Abglanz der Herrlichkeit des Vaters und das Ebenbild seines Wesens. Also sind sie durch Christum auch Gottes Kinder, erwecket und wiedergeboren nach dem Bilde Gottes. Siehe da, sagt Christus, Ich und die Kinder, welche mir Gott gegeben hat (Jes. 8, 18). Sie sind ja mein Volk und Kinder die nicht falsch sind. Sie sind meine Brüder und Schwestern. 2. Er ist ein Erbe des ewigen Lebens. Also sind sie durch Christum auch Erben aller himmlischen Güter. 3. Er ist ein König und herrschet ewiglich. Also hat er sie auch zu Königen gemacht, daß sie mit ihm sitzen auf seinem Stuhl und tragen Kronen der Gerechtigkeit. 4. Er ist ein ewiger Priester und erscheint immerdar vor dem Angesichte Gottes. Also sind sie durch ihn auch zu Priestern gemacht, daß sie Gottes Angesicht mit Freuden ewiglich anschauen. 5. In ihm wohnet die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (Col. 2, 9) und der heilige Geist ohne Maaß. Also sind sie durch ihn auch Tempel Gottes und Wohnungen des heiligen Geistes. 6. Er liebet sie wie ein Bruder und Bräutigam. Also lieben sie ihn wiederum wie ein Bruder und Schwester und wie eine himmlische Braut. 7. Er hält sich wunderlieblich zu ihnen und wohnet in ihnen. Also halten sie sich zu ihm und sind wiederum auch vollkommen Eins in ihm. 8. Er lebet ewiglich, und durch ihn leben auch sie ewiglich.

Alle diese Herrlichkeit der Kinder des Lichts und ihre Gleichheit, die sie mit Gott haben, ist in heiliger Liebe und Gegenliebe gegründet. »Gott der Vater, spricht St. Augustinus, ist die Liebe, Gott der Sohn ist die Liebe, und Gott der heilige Geist ist die Liebe des Vaters und des Sohnes.« Diese Liebe suchet ein Gleiches in uns, nämlich eine Liebe, dadurch wir als durch eine Sippschaft oder Verwandtschaft mit Gott vereiniget werden. Und diese Verwandtschaft und Herrlichkeit der himmlischen Liebe und Gegenliebe wird von Gott dem Vater, von Gott dem Sohn und von Gott dem heiligen Geist ewiglich bekräftigt und bestätigt.

Denn Gott der Vater siehet in Christo und durch Christum alle Auserwählten an und giebt ihnen durch seinen eingebornen Sohn den edlen theuren Namen, daß sie ewiglich seine Kinder heißen. »Dieser Trost, sagt Luther, ist zu groß, die Freude zu hoch, die Seligkeit zu überschwänglich, und dagegen des Menschen Herz zu klein und enge, und der elende Bettelsack, unsere alte Haut, ist zu schläfrig und träg, solches mit Gedanken und Worten zu erlangen und mit dem Herzen zu fassen. Ja die Herrlichkeit des Dinges ist so groß, daß sie in unser Herz nicht gehet. Denn es ist zu fern von den Sinnen und zu hoch über Menschen-Verstand, als daß unser armer stinkender Madensack dahin komme, da er solche treffliche göttliche Herrlichkeit ewig vor Augen sehen soll.«

Freilich ist es eine überschwängliche Herrlichkeit, daß Menschen im Himmel wohnen, welche nicht heißen des römischen (russischen) Kaisers, nicht des Königs von Persien (Preußen) oder sonst eines irdischen Herrn, sondern des ewigen allmächtigen Gottes Kinder, Gottes Erben, Gottes Söhne und Töchter. Die Welt prangt mit ihrer Herrlichkeit und hält das für einen trefflichen Adel und hohe Ehre, wenn Jemand ist eines Fürsten, berühmten Edelmanns oder sonst eines großen Mannes Sohn. Und noch höher wäre es, wenn sich Jemand könnte wahrhaftig rühmen, daß er wäre eines heiligen Engels Sohn.

Aber was ist das Alles gegen das ewige Leben im Himmel, da die seligen Menschen sind Kinder und Erben der hohen göttlichen Majestät? Diese Kindschaft ist wunderlieblich, wundertröstlich und schwingt ihre Flügel hoch über aller Welt Ehre und Herrlichkeit. Und dazu kommen noch die allerholdseligsten, allerlieblichsten und allerfreundlichsten Werke der ganzen heiligen Dreifaltigkeit, daß Gott der Vater seinen Auserwählten sich lieblicher erzeiget, denn kein Vater auf Erden thun mag, Gott der Sohn wie ein lieber Bruder und himmlischer Bräutigam, und Gott der heilige Geist als ein rechter Tröster und Freudenspender.

1. Des Vaters Antlitz leuchtet daselbst überväterlich, übermütterlich, überenglisch. Das ist viel tausendmal lieblicher, als wenn alle Engel im Himmel und alle Eltern auf Erden ihre Freundlichkeit und natürliche Liebe könnten zusammenschmelzen und sie zugleich einem Kindlein erzeigen, daß sie es auf gut englisch, väterlich und mütterlich erfreuten. Denn Gott ist die Liebe und ein recht liebreicher Vater über alles, was da Kinder heißet im Himmel und auf Erden (Ephes. 3, 15). Die Auserwählten aber schon als Kinder Gottes ihrem himmlischen Vater ähnlich; und wie sie der Vater übermütterlich, übermenschlich und überenglisch liebet, so lieben sie ihn auch nach ihrem Maaß mit vollkommener Gegenliebe herzlich und kindlich wieder.

Und dies ist eine rechte himmlische Freude, die kein Ende nimmt. Ewig leuchten, blicken und scheinen die brünstigen Augen Gottes des Vaters von majestätischer, feuriger Liebe, und die Fülle solcher großen Liebe und göttlichen Klarheit offenbaret er in seinem Sohn, und durch den Sohn scheinet er allen auserwählten Himmelsbürgern in ihr Herz, erkennet sie alle für seine Kinder und siehet in ihnen als in einem klaren reinen Spiegel das schön formirte Ebenbild seines göttlichen Wesens, das da heißet: die Liebe. Die seligen Menschen, als verherrlichte Kinder Gottes mit göttlicher Klarheit umgeben, sehen hinwiederum an mit fröhlichen reinen Augen das Angesicht des Vaters, wie er ist in Christo, seinem Sohn, das wundertröstliche Wesen, das da heißet: die väterliche Liebe.

2. Danach brennet auch von unsäglicher Menschenliebe unser Herr und Heiland JEsus Christus, in welchem Gott der Vater ist und der da ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (1 Joh. 5, 20). Die seligen Kinder Gottes erkennet er für seine allerliebsten Brüder und Schwestern, und läßt die ganze triumphirende und frohlockende Christenheit ihm sein seine allerschönste, allerwertheste und alleredelste Braut.

Da sind seine Augen eitel leuchtende Liebesstrahlen, feurige Liebespfeile und brennende Flammen der allersüßesten, unaussprechlichen Leutseligkeit, damit er seiner lieben Brüder und Schwestern verklärte Augen tröstlich berührt, tröstlich erfüllt und tröstlich zu sich wendet.

Sie dagegen sehen ihn wieder also an, daß ihre Augen, Herz, Muth und Sinn und alle Glieder von ungefärbter, keuscher, inbrünstiger, feuriger Liebe zu Christo brennen und sich statt seiner nichts Lieberes im Himmel noch auf Erden wünschen. Ueber solche Liebe erfreuet sich denn der Seelen-Bräutigam gar hoch und rühmet vor allen heiligen Engeln, daß die himmlische freudenreiche Christenheit recht sei seine vertraute Braut und Freundin, die ihm das Herz nehme mit ihrer Augen einem und mit ihrer Halsketten einer (Hohel. 4, 9), und daß ihre Augen ihm seine Augen brünstig machen und seien ihm lieblich wie Jerusalem.

Keine natürliche Freundschaft der Brüder und Schwestern gegen einander auf Erden, keine irdische Liebe zwischen Bräutigam und Braut kann dieser ewigen himmlischen Gemeinschaft, diesem ewigen Freudentage und dieser ewig währenden Hochzeit gleich kommen. So ist auch die Gestalt und das ganze Wesen des himmlischen Bräutigams unendlich lieblicher, schöner und freundlicher, denn das majestätische Wesen, Pracht und Ansehen eines königlichen Bräutigams bei seiner königlichen Braut in einem großen Palast und schön gebauten und geschmückten Saal auf Erden. Und wie der große König Himmels und der Erde ist ein prächtiger Bräutigam und der Schönste unter den Menschenkindern, also schmückt er auch die triumphirende Kirche, seine werthe Braut, daß sie tausendmal schöner, prächtiger, herrlicher und lieblicher vor seinen Augen scheinet als eine königliche Braut auf Erden in güldenen Stücken, güldener Krone, gestickten Kleidern, Perlen, Halsketten und säuberlicher Gestalt, darin sie ihrem Könige gefällt und ihm das Herz abgewinnt.

Die lieben Himmelsbürger sind alle mit Christo und durch Christum in jenem Leben herrliche Kinder Gottes und ewige Miterben aller himmlischen Güter. Dazu sind sie mächtige Könige und Priester vor Gott, welche Tod, Teufel und Hölle überwunden haben durch des unschuldigen Lammes Blut, und herrschen mit Christo ewiglich, angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet, wie ein Bräutigam mit priesterlichem Schmuck gezieret und wie eine Braut in ihrem Geschmeide bereitet (Jes. 61, 10). Sie tragen die unvergängliche Krone und führen ewiglich mit Christo ein Leben, darin keine Trennung, keine Spaltung noch irgend eine Separation mehr gefunden wird.

3. Zu dem läßt sich da tröstlich sehen und hören der himmlische Paraklet und Anwalt, Gott der heilige Geist, mit seinen edlen Früchten als: Liebe, Friede und Freude, die er daselbst ohne Mittel vollkömmlich in den auserwählten Kindern Gottes wirket. Er wohnet in ihnen und ist selbst das ewige Pfand, Siegel und Mahlschatz der ewigen Seligkeit, daß sie daher von gutem Muthe jauchzen, haben feurige Zungen, reden fröhlich mit Gott und Gott mit ihnen. Und ist ihr holdseliges Gespräch ohne Zweifel von den herrlichen Thaten der Leutseligkeit Gottes und von der himmlischen Kindschaft, daß Gott den seligen Kindern sehr freundlich erzählet, wie er sie aus großer Liebe erschaffen, aus großer Liebe durch JEsum Christum vom ewigen Tode erlöset und aus großer Liebe zum ewigen Leben erwählet habe. Die seligen Kinder danken ihrem himmlischen Vater und ihrem allerliebsten Bräutigam, wie auch dem werthen heiligen Tröster für solche große Wohlthaten und preisen die heilige Dreifaltigkeit mit ihren ewigen Lobgesängen und Freudenliedern.

*

III. Gottes liebliche Wohnung in seinen Auserwählten.

Die dritte Eigenschaft des ewigen Lebens heißt Gottes liebliche Wohnung in seinen auserwählten Kindern. Wie geschrieben stehet (3 Mos. 26, 11. 12): »Ich will in ihnen wohnen, spricht Gott, und in ihnen wandeln, und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein.« Das Mittel solcher Einwohnung ist die Liebe und Gegenliebe oder die herzliche Erkenntniß, da Gott die Seinen lieblich erkennet und wiederum lieblich von ihnen erkannt wird. Wie denn St. Petrus sagt, daß die Kinder des Lichts durch Erkenntniß dessen, der sie berufen hat, der göttlichen Natur theilhaftig werden (2 Petr. 1, 4). Und St. Paulus heißt sie etlichemal Tempel Gottes, dieweil die ganze heilige Dreifaltigkeit aus großer Liebe in ihnen wohnet.

Das lasse ich mir eine rechte Himmelslust und eine starke durchdringende Liebe im ewigen Leben sein, da Gott seine Liebhaber so erkennet, daß er in ihnen wesentlich residirt. Darum wenn wir die schönen Schriftsprüche lesen, als da St. Paulus schreibt: So Jemand Gott liebet, der ist von ihm erkannt; und da Christus sagt: »Wer mich liebet, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen (Joh. 14): – da mögen wir wohl stille halten und recht nachdenken, was doch dies für eine Erkenntniß und für eine Liebe sei und wie hoch sie mit ihrer Kraft und Tugend über alle irdische und natürliche Liebe und Erkenntnis sich erstrecke, sintemal sie zur Einwohnung Eines in dem Andern gereichet.

Denn wo findet man auf Erden zwischen Eltern und Kindern, Mann und Weib, Bräutigam und Braut solche Liebe oder solche Erkenntniß und solche Zuversicht, daß Jemand in Kraft solcher Liebe seines Freundes Herz wesentlich einnehmen und eigenthümlich besitzen könnte? Es ist wohl in Eltern und Kindern die eingeprägte natürliche Liebe so groß, daß wo eine Mutter siehet ihr schwaches krankes Kindlein mit dem Tode ringen und in der Angst und Noth liegen, da wollte sie gern, wenn's möglich wäre, ein Stück von ihrem Herzen aus großer mütterlicher Liebe dem Kindlein mittheilen und seinem zarten Herzlein zusetzen, des geliebten Kindes Gesundheit und Leben damit zu retten. Aber solches ist ihr unmöglich, sie kanns nicht thun, wenn gleich die mütterliche Liebe noch tausendmal so stark wäre. Desgleichen auch in einer gottseligen, wohlgerathenen Ehe sind Mann und Weib nach Gottes heiliger Ordnung Ein Fleisch. Und doch erstreckt sich diese Liebe nicht so weit, daß dadurch ein Theil sein Herz, seine Seele und sein Leben könnte dem anderen mittheilen, daß es im anderen wohnte und daß sie beide durch solche Einwohnung eins würden.

Der liebe Gott hat sich solche Macht allein vorbehalten und beweiset sie am kräftigsten in jener Welt, da er seine Kinder herzlich liebet, kennet und umfähet; wird auch wiederum so herzlich erkannt und umfangen, daß er vermittelst solcher durchdringenden Liebe in einem Jeglichen als in seinem herrlichen Palast, Tempel und Lusthause mit großem Wohlgefallen residirt, und macht sie theilhaftig seiner göttlichen Natur, daß sie mit ihm sind wie Ein Geist und keine Gewalt sie trennen noch scheiden mag. Daraus denn abzunehmen: so die Lust, Freude und Anmuth der Liebe zwischen Eltern und Kindern, Mann und Weib, Bräutigam und Braut, Brüdern und Schwestern in diesem vergänglichen Leben sich schon also hervor thut, daß dann die Wohnung Gottes in den seligen Kindern des Lichts droben alle solche Freude, Lust und Lieblichkeit unaussprechlich weit übertreffen muß.

Und hier mögen wir uns billig über dieses große Geheimniß verwundern, daß die Tiefe der Gottheit in jenem Leben, dahin alle Rechtgläubigen auf dieser Welt von Herzen verlanget, sich so lieblich offenbart und in den Auserwählten als in seinen Tempeln ewiglich wohnet, gewurzelt durch feurige Liebe in ihrem Herzen, daß sie ewiglich durch den Geist Gottes getrieben werden, ewig in Gott sind und Gott ewig in ihnen. Ihr Herz trauet ihm und verläßt sich auf ihn ganz und gar. Und was sie ihm zutrauen, das finden und erfahren sie in der That mit ewiger Verwunderung, ewigem Ruhm und ewiger Herrlichkeit, Er ist und bleibt ihr ewiges Gut, indem er sie als seine heiligen Werkstätten mit dem Reichthum seiner himmlischen Güter ewiglich erfüllet.

Wird doch in dieser Welt dem seligmachenden Glauben, der nur eine Partikel oder ein Stücklein ist der wahren Erkenntniß Gottes, solche Kraft zugeschrieben, daß er Christum mit seinen himmlischen Gütern ergreift und daß unser lieber Heiland mit dem Vater und heiligen Geist durchs Wort zu uns einkehre und durch den Glauben in uns wohne. Ja es wird der Glaube einem Munde verglichen, der da isset und trinket, und ist Christi Leib und Blut dieses Mundes Speise und Trank. Darum wer unserem Seligmacher trauet und glaubet dem Evangelio, der ziehet das Reich Gottes mit Gewalt zu sich und ergreift Christum. Und dieser Zug, dieser selige Griff gefällt unserem trauten Heilande so herzlich wohl, daß er sich dem Gläubigen zu eigen giebt und zu ihm einkehret aus großer Liebe, als ließe er sich essen und trinken laut seiner Worte, da er spricht: »Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken. Denn mein Fleisch ist die rechte Speise und mein Blut ist der rechte Trank. Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibet in mir und ich in ihm (Joh. 6, 54-56).«

Siehe, so nahe thut der Sohn Gottes auch in diesem Leben aus großer Liebe sich zu uns durch den Glauben, da doch unser Glaube, unsere Wissenschaft und unsere Erkenntniß eitel Stückwerk und nichts als ein schwacher Anfang ist.

Zieht nun ein Christ auf Erden mit solchem Stückwerk seinen allerliebsten Heiland zu sich und in sich, da er ihn geistlich isset und trinket, daß er von solchem Genuß Stärke, Kraft und Leben empfähet, kann auch darauf gewaltiglich wider den Teufel und alle Feinde, sichtbare und unsichtbare, trotzen und sagen: Der in mir ist, ist größer denn der in der Welt ist! (1 Joh. 4, 4): – thut Solches, sage ich, unser Stückwerk, was thut denn nicht die vollkommene Liebe droben im Himmel, da die Kinder Gottes ihren himmlischen Vater und Christum, ihren himmlischen Bräutigam, nicht im dunkelen Räthsel-Wort, sondern in augenscheinlicher Offenbarung völlig erkennen, von Angesicht zu Angesicht sehen und ihn völlig lieben in Ewigkeit? Wahrlich, da muß Gott wunderlieblich und wundertröstlich in seinen Kindern wohnen, daß sie aus solcher Einwohnung viel hundert tausendmal größere Kraft, größere Freude und größere Herrlichkeit bekommen.

Besonders herzerquicklich ist aber das Alles, wenn man an die Ursach gedenkt, warum unser lieber Gott wesentlich droben in seinen Heiligen wohnt und ist auch selbst wiederum ihre Behausung, darin sie einträchtiglich wie Glieder an Einem Leibe sich zusammen halten. Er ist die Liebe, Er brennet von Liebe gegen seine Kinder, und zündet sie an mit vollkommener Gegenliebe. Nun ist dies die Natur und Art der Liebe: je stärker einer liebet, je mehr er sich neiget und sehnet nach dem das er liebet und von welchem er wieder geliebt wird, und kann nicht zufrieden sein, bis sie beide zur rechten Union erwachsen und vollkommen eins werden. Alsdann hat die Liebe ihr gewünschtes Ziel erreicht, erst dann findet sie Ruhe.

Ein Exempel haben wir an jungen Leuten, welche in den Ehestand zusammen treten wollen. Je größer die Liebe wird, desto mehr sehnet sich ein Theil nach dem anderen, und läßt nicht ab, bis sie sich verloben und nachher zur Ehe schreiten. Dann ruhen sie Beide in der Liebe und sind nach Gottes keuscher Ordnung Mann und Weib, Ein Fleisch und Ein Leib. Also liebet auch Gott seine Auserwählten im Himmel und wird von ihnen wieder geliebt. Er ist selbst ihr Tempel, in welchem sie ewiglich wohnen, und sie sind wiederum seine Tempel, in welchen er auch ewiglich wohnet. Und das Ende solcher Einwohnung ist auf beiden Seiten die süße Ruhe, daß Engel und Menschen ewiglich ruhen in Gott und Gott ewiglich in ihnen. Daher sagt David: »Der Herr hat Zion erwählet und hat Lust daselbst zu wohnen. Dies ist meine Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl« (Ps. 132, 13. 14). Und Jesaias heißt das ewige Leben einen Sabbath nach dem andern, das ist einen ewigen Ruhetag, da Gott in seiner triumphirenden Christenheit und sie wiederum in Ihm ewiglich ruhet (Jes. 66, 23).

Denket aber, lieben Freunde, was dies für eine edle Rast und süße Ruhe sein muß, da Gott aus großer Liebe in Engeln und Menschen als in seinen Palästen wohnet, und die Engel und Menschen wiederum in Gott ihre ewige Ruhe finden. Alle irdische Liebe, alle Brautliebe, alle eheliche Liebe, und allerlei Liebes-Freude, Liebes-Herrlichkeit, Liebes-Ruhe hienieden sind doch für gar nichts zu schätzen gegen die himmlische Hochzeit und den ewigen Sonntag droben, da die rechte selige Ruhe ewiglich grünet und blühet und Gott die Fülle seiner großen Liebe in seine Kinder ausgeußt, ruhet selbst in ihnen und läßt sie wiederum sanft und lieblich in ihm ruhen, daß alle ihre Glieder davon gestärket und erfreuet werden und sie nichts Lieblicheres, nichts Höheres, nichts Besseres und nichts Angenehmeres suchen noch begehren.

Aber noch mehr. Es schaffet diese Einwohnung Gottes in seinen Heiligen auch viele himmlische Früchte, wie Christus sagt: »Wer in mir bleibet und ich in ihm, der bringet viele Frucht (Joh. 15, 5).« Was aber dies für Frucht sei, erkläret St. Paulus, wenn er schreibet, daß die Früchte des Geistes seien: Friede Freude, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit (Gal. 5, 22); und daß das Reich Gottes sei Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist (Röm. 14, 17).

Aus welchen Worten abzunehmen, daß, gleich wie ein guter Baum, gepflanzt am Wasserbach, zu rechter Zeit ausschlägt, grünet und Frucht bringt; und gleich wie die Seele des Menschen in ihrem Leibe nicht müßig ist, sondern besitzt und erfüllet mit ihrer Wirkung und lebendiger Kraft den ganzen Körper durch verschiedene Aemter, daß die Augen sehen, die Ohren hören, die Nase rieche, der Mund rede, die Zunge schmecke und alle Glieder sich regen: – also wohnet und ruhet auch Gott in seinen himmlischen Kindern, den edlen Tempeln und geistlichen Palästen, daß sie aus solcher Einwohnung sind voll aller göttlichen Tugenden, voll Liebe, voll Gerechtigkeit, voll Gütigkeit, voll Friedens und voll aller himmlischer Freuden.

*

IV.
Gott Alles in Allem.

Die vierte Eigenschaft wird von St. Paulo beschrieben (1 Cor. 15. 28), und angezeigt daß in jenem Leben Gott sei Alles in Allem. D. h.: Gott ist da das alleredelste, das allerbeste und das allerhöchste Gut, welches alle Sinne, alle Gedanken und alle Begierden der Himmelsbürger zur Genüge erfüllt, daß sie nichts Lieberes sehen, nichts Lieberes hören, nichts Lieberes schmecken, nichts Lieberes fühlen und nichts Lieberes reden als von ihrem allmächtigen Liebhaber.

Auf dieser Welt ist alles eitel, und alles Thun ist so voll Mühe und Unruhe, daß es Niemand ausreden kann. Auch wo der Mensch in seinem Hause daheim sitzet und hat äußerlichen Frieden von umsitzenden und umherwohnenden Freunden und Nachbarn, da wallet ihm doch sein, Herz und ist wie ein großes ungestümes Meer voll unruhiger und ungestümer Gedanken.

Das Auge siehet sich nimmer satt und das Ohr höret sich nimmer satt (Pred. Salom. 1, 8). Ein Geiziger ist stets geldsüchtig und je mehr er zusammen kratzt, je mehr sein Herz begehret. Könige, Fürsten, Grafen und Herren trachten vielmals dahin, wie sie ihre Herrschaft erweitern und ein Land nach dem anderen an sich bringen. Junge Leute sind geneigt zu hören, wenn man ihnen sagt von Hochzeiten, vom Freien, von Junggesellen und Jungfrauen. Andere haben Lust die Welt zu durchreisen und zu besehen. Und kommt doch alles irdische Trachten nimmer dahin, daß der Mensch sage: nun genug, nun habe ich den Schatz gefunden, darin ich ewig ruhen will! Nun bin ich ganz zufrieden, nun begehre ich nichts mehr, nun sind mir meine Augen, meine Ohren und mein Herz zu vollkommener Genüge erfreuet und ersättigt, daß ich nichts Höheres und nichts Edleres mehr wünsche! Sondern es heißt und bleibet Eitelkeit über alle Eitelkeit.

Solches Alles kommt daher, daß irdische Königreiche, Wollust, Pracht, Ehre, Herrlichkeit, Silber, Gold, Schätze und Reichthum sind arme Bcttelstücke, die das menschliche Herz und seine fünf Sinne nicht können ersättigen noch ihnen vollkommene Ruhe schaffen. Darum spricht Salomo (Sprw. 27, 20): »Hölle und Verderben werden nimmer voll, und der Menschen Augen sind auch unersättlich.« Aber Gott ist allein das unendliche, unermeßliche und unaussprechliche Gut. Und weil er im ewigen Leben seine sonderliche Lust hat, bei den Menschenkindern sichtbar zu sein und wohnet bei ihnen in großer Liebe: so wirkt diese Einwohnung auf beiden Seiten eine süße vollkommene Ruhe,daß die unaussprechliche Liebe Gottes in seinen Auserwählten lieblich ruhet und sie wiederum sanft und lieblich in Gott ruhen und sagen mit dem Apostel Philippo: nun genüget uns! Und mit dem Könige David: sei nun zufrieden, meine Seele, denn der Herr ist mein Gut und mein Theil (Pf. 116, 7). Herr Mein Gott, sagt da Jederzeit nun bin ich satt, dieweil ich Dein Antlitz sehe, und nun frage ich nichts nach Himmel und Erde, dieweil ich Dich habe und weil Du bist mein Theil und meines Herzens Trost (Ps. 73).

Von dieser seligen Ruhe schreibt Augustin: »Es ist fürwahr eine sichere Ruhe des Herzens, wenn es sich ganz einläßt in die Liebe Gottes und begehret nicht irgend etwas Anderes, sondern hat seine süße selige Lust an dem, das es fasset. Wenn es aber durch eitele, nichtige Gedanken oder sonst durch andere Geschäfte von solcher Liebe abgezogen wird, so eilet es doch wieder zurück und hält es für ein Elend, daß es anders wohin kommt, da es eine Weile verziehen und harren soll. Denn gleich wie der Mensch jeder Zeit, alle Stunden und Augenblicke, der göttlichen Gütigkeit genießet und gebrauchet, also soll auch keine Zeit, keine Stunde noch Augenblick hingehen, daß er nicht den lieben Gott in seinem Herzen und Gedachtniß gegenwärtig habe.«

Desgleichen schreibt auch Joh. Ludw. Vivcs in seinem Buch von der Wahrheit des christl. Glaubens gar trefflich hiervon: »Das beste und edelste Werk des menschlichen Willens ist in der Liebe. Die Liebe aber hat Lust und Begierde, daß sie den geliebten Schatz an sich bringe und seiner genieße. Und wenn solches des Menschen Wille erlanget, als dann ruhet er und ist ihm wohl dabei. Wie nun dasjenige ist, das er liebet und zu gebrauchen begehret, also wirds ihm ein Gut sein und also wird er auch selbst gesinnet sein müssen. Vollkommen wohl kann ihm nicht sein, er genieße denn des allerbesten Gutes, welches im Stande ist, die Breite seiner Liebe oder seiner Begierde zu sättigen und zu erfüllen. Nun kann aber nichts, denn allein Gott, solche seine Begierde erfüllen.. Denn alle anderen Dinge, nach denen des Menschen Wille und Streben auch wohl hingereizt und hingelenkt werden kann, sind zu schwach, zu kurz, zu unbeständig und zu gering. Darum ist ihm vollkommen wohl allein in dem Genuß Gottes und in der Vereinigung mit ihm. Alle anderen Güter können uns nicht sättigen; sieverschwinden uns unter der Hand und zerrinnen, so daß das rechte Gut, welches wir suchen, nicht darin begriffen sein kann. So kann auch unsere Vereinigung mit Gott in diesem Leben nicht die Beschaffenheit haben, daß wir dadurch vollkommen selig wären. Darum ist ein anderes Leben nöthig, darin sie vor sich gehet. Denn in diesem Leben können wir wegen der Finsterniß unseres Fleisches unseren lieben Gott nicht so völlig erkennen noch lieben, als wohl vonnöthen wäre. Wir werden von solcher Erkenntniß und von solcher Liebe abgezogen durch den Leib, wenn ihn hungert oder dürstet, oder wenn er schläfrig, krank, mit Schmerzen behaftet oder müde ist. So genießen mir auch nicht vollkömmlich solcher Güter Gottes; ja je heißer allhier die Liebe ist, desto heftiger werden wir mit dem Stachel der Begierde gequälet. Aber wenn wir den Leib abgelegt haben, und wenn er dermaleinst wird verwandelt und verklärt sein: – alsdann werden wir viel heller sehen und viel stärker lieben, mit Gott aufs engste vereinigt sein und seiner unaussprechlichen Güter vollständig genießen.«

Wir können dem ganzen Geheimniß, wie Gott ist Alles in Allem, sein Nachdenken, wenn wir die menschlichen fünf Sinne und die innerlichen Seelenkräfte ordentlich nach einander vornehmen und in Gottes Wort nachforschen, wie sie der liebe Gott alle mit seinem Wesen und mit fröhlichem Genuß seiner großen unaussprechlichen Güte lieblich fülle und erquicke.

1.
Gott ist das schönste Gut, welches die Auserwählten in jenem Leben sehen

Was zunächst die Augen anlangt, so ist einmal gewiß, daß die Auserwählten im himmlischen Paradies den lieben Gott von Angesicht zu Angesicht sehen, nicht im dunkeln Wort, wie hier auf Erden, sondern in seiner ganzen Majestät und Herrlichkeit, ohne Vorhang und Decke. Sie schauen die hochwürdigste Dreifaltigkeit mit aufgedecktem Angesicht und sehen den Vater im Sohn, den Sohn im Vater und den heiligen Geist im Vater und Sohn. Auch schauen sie die persönlichen vereinigten Naturen in Christo, wie das Wort ist Fleisch geworden und wie die Fülle der Gottheit in JEsu, der Jungfrau Maria Sohn, leibhaftig wohnet. Sie sehen seine Herrlichkeit, die er hatte bei seinem himmlischen Vater, ehe denn der Welt Grund geleget war (Joh. 17, 5). Sie wandeln in dem Lichte seines Angesichts, sind fröhlich über seinem Namen und herrlich in seiner Gerechtigkeit. So ist auch da keine Nacht, und sie bedürfen keiner Leuchte, noch des Lichts der Sonnen. Denn Gott der Herr erleuchtet sie und seine Herrlichkeit scheinet über ihnen, daß sie in seinem Licht das Licht sehen und werden davon herzlich erfreuet, erquicket und gesättiget, daß sie nichts Höheres zu sehen begehren (Offenb. 22, 5).

Die Königin vom Reich Arabien preiset die Männer und Knechte selig, die allerwege vor Salomo standen und seine Herrlichkeit sahen (1 Kön. 10, 8). Der König Ahasverus tröstet sein betrübtes Gemahl, die gottselige Esther, und da er sie freundlich ansah und fragte: was ist dir Esther? ich bin dein Bruder, fürchte dich nicht! – antwortete sie: »da ich dich ansah, däuchte mich, ich sähe einen Engel Gottes; darum erschrak ich vor deiner großen Majestät, denn du bist sehr schrecklich und deine Gestalt ist ganz herrlich« (Stücke in Esther 4, 8-12). Aber was ist solche Herrlichkeit gegen die Herrlichkeit des ewigen himmlischen Vaterlandes, welches Gott als ein Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes von allem Zorn und Schrecken rein gefegt und mit eitel Sicherheit und Freuden erfüllet hat, läßt sich von Angesicht zu Angesicht daselbst aufs Allerlieblichste sehen und lachet seine Kinder freundlich an mit allen heiligen Engeln, daß sie auch nur für einen Augenblick solcher Herrlichkeit nicht die ganze weite Welt nehmen würden?

O wie herzlich hat den heiligen Augustin nach diesem Licht verlanget, daß er Gott von Angesicht zu Angesicht in Freuden anschauen möchte! »Das Licht auf Erden, sagt er, das an die Schranke des Raumes gebunden ist, das mit der Zeit abnimmt, das mit Eintritt der Nächte sich ändert und das wir mit den Thieren gemein haben: – das ist im Vergleich mit jenem allerhöchsten Licht nicht für ein Licht, sondern für eine Nacht zu halten. O du allerältestes Licht, welches vor allen andern Lichtern auf den heiligen Bergen der ewigen Tage geleuchtet hat und dem alle Dinge bekannt und offenbar waren, ehe denn sie ihren Anfang nahmen; o Licht, das du hassest allen Makel und bist das allerreinste und allersauberste Licht – sage mir: was hast du für eine Lust an dem Menschen? Was hat das Licht für eine Gemeinschaft mit der Finsterniß? Wo hast du mich bereitet zu einem würdigen Heiligthum Deiner Majestät, daß du zu mir einkehrest und deine Freude an mir habest? Wenn wir werden zu dir kommen, o du Brunnen der Weisheit, du unermeßliches, du ewig brennendes Licht, daß wir dich nicht als durch einen Spiegel, sondern von Angesicht zu Angesicht sehen – alsdann wird unseres Herzens Wunsch gänzlich erfüllet werden. Denn es wird von außen nichts Vorkommen, das man begehre, ohne Dich allein, HErr, Du höchstes Gut, der Du wirst sein der Lohn aller Gottseligen und ihre Ehrenkrone, wie auch die ewige Freude über ihren Häuptern, daß Du sie befriedigst inwendig und auswendig mit Deinem Frieden, welcher höher ist denn alle Vernunft. Da werden wir Dich recht sehen, da werden wir Dich recht lieben, da werden wir Dich recht loben.«

»Denn bei Dir ist die lebendige Quelle und in Deinem Licht werden wir sehen das Licht. Was ist das aber für ein Licht? Es ist ein unermeßlich Licht, ein geistlich Licht, ein unbegreiflich Licht, ein unvergänglich Licht, ein ewig brennendes Licht, dahin Niemand kommen kann, ein unerschaffen Licht, ein Licht der Wahrheit und ein göttlich Licht, welches auch der Engel Augen erleuchtet, welches die schöne Jugend der Heiligen erfreuet, welches ist ein Licht aller Lichter und eine lebendige Quelle. Solches Alles bist Du, HErr mein Gott. Denn Du bist das Licht, in welchem wir werden sehen das Licht, d. h. Dich werden wir sehen in Dir selbst und in dem hellen Scheine Deines Antlitzes, wenn wir Dich werden sehen von Angesicht zu Angesicht.«

»Was heißet aber – Dich sehen von Angesicht zu Angesicht – sonst, als was der Apostel zur Erklärung sagt: erkennen gleich wie ich bin erkannt worden? Ich werde Deine Wahrheit und Deine Herrlichkeit, das ist Dein Antlitz, erkennen. Ich werde erkennen des Vaters Gewalt, des Sohnes Weisheit und des heiligen Geistes Gnade, dazu der allerhöchsten Dreifaltigkeit einiges und unzertheiltes Wesen.«

»Solche Erkenntniß und Anschauung Gottes ist das allerhöchste Gut, ist aller Engel und aller Heiligen Freude. Ja Gott sehen ist der Lohn des ewigen Lebens, eine Herrlichkeit der himmlischen Geister, eine ewige Freude und eine rechte Ehren-Krone. Es ist das wahre Kleinod der Seligkeit, eine wahre Ruhe, eine inwendige und auswendige Freude. Zudem ist's ein Paradies Gottes, ein himmlisches Jerusalem, ein seliges Leben, eine Fülle der Seligkeit, eine ewige Freude und der edle Friede Gottes, der alle Erkenntniß übersteigt und den die Welt nicht kennt.«

»Darin stehet eben die rechte völlige Seligkeit und des Menschen vollkommene Herrlichkeit, daß er sehe das Antlitz seines Gottes, daß er Den sehe, der Himmel und Erde gemacht, der auch ihn geschaffen, erlöset und herrlich gemacht hat. Diesen seinen Schöpfer wird er sehen und ihn sichtbarlich erkennen, er wird ihn mit herzlicher Liebe umfangen, er wird ihn lobend besitzen in alle Ewigkeit. Denn Er, Gott selbst, wird sein das Erbtheil seines Volkes; Er wird sein das Erbe seines heiligen Volkes, das er erlöset hat; Er wird sein ihr Heil, und ihre Vergeltung. Ich bin, sagt er (1 Mos. 15, 1), dein sehr großer Lohn. Wie denn auch sonst große Herren große Geschenke zu verehren pflegen.«

»Ja wahrlich, HErr mein Gott, Du bist sehr groß über alle Götter, und Dein Lohn ist ein großer Lohn. So groß Du bist, so groß ist auch Dein Lohn; sintemal Du nichts Anderes bist, denn Selbst der Lohn. Du bist derjenige, der uns krönet, und bist selbst die Krone; Du bist derjenige, der da verheißt, und bist selbst die Verheißung. Du bist der Vergelter und das Geschenk; Du bists, der da lohnet, und bist selbst der Lohn des ewigen Heils. So bist Du nun, Herr mein Gott, mein Kröner, meine Krone und der Kranz meiner Hoffnung, strahlend in großer Herrlichkeit. Du bist mein Licht, das erfreuet, ein Licht das verneuet, und ein Zierrath, der schön schmücket. Du bist meine Hoffnung, Du bists, nach dem alle Heiligen von Herzen verlanget.«

»Dich sehen, lieber Gott, das ist ein vollkommener Lohn, eine vollkommene Vergeltung und eine vollkommene Freude, deren wir warten. Und das ist das ewige Leben. Darum, wenn wir Dich, den wahren, lebendigen, allmächtigen, unsichtbaren, unumschriebenen und unbegreiflichen Gott, und Deinen eingebornen Sohn, der mit Dir gleiches Wesens von Ewigkeit her ist, unsern HErrn Jesum Christum, welchen Du zu unserem Heil in die Welt gesandt hast in Kraft des heiligen Geistes; wenn wir also Dich, mein Gott, dreifältig in Personen und einig im Wesen, Dich den allein heiligen Gott, ohne welchen kein anderer Gott ist, sehen werden: – erst dann werden wir ganz haben, was wir jetzt noch suchen: das ewige Leben. Ja die ewige Herrlichkeit, welche Du bereitet hast denen, die Dich lieben; behältst sie denen, die Dich furchten, und wirst sie geben denen, die Dein Antlitz immerdar suchen.« So weit St. Augustinus.

2.
Gottes Stimme ist das Allerfröhlichste, was seine Auserwählten im Himmel hören.

Es erfüllet aber Gott auch die Ohren seiner Auserwählten, und seine Stimme ist das Allerlieblichste, was sie hören. Denn sie hören Freude und Wonne, wie der Herr selbst redet (Ps. 51, 10) und Friede predigt seinem Volk und seinen Heiligen (Ps. 85, 9). Und diese seine holdselige Stimme ist die allerherrlichste Musik, also daß keine Harfen, Trompeten, Posaunen, Pauken, Pfeifen, Lauten, Cythern, Cymbeln, kein Saitenspiel, keine noch so wohllautenden Instrumente, keine noch so schöne Orgel so königlich die menschlichen Ohren erfreuen können, als die allerfreundlichste Stimme Gottes, damit er sich wie ein ewiger Vater, wie ein himmlischer Bräutigam und wie ein rechter Seelentröster in jener Welt hören läßt.

Was kann tröstlicher lauten als wenn der himmlische Vater selbst redet und seine Kinder tröstet wie einen seine Mutter tröstet? Wenn der Vater sein väterlich Antlitz sehen läßt in dem Sohn und redet durch den Sohn, und sagt zu einem jeglichen Auserwählten: also habe ich dich geliebt, daß ich dir meinen eingebornen Sohn gab! Ich habe dich je und je geliebet, darum habe ich dich zu Mir gezogen aus lauter Güte? Du bist mein theurer Sohn und mein trautes Kind. Du bist ein Zweig meiner Pflanzung und ein Werk meiner Hände, mir zum Preise (Jerem. 31). Durch Christum, meinen Sohn, habe ich dich erwählet vor Grundlegung der Welt, und durch denselbigen habe ich dich zur Kindschaft verordnet gegen Mich selbst, nach dem Wohlgefallen meines Willens, zu Lob meiner herrlichen Gnade, durch welche ich dich angenehm gemacht habe in dem Geliebten, daß du seiest heilig und unsträflich vor Mir in ewiger Liebe (Eph. 1, 4-6). O du mein liebes Kind, Ich bin dein rechter Vater und Erlöser. Von Alters her ist das mein Name (Jes. 63, 16). Du sollst dich nun ewiglich freuen, und fröhlich sein über dem was ich schaffe. Dich soll fortan weder hungern noch dürsten, und keine Hitze noch Sonne soll dich stechen. Nun soll der Himmel jauchzen und die Erde sich freuen, und die Berge sollen mich mit Jauchzen loben über dem daß ich dich tröste (Jes. 49, 10. 13).

Desgleichen muß es wunderlieblich zu den Ohren eingehen, da Christus, sitzend in des Vaters Schooß, selbst spricht: Ich habe aus großer Liebe mein Leben für dich gelassen. Ich habe dich als einen Gefangenen dem höllischen Riesen abgenommen, ich habe dich als den Raub des Starken losgemacht, und allhier in meines Vaters Hause, da viele Wohnungen sind, hab ich dir die Stätte bereitet und dich zu mir genommen, daß du nun seiest, wo ich bin. Ich habe mich mit dir verlobet in Ewigkeit; Ich habe mich mit dir vertrauet in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit (Hosea 2, 19). Ich will dir die Treue und Gnade halten, die ich deinen Vätern vorlängst geschworen. Darum freue dich und sei fröhlich von ganzem Herzen! Ich habe dich erlöst aus der Hölle und vom Tode errettet. Den Tod habe ich verschlungen ewiglich und wische alle Thränen von deinem Angesicht (Hos. 13, 14; Jes. 25, 4. 8. 9). Nun soll sich dein Herz freuen und deine Freude soll Niemand von dir nehmen. Nun will ich dich recht leiten zu dem lebendigen Wasserbrunnen (Offenb. 7.) und dir schaffen Schmuck, Freudenöl und schöne Kleider. Nun sollst du essen und trinken und fröhlich sein, und vor gutem Muth jauchzen. Und deinen Namen bekenne ich allhier vor meinem Vater und seinen Engeln, daß du sehest, wie dich mein Vater ehre, darum daß du mir gedienet hast und mir nachgefolget bist!

Also muß auch des heiligen Geistes Stimme wundersüß und wundertröstlich sein, da diese seine Worte gehöret werden: Dein Leib, deine Glieder und dein Geist sind mein Tempel und meine Ruhe ewiglich. Hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl. Ich bin dein Tröster, dein Siegel und das Pfand deiner ewigen Erlösung und deines ewigen Lebens, der Geist der Gnaden und des Gebetes, der Geist der dich lebendig gemacht hat, der Geist des Vaters und des Sohnes, der Geist der Weisheit und der Offenbarung, wie »das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgehet des Morgens ohne Wolken, da vom Glanz nach dem Regen das Gras auf der Erde wächst« (2 Sam. 23, 4). Ich erforsche alle Dinge, auch die Tiefe der Gottheit, und offenbare dies, daß du wissest, wie reichlich du von Gott begnadigt seist. O Lätare nun! freue dich sehr und jauchze, denn ich nicht bin ein knechtischer Geist, daß du dich abermal fürchten müßtest, sondern ein kindlicher Geist (Röm. 8, 15) und lasse meine Frucht in dir sehen durch eitel Liebe, eitel Freude, eitel Frieden, eitel Freundlichkeit und Gütigkeit!

Was thut nun die triumphirende Christenheit gegen diese allerholdseligste Stimme ihres Gottes? Zion höret es, sagt David (Ps. 97, 8), und ist froh, und die Töchter Juda sind fröhlich darüber, daß Gott redet in seinem Heiligthum. Sie höret die Stimme ihres Freundes, der anklopft, und preiset seine Kehle daß sie süß und ganz lieblich sei, und seine holdseligen Lippen daß sie seien wie Rosen, die mit fließender Myrrhen triefen.

3.

Gott ist das höchste Gut, davon man im Himmel redet.

Darum ist denn auch der Mund der seligen Zioniten voll Lachens und ihre Zunge voll Rühmens (Ps. 126), daß nichts im ganzen Himmel verkommt, was sie, die triumphirenden Christen, so hoch erheben, preisen, rühmen und ehren, als den starken allmächtigen Gott, ihren ewigen Vater, und JEsum Christum, ihren ewigen Bräutigam, und Gott den heiligen Geist, ihren ewigen Tröster. Ihr Herz ist voll Freuden und brennet von vollkommener Liebe gegen die ganze heilige Dreifaltigkeit. Und weß ihr Herz voll ist, deß gehet der Mund über, daß sie mit fröhlicher Stimme unseren Gott ewiglich loben.

Wir danken Dir, Gott, sagen sie, wir danken Dir und verkündigen Deine Wunder (Ps. 75, 2). Groß und wundersam sind Deine Werke, Herr, allmächtiger Gott; gerecht und wahrhaftig sind Deine Wege, Du König der Heiligen (Offenb. 15, 3). Deines Lobes ist der Himmel voll und Deiner Ehre ist die Erde voll (Habak. 2, 14). Gott, Du bist unser Heil, und wir sind sicher und fürchten uns nicht. Du bist unsere Stärke, unser Psalm und unser Heil. Mit Freuden schöpfen wir nun Wasser aus dem Heilsbrunnen und danken Dir, Herr, und verkündigen Deinen Namen, wie der hoch ist (Jes. 12, 2-4). Wir loben Dich in Deinem Heiligthum, wir loben Dich in der Veste Deiner Macht. Wir loben Dich in Deinen Thaten; wir loben Dich in Deiner großen Herrlichkeit. Wir loben Dich mit Posaunen, Psaltern und Harfen. Wir loben Dich mit Pauken und Reigen; wir loben Dich mit Saiten und Pfeifen. Wir loben Dich mit hellen Cymbeln, wir loben Dich mit wohlklingenden Cymbeln (Ps. 150).

4.
Gott ist im Himmel ein Baum und Wasser des Lebens.

So schmecken sie auch, die seligen Auserwählten, wie freundlich der Herr sei; sie essen vom verborgenen Manna und werden trunken von den reichen Gütern seines Hauses. Ja Er tränket sie mit Wollust als mit einem Strom. Esset, sagt er, meine Lieben, und trinket, meine Freunde, und werdet trunken; esset das Gute, daß eure Seele in Wollust fett werde (Jes. 55, 2).

Dieser fröhlichen Stimme folgen sie und sitzen mit Abraham, Isaak und Jakob und allen gottseligen Patriarchen ewiglich zu Tische. Sind daher ewig schön, lieblich und allezeit trunken, nicht von irdischem Wein, daraus ein unordentlich Wesen folget, sondern voll heiligen Geistes und voll vom Wasser des Lebens, daß sie vor Freuden jauchzen, singen, springen, jubiliren, triumphiren. Ihre Seele lobet den Herrn, und ihr Geist freuet sich Gottes, ihres Heilandes. Reden unter einander von Psalmen und geistlichen Liedern, singen und spielen dem Herrn in ihrem Herzen (Col. 3, 16). Und weil Er ja selbst ist ihr Manna, Himmelsbrot und Wasser des Lebens, so bekommen sie davon immerdar neue Kraft, als ob er sie mit Blumen erquickte und mit Aepfeln labete, daß sie wie die Adler verjünget werden und von keinem Sterben noch Krankheit wissen.

Wer will uns aber nun sagen, wie solch Essen und Trinken in jenem Leben zugehe? Wahrlich, es ist ein tief Geheimniß, das sich in diesem Leben nicht läßt ergründen. Wir müssen damit warten, bis wir in jene Welt kommen und alles gegenwärtig selbst erfahren.

Doch können wir ihm etlichermaßen nachdenken, wenn wir lassen das Wort Gottes unserer Füße Leuchte und das Licht auf unserem Wege sein. Denn einmal ist gewiß, daß »den Leib Christi geistlich essen und sein Blut geistlich trinken« in diesem Leben nichts Anderes ist, denn an Christum glauben und ihn mit herzlichem Vertrauen ergreifen, so daß er durch den Glauben in uns wohnet und lebet. Nun aber höret in jenem Leben der Glaube sammt der Hoffnung auf und bleibt allein die Liebe. Daraus folgt, daß im Himmel »Gottes Güte schmecken, essen und trinken« nicht kann verstanden werden von dem Genießen im Glauben, sondern nur von einem Genießen, welches geschieht in feuriger Gluth der reinen inbrünstigen Liebe. Denn statt des Bauch's und der irdischen Speise, welche dort abgeschafft sind, läßt Gott sich selbst von den Kindern des Licht's mit vollkommener herzlicher Liebe umfangen, und durch solche seine Liebe machet er sie der Süßigkeit seiner wesentlichen Liebe und seines lieblichen Wesens also theilhaftig, als gäbe und reichte er aus großer Leutseligkeit sich selbst zu schmecken, zu essen und zu trinken, und wirket dadurch himmlische Kraft und Freude in ihnen.

So schmeckt ihnen denn auch unser lieber Gott so lieblich, so süß und so angenehm, daß sie dafür keiner leiblichen Speise noch irdischen Tranks, keiner Confekte, keines Weins noch irgend welcher vergänglichen Erquickung begehren. Gott allein ist ihre allersüßeste Speise und ihr süßester Trank, wie Augustin sehr lieblich hiervon schreibet und sein herzliches Verlangen dahin richtet.

»O HErr mein Gott, sagt er, Du süße Liebe, laß doch meinen Leib Dich essen und alle meine Glieder mit dem süßen Trank Deiner Liebe erfüllet werden, und gieb meinem Herzen, daß es hiervon dichte ein feines Lied. O mein Gott, Du bist mein Honig und Milch, mein süßer Honig und meine weiße Milch. Du bist die rechte Speise für alle, die geistlich stark sind. Laß mich doch in Dir wachsen und zunehmen, daß ich Dich mit starkem Munde essen möge. Du bist mein Leben, das ich lebe; Du bist meine Hoffnung, darüber ich halte; und meine Herrlichkeit, die ich zu erlangen begehre. O Gott, halte Du mir mein Herz, regiere mir meine Sinne, lenke mir meinen Verstand, richte auf meine Liebe, erhebe mein Gemüthe, und ziehe den Mund meines durstigen Geistes hinauf zu den himmlischen Wasserströmen!«

Also ist unser lieber Gott nicht allein das Schönste im Himmel, welches die Augen sehen, das Fröhlichste, das die Ohren hören, und das Lieblichste, davon mit menschlichen und englischen Zungen geredet wird; sondern er ist auch das Allersüßeste und Allerlieblichste, welches sie schmecken.

Wie nun der große König Himmels und der Erde seine unaussprechliche Gütigkeit genießen lässet, also findet er an seiner himmlischen Braut, was ihm wiederum auch ist wie eine angenehme Speise, wie Milch, wie Honig und wie ein süß Opfer, – aus großer inbrünstiger Liebe gegen sie. Das ist das Lobopfer und die Farren ihrer Lippen, wie auch ihr ganzes Herz, mit reinen Liebesflammen durchfeuert und dermaaßen zu ihm gerichtet, daß sie, die auserwählte Braut, allerwege in ihm wallet, in ihm lebet, in ihm wohnet, ruhet, frohlocket und ihm so wohlgefällig dienet, als reichte sie ihm ihre Brüste und gäbe ihm Honig zu essen und Milch zu trinken. Und dies ist das rechte Freudenmahl, davon die Braut in dem Hohenliede rühmet: »Ich sitze unter dem Schatten, deß ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süße. Er führet mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Panier über mir. Er erquicket mich mit Blumen und labet mich mit Aepfeln; denn ich bin krank vor Liebe (Hohel. 2, 3-5).« Dagegen ergötzet sich der himmlische Bräutigam auch wiederum an ihr und spricht: »Deine Brüste, meine Schwester, liebe Braut, sind lieblicher denn Wein und der Geruch deiner Salbe übertrifft alle Würze. Deine Lippen sind wie triefender Honigseim, Honig und Milch ist unter deiner Zunge. Ich habe meine Myrrhen sammt meinen Würzen abgebrochen; ich habe meines Seims sammt meinem Honig gegessen; ich habe meines Weins sammt meiner Milch getrunken« (Hohel. 4, 10, 11; 5, 1).

5.
Gott ist im Himmel ein Geruch des ewigen Lebens.

Weiter ist der Name Gottes in seinem himmlischen Paradies auch wie eine ausgeschüttete Salbe, edler, kräftiger und lieblicher, denn kein Freudenöl, keine Myrrhen, keine Aloe noch Kezia (wie in der Schrift solche Gerüche gerühmet werden) sein mag. Dazu köstlicher als der Balsam, welcher vom Haupte Aarons in seinen Bart und Kleid herabfloß und von edlen Spezereien, als Myrrhen, Cinnamet, Kalmus, Kasien und Oel von Oelbäumen nach der Apotheker-Kunst bereitet war (2 Mos. 30, 23 ff.). Er ist ein Geruch des ewigen Lebens und läßt seine gute Salbe ewiglich riechen. Und wie er der allerlieblichste Geruch für seine Kinder ist, also sind sie ihm wiederum mit ihrer heiligen Liebe ein köstlicher, süßer Geruch und Rauchopfer, und riechen ihm lieblicher denn im alten Testament alle Spezereien von Balsam, Stackten, Galban und reinem Weihrauch zusammengemengt und nach der Apothekerkunst bereitet, daß es hieß das allerheiligste Rauchwerk.

Wendet sich der König, sagt die Schrift, so giebt seine Narde alsbald den lieblichen Geruch, und sind seine Kleider wie eitel Myrrhen, Aloes und Kezia, seine Backen wie die wachsenden Würzgärtlein der Apotheker, und seine Lippen wie Rosen die mit fließender Myrrhen triefen. Desgleichen übertrifft die himmlische Braut mit ihrem Geruch alle Würze. »Ihre Kleider sind wie der Geruch Libanons, ihr Gewächs wie ein Lustgarten von Granatäpfeln, mit edlen Früchten, Cypern mit Narden, Narden mit Safran, Kalmus und Cynnamen, mit allerlei Bäumen des Weihrauchs, Myrrhen und Aloes, mit allen besten Würzen. Wie ein Garten-Brunnen, wie ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen.« So kommt auch der heilige Geist immer dazu, »stehet auf wie ein Nordwind und kommt wie ein Südwind, und wehet durch den himmlischen Lustgarten, daß seine Würze ewiglich triefen« (Hohel. 4, 11-16). Mit solchen verblümten Worten redet die Schrift von diesem Geheimnis. Dabei wollen wir es bleiben lassen, bis wir seinen rechten Verstand im ewigen Leben erreichen.

6.
Gott läßt sich im Himmel von seinen Kindern aufs Lieblichste fühlen.

Noch kommt dazu, daß unser lieber Gott als ein Wort des Lebens sich auch im Himmel fühlen läßt, indem er seine auserwählte und triumphirende Christenheit daselbst recht herzet, küsset sie mit dem Kuß seines Mundes und spricht: »Ich bin dein Schild und habe dich in meine Hände gezeichnet. Ich stärke dich und helfe dir auch. Ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit (Jes. 41, 10). Meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen (Jes. 54, 10). Ich bin eine feurige Mauer um dich her und bedecke dich unter dem Schatten meiner Hände, daß Wonne und Freude dich ergreifen und Trauern und Seufzen ferne von dir seien (Zach. 2, 5). Darum setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn meine Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Gluth ist feurig und eine Flamme des Herrn, daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen« (Hohel. 8).

Nicht aber gehet dies Herzen, Küssen und Fühlen leiblicherweise zu, weil ja Gott als ein Geist nicht wie die erschaffenen Körper gefühlet wird. Sondern es ist ein tief und doch sehr lieblich Geheimniß, davon wir nach Anleitung der Schrift mit menschlichen Worten reden, und nehmen unsere Vernunft gefangen, daß wir den rechten Verstand desselben sparen bis in jenes Leben, da wir's vollkommen verstehen und in Wahrheit erfahren werden.

Aber doch freuen sich über diesen allerfreundlichsten, ewig währenden Kuß die Auserwählten im Herrn, und ihre Seele ist fröhlich in dem lebendigen Gott. O wohl mir, sagt das himmlische Heer, die auserwählte Braut, zu ihrem Ehren-König und ewigen Bräutigam: daß ich habe den Mann, den Herrn. Ich lasse Dich nicht, Du Herrscher der ganzen Welt und Ausgang von Ewigkeit, der Du mich aus großer Liebe zu Dir gezogen hast. Darum folge ich Deinem Wort und setze Dich wie ein Siegel auf mein Herz und wie ein Siegel auf meinen Arm. Und weil ich Dich habe, HErr mein Gott, mein Heil, meine Stärke, und mein Psalm, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; denn Du bist mein und ich bin Dein, bin auch gewiß und in alle Ewigkeit mit Deinem heiligen Geiste versichert und verpfändet, daß mich Niemand kann aus Deiner Hand reißen.

Und dieser himmlische Umgang, diese selige Liebes-Gemeinschaft Gottes mit seinen auserwählten Kindern höret nicht auf, erzeugt auch keine Sattsamkeit noch Ueberdruß, sondern bleibt immer neu und herrlich, und ist viel zu hoch und wunderbar, als daß sie auf dieser Welt mit menschlichen Sinnen sich fassen und ergründen ließe.

7.
Gott ist die Liebe und sättiget im Himmel alle englische und menschliche Liebe.

Es ist auch nichts vorhanden, das die seligen Einwohner im himmlischen Jerusalem herzlicher lieben könnten, als unseren lieben Gott, der da alle englische und alle menschliche Liebe mit dem wundertröstlichen Anblick seines lieblichen Wesens zur Genüge sättigen und erfüllen kann. Darum obwohl im Himmel auch eine vollkommene Liebe des Nächsten unter den Kindern des Lichts ist, daß Einer den Andern liebet als sich selbst, so hat doch die inbrünstige Liebe zu Gott den Vorzug, daß sie ihren allmächtigen Liebhaber über alle Creaturen aufs höchste erheben und weit vorziehen, dieweil sie alle von ihm herzlich geliebet werden und er sie aus großer Liebe wie stattliche Paläste und sonnenklare Tempel bewohnet.

Die Seele des Menschen ist doch nach Gott gebildet und trägt das himmlische Bild völlig in jenem Leben, so daß sie, wie Augustin sagt, mit dem Sohne Gottes zur hochzeitlichen Freude und zur ehelichen Verbindung sich einlassen, und mit dem Könige aller heiligen Engel das süße Joch der Liebe ziehen darf. Diese Liebe zu Gott zwingt alle anderen Kräfte und Bewegungen der Seele unter sich, auf daß sie allein herrsche und das einige höchste Gut, unseren lieben Gott, ergreife und besitze. Also wird die Seele durch Liebe mit Gott vereinigt und die herzliche Liebe und Gegenliebe macht aus den Zweien Einen Geist, und indem die Seele ihren Schöpfer, himmlischen Bräutigam und ewigen Tröster ewiglich liebet, müssen alle Neigungen, alle Regungen, alle Kräfte und alle Gedanken der Seele hierzu dienen und der heiligen reinen Liebe unterthänig sein.

8.
Gott ist im Himmel das seligste Gut, das die Engel und Menschen mit Freuden erkennen.

Endlich ist Gott mit seiner Weisheit auch das höchste Gut, welches die Kinder des ewigen Lebens zu verstehen begehren, und das sie nach gegebenem Maaß auch wirklich erkennen. Denn sie haben da nicht nur die Erstlinge, auch nicht allein den Zehnt, sondern den ganzen Schnitt des heiligen Geistes, daß sie recht sehen und erkennen das Geheimniß der heiligen Dreifaltigkeit, das Werk der wunderbaren Schöpfung, der gnadenreichen Erlösung und der seligsten Heiligung. Es sind die Geheimnisse Gottes ihnen offenbar, denn auch seine heimliche Weisheit und seinen Bund läßt er sie wissen, nicht im dunkeln Wort als in einem Spiegel, sondern im Licht der gegenwärtigen himmlischen Offenbarung, mit lebendiger Stimme, daß Keiner mehr dem Andern sagt, er kenne den Herrn, sondern sie erkennen ihn alle zugleich, beide Kleine und Große.

Und je länger sie die Tiefe der himmlischen Weisheit Gottes mit Verwunderung erforschen und ihr nachdenken, jemehr sie gelüstet, sammt allen heiligen Engeln darein zu schauen, werden's nimmer müde, nimmer satt, nimmer überdrüssig; unangesehen, daß solche hohe, tiefe, breite, weite und unermeßliche Weisheit nach ihrem unendlichen Abgrund unbegreiflich und unergründlich bleibt, und nicht auszumessen noch zu erzählen ist. Dennoch läßt sie sich etlichermaaßen finden, so daß die hocherleuchteten Kinder Gottes soviel aus diesem Abgrunde schöpfen und fassen, als ihnen noth ist; sehen auch, daß die Tiefe der Gottheit eitel wesentliche Liebe ist, und schauen hinein als in einen Feuerofen, Gluth und Brunst solcher Liebe, welche Himmel und Erde füllet. Diesen lieben Gott sammt der Tiefe seiner Weisheit und grundlosen Güte erkennen sie gründlich und trauen ihm ewiglich mit großer Freude und Wonne als ihrem allmächtigen Liebhaber.

Sehet, lieben Freunde, also ist unser Gott droben Alles in Allem, da er in seinen auserwählten Kindern wohnet und ruhet. Er erquickt und erfreuet alle ihre Glieder, Sinne, Herz, Muth und Gedanken, und ist das Schönste das die Augen sehen, das Fröhlichste das die Ohren hören, das Beste das sie riechen, das Edelste davon sie reden, das Süßeste was sie schmecken, das Lieblichste was sie fühlen, das Freundlichste was sie lieben, und das Tiefste dem sie immer nachdenken, obschon dies Sehen, Hören, Schmecken, Reden, Riechen, Fühlen nach unbegreiflicher himmlischer Art geschiehet und unser Fleisch und Blut dies große Geheimniß nicht ergründen kann.

Es ist keiner unter den heiligen Vätern, der dieser Seligkeit und verborgenem Gut so fleißig nachgeforschet hat, als der selige Augustin. Derselbe redet hin und wieder so lieblich und so tröstlich hiervon, als hätte er mit St. Paulo im dritten Himmel gestanden und alles augenscheinlich gesehen und erfahren. Darum bittet er so flehentlich, daß doch Gott mit seiner lieblichen Güte ihm alle seine Gedanken, Herz, Muth und Sinn erfüllen, besitzen und erfreuen wolle.

»O lieber Herr, spricht er, laß mich Dich erkennen, gleich wie Du mich erkannt hast. Laß mich Dich erkennen, der Du bist meiner Seele Kraft und Tugend. Erzeige Dich mir, Herr mein Tröster, und laß mich Dich sehen, der Du bist mein Licht und mein Augentrost. Komm, o Du Freude meines Herzens; laß mich Dich lieb haben, Du Leben meiner Seele. Erscheine mir, mein süßer Trost, Herr mein Gott, Du vollkommene Herrlichkeit meiner Seele. Laß mich Dich finden, Du höchste Begierde meines Herzens; laß mich Dich halten, Du ewige Liebe meiner Seele. O laß mich Dich herzen, mein himmlischer Bräutigam, der Du bist meine höchste Frohlockung inwendig und auswendig. Laß mich Dich besitzen, Du ewige Seligkeit; laß mich Dich besitzen, Du seliges Leben, Du höchste Süßigkeit meiner Seele!

Laß mich Dich lieben, HErr, meine Stärke, mein Fels, meine Zuflucht, mein Erlöser. Laß mich Dich lieben, Gott, mein Helfer, mein starker Thurm und meine süße Hoffnung in aller meiner Trübsal. Laß mich Dich herzen, Du edles Gut, ohne welches nichts Gutes sein kann. Laß mich Deiner genießen, Du Allerbester. Thue mir auf das Inwendigste in meinen Ohren mit Deinem Wort, welches mehr durchdringet wie ein zweischneidiges Schwert, daß ich höre Deine Stimme. Donnere von oben herab, Herr, mit Deiner großmächtigen und starken Stimme. Das Meer brause und was darinnen ist. Das Feld sei fröhlich und alles was darauf ist. Erleuchte meine Augen, Du unbegreifliches Licht. Schieß Deine Strahlen und zerstreue sie, daß sie nicht sehen die Eitelkeit. Laß sehr blitzen und erschrecke sie, daß man sehe die Wassergüsse, und des Erdbodens Grund aufgedeckt werde (Ps. 18).

Gieb mir Augen, Du unsichtbares Licht, die Dich sehen. Schaffe in mir Ruhe, Du Geruch des Lebens, daß ich Dich rieche und daß ich in dem Geruch Deiner Salbe Dir nacheile. Heile mir die Zunge meines Herzens, daß sie schmecke und unterscheide, wie groß und mannigfaltig Deine Süßigkeit sei, Herr, welche Du verborgen und beigelegt hast denen, so in Deiner Liebe völlig sind. Gieb mir ein Herz das an Dich gedenke, ein Gemüth das Dich liebe, Sinne die sich Deiner erinnern, rechten Verstand der Dich ergreife, und Vernunft welche Dir als dem allerhöchsten Gut stark anhange und Dich weislich liebe, der Du bist die allerweiseste Liebe.

O Gott, dem alle Dinge leben, von dem ich das Leben habe, durch den ich lebe und ohne den ich sterbe, mit dem ich mich erfreue und ohne den ich mich ängsten muß, mein liebstes Leben, dessen ich nimmermehr vergessen kann – sage mir doch: wo bist Du und wo soll ich Dich finden, daß ich möge in mir abnehmen und in Dir zunehmen? Ach sei doch nahe meinem Herzen, nahe meinem Munde, nahe meinen Ohren, nahe mit Deiner Hülfe, denn ich bin krank vor Liebe und muß sterben, wenn ich Dich nicht bei mir habe. Wenn ich nur an Dich gedenke, dann werde ich gleich als vom Tode erwecket.

Dein Geruch erquicket mich und Dein Gedächtniß stärket mich. Aber satt werde ich erst sein, wenn mir Deine Herrlichkeit wird sichtbarlich erscheinen. Meine Seele brennet von Liebe und herzlichem Verlangen nach Dir. Wann werde ich doch kommen und vor Dir erscheinen, o Gott meine Freude? Warum verbirgst Du Dein Antlitz? Wo mag er sich doch so verborgen halten, der Schönste, nach dem mich so sehr verlanget? Deinen Geruch schöpfe ich und lebe davon und erfreue mich daran, Dich aber sehe ich nicht. Ich höre Deine Stimme und werde lebendig. Aber warum lässest Du Dich nicht sehen? Vielleicht sprichst Du: kein Mensch kann mich sehen und lebendig bleiben. Ei mein lieber Herr, so laß mich doch sterben, auf daß ich Dich sehe! Und laß mich Dich sehen, auf daß ich dieser Welt sterbe! Ich will nicht leben, ich will sterben, ich begehre aufgelöst und bei Dir zu sein. Mich verlanget zu sterben, auf daß ich meinen Heiland sehe. Mich verdrießt, länger auf der Erde zu leben, und ich sehne mich danach, mit ihm zu leben im Himmel.

O Herr JEsu Christe, nimm auf meine Seele! O Du meine Freude, ziehe mein Herz nach Dir! O Du meine süße Speise, laß mich Dich essen! Herr mein Haupt, regiere mich; Du Licht meiner Augen, erleuchte mich; Du Gott, mein Psalm, erfreue mich; Du mein Geruch, mache mich lebendig; Wort Gottes, erquicke und labe mich! Du Herr, mein Lob, erfreue die Seele Deines Knechtes und kehre zu ihr ein. Kehre zu ihr ein, Du höchste Süßigkeit, auf daß sie Deine seligen Güter schmecke. Du ewiges Licht, mache Dich auf über sie, daß sie Dich erkenne, und Dich liebe in Ewigkeit! –«

*

V. Die himmlische Liebe aller Auserwählten unter einander.

Die fünfte Eigenschaft des ewigen Lebens bestehet in der Liebe des Nächsten und ist der ersten Eigenschaft, da der himmlischen Liebe aller Auserwählten zu Gott gedacht wird, nahe verwandt; gleich wie das andere Hauptgebot im Gesetz: liebe Deinen Nächsten als Dich selbst! nach Christi Wort dem ersten und vornehmsten Gebot, daß wir Gott lieben sollen, aufs engste verbunden ist.

Denn weil das ewige Leben, wie droben gemeldet, ein Leben ist der freudenreichen Liebe, da Gott seine Kinder herzlich liebt und von ihnen auch herzlich wieder geliebt wird, und weil das Gesetz im Grunde von nichts Anderem handelt als von der Liebe, auch nirgends besser erfüllt wird als im Himmel: – so folgt, daß gleichwie die Engel und Menschen daselbst ewiglich mit Gott leben in vollkommener Liebe, also muß auch ihr Leben, das sie unter einander führen, nichts sein denn eitel Liebe, eitel selige Treue, eitel Freundschaft und eitel ewigwährende Freude, Lust und Herrlichkeit.

1.
Wie freundlich und herzlich die Engel und Menschen im Himmel sich unter einander lieben.

Darum, wenn man fragt, was die heiligen Engel und die seligen Menschen droben im Himmel unter einander thun und wie sie leben, so ist die rechte Antwort: es liebet Einer den Andern als sich selbst. Da wissen sie von keinem Haß, von keinem Krieg, von keinem Hader, von keiner Zwietracht, von keiner Uneinigkeit. Keiner treibt Muthwillen, keiner blähet sich, keiner stellet sich ungebehrdig, keiner suchet seinen eigenen Nutzen, keiner erbittert den Anderen, keiner trachtet nach Schaden, sondern sie sind alle mit einander sehr freundlich und sehr liebreich. Es ist unter ihnen eine inbrünstige herzliche Liebe, eine süße Einigkeit, welche ihnen das Herz erfreut und allen Gliedern sanfter thut, als der Thau, der vom Hermon herab fiel auf die Berge Zion (Ps. 133). Denn von dieser ihrer holdseligen Einigkeit ist Gott selbst der Stifter, darum er sie auch mit seinem heiligen Geiste ewiglich stärket und den lieben einträchtigen Kindern mit seinem Segen immer und ewiglich beiwohnet.

Auch siehet man an ihnen eine himmlische Klarheit, daß sie von der majestätischen Einwohnung der heiligen Dreieinigkeit wie die helle Sonne leuchten. Und obwohl Einer vor dem Andern nach verschiedener Wirkung und den mancherlei Gaben des heiligen Geistes einen Vorzug hat – nicht anders wie auch ein Türkis den anderen übersticht, und die Sonne heller scheinet als der Mond und der Mond heller als die Sterne und ein Stern größere Klarheit hat denn der andere –: so erhebt sich doch darüber keine Spaltung noch Mißgunst, und neidet keiner seinen Nächsten der besonderen Vorzüge halber, sondern sie halten einträchtig zusammen, daß ein Jeder über des Anderen Ehre, Schmuck und Gaben sich eben so sehr erfreuet, als wenn es ihm selbst widerfahren wäre, und ein Jeder dem Andern seine Herrlichkeit von Herzen gönnet und sie ansieht, als wenn sie seine eigene wäre.

2.
Wie die Auserwählten im Himmel sich unter einander kennen.

Es ist unrecht, daß man darüber viel Disputirens macht: ob die verherrlichten Kinder Gottes und Bürger im himmlischen Jerusalem sich auch unter einander kennen und Jedermann wisse, wer der Andere sei. Wer wollte doch im geringsten daran zweifeln, zumal die Schrift noch ausdrücklich bezeuget, daß das himmlische Leben lauter Liebe ist? Die Liebe, spricht St. Paulus, höret nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden, und die Sprachen aufhören werden, und das Erkenntniß – d. h. das Stückwerk – aufhören wird. Höret nun die Liebe nimmer auf, so bleibt sie ewiglich, und wird der Kontrakt der Liebe im ewigen Leben vollkommen fest und unauflöslich gehalten. Was sollte aber das für eine Liebe, Einigkeit und freudenreiche Gemeinschaft der Heiligen sein, wenn keiner den Anderen kennte?

Ist doch aller Liebe Natur und Art, daß sie vor allen die zwei Tugenden in sich faßt, die da heißen: Erkenntniß der Gemüther und Gleichförmigkeit des Willens. Denn wo sich Freunde unter einander lieben, da müssen sie sich ja kennen und einerlei gesinnet sein, damit sie nicht wider einander laufen.

Weil denn die Liebe des Nächsten an keinem Orte in der ganzen weiten Welt so stark, so herrlich und so vollkommen im Schwange geht, als im ewigen Leben, da die seligen Engel und Menschen sich herzlich unter einander lieben und in der Liebe ewiglich bleiben; so folget unwidersprechlich, daß solche Liebe und solch Leben die Anschauung und Erkenntniß der Personen mit begreift und daß die Engel den Menschen und die Menschen den Engeln, ebenso auch ein Engel dem anderen und ein Mensch dem anderen viel hundert tausendmal besser, genauer und eigentlicher bekannt sein müssen, denn Mann und Weib, Eltern und Kinder, Brüder und Schwestern, Bräutigam und Braut, Nachbarn, Freunde und Blutsverwandte in dieser Welt sich kennen und jemals erkannt haben.

Daselbst erkennet Moses den Eliam und Elias Mosen, obschon keiner den Andern zuvor in diesem Leben mit leiblichen Augen je gesehen noch leiblich erkannt hat. Desgleichen obwohl der gottselige gläubige Hauptmann zu Capernaum, welcher in seiner Noth Christum ersuchte, der heiligen Patriarchen und Propheten im Fleisch auf Erden nie ist ansichtig geworden: so stehet und kennet er sie doch in jenem Leben, und sitzet mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische. Ja darum kennen sich die lieben Engel und seligen Menschen dort alle unter einander, weil sie alle voll sind des heiligen Geistes, dem nichts verborgen ist. Und kann ich hier recht vom Größeren aufs Geringere schließen in der Weise: Ist der heilige Geist in den Auserwählten und wohnet in ihnen als in seinen lebendigen Tempeln mit solcher Kraft und Klarheit, daß sie völlig illuminirte, hocherleuchtete Herzen haben und die Tiefe der Gottheit mit fröhlicher Verwunderung und ewiger Freude erkennen – was fürwahr eine große überschwängliche Herrlichkeit ist –: wahrlich, so müssen sie auch in Gott dem allmächtigen und ewigen Lichte sich unter einander kennen. Ja in dem Glanz der Herrlichkeit Gottes muß jeder Engel alle Engel und alle Menschen erkennen. Ebenso muß jeder Mensch alle Menschen und alle Engel – obwohl ihrer viel tausendmal tausend sind – unterschiedlich kennen und einen Jeglichen bei seinem Namen zu nennen wissen.

Kennen sich aber die Auserwählten im Himmel, welche auf Erden zu den verschiedensten Zeiten gelebt und sich unter einander im Fleisch nie gekannt haben: so können doch bekannte Freunde, als gottselige Eltern und Kinder, Mann und Weib, Bräutigam und Braut, Bruder und Schwester, Verwandte und Nachbarn, welche in dieser Welt bei einander gewesen und in Liebe und Leid sich freundlich zu einander gehalten haben, in jenem ewigen Leben unmöglich einer dem Anderen unbekannt sein.

Ja mit ganzer, voller Wahrheit kann man sagen, daß ihre Bekanntschaft auf Erden nichts als elendes Halbwerk gewesen gegen die selige himmlische Erkenntniß, da sie sich untereinander tausendmal genauer, besser und eigentlicher erkennen, dazu mit inbrünstiger Liebe sich tausendmal stärker lieben und freundlicher umfangen, denn auf dieser Welt Jemand auszudenken im Stande ist. Die Liebe des Nächsten gehet da in vollem Schwange und in voller Lieblichkeit, als waltete und wohnete Einer in dem Andern, und läuft doch keine stündliche Begier, keine unzüchtige Brunst, noch säuische Weltlust und Fleischeslust mit unter. Sondern Alles ist eitel Keuschheit, eitel Zucht, eitel reine Liebe, reine Erkenntniß, Ehre, Heiligkeit und Herrlichkeit. Denn hier auf Erden waren sie noch Sünder, aber dort leben sie und lieben sie sich ohne Sünde. Und in solcher seligen Liebe finden sie ihre Himmels-Freude, und wissen so gar von keiner Zeit, daß ihnen in ihrer großen Freude und Wonne tausend Jahre sind wie Ein Tag.

3.

Wie die Gottseligen in jenem Leben so einmüthig sind.

Danach folget aus der Liebe, daß die Seligen dort auch müssen alle einerlei gesinnet und nicht irgend worin wider einander sein. Was demnach Moses, Enoch, Elias, die Patriarchen, Propheten und Väter des alten Testaments wollen, das wollen die Apostel und Christen des neuen Testaments auch. Gottes Wille gehet und leuchtet ihnen allen vor, und nach seinem vorhergehenden Willen ist ihrer aller Wille einerlei Wille und einerlei Meinung, und die ganze Summa solches Willens ist, daß sie Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüthe, und darnach auch Einer den Andern als sich selbst.

Was nun die Kinder des Lichts einmüthiglich wollen, das thun sie einmüthiglich, und ihr Herz ist der einmüthigen Liebe und einmüthigen Freude voll. Und wovon ihr Herz voll ist, davon gehet ihr Mund über, so daß sie vom ewigen Leben und von der süßesten Liebe Gottes gegen sie, wie auch von ihrer Gegenliebe zu ihm ohne Unterlaß reden, pflegen der Liebe mit holdseligen freundlichen Worten, herzen sich freundlich, halten sich freundlich zusammen, haben freundliche Gespräche, singen und jubiliren ewiglich dem Herrn Zebaoth, danken ihrem Gott, preisen ihren Schöpfer, ehren ihren Vater, rühmen ihren himmlischen Bräutigam, gehorchen alle dem heiligen Geiste. So sind sie voll der vollkommenen Liebe zu Gott und voll ungefärbter Liebe gegen den Nächsten, voll aller Ehren und Tugenden, voll Gerechtigkeit, voll Keuschheit, voll Wahrheit, Mäßigkeit, reden allein was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich und wohllautet, und ist etwa eine Tugend oder ein Lob (Phil. 4, 8) – das läßt sich in ihren Worten und Werken reichlich sehen, hören und merken.

*

VI.
Die wahre Union.

Die sechste und letzte Eigenschaft des ewigen Lebens ist die wahre Union oder die vollkommene Einigkeit und Verknüpfung durch das Band der Liebe. Gott, Engel und Menschen sind da durch den stärksten unauflöslichen Liebes-Bund wie Ein Geist und Ein Leib, sintemal sie alle von der heiligen Dreifaltigkeit sehr lieblich ersticket werden und sind alle Eins in Gott und Gott Eins mit ihnen, nicht anders wie alle Glieder des Menschen mit dem Haupt Ein Leib sind und sich einträchtig zusammen halten.

Dieser Union gedenket St. Paulus, da er spricht: Wer dem Herren anhanget, der ist Ein Geist mit ihm. Und: Lasset uns rechtschaffen sein in der Liebe, und wachsen in allen Stücken an Dem, der das Haupt ist, Christus; aus welchem der ganze Leib zusammen gefüget, und ein Glied am andern hänget, durch alle Gelenke; dadurch eins dem andern Handreichung thut, nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seiner Maaße (Eph. 4, 15. 16). Und abermal: Gleich wie Ein Leib ist, und hat doch viele Glieder; alle Glieder aber Eines Leibes, wiewohl ihrer viele sind, sind sie doch Ein Leib. Also auch Christus (l Cor. 12, 12). Ich habe ihnen, sagt Christus zu seinem himmlischen Vater, gegeben die Herrlichkeit die Du mir gegeben hast, daß sie Eins seien gleich wie wir Eins sind; ich in ihnen und Du in mir, auf daß sie vollkommen seien in Eins. Und kurz zuvor: Auf daß sie alle Eins seien, gleich wie Du Vater in mir und ich in Dir, daß auch sie in uns Eins seien (Joh. 17).

O der wunderlieblichen und wundertröstlichen Union, deren allhier mit ganz vortrefflichen Worten gedacht wird! Auf Erden hält man's für eine Freude und Herrlichkeit, und ist auch wirklich eine Lust und gewünschtes Leben, wenn Mann und Weib nach Gottes heiliger Ordnung in keuscher ehelicher Liebe sich lieblich und holdselig vertragen und mit einander wohl begehen, sind Ein Fleisch und Ein Leib; desgleichen wenn Eltern und Kinder aus angeborener, natürlicher Liebe sich halten wie Ein Geschlecht, Bruder und Schwester wie Ein Blut, wenn also die Glieder Einer Familie fest und treu zusammen halten. Aber was sind alle diese Vereinigungen und natürlichen Verknüpfungen gegen die himmlische Union, und Hochzeit, da Gott, Engel und Menschen Ein Geist, Ein Leib und vollkommen Eins genannt werden? Wahrlich, diese himmlische Union muß viel tausendmal stärker, köstlicher, theurer und angenehmer sein, denn alle menschlichen Vereinigungen auf Erden sind. Sie muß wahrlich nichts denn eitel herzliche Freude, eitel grundlose Lieblichkeit, eitel unaussprechliche Frohlockung, eitel himmlische Lust in sich begreifen.

Solches können wir abnehmen aus dem edlen Spruch unseres Herrn Christi, da er diese himmlische Union mit einem so prächtigen Namen begabet und heißet sie die Herrlichkeit Gottes.

Hier denket, lieben Freunde, an die göttliche Herrlichkeit, wie Christus und der Vater Eins sind; alsdann werden wir dem andern Geheimniß viel näher kommen und die himmlische Einheit der Auserwählten mit Gott um so besser verstehen.

Gott ist die Liebe und nach der Liebe Art in ihm selbst geschäftig wie eine lebendige Quelle, aus welcher eitel Werke der Liebe, als: – gebären, geboren werden und im Schooß sitzen, und ausgehen –, entspringen und an dem Vater, Sohn und heiligen Geist sich offenbaren. Und weil die wesentliche Liebe an ihr selbst keine wesentliche Trennung leidet, so sind der Vater, Sohn und heilige Geist – unangesehen daß sie unterschiedliche Eigenschaften haben – nicht drei Götter, sondern nur Ein Gott und Ein Wesen in drei Personen. Dies wesentliche Eins ist an sich selbst eitel Herrlichkeit, Freude und Leben, weil es eitel reine Liebe und der ewige Quell der Liebe ist. Zudem ist Christus auch Eins mit dem Vater, nach der ihm gegebenen Herrlichkeit. Denn Er ist nach seiner menschlichen Natur ein Tempel der ganzen Dreieinigkeit, in welchem die ganze Fülle der Gottheit aus unaussprechlicher Wunderliebe nicht ohne große Freude und Herrlichkeit wohnet.

Dies Geheimniß behalt wohl und denke nun weiter nach, was für eine große Herrlichkeit da sein muß, wo Gott, Engel und Menschen Eins sind nicht auf irdische Weise, wie Mann und Weib Ein Fleisch genannt werden, auch nicht wie Eltern und Kinder Ein Geschlecht sind, oder Brüder und Schwestern Ein Blut; sondern so vollkommen Eins, daß diese Vereinigung kann an die Seite gestellt werden der Union, welche Christus mit dem Vater hat.

Es will nämlich unser Herr Christus anzeigen, daß nichts Höheres, nichts Edleres, nichts Lieblicheres, nichts Besseres zu finden sei als der einige Gott, der seinem Wesen nach quellet von ewiger Liebe und ist voll von Werken der Liebe, indem der Vater aus Liebe gebieret, der Sohn aus Liebe geboren wird und der heilige Geist aus Liebe von beiden ausgehet. Nun, will Er ferner sagen, sei nächst dieser Einheit und nächst Seiner Vereinigung mit dem Vater keine Herrlichkeit zu finden, die diesem Geheimniß so nahe käme, als die himmlische Gemeinschaft Gottes mit seinen Auserwählten, Engeln und Menschen, da sie alle durch vollkommene Liebe und Gegenliebe vollkommen Eins sind. Da umfängt unser lieber Gott sehr lieblich alle seine Kinder mit den feurigen Ringmauern seiner inbrünstigen Liebe, daß sie in ihm einmüthiglich ruhen und ihn ewiglich loben. Und er wohnet wiederum in ihnen als in seinem Eigenthum. Siehe da eine Herrlichkeit, welche die seligen Bürger und Hausgenossen Gottes nicht für die ganze Welt hingeben würden!

St. Paulus vergleicht diese Union einem Leibe, der wohl viele Glieder hat, aber doch sind die Glieder alle nur Ein Leib. Also, will er sagen, sind Gott, Engel und Menschen wie Ein Mann oder wie Ein Leib.

Was thun nun die Glieder an einem Leibe? Sie hangen an einander und nimmt sich eins des andern an, als wäre es sein eigen. Werden die Füße verwundet und beschädigt, so kränkt sich das Herz, als wären die Füße ein Stück vom Herzen. Ist das Haupt schwach, so hat erst jedes Glied Mitleiden, als wäre es selbst das Haupt. Dies Alles kommt daher, daß sie Ein Leib sind und alle von Einer Seele durch und durch bewohnt werden. Also sind die Kinder des ewigen Lebens im himmlischen Paradies auch wie Glieder Eines Leibes mit dem heiligen Geist durch und durch eingenommen. Gott ist das Haupt und sagt von ihnen: sie sind alle mein! wer sie ängstet, der ängstet mich (Jes. 63, 9). Desgleichen spricht jeder Mensch: alles ist mein! Gott ist mein! die Patriarchen, Propheten und Apostel, Paulus, Apollo, Kephas, sind alle mein! Also sagt ohne Zweifel auch jeder Engel: Gott ist mein, alle Engel und Menschen sind mein, und ist nichts im Himmel, das nicht mein wäre (1 Cor. 3, 21 ff.)

Wo sich Einer erfreuet, da erfreuen sie sich alle; und wo einem Menschen oder einem Engel irgend eine Widerwärtigkeit, Elend oder Unfall begegnete (was doch in alle Ewigkeit nimmer geschieht): so würde solches Gott selbst sofort empfinden, als wären ihm seine Augäpfel angetastet; und das ganze Himmels-Heer würde es durch Anregung des heiligen Geistes mitherzlichem Mitleiden fühlen, als ginge es einen Jeden selbst an. Da würden sie, gleich den Gliedern am Leibes alle mit einander trauern, zuspringen, Rettung thun und nicht eher zufrieden sein können, als bis dem Elenden geholfen wäre. Nun hat man solche Gefahr im Himmel ganz und gar nicht zu besorgen. Ich führe es auch nur an, um anzuzeigen, daß die selige Union unseres Gottes und seiner lieben Engel und Menschen im Himmel über alle Maaßen stark und mächtig ist und daß sie alle brennen von feuriger Liebe, Liebesflammen, Liebesklarheit und Liebesherrlichkeit.

Da sind die Auserwählten und seligen Menschen einig mit dem allmächtigen lebendigen Gott, dessen Bild sie tragen, und sind ihm gleich, daß sie ihn lieben als ihren Liebhaber, ihn erkennen als ihren Erkenner, und wollen alles was er will; sind weise, gerecht, heilig und unsterblich, wie er auch ist. Auch sind sie ähnlich unserem einigen Erlöser und Seligmacher, und sind mit ihm und durch ihn Kinder Gottes, Priester des Allerhöchsten und herrliche Himmelsfürsten, welche in Christo und mit Christo vor dem Angesicht des Vaters ewiglich erscheinen und tragen die Kronen der Gerechtigkeit.

Einig sind sie in Gott ferner mit den heiligen Engeln. Diesen sind sie auch darin gleich, daß sie keines leiblichen Essens und Trinkens mehr bedürfen, auch nicht auf irdische Weise mehr freien noch sich freien lassen, sondern fühlen mit den Engeln eitel reine himmlische Lust, haben gleiche Freude und gleiche Eiligkeit, sehen zugleich das allerlieblichste Angesicht der heiligen Dreifaltigkeit, lieben sich unter einander herzlich, loben ihren Gott einmüthiglich und singen ihm das himmlische Freudenlied: Heilig, heilig, heilig ist Gott der HErr Zebaoth!

Desgleichen halten auch die Auserwählten unter sich Einigkeit und sind wie Ein Leib, vollkommen Eins in Gott und einer dem andern ähnlich, in der Liebe, in der Erkenntnis, im Willen, in der fröhlichen Anschauung Gottes, in der Seligkeit. Einer liebet den Andern als sich selbst, Einer kennet den Andern als sich selbst, und was Einer will, das will der Andere auch. Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, Patriarchen, Propheten, Apostel und alle Auserwählten sind alle gleich gesinnt, einmüthig im heiligen Geist und fröhlich in dem Herrn, sie lieben einmüthig das ganze Heer der heiligen Engel als sich selbst, werden auch von den Engeln einmüthig wieder geliebt als wären sie Engel, und haben sie, Engel und Menschen, alle einerlei Lust, einerlei Leben und einerlei Seligkeit.

Sie wissen von keiner Traurigkeit, von keiner Trübsal, von keiner Angst, Schmerzen, Uebeln noch Krankheit, und klaget Keiner dem Andern irgend eine Noth, Gefahr oder Unfall. Sie sind völlig in der Liebe und Keiner schmähet, beleidigt oder verfolgt den Andern. So läßt auch Gott den Tod, welcher ist der Sünden Sold, mit seinen Plagen und Wehetagen zum himmlischen Paradies keines Weges hinein brechen. Denn seine Heiligen leben daselbst ohne Sünde und sind mit keinen sündlichen Gedanken, viel weniger mit groben Schanden und Lastern vergiftet.

Zudem fühlen sie keinen Hunger noch Durst, sondern werden mit himmlischen Gütern gesättigt. Und ob wohl sie mit keinem irdischen Brot, Semmel, Bier, Malvasier- noch Champagner-Wein sich speisen und tränken lassen, so essen dennoch die Lieben Gottes zusammen, daß sie satt werden, und trinken daß sie trunken werden, sitzen zu Tische und sind von Herzen fröhlich. Denn Gott ist selbst ihre Speise und Trank, und kann dem sterblichen, Menschen auf Erden keine Speise, kein feines Gebäck, kein köstlicher Trank, kein duftend Rauchwerk so werth und angenehm sein. Gott selbst ist seinen Auserwählten, Engeln und Menschen, hundert tausendmal anmuthiger und lieblicher. Er speiset und tränket sie mit den reichen Gütern seines Hauses. Er füllet sie mit seinem Geist, daß sie unter einander reden von Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singen und spiele dem Herrn in ihrem Herzen, und sagen Dank allezeit für Alles Gott und dem Vater in dem Namen unseres HErrn JEsu Christi.

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