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Lebendigen Trost, beständige Freude und herzliche Wonne wirket in uns die fleißige Betrachtung dieses edlen hohen Artikels unsers christlichen Glaubens vom ewigen Leben. Freuet euch und frohlocket alle Christen, die ihr euch von Herzen nach ihm sehnet! Lasset uns singen, springen, jauchzen und fröhlich sein in dem HErrn, unserem Gott und Heiland, über dem seligen Gut welches er uns, seinen trauten Kindern, aus unermeßlicher Liebe von Anfang der Welt bereitet hat! Er wird es auch zur herrlichen Offenbarung kommen lassen, daß wir es mit unseren Augen gegenwärtig sehen, so bald wir die Ritterschaft unseres Glaubens auf Erden treulich vollendet haben und mit des heiligen Geistes Kraft aus diesem mühseligen Jammerthal durch den letzten Strudel des Todes zu dem himmlischen Vaterland hineingedrungen sind.
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Das ist meines Herzens höchster Trost, meine Freude und Wonne und eine liebliche Ergötzung in allem Kreuz und Widerwärtigkeit, daß ich zu mir sagen kann: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Wirst du doch nicht ewig in diesem trübseligen Jammerthal bleiben! Es ist dir ein ewiges Leben nach diesem Elend bereitet! Und warum sollt ich daran zweifeln? »Euer Herz, sagt der Sohn Gottes (Joh. 14), erschrecke nicht! Glaubet ihr an Gott, so glaubet ihr auch an mich. In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, so wollt' ich zu euch sagen: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten. Und ob ich hinginge, euch die Stätte zu bereiten, will ich doch wieder kommen und euch zu mir nehmen, auf daß ihr seid, wo Ich bin. – Ich gebe meinen Schafen das ewige Leben (Joh. 10). Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben, und kommt nicht in das Gericht, sondern ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen (Joh. 6). Denn wo Ich bin, da sollen meine Diener auch sein, und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren (Joh. 12). Vater, ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen, die Du mir gegeben hast (Joh. 17).«
Was mag aber dies für eine Herrlichkeit sein? »Wahrlich, spricht er zu dem sterbenden Schächer am Kreuz, Ich sage dir: heute wirst du mit mir im Paradiese sein!« (Luc. 23, 43).
Da hören wir doch nicht eines bloßen Menschen Rede, sondern Gottes Wort, Gottes Verheißung und Gottes Zeugniß vom ewigen Leben. Wer wollte diesem göttlichen Zeugniß nicht trauen? Es schreiben auch wohl die Heiden, sonderlich ihre Dichter, gar schön von den Elysäischen Feldern, von den Inseln der Seligen, von Walhalla und Wingolf, d. i. von einer neuen Welt und schönem lustigen Ort, da die Seelen der redlichen und tugendsamen Menschen nach ihrem Absterben von dieser Welt hinfahren sollen. Aber wer will ihren Fabeln trauen? Menschen-Träume sinds, liebliche, ahnungsvolle Gedichte, darauf sich doch Niemand kann gewiß verlassen. Uns aber prediget und verkündiget von diesem edlen hohen Geheimniß der große Amens-Gott, JEsus Christus, welcher ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, und in welches Munde kein Betrug ist erfunden. »Der HErr hats beschlossen, sagt die Schrift (Jes. 14), wer will's ändern? Des HErrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält Er gewiß (Ps. 33). Ihr sollt inne werden, spricht Gott selbst (Hesek. 12, 24, 25), daß keine Weissagung lügen wird. Denn Ich bin der Herr, was Ich rede, das soll geschehen.«
Ja was thun alle Werke der großen Liebe Gottes, denn daß sie uns vom ewigen Leben predigen? Denn wozu sind wir erschaffen? Wozu hat uns Christus vom Tode, Teufel und der Hölle erlöset? Wozu werden wir vom heiligen Geist durch das Wort und die heiligen Sacramente wiedergeboren? Es ist fürwahr der allerheiligsten Dreifaltigkeit vornehmlich nicht zu thun, noch zu thun gewesen um die kurze Zeit unseres vergänglichen Lebens in dieser Welt. So sind wir auch nicht zu diesem zeitlichen Leben getauft und kommen nicht zur Kirche, zum Abendmahl, noch Gottes Wort anzuhören darum, daß wir lernen, wie man ackern, säen, bauen, pflanzen, handthieren, Kaufmannschaft treiben und dieser Welt gebrauchen soll. Denn solches können auch die Unchristen, Juden, Türken und Heiden wohl, und bedarf man hiezu keiner Sacramente, keines Evangelii, und keiner Absolution. Alles aber ist dem lieben Gott zu thun um unsere himmlische Seligkeit und um das ewige Leben. Zum ewigen Leben sind wir erschaffen, zum ewigen Leben sind wir erlöset, zum ewigen Leben wiedergeboren, zum ewigen Leben getauft, und zum ewigen Leben durchs Evangelium berufen. Was ist auch das Ende unseres Glaubens und unserer seligen Hoffnung, wenn nicht das ewige Leben? Und worauf stirbt ein Christ in dem HErrn, denn daß er ruhe und fahre aus dieser Welt in das ewige Leben?
Ei meine Seele, was kränkest du dich und schleppest dich denn mit solcher Schwermuth und sorglichen Gedanken? Ist's wahr, daß alle die vornehmsten Werke Gottes: die Schöpfung, die Erlösung und die Heiligung, danach auch Gottes Wort, Taufe, Absolution, Abendmahl, dazu unser Glaube, unsere Hoffnung und der Christen letzte Hinfahrt aus diesem Jammerthal dem Artikel vom ewigen Leben starkes Zeugniß geben und eigentlich alle nach dem ewigen Leben hingemeint und hingerichtet sind: warum sollten wir denn nicht von Herzen fröhlich sein? Warum sollten wir Christen in unserem Elend vor Angst und Ungeduld uns das Haar ausraufen, uns zu Tode grämen und kümmern und traurig sein gleich den Heiden die keine Hoffnung haben?
Was wollen auch die prächtigen und trostreichen Namen, damit das ewige Leben hin und wieder in der Schrift gekrönet wird? Warum heißets ein Paradies? warum nennets der Herr Christus eine Hochzeit? Aus welcher Ursach bekommts so viele liebliche Namen, daß es heißt: Gottes Reich, des ewigen Vaters Haus, die ewigen Hütten, der heilige Berg des Herrn, ein Strom der Wollust, die lebendige Quelle, der heilige Tempel, Freude die Fülle, eine eheliche ewige Verknüpfung mit Gott, eine Freude des Herrn, ein unvergänglich, unbefleckt und unverwelklich Erbe, ein Erbtheil der Heiligen im Licht, eine große und über alle Maaßen wichtige Herrlichkeit, ein liebliches Wesen, das himmlische Vaterland, das Land der Lebendigen, die heilige Stadt des lebendigen Gottes, das neue Jerusalem?
Wozu dienen uns diese Worte, und warum erhebet der heilige Geist das ewige Leben mit so vielen trostreichen Namen, denn daß wir mitten in unserem Glauben und mitten in unserer Hoffnung zu herzlicher Freude aufgemuntert und vermahnet werden? Was ist lustiger als ein Paradies und Lustgarten? Was lieben junge Leute, Jünglinge wie Jungfrauen, mehr als hochzeitliche Freude, Brautliebe und eheliche Verbindung? Was ist prächtiger als großer Herren Zusammenkunft und ihre majestätische Herrlichkeit? Was macht die Kinder reicher als groß Erbtheil und große Güter? Was ist ansehnlicher als eine mächtige, wohlgebaute Stadt? Was ist in der ganzen Welt berühmter als Jerusalem? Was lautet stattlicher als ein weites Königreich? Was ist anmuthiger als ein Vaterland? Wer siehet nicht gern lustige Maihütten und fruchtbare schöne Berge? Was ist lieblicher als Wollust? Was erquicket und labet durstige Seelen auf Erden besser denn ein süßer und lieblicher Trunk? Was scheinet herrlicher als ein hoher schöngebauter Tempel? Und was ist angenehmer, denn herzliche Freude, eine wichtige Herrlichkeit und ein liebliches Wesen?
Ich sehe die große Eitelkeit unter der Sonne, wie die Welt dem vergänglichen Gut, der Pracht, Ehre, Herrlichkeit und Wollust dieses kurzen Lebens nachtrachtet. Könige, Fürsten und große Herren bauen stattliche Paläste, haben ihr Wohlgefallen an schönen Gärten und pflanzen allerlei fruchtbare Bäume darein. Junge Leute gehen mit Liebe um, und ihre Begierde stehet nach ehelichem Leben. Andere haben Lust die Welt zu besehen, daß sie wissen von weitberühmten und ferngelegenen Landen, von der Schweiz, Italien, Frankreich, England, Amerika u. s. w. zu reden und zu schreiben. Ich sehe, wo ein großer Reichthum zu erben ist, wie die nächsten Freunde aufs genaueste darum zanken und hadern. Ich sehe, wie irdische Könige und Potentaten um große Herrschaften, Städte und Flecken, Land und Leute sich feindlich reißen und blutige Kriege führen. So sehen wir auch, daß unter dem gemeinen Mann des Dichtens und Trachtens nach zeitlichem Wohlleben, nach Reichthum, wie auch nach höherem Stand und Ansehen, kein Maaß noch Ende zu finden ist.
Hier wache auf meine Seele, und bedenke mit Freuden, warum nun die Schrift von den Gütern, Pracht, Herrlichkeit, Ehre und Wollust dieser Welt so viel Worte und Namen entlehnet und leget sie dem ewigen Leben zu. O liebe Seele, es ist der heiligen Schrift darum zu thun, daß sie unser Herz und Gedanken damit zu dem ewigen, himmlischen und unvergänglichen Gut hinlocke und hinwende. Ja sie lehret uns damit, daß keine Hochzeit, keine Brautliebe noch eheliche Verbindung in dieser Welt so lieblich, so herrlich und so angenehm sei, wie das ewige Leben im Himmel ist. Sie lehret, daß kein fürstlicher noch königlicher Lustgarten mit aller seiner Herrlichkeit dem allerlustigsten Paradies Gottes zu vergleichen. Auch lehret sie, daß das ewige Leben ein solcher Schatz, ein solch Reich, eine solche Stadt, ein solch Vaterland, solche Freude, solche Glorie, solche Wollust und ein solches Gut sei, welches die Flügel hoch schwinget und sich sehr hoch erhebet über alle vergänglichen Schätze, über alle Königreiche, über alle Länder, über alle schönen Städte, über alle Pracht, Reichthum, Freude und Herrlichkeit dieser Welt.
Darum, o wohl dem seligen Volk, das jauchzen kann! O wohl den Kindern des Lichts, die dies wunderfröhliche Geheimniß mit herzlicher Freude betrachten! O lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er Dir Gutes gethan hat! (Ps. 103). Denn wer wollte sich dieses edlen hohen Gutes nicht erfreuen und mit allem Fleiß nicht gern danach ringen? Wer wollte nicht gern in dem wunderschönen Vaterland des ewigen Lebens sein? Was machen wir länger aus der Welt? sollten wir billig mit Monika, der Mutter St. Augustins, von Herzen schreien, und warum fliegen wir nicht gen Himmel? warum verlassen wir nicht Alles, was wir haben und folgen Christo nach, daß wir dies heilsame Gut hier im Glauben und hernach im Schauen besitzen? Sollten wir doch, die wir an Christum glauben, aus großer Freude stets in vollen Sprüngen gehen, und mit unseren Gedanken nirgends anders denn im Himmel sein.
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