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Ein segensreicher Anblick.
Der rechte Gebrauch des edlen hohen Artikels vom ewigen Leben.

Da haben wir nun einen kurzen Bericht von dem allerseligsten Vaterland und freudenreichen Paradies des ewigen Lebens. Da haben wir das himmlische Jerusalem, die Stadt Gottes und den Friedenssaal, dahin vor uns gezogen sind alle unsere lieben Freunde, Vater, Mutter, Mann, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern und alle Bekannte, welche auf dieser Welt dem Herrn Christo Glauben gehalten, einen guten Kampf ritterlich gekämpfet und den Lauf ihres Lebens seliglich vollendet haben. O der edlen Krone, die ihnen nunmehr, nach erlangtem Siege, von dem großen Feldherrn droben wird aufgesetzt! O der seligen Freude und Wonne, die sie da sehen, fühlen, schmecken, hören und erfahren durch das fröhliche Anschauen Gottes und die ewig währende Gemeinschaft mit allen heiligen Engeln und allen auserwählten Patriarchen, Propheten, Aposteln und allen Bürgern im himmlischen Jerusalem! O der seligen Ruhe, o der ewigen Liebe Gottes, o der großen Herrlichkeit und des freudenreichen Lebens, damit sie nun ewiglich erquicket und getröstet werden! Victoria! der Sieg ist da! drum singen sie: Halleluja!

Ich freue mich vom Grund meines Herzens, sage ich abermal, wie zu Anfang, und meine Seele frohlocket in dem Herrn, so oft ich an dies himmlische Vaterland gedenke. Und ist mir kein Zweifel, wenn nur dies edle hohe Geheimniß, diese trostreiche Lehre uns recht tief eingeprägt und auf die Tafel unseres Herzens gegraben wäre – wir würden die Zeit unseres Lebens mit keinen Gedanken auf der weiten Welt so viel umgehen, als mit den allersüßesten Gedanken an das ewige Leben. Wir würden allerwege davon reden, singen, schreiben, predigen und Gespräche halten, daß uns auch alle Nächte im Schlaf und in den Träumen nichts Anderes als solche Gedanken und Bilder begegneten.

O wie fröhlich würden wir allezeit sein in der Hoffnung, und voll großer Freude und heiligen Ernstes immer trachten nach dem himmlischen Jerusalem, nach der Stadt Gottes und nach der Wohnung der triumphirenden Christenheit, daß wir möchten je eher je lieber dahin kommen! O wie würden wir hierum zu Gott flehen und immerdar seufzen, und gar nichts fragen nach dieser Welt Pracht, Ehre und Wollust, sondern mit unseren Gedanken, Glauben und Hoffnung stets im Himmel sein!

Ihr betrübten Wittwen und Waisen, ihr gottseligen Eltern und Kinder, ihr Brüder und Schwestern, und alle Freunde in Christo, die ihr beweinet den tödtlichen Weggang eurer Lieben, welche in dem Herrin seliglich entschlafen sind: – o wie einen edlen reichen Trost würdet ihr aus dieser süßen Himmels-Lehre schöpfen, wenn ihr sie euch ließet recht zu Herzen gehen! Denn ob wohl ihr herzlich betrübt seid und eure Augen thränen über den Riß, welchen der Tod an eurer Freundschaft und Gemeinschaft gethan, ja ein Stück von eurem Herzen weggenommen hat, da eben die Liebe am größesten war – – – so würdet ihr euch doch darüber freuen, daß eure Geliebten nun bei Gott sind im himmlischen Paradies des ewigen Lebens, da ihr auch, geliebt es Gott, bald werdet hinkommen, und sie mit Freuden wiedersehen, und Einer den Andern tausendmal besser kennen und tausendmal mehr lieben als ihr hier auf Erden gethan habt. Denn das Leben in jener seligen Welt ist eitel himmlische Liebe, ist ein Freuden-Leben, da Gott seine Liebe sehen läßt und wird von seinen Kindern herzlich wieder geliebt. Da ist auch die Liebe des Nächsten vollkommen rein und ohne Sünde, daß Einer den Andern liebet als sich selbst. Und warum nimmt euch der liebe Gott eure Freunde? warum hat er sie von der Welt ab und zu sich gefordert; und euch durch den zeitlichen Tod getrennt? warum anders als weil Er will, daß ihr alle eure Gedanken sollt von der Erde gen Himmel hinwenden? Er will es, daß wir unser herzliches Verlangen nach ihm und nach dem ewigen Leben hinrichten, damit wir alle droben in heiliger Liebe, Liebes-Freude und Liebes-Herrlichkeit wieder zusammen kommen. Ja das walte Gott!

Ihr Jünglinge und Jungfrauen, wolltet ihr nur einmal den fröhlichen Artikel vom ewigen Leben recht fassen und fest behalten: wie würdet ihr euch dann aller weltlichen Lustseuche entschlagen und mit heiliger himmlischer Liebe umgehen! Wie würdet ihr singen eitel geistliche Brautlieder von Christo, dem Schönsten unter den Menschenkindern, und seiner ewigen Hochzeit in dem himmlischen Paradies des ewigen Lebens! Ja dann würdest du zu deiner Seele sagen: O meine Seele, es freiet um dich der König Himmels und der Erden, JEsus Christus, der da hat holdselige Lippen und ist ein König aller Könige und ein Herr aller Herren. O meine Seele, der dich geschaffen hat, der ist dein Bräutigam. Da du verdammt warst in Sünden zur Hölle, da hat er dich geliebet bis in den Tod. Er ist aus großer Liebe für dich gestorben, daß du vom Tode zum ewigen Leben errettet würdest. Und nun läßt er dich aus großer Liebe durch sein Wort berufen, daß du an ihn glaubest und dein herzliches Vertrauen auf ihn setzest. Wenn du das thust, wird er dich nach diesem Leben aus großer Liebe zu sich hinauf nehmen in das Paradies seines Vaters, und daselbst in großer herrlicher Versammlung seiner heiligen Engel eine ewige freudenreiche Hochzeit mit dir halten. O meine Seele, wie wird Gott der Vater in seinem Sohne, und der Sohn im Vater, dich so freundlich und so lieblich anblicken und anlachen, dazu aus großer Liebe mit seinem heiligen Geist dich so tröstlich erfüllen als wäret ihr Ein Leib und Ein Geist, daß du für solche Herrlichkeit nicht aller Welt Freude und Wollust nehmen würdest. O meine Seele, willst du nun etwas von Herzen lieben, so habe nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist, sondern laß deine Liebe hingerichtet sein zu dem allerschönsten, allerfreundlichsten, allerreichsten und allerprächtigsten Ehrenkönig, der dir dein Herz zur Genüge sättigen wird, was doch sonst keine irdische Pracht, Freude und Lust thun kann.

Also würdet auch ihr Könige, Fürsten und Regenten auf Erden, wenn dieser Artikel euch nur recht bekannt wäre, mit himmlischen Gedanken umgehen und mit dem König David sagen: »Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir! Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott! wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue (Ps. 42)?« Ihr würdet in ernstlicher Erwägung, daß das ewige Leben ein Leben der inbrünstigen und ungefärbten Liebe ist, über alle Dinge unseren lieben Gott, und danach eure Unterthanen herzlich lieben, und den Anfang des ewigen himmlischen Lebens mit solcher Liebe beweisen. Ihr würdet aus aufrichtiger Liebe zu Gott mit allem Fleiß über rechter reiner Lehre des Evangelii in euren Städten, Flecken, Dörfern, Kirchen und Schulen halten. Ihr würdet die Thore weit machen und die Thüren in der Welt hoch aufthun, daß der König der Ehren zu euch und den Euren einzöge (Ps. 24). Aus rechter väterlicher Liebe würdet ihr Recht schaffen den Armen und Waisen, und helfen den Elenden und Dürftigen (Ps. 82). Ihr würdet euch als Kinder des Lichts aller weltlichen Pracht und Hoffahrt entschlagen; nach Liebe, Frieden und Einigkeit trachten, Land und Leute mit neuen Bürden und neuer Schatzung nicht beschweren, sondern als Himmelreichs-Fürsten würdet ihr brennen von heiliger himmlischer Liebe und die christliche Liebe im ganzen Regimente leuchten und merken lassen.

Ihr Christen hohen und niedrigen Standes, ihr Edelleute, ihr Bürger und Bauern, ihr Männer und Frauen, ihr Reichen und Armen, ihr Großen und Kleinen, ihr Alten und Jungen: ihr würdet euch in der Welt Händel und Geschäfte, in Sorgen der Nahrung, in zeitliche Güter, Reichthum, Pracht, Herrlichkeit und vergängliche Wollüste nicht so sehr vertiefen und verwickeln. Ihr würdet euch mit Maria halten zu Gottes Wort, zu den Füßen Christi, und das beste Theil erwählen, das uns nicht kann genommen werden (Luc. 10). O wie würdet ihr trachten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit (Matth. 6)! Wie würdet ihr Gott, euren allmächtigen Liebhaber, so herzlich lieben, und daran denken mit allem Fleiß, wie ihr nur möchtet in seiner Liebe und in seiner Erkenntniß täglich wachsen und zunehmen! Und welch eine Liebe des Nächsten würde unter euch sein, daß Einer den Andern liebete als sich selbst! Ja, ihr ließet allen Groll, Hader, Haß, Zorn, Verbitterung, Neid und Feindschaft fahren!

Desgleichen alle ihr armen elenden Christen, die ihr müsset auf dieser Welt durchs Jammerthal gehen und traurige Augenbrunnen machen: o daß ihr diesen edlen Artikel vom ewigen Leben recht wüßtet und verständet! Wie würdet ihr dann so fröhlich sein in der Hoffnung, und dem Herrn Christo sein sanftes Joch, welches er euch aufgelegt hat, so geduldig nachtragen! Ihr würdet immer an das ewige Leben und an das himmlische Vaterland gedenken und mit St. Paulo sagen: »Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maaßen wichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig« (2 Cor. 4, 17. 18).

Ja, wir alle mit einander würden dieser trostreichen Lehre vom ewigen Leben uns jederzeit hoch erfreuen, und so lange wir auf Erden sind, sie zu vielerlei Nutz und Frommen gebrauchen. Fürs Erste würden wir sie uns dienen lassen zur Vermahnung, daß wir stets in heiliger Liebe wandelten gegen Gott und den Nächsten. Fürs Andere würden wir daraus schöpfen lebendigen und beständigen Trost in allerlei Kreuz und Anfechtung. Fürs Dritte würde sie uns geben fröhliche Anleitung, daß wir lernten der Welt absterben aus inbrünstiger Hoffnung auf das himmlische Vaterland. Endlich zum Vierten würden wir uns dadurch bewegen lassen zum Gebet, daß wir ein immerwährendes Verlangen nach Gott trügen und um das ewige Leben recht seufzeten.

I.
Die heilige Mahnung zum Wandel in der Liebe gegen Gott und den Nächsten.

Zunächst ist wohl über allen Zweifel gewiß: wenn wir uns aus heiliger göttlicher Schrift immer recht daran erinnerten, was die Auserwählten im Himmel für einen Wandel führen, so würden wir mit allem Fleiß danach trachten, daß unser Leben in dieser Welt jenem Leben in der anderen Welt so viel als möglich ähnlich werde. Nun aber ist das ewige Leben im himmlischen Jerusalem, dahin wir ein sehnliches Verlangen tragen, nichts Anderes, denn eine ewige Hochzeit und ein Leben der ewigen inbrünstigen Liebe zwischen Gott und seinen Auserwählten. Stirbt ein Christ und dringt durch den Tod zum ewigen Leben hinein, so kommt die Seele alsbald in das Paradies (Luc. 23, 43), da Alles leuchtet und brennet von unaussprechlicher süßer Liebe, von heiliger Liebes-Freude, Liebes-Kraft und Liebes-Herrlichkeit. Also warten wir auch am jüngsten Tage eines neuen Himmels und einer neuen Erde, darin Gerechtigkeit wohnet, und diese Gerechtigkeit wird sein eitel reine Liebe zwischen Gott und seinen herzlieben Engeln und Menschen (2 Petr. 3, 13).

Solches würden wir ohne Unterlaß jederzeit fleißig bedenken, und uns also bei Zeiten schicken lernen in die Art und Weise des himmlischen Lebens; uns auch hüten vor allem gottlosen Haß, Neid, Feindschaft und teuflischen Werken, welche der Liebe zuwider sind und nicht in den Himmel, sondern in die Hölle gehören. Wir würden als Kinder Gottes und Erben des ewigen Lebens, als Kinder des Lichts, voll heiliger Liebe sein, wie auch voll heiliger Freundschaft und voll heiliger Einmüthigkeit. Darin würden wir fort und fort wandeln und von keinem teuflischen Zorn, Hader noch Rachgierigkeit wissen. Und gleichwie ein Mensch den Anfang seines Lebens schöpfet im Mutterleibe, ehe denn er des vollkommenen Lebens auf dieser Welt fähig und theilhaftig wird, also würden auch wir in dieser Welt durch Regierung und Kraft des heiligen Geistes den Anfang machen des himmlischen Lebens, welches ist ein Leben der ewigen Liebe, ehe denn wir aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schauens versetzt werden.

Wer Gott liebet und den Nächsten, und in solcher Liebe wächset und zunimmt, der führet ein Paradies-Leben auf Erden und einen himmlischen Wandel, ob er gleich noch im Fleisch pilgert und wallet. Wie St. Johannes sagt: »Wir wissen, daß wir aus dem Tode ins Leben kommen sind, denn wir lieben die Brüder« (1 Joh. 3, 14). Und einem solchen Leben würden wir immer weiter nachtrachten und in heiliger Liebe wandeln, wenn wir anders begehren, in den Himmel zu kommen und Gemeinschaft zu haben mit Gott und seinen Auserwählten, welche durch eitel Liebe und Gegenliebe stark zusammen geknüpfet sind. So ist auch die Liebe das Kennzeichen, daran Gott die Seinen kennet und urtheilet, ob sie Theil haben am ewigen Leben. »Dabei, sagt Christus, wird Jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt« (Joh. 13, 35).

O wie würden wir uns dies lassen einen Ernst sein, wenn nur das Verlangen nach dem ewigen Leben in unseren Herzen als ein Feuer brennete und wallete! Wie würden wir dahin stets trachten, daß wir vor allen Dingen Gott liebeten von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe, und danach auch unseren Nächsten als uns selbst! Denn solche Ordnung der Liebe schreibt uns das Gesetz vor. Das ist der ewig unwandelbare Wille Gottes, der keine Aenderung leidet, wie menschliche Verfassungen, und nirgends vollkommener als im Himmel erfüllt wird.

Dann würde kein Blutstropfen in unseren Adern und kein Aederlein an unserem ganzen Leibe sich regen, ja nichts in unseren Seelen, nichts in unseren Gedanken und nichts in unseren Herzen sein, das nicht glühete von inbrünstiger feuriger Liebe zu Gott dem Vater, zu Gott dem Sohn und zu Gott dem heiligen Geist. Dann würden Jünglinge und Jungfrauen von keiner Liebe so viel unter einander reden, singen und Gespräch halten, als von der Liebe, damit uns Gott liebet, und von unserer Gegenliebe zu ihm. Mann und Frau würden Gottes Liebe ohne Unterlaß rühmen, preisen und hoch erheben, und mit ihren Kindern und Gesinde nichts Höheres suchen noch wünschen, denn daß sie eine lebendige Hauskirche des allmächtigen Gottes, mit Leib und Seele sein Eigenthum, sein Tempel und seine Wohnung wären. Es würde ein armes Dienstmägdlein oder sonst ein verachtetes Erdwürmlein in Betrachtung dieses edlen Artikels jederzeit vor Freuden in vollen Sprüngen gehen und denken: was frag ich danach, ob ich in der Welt unwerth und verachtet bin! ist doch Gott im Himmel mein Freund, mein allerliebster Vater, mein allertheuerster Heiland und mein höchster Tröster! Du würdest mitten im Kreuz dich mit der grundlosen Liebe deines Gottes herzlich trösten und allerwege voll himmlischer Freude sein. Du würdest brennen von himmlischer Liebe Tag und Nacht, und dein Herz mit solchen Liebes-Pfeilen durch Gottes Wort vom heiligen Geist verwunden lassen, daß du es fühletest in allen deinen Gliedern. Dazu würdest du täglich zu Gott dem Herrn seufzen und mit solchen Worten dein Herz gegen ihn ausschütten:

O mein allerliebster Gott, ich bin krank vor Liebe zu Dir und kann nicht eher zufrieden sein, als bis ich Dein Antlitz in Gerechtigkeit schaue.

»Laß mich in Deiner Liebe
und Erkenntniß nehmen zu,
Daß ich im Glauben bleibe
und diene im Geist also,
Daß ich hier möge schmecken
Dein' Süßigkeit im Herzen
und dürsten stets nach Dir!«

Laß mich doch Dich lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allen Kräften, und meinen Nächsten als mich selbst; auf daß in dieser Welt mein Herz möge angezündet und angesteckt werden mit dem Licht des himmlischen Lebens, welches in Deinem Paradiese ist!

Ich liebe dich, Herr mein Gott, sagt meine Seele mit St. Augustin, und wollte Dich gern je länger je mehr lieben. Denn Du mir in Wahrheit süßer schmeckest als Honig. Du nährest mich lieblicher, als die beste Milch, und bist mir heller als das hellste Licht. Darum liebe ich Dich über Gold und Silber und über alles Edelgestein. Alles was ich auf Erden anfange, das mißfällt mir und will nicht fort; so gar hat mich die Liebe besessen und das Verlangen, das ich nach Deiner Süßigkeit und dem schönen Schmucke Deines Hauses trage. O Gott, Du edles Feuer das stets brennet und nimmer ausgehet noch ausgelöscht werden kann; o du himmlische Blume, die nimmer welk wird: zünde mich doch an und laß mich von dir angesteckt werden, daß ich Dich ganz und gar liebe und alle meine Liebe nur nach Dir hingerichtet sei. Denn Du wirst nicht vollkommen, sondern schlecht geliebt, wenn man etwas neben Dir liebt, das man nicht in Dir und allein um deinetwillen liebt.

Ich will Dich lieben, Herr mein Gott, denn Du hast mich erst geliebet. Aber woher nehme ich Worte, damit ich genugsam rühme und ausstreiche die Zeichen Deiner großen Liebe, die Du zu mir trägst? Unzählig sind die Wohlthaten, damit Du mich von Anfang her begabet hast. Da ich nichts war, hast Du mich geschaffen nach Deinem Bilde. Du hast mich geehret und erhöhet über alle Creaturen, welche Du gemacht hast. »Du hast mich wie Milch gemolken und wie Käse lassen gerinnen. Du hast mir Haut und Fleisch angezogen, mit Beinen und Adern hast Du mich zusammengefügt. Leben und Wohlthat hast Du an mir gethan, und Dein Aufsehen bewahret meinen Odem« (Hiob 10, 10-12).

Das Alles hast Du aus großer Liebe gethan. Und da ich todt war in Sünden, hast Du aus großer Liebe mir Deinen allerliebsten Sohn geschenkt, und ihn lassen Mensch werden und sterben um meiner Sünde willen, und auferstehen um meiner Gerechtigkeit willen; auf daß ich an ihn glaube und durch den Glauben selig werde. Du giebst mir auch aus großer Liebe, um Deines allerliebsten Sohnes willen, den lieben heiligen Geist, der mich erleuchte, regiere und führe, auf daß ich Dich, den wahren Gott, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, recht erkenne.

Darum liebe ich Dich, Herr mein Gott, mit großer Liebe, und wollte Dich von Herzen gern noch viel mehr lieben. Ach verleihe mir doch, daß ich Dich allerwege liebe, so viel als ich selbst will, und so viel als ich Dich zu lieben schuldig bin. Daß Du allein mögest sein das Ziel, dahin ich alle meine Sinne und alle meine Gedanken immerdar richte. Wo finde ich Dich aber, mein allerliebster Vater, und wo willst Du Dich finden lassen, denn nur in Deinem allerliebsten Sohn? Und wo läßt sich Dein Sohn finden, daß ich ihn liebe, denn nur in seinem Wort? »Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen« (Joh. 14, 23). Dies Wort will ich behalten in meinem Munde und in meinem Herzen. So gieb nun, daß ich Dich liebe in Deinem Sohn, und liebe Deinen Sohn in seinem Wort, und liebe sein Wort in meinem Herzen, daß ich nichts liebe, nichts begehre und nichts suche, was fleischlich, irdisch und des alten Adams ist, sondern daß ich Dich liebe und Dich habe, mit Deinem eingebornen Sohn und mit seinem Wort, in meinem Munde und in meinem Herzen. –

Desgleichen liebe ich Dich, mein allerliebster Herr Jesu, ich habe Dich von Herzen lieb und wollte daß ich Dich könnte immer mehr und mehr lieben. Ach gieb mir doch, mein Herr und mein Gott, daß ich ein fortgehendes Verlangen nach Dir trage und Dich liebe so sehr als ich will und soll. Du bist unermeßlich, und solltest billig ohne Maaß geliebet werden, sonderlich von uns, die Du hast bis in den Tod geliebet und hast uns erlöst und so große Dinge an uns gethan.

O Jesu, du ewig brennende Liebe, Du süßer Herr Christe, Du guter Jesu, du wahre Liebe: zünde doch an alles, was ich habe, mit dem Feuer Deiner Liebe! Stecke mich an mit Deiner Lieblichkeit, mit Deiner Freude, mit immerwährender Begierde nach Dir! Denn solche Begierde ist eine heilige, gute, keusche, reine Begierde; daß ich, ganz und gar mit der Süßigkeit Deiner Liebe erfüllet und mit Deinen Liebesflammen durchfeuert, Dich meinen allersüßesten, allerschönsten Herrn und Heiland lieben möge von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allen Kräften. Wende alle meine Gedanken zu Dir, daß mir das Herz im Leibe wehe thut und daß ich herzlich schreien und weinen möge von inbrünstiger Liebe zu Dir. Laß mich Deiner wahrnehmen mit Furcht und Zittern, und Dich haben und behalten in meinem Herzen, in meinem Munde und vor meinen Augen an allen Orten, damit nicht irgend fremde Liebe mich ergreife.

Ach komm, mein allerliebster Herr Jesu, kehre zu meiner Seele ein und bereite sie Dir, die Du erschaffen und so theuer erworben hast, daß sie möge Dein eigen sein. Ich bitte Dich: verschmähe nicht mein herzlich Flehen! Denn ehe ich Dich anrief, hast Du mich gerufen und gesucht, damit ich Dein Eigenthum würde und Dich suchte. Und wenn ich Dich suchte, sollte ich Dich finden, und wenn ich Dich fände, sollte ich Dich lieben. Nun habe ich Dich gesucht und habe Dich gefunden, Herr mein Gott, und begehre Dich zu lieben.

Darum vermehre in mir doch das inbrünstige Verlangen nach Dir und versage mir nicht, darum ich Dich bitte. Wenn Du mir gäbest alles was Du gemacht hast, so könnte doch Deinen Diener solches Alles nicht sättigen, wo Du nicht Dich Selbst mir schenktest. Ach Herr, ja Dich selbst wollte ich gern haben, Dich selbst wollest Du mir schenken! Ach mein Gott, gieb Dich mir! Siehe ich habe Dich herzlich lieb, und ist es zu wenig, so laß mich Dich noch stärker lieben. Mit Deiner Liebe bin ich umfangen und brenne von inbrünstigem Verlangen nach Dir. Du hast mir mein Herz besessen, Deiner kann ich nicht vergessen.

Siehe, während meine Seele nach Dir seufzet und gedenket an Deine unaussprechliche Güte, fühle ich Linderung meines Jammers und Elends auf dieser Welt, daß mich die Bürde meines Fleisches nicht so hart beschweret wie sonst. Ja meine verworrenen und unruhigen Gedanken legen sich, und meine Sterblichkeit, wie auch meine vielfältige Trübsal kränket mich nicht, wie es sonst zu sein pflegt. Es wird alles still, mein Herz fängt mir an zu brennen, mein Gemüth frohlocket, mein Gedächtniß verjünget sich, mein Verstand wird hell, mein Geist ist angezündet mit inbrünstiger Begierde Dich zu schauen und trachtet mit großer Liebe nach den unsichtbaren himmlischen Gütern.

O daß mein Geist könnte Adlerflügel nehmen und fliegen rastlos und würde nicht müde! Daß er flöge und käme zu Deinem allerschönsten Hause, Du Sohn Gottes, zu dem Thron Deiner Herrlichkeit, und möchte da mit allen Himmelsbürgern erquicket werden! Daß er möchte schmecken Deine heimlichen Güter auf der schönen Aue, bei dem Strom des lebendigen Wassers! O Jesu, Du bist meine ganze Hoffnung, meine beste Freude, mein zukünftiger Lohn. O gieb daß meine Seele Dich stets suche und nimmer müde werde!

Ach wehe der armen Seele, die Christum nicht suchet und nicht liebet! wie muß sie doch verdorren und verschmachten in ihrem Elend! Es ist alles verloren, was ein Mensch liebt, der Dich, Herr mein Gott, nicht liebt. Wer nicht bedenkt, daß er um Deinetwillen, Dir zu Lob und zu Ehren zu leben hat, der ist für nichts Großes zu achten. Wer Dir nicht leben will, der ist lebendig todt, und wer in Dir nicht weise ist, der ist ein Narr.

Du allerbarmherzigster Herr Jesu, ich befehle mich Dir, ich ergebe und übergebe mich Dir. Durch Dich bin ich, was ich bin; Dir leb ich allein. Dir traue ich, auf Dich baue ich, der Du mich wirst vom Tode aufwecken, der Du mich lebendig machest und schaffest mir Ruhe. Dich allein begehre ich, Dich liebe ich, Dich rufe ich an, mit Dir werde ich bleiben, mit Dir werde ich herrschen, mit Dir ewig selig sein. Eine Seele, die Dich nicht suchet, die liebet die Welt und dienet den Sünden, ist den Lastern unterworfen und kann nimmer still und nimmer sicher sein.

O Du allergütigster Herr Jesu, gieb daß meine Sinne Dir ewiglich dienen. Laß mich in dieser meiner betrübten Wallfahrt und Pilgrimschaft doch ja ohn Unterlaß nach Dir seufzen! Es müsse meine Seele in Dir ruhen und in ihrer Ohnmacht stets auf Dich schauen, Du Anfänger und Vollender des Glaubens. Laß mich doch Dein Lob singen mit großem Frohlocken, und gieb daß ich hieran meinen Trost habe in diesem meinem Elend! ja daß mein Gemüth von der Hitze der weltlichen Gedanken sich abwende und seine Flucht nehme zu dem Schatten Deiner Flügel! Mein Herz müsse Rast und Ruhe in Dir haben. Denn außer Dir ist es wie ein wild und wallend Meer voll unruhiger Gedanken, die daher rauschen wie Fluthen und brausen wie Wasserwogen.

O reicher Gott, der Du mit guter himmlischer Speise uns kannst mildiglich sättigen, speise mich doch auch, der ich matt und müde bin. Bring meine zerstreueten Gedanken wieder zurecht. Errette mich armen Gefangenen, heile meinen zerknirschten und zerschlagenen Geist! Siehe, ich stehe vor Deiner Gnadenthür, und klopfe an mit meinem Gebet. Ich bitte Dich durch Deine herzliche Barmherzigkeit, damit Du uns besucht hast, Du Aufgang aus der Höhe: gebeut doch, daß mir Elenden werde aufgethan, damit ich mit freien Tritten zu Dir einkehre, in Dir ruhe und mit Deinem Himmelsbrot gespeiset und erquicket werde! Denn Du bist das wahrhaftige Manna und die lebendige Wasserquelle. Du bist das wahre Licht, das da leuchtet in ewiger Klarheit. Du bist alles das, woraus Deine Liebhaber ihr seliges Leben schöpfen.

O mein Gott, der Du bist das Licht aller Herzen die an Dich glauben, das Leben aller Seelen die Dich lieben, die Kraft aller Gedanken die Dich suchen: verleihe mir, daß ich in Deiner heiligen Liebe wandle! Ich bitte Dich: komm doch und kehre zu meinem Herzen ein, daß es aller zeitlichen Dinge vergesse und nur nach den ewigen Gütern trachte. Ich schäme mich zu sehen, was die schnöde Welt begehret und anrichtet. Was ich auf Erden sehe, das ist mir lauter Traurigkeit. Was ich von vergänglichen Dingen höre, das ist mir beschwerlich und verdrießlich. Darum hilf mir, Herr mein Gott, und gieb meinem Herzen die rechte selige Freude! Komm zu mir! o komm zu mir! Kehre bei mir ein, wie bei dem glücklichen Zachäus, und laß mich Dein Antlitz sehen!

Aber freilich ist mein Herz ein enges Haus. Es ist viel zu klein, viel zu gering, Dich zu empfangen. Darum wollest Du es Selbst erweitern! Es ist sehr baufällig – darum wollest Du es Selbst repariren, lieber Herr, und Dir zur Wohnung bereiten! Auch bekenne ich, daß es mit vielen Untugenden befleckt ist, die Deine heiligen reinen Augen anekeln müssen. Aber wer kann es sonst reinigen, als Du? und wem soll ich es klagen, denn Dir, Herr, allein? Verzeihe mir meine verborgenen Fehler, und bewahre mich vor den Stolzen!

Ach Du süßer Heiland, Du guter Jesu, verleihe mir doch daß ich aus inbrünstiger Liebe und herzlicher Sehnsucht nach Dir von mir ablege und abwerfe alle fleischlichen Lüste und alle irdischen Begierden! Laß mich ja nicht gehorchen des Fleisches Trieben, sondern gieb, daß das Fleisch der Seele, die Seele der Vernunft, die Vernunft Deiner Gnade unterthänig sei. Laß mich ganz und gar, sammt allem was ich bin und habe, mein Auswendiges und mein Inwendiges, Dir unterworfen sein! Gieb mir, daß meine Zunge und alle meine Gebeine Dich loben. Auch erweitere mir meine Sinne, und wende die Augen meines Herzens zu Dir hinauf in die Höhe, daß mein Geist mit schnellen Gedanken zu Dir komme und Dich erreiche, der Du bist die ewige Weisheit. Zudem bitte ich Dich, Du wollest mich lösen von allen Banden der zeitlichen Sorge, daß ich mit Hintenansetzung aller Dinge zu Dir eile, um Dich allein mich bekümmere, und Deiner stetig warte!

Ei Du allersüßester Jesu, ei Du allergütigster, Du allerbester, Du allerwerthester, Du allerangenehmster, Du allerfreundlichster und allerschönster Herr Jesu! ich bitte Dich: geuß doch sehr tief in mein Herz hinein die Ströme Deiner Süßigkeit und die Flamme Deiner Liebe, daß ich nichts möge begehren was irdisch, was fleischlich und vergänglich ist, sondern daß ich allein Dich liebe und allein Dich habe in meinem Herzen und in meinem Munde. Schreibe mit Deinen Fingern in mein Herz das Gedächtniß Deines honigsüßen Namens, daß ich meines JESU nimmermehr vergesse. Schreibe auf die Tafel meines Herzens Deinen Willen und Deine Rechte, daß ich Dich und Deine heiligen Gebote stetig vor Augen habe.

Zünde meine Seele doch an mit Deinem Feuer, welches Du vom Himmel auf die Erde herab gebracht hast, und wolltest daß es sehr brennete. Zünde mich damit an, daß ich Dir einen zerknirschten Geist und ein zerschlagenes Herz alle Tage mit Thränen opfern kann. O mein lieber HErr, es verlanget mich sehr nach Dir, und ich bitte Dich von ganzem Herzen: gieb mir eine heilige Liebe zu Dir, die mich fasse und erfülle ganz und gar. Und gieb mir doch auch ein augenscheinlich Kennzeichen solcher Liebe! Darum, bitte! laß meine Augen zwei lebendige Wasserbrunnen und Thränenquellen sein, die stets fließen und übergehen, daß meine Thränen mögen öffentlich Zeugniß geben von meiner inbrünstigen Liebe zu Dir.

Ich weiß wohl und bekenne, Herr mein Gott: Du hast mich geschaffen, darum bin ich Dir mich selbst ganz und gar schuldig. Du hast mich auch erlöst und bist um meinetwillen Mensch geworden, darum bin ich Dir noch mehr schuldig. Ja ich bin Dir ein Größeres schuldig, als mich selbst, und zwar ein so viel Größeres, als Du größer bist wie ich, für den Du Dich dahingegeben hast. Aber siehe, nun habe ich nichts mehr, und ohne Dich habe ich überhaupt gar nichts, das ich Dir geben könnte. Darum nimm Du mich, und zeuch mich nach Dir, daß ich Dein eigen sei, und Dir, mein Held, wahrhaftig nachfolge! –

Desgleichen habe ich Dich herzlich lieb, Herr Gott heiliger Geist. Du Geist des Vaters und des Sohnes, erleuchtest mich aus großer Liebe und machst mich aus großer Liebe lebendig. O Du wahrhaftiges Licht, Du heiliges Licht, Du wunderliebliches und wundertröstliches Licht! komm mit starker Kraft, brich zu meinem finstern Herzen ein und erleuchte es mit Deinem Glanz, Deiner Klarheit, Deinem hellen Schein! Verwunde alle meine heimlichsten und inwendigsten Gedanken mit dem Pfeil Deiner Liebe, und zünde sie an mit inbrünstigen Flammen der herzlichen Begierde nach Dir. Komm und wohne in mir, und mache mich zu einer Behausung Gottes des Vaters und seines eingebornen Sohnes! Komm, Du allergütigster Tröster, komm Du heiliges Licht, edler Hort, komm und tränke mich mit dem Strom deiner Wollust, daß ich ja nicht lüstern werde nach der giftigen Süßigkeit dieser Welt!

Herr mein Gott, das Licht Deiner Liebe und Deiner Erkenntniß ist angegangen in meinem Herzen – deß bin ich froh. Es ist aufgegangen wie ein Morgenstern und erfreuet mir alle meine Glieder. O vermehre es doch, daß es größer werde und mich ganz und gar einnehme! Was mag es doch für eine Freude sein? was mag es doch für ein Feuer sein, das mir mein Herz so erwärmt? was mag es doch für ein Licht sein, das in meinem Herzen so hell scheinet? O du heiliges Feuer, das nicht ausgehet, zünde mich an! O du heiliges Licht, das nimmer dunkel wird, erleuchte mich! O Herr Gott heiliger Geist, daß ich möchte brennen von dem Feuer Deiner Liebe! Ei du stille heilige Ampel, wie süß brennest du! wie heimlich leuchtest du! wie sanft zündest du die Herzen an!

Erleuchte mich, Herr mein Gott, und reinige mir die Augen meines Herzens, daß ich Dich sehen möge! Wird Dich doch Keiner sehen, der nicht reines Herzens ist. Nimm weg und thue von mir ab die Schuppen meiner Finsterniß, daß ich Dich selbst und in Deinem Lichte das Licht sehen kann. Nun Herr, mein ewiges Licht, ich danke Dir. Siehe, ich sehe Dich mit den Augen meines Herzens, o vermehre und stärke in mir solch Gesicht, daß es heller und klarer werde. Eröffne mir meine Augen, daß ich bedenke die Wunder Deiner Rechten, der Du so wunderbarlich bist in Deinen Heiligen. Ich danke dir, mein allerliebstes Licht. Siehe, ich sehe dich, aber durch einen Spiegel im dunkeln Wort. Wann soll es sein von Angesicht zu Angesicht? Wann kommt doch einmal der Tag der Freude und Frohlockung, da ich eingehen werde zu den Hütten der Gerechten und zu dem Hause meines Gottes, da ich dich sehe von Angesicht zu Angesicht und da mein höchster Wunsch endlich in Erfüllung geht? – –

Sehet, lieben Freunde, also würden wir unser Herz gegen Gott ausschütten und ein unablässig Verlangen nach ihm tragen, wenn nur die Lehre vom ewigen Leben recht in uns eingepflanzt wäre.

Denn wer Gott recht liebt, der denkt immer: wann werde ich zu Gott kommen? wann werde ich die Welt verlassen? wann werde ich von meiner sterblichen Hülle erlöst werden, daß ich den rechten beständigen Frieden finde? Solcher Mensch hat sein Herz und sein Verlangen immer gen Himmel gerichtet, und wo er sitzt, wo er steht, wo er geht, wo er ruht, wo er was thut, da ist sein Herz nimmer von Gott abgewandt. Er reizet und vermahnet alle Leute zu der Liebe Gottes; er rühmet gegen Jedermann, wie süß diese Liebe, und wie dagegen der Welt Liebe eine gallenbittere und schädliche Liebe sei. Er verachtet alle weltliche Pracht, schilt die Bauchsorge, lehret was für eine große Eitelkeit es sei, sein Vertrauen auf vergängliche Dinge zu setzen, und verwundert sich über der Menschen Blindheit, die das Vergängliche so sehr lieben. Auch verwundert er sich, daß die Leute das baufällige und unbeständige Gut so gar ungern wollen verlassen. Denn er meinet: was ihm wohlschmeckt, das müsse Jedermann süß sein; was er lieb hat, das müsse Jedermann gefallen. Er siehet stets den Herrn seinen Gott mit den Augen des Glaubens an, und von solcher geistlichen Anschauung wird er je länger je mehr erquicket. Denn wie ihm Gott ist das Angenehmste, das er liebet und lobet, also ist er ihm auch das Süßeste, daran er ohne Unterlaß gedenket.

Zudem höret er aus herzlicher Liebe zu Gott gern Gottes Wort. Er preiset aus inbrünstiger Liebe die großmächtige Gnade und alle Wohlthaten der ganzen heiligen Dreifaltigkeit. Er betet gern und hält fleißig Gespräch mit Gott, er gehet beständig mit Ihm um. Er denket: Gott ist mein höchster, bester Freund und mein allerliebster Vater; der Herr JEsus ist mein allerschönster und allerwerthester Bräutigam; der heilige Geist ist mein allerfreundlichster Tröster. Die ganze heilige Dreifaltigkeit liebet mich, bereitet mich, und wartet meiner, daß ich zu ihr komme in das ewige Leben. Darum will ich hier auf Erden den Anfang machen meiner Unterhaltung, meines Verkehrs, meiner Communion mit Gott, und will ihn hier loben, ehren, rühmen und preisen, so viel ich kann, bis ich zu ihm komme aus dem Reich des Glaubens in das Reich des Schauens. Dann soll es aus dem vollen Faß gehen, und will ich ihn vollkommen loben in Ewigkeit. –

Danach liebet er auch seinen Nächsten, weil er einen himmlischen Wandel führet und weiß, daß er aus dem Tode zum Leben gekommen ist. Er denket: Gott ist die Liebe, und das ewige Leben ist ein Leben der inbrünstigen Liebe, zu welchem Gott alle Menschen geschaffen. Und hat seinen eingebornen Sohn aus großer Liebe der ganzen Welt geschenkt, auf daß Alle an ihn glauben und durch den Glauben zu solchem Leben eingehen. Ist nun das ewige Leben ein Leben der Liebe, und bin ich zu diesem Leben von Gott dem Vater geschaffen, zu diesem Leben von Christo erlöset, wie auch eben zu diesem Leben durch Gott den heiligen Geist geheiligt: – warum sollte ich denn nicht wandeln in der Liebe und meinen Nächsten nicht herzlich lieben, mit dem ich bei Gott droben in ewiger Liebe und Liebesherrlichkeit leben werde?

Er siehet das Exempel Christi an und lernet von ihm sanftmüthig und von Herzen demüthig sein. Er ist langmüthig und freundlich, er eifert nicht, er treibet nicht Muthwillen, er blähet sich nicht. Er stellet sich nicht ungeberdig, er suchet nicht das Seine, er läßt sich nicht erbittern, er trachtet nicht nach Schaden. Wo er giftige Schlangen sieht und Krötenmäuler, die heimlich auf ihren Nächsten stechen und ihn verleumden, das thut ihm wehe, und hasset er von Herzen Alles, was der ungefärbten christlichen Liebe zuwider ist. Er freuet sich, wenn es recht zugehet, er verträgt alles, er vertrauet alles, er hoffet alles, er duldet alles, und läßt die Liebe nimmer aufhören.

Summa: Wer den Artikel vom ewigen Leben recht bedenkt und wohl zu Herzen nimmt, der ist ein Kind des Lichts und wandelt auf Erden unter den Menschen in ungeschminkter Liebe, als ob er droben im himmlischen Paradies unter den Engeln und seligen Auserwählten lebte. Er ist mit heiliger Liebe umfangen, und was er auch vornimmt, es fließt alles aus inbrünstiger Liebe.

II.
Lebendiger und beständiger Trost in allerlei Kreuz und Anfechtung.

Fürs Andere müssen alle gottseligen und rechtgläubigen Christen bekennen, fühlens auch genug in ihrem Kreuz und Widerwärtigkeit, daß nächst der Zuversicht auf das Blut Jesu Christi und auf seine fröhliche Auferstehung nichts so tief zu Herzen geht und einen so seligen Trost gewährt, als wenn man den letzten Artikel vom ewigen Leben täglich betrachtet und mit gläubigem Herzen oft davon redet.

Deß tröstet sich der fromme Tobias, als er in seinem Hauskreuz von seinen eigenen Freunden verspottet ward und sie mit höhnischen Worten ihm vorwarfen: »Wo ist nun dein Vertrauen, darum du deine Almosen gegeben und so viele Todte begraben hast?« Da strafte er sie und sprach: »Saget nicht also; denn wir sind Kinder der Heiligen, und warten auf ein Leben, welches Gott geben wird denen so im Glauben stark und fest bleiben vor ihm« (Tob. 2, 15-18). Also fasset diesen Trost auch jener Knabe, welcher von Antiochus, dem gräulichen Bluthunde, schrecklich gemartert und zu Tode gepeinigt ward, und sprach zum Könige da er sterben sollte: »Das ist ein großer Trost, daß wir hoffen, wenn uns die Menschen erwürgen, daß uns Gott wird wieder auferwecken« (2 Maccab. 7, 14).

So mache es auch, du lieber Christ, in deinen Nöthen und großen Trübsalen. Wenn dir aller irdische Trost zerrinnt und dein betrübtes Herz durch nichts mehr erfreuet werden kann: dann laß dir diesen edlen Artikel einen Labetrunk sein. Damit wird deine arme Seele sich wieder zufrieden stellen, die Hoffnung wird dir wieder grünen und wirst das Ende in Geduld erwarten.

1.
Die Traurigkeit der Christen über den Tod ihrer Lieben.

Bist du eine arme Wittwe, oder ein armes Waiselein, oder sonst trostlos, und besprengest dich mit deinen eigenen Thränen über das bittere Sterben deiner allerbesten Freunde auf Erden? Ja, da weinest da billig und tragest billig Leid, wie der liebe Sirach spricht: »Mein Kind, wenn einer stirbt, so beweine ihn und klage ihn, als sei dir groß Leid geschehen, und verhülle seinen Leib gebührlicher Weise, und bestatte ihn ehrlich zum Grabe. Du sollst bitterlich weinen, und herzlich betrübt sein, und Leid tragen, danach er gewesen ist« (Sirach 38, 16. 17).

Aber doch, wenn du weißt, daß dein liebster Freund in wahrer beständiger Anrufung und im Bekenntniß des Namens JEsu die Welt gesegnet hat und seliglich in dem Herrn entschlafen ist: so kannst du deine Traurigkeit lindern mit diesem Artikel und sagen: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Habe ich doch meinen Freund nicht verloren, sondern ihn nur lassen vor mir herziehen in das ewige freudenreiche Paradies, da alle gottseligen Patriarchen, Propheten und Apostel, Abraham, Isaak, Jakob, Henoch, David, Elias, Johannes der Täufer, Petrus, Paulus und die Andern wohnen. Zu diesen seligen Vätern, wie auch zu allen auserwählten Engeln und Kindern des Lichts, ist er gesammlet, siehet den lieben Gott von Angesicht zu Angesicht und freuet sich mit vollkommener Freude in alle Ewigkeit. Meine liebe Seele, das solltest du ihm ja von Herzen gönnen! Und darum solltest du dich billig nicht so sehr betrüben, sondern viel mehr fröhlich sein, daß » sein Jammer, Trübsal und Elend ist kommen zu einem seligen End.« Er ruhet von seiner Arbeit, und nähme nicht für einen Augenblick seiner himmlischen Freude diese ganze weite Welt mit allen ihren Reichen, aller ihrer Pracht, Ehre und Herrlichkeit. Er kommt auch nicht wieder zu uns in dies elende Jammerthal.

Du aber, meine Seele, wirst bald zu ihm kommen, und ihn in unaussprechlicher Freude mitten unter den Engeln und allen Auserwählten sehen! Wenn du nur auch erst die sterbliche Hütte deines Leibes abgelegt hast! Es währet hier eine kleine Zeit, und alle Dinge eine Weile. Dort aber wirst du nicht allein deine lieben Freunde wiedersehen, sondern auch den lieben Gott selbst mit deinen Augen schauen. Und Er wird dann abwischen alle Thränen von deinen Augen, und dich führen zu der lebendigen Quelle, daß du in seinem Lichte sehest das ewige Licht und werdest getränket mit Wollust wie mit einem Strom.

Siehe, lieber Christ, den Trost giebt dieser Artikel, und erweckt dazu noch viele liebliche und freudenreiche Gedanken. So bitte ich dich denn um Christi willen, daß du an deinen in Gott verstorbenen Freund nicht anders denkest, als an Einen, der in ein wunderschönes Königreich fern über das große Meer gezogen und daselbst in eine wunderschöne Stadt auf eine sehr prächtige fröhliche Hochzeit gekommen. Dort wartet er auch deiner Ankunft, und sitzt in großen Gütern, in großer Freude und in großer Herrlichkeit, die kein Ende nehmen wird. Warum wolltest du dich dessen nicht von Herzen freuen, und nicht wünschen daß du je eher je lieber auch dahin kommen möchtest?

2.
Das Kreuz der Christen durch Feinde, Krankheiten und leibliche Anfechtungen.

Hast du andere dir aufliegende Noth, Angst, Kammer und Elend, daß du etwa um deine Güter kommst, wirst beraubt, oder unter dem falschen Schein des Rechten um dein Bischen Hab und Gut gebracht? Oder wirst du schmählich an deiner Ehre und gutem Namen von deinen Widersachern angetastet, auch sonst unbillig angefeindet und verfolgt? Kannst auch sonst nirgend zurecht kommen, mußt manchen tiefen Pfützen die Augen austreten, trägst Krankheit, Schmerzen, Plagen und Wehetage am Hals, welche dir keine Rast noch Ruhe lassen, sondern kränken immer das Herz und gebären eitel Schwermuth, ja ein unablässig Seufzen und Weinen?

Siehe, da will abermal dieser Artikel wie ein Trostbecher dir einen Labetrunk geben. Er leitet dich an, daß du dir vorhaltest: Das ist ja ein großer Trost, daß mein Kreuz und Elend nicht ewig währen soll. Denn ich weiß, daß meine Trübsal, die zeitlich und leicht ist, mir schaffet eine ewige und über alle Maaßen wichtige Herrlichkeit, und ist nicht werth der unaussprechlichen Glorie, Freude und Wonne, die an mir soll geoffenbaret werden (2 Cor. 4, 17; Röm. 8, 18). Warum sollt ich denn meinem lieben Heiland und Seligmacher Jesu Christo das Kreuz, welches er mir aufleget, nicht geduldig nachtragen? Es kann doch einmal nicht anders sein, als daß wir, wie die Schrift (Apostelgesch. 14, 22) sagt, durch viele Trübsal müssen in das Reich Gottes eingehen; und daß wir uns zu freuen haben der mancherlei Anfechtungen, da uns ja die Krone des Lebens soll dort gegeben werden (Jak. 1, 2. 12). Leide ich nun hier ein Quentchen Kreuz und Trübsal, wohlan! so ist's um wenige Jahre, oder vielleicht um noch kürzere Zeit zu thun, dann bin ich nicht mehr in der Welt, sondern im ewigen Leben. Da werde ich für ein Quentchen Angst, Noth und Trübsal, die ich auf der Welt erlitten, viele hundert tausend Centner der himmlischen Freude und ewig währenden Herrlichkeit, ja ewige Kraft und ewige Gesundheit von meinem lieben Gott bekommen!

O meine liebe Seele, spricht St. Augustin, was soll ich viel dazu sagen? Wenn wir gleich täglich müßten viel Marter und Qual fühlen, ja auch die höllischen Feuerflammen mit großen Schmerzen eine Zeit lang darum leiden, daß wir den Herrn Jesum Christ in seiner Herrlichkeit droben sehen und mit seinen Heiligen selig sein möchten: so sollten wir's ja billig thun und alles dulden und leiden, was uns wehe thun kann, damit wir nur solches köstlichen Gutes und solcher großen Herrlichkeit möchten theilhaftig werden.

Ei wohlan! so mag mir nun der leidige Teufel immer nachstellen und seine Anfechtungs-Pfeile auf mich hinrichten. Mein Leib werde immerhin ausgehungert, mit mühseliger Arbeit beschweret und mit vielem Wachen ausgemergelt. Es mag mich jetzt Dieser, dann Jener, anschnattern, anschreien, anpochen und unruhig machen. Es mag mich großer Frost und Kälte zur Erde krümmen, und meine Schwermuth mag mir keinen Frieden lassen. Es mag mich eine große Hitze brennen, und das Haupt mir wehe thun. Es mag mich in der Brust stechen, der Magen mag entzündet werden, meine Gestalt mag erbleichen und sich schwach anlassen. Es mag mein Leben von Schmerzen abnehmen und meine Jahre von Seufzen. Es mögen meine Gebeine verfaulen und mein Leib mag zu Staub und Asche werden. Laß immer kommen den letzten Tag meiner Trübsal – ich will gern Alles leiden, daß ich nur zuletzt ruhen möge und hinaus fahren zu unserem seligen Volk.

Mit solchen Trostreden kannst du deiner nothleidenden Seele mitten in der Angst zusprechen und sie damit stärken, auf daß du deine Widerwärtigkeit in der mühseligen Wallfahrt dieses vergänglichen Lebens desto geduldiger ertragest.

3.
Das Aergerniß der Frommen an der Gottlosen Glück und Pracht auf Erden.

Siehest du, daß es gottlosen Weltkindern, verzweifelten Buben, Augendienern, Schalksknechten, Hurern, Verläumdern, verlogenen Doegsgesellen, falschen Brüdern, Distelköpfen und Maulchristen, die mit Gottes Namen, Wort und Sacrament Spott und Hohn treiben, fort und fort wohl gehet? daß sie nicht in Gefahr sind wie andere Leute, du aber wirst täglich geplaget und denkest mit dem Propheten Jeremia: ach Du lieber Gott, wie kommt's doch, daß es den Gottlosen so wohl gehet, und die Verächter haben alles die Fülle? Du pflanzest sie, daß sie wurzeln und bringen Frucht? Du lässest sie viel von Dir rühmen, und züchtigest sie nicht? Mich aber, Herr, kennest Du, und siehest mich, und prüfest mein Herz vor Dir!?

Hier greif flugs zum Artikel vom ewigen Leben und erinnere dich, daß Gott lasset die Buben und verzweifelten Belials-Kinder darum wie die Mastsäue immerhin sicher leben und ihren Muthwillen glücklich fortgehen, weil sie mit dem höllischen Feuer sollen gestraft werden. Aber weil die Kinder des Lichts im Himmel sollen getröstet werden, so müssen sie allhier durch's Jammerthal gehen und Augenbrunnen machen, wie es von Anfang der Welt allen Auserwählten jeder Zeit ergangen ist. Etliche haben Spott und Geißeln erlitten, dazu Bande und Gefängniß. Sie sind gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getödtet. Sie sind umhergegangen in Pelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach, derer die Welt nicht werth war, und sind im Elend gegangen in den Wüsten, auf den Bergen, und in den Klüften und Löchern der Erde.

»Diese alle, sagt der Apostel zu den Hebräern (c. 11, 13-16), sind gestorben im Glauben, und haben die Verheißung (das ist die verheißene Seligkeit und Herrlichkeit des ewigen Lebens, durch Christum Jesum erworben und von Anfang der Welt allen Auserwählten bereitet) nicht empfangen, sondern sie von ferne gesehen, und sich deren vertröstet, und wohl begnügen lassen, und bekannt daß sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind. Denn die solches sagen, die geben zu verstehen, daß sie ein Vaterland suchen. Und zwar, wo sie das gemeinet hätten, von welchem sie waren ausgezogen (d. h. daß ihre irdische Heimath allein ihr rechtes Vaterland wäre) hatten sie ja Zeit wieder umzukehren. Nun aber begehren sie eines besseren, nämlich eines himmlischen. Darum schämet sich Gott ihrer nicht, zu heißen ihr Gott. Denn er hat ihnen eine Stadt zubereitet.«

Gleichwie nun unser lieber Gott mit vielem Jammer diese Wunderleute stark angegriffen und weidlich durch die spitze Angsthechel gezogen hat, damit sie der Welt von Tage zu Tage mehr abstürben und ein herzlich Verlangen nach dem himmlischen Vaterlande des ewigen Lebens trügen, während es den Gottlosen auf Erden wohlging: also läßt er auch heutiges Tages fromme und rechtschaffene Christen auf Erden im Elend wohnen, daß sie verachtete Kreaturen, ja aller Welt Fußboden und Haderkammer sein müssen, und reichet ihnen den Kreuzbecher, von bitterer Galle und Wermuth der Trübsal zugerichtet, immerdar zu trinken, auf daß sie ihre Gedanken von der Welt nach dem seligen Paradies des ewigen Lebens hinwenden, stets nach ihm dürsten und aller weltlichen Pracht, zeitlichen Gütern und vergänglicher Herrlichkeit jelänger jemehr den Rücken zukehren.

Darum sollst du dich an der Gottlosen epicuräischen Pracht, Wollust und zeitlichem Glück nicht ärgern, sondern sie in fröhlicher Betrachtung dieses Artikels verachten lernen und sagen: Liebe Gesellen, es gehe euch nach eurem Willen, so lange Der im Himmel wohnet, eurem Bubenwandel ruhig zusiehet. Ihr mögt immerhin mit Gottes heiligem Namen, Wort und Sakrament euer Gespött treiben, fressen, saufen, geizen, leben in Saus und Braus und aller Lüderlichkeit, ohne alles Kreuz und Anfechtung. Für solche Säue gehören solche Träber. Vor Gott habt ihr nichts, seid verachtet und verworfen. Ich begehre eurer Wollust nicht, warte aber auf ein Anderes, davon ihr gar nichts wißt. Denn mir hat Gott verheißen, daß ich nach diesem Leben soll ewiglich bei Christo sein; während ihr fahren werdet an den Ort, da das Lachen theuer ist. Das Ende meines Glaubens heißet: das ewige Leben. »Laß immer sein, schreibt St. Chrysostomus, daß Einer hundert Jahre in allen Lüsten auf dieser Erde lebte, – Lieber, was ist diese Zeit gegen die Ewigkeit zu rechnen? Wenn wir es recht bedenken, so ist die ganze Zeit dieses vergänglichen Lebens, darin wir in Freude und Wollust unserem Gutdünken nach leben, nichts als der schnell verschwindende Traum einer einzigen Nacht.«

4.
Die Verfolgung treuer Prediger des Evangelii.

Bist du ein Prediger, und mußt für deine treue Lehre, Vermahnung und Warnung manchen Fersenstich vom Satan und seinen aufgeblasenen Halunken empfangen, und leiden was sie wider dich vornehmen mit verschlagenen Kunstgriffen und heimlichen Fallstricken, indem sie ihre Köpfe zusammen stecken und sprechen, wie das Buch der Weisheit meldet (c. 2, 12-20): »Laßt uns auf den Gerechten lauern; denn er macht uns viel Unlust, und setzet sich wider unser Thun, und schilt uns, daß wir wider das Gesetz sündigen, und rufet aus unser Wesen für Sünde. Er giebt vor, daß er Gott kenne, und rühmet sich Gottes Kind; strafet was wir im Herzen haben. Er ist uns nicht leidlich auch anzusehen; denn sein Leben reimet sich nicht mit den Anderen und sein Wesen ist gar ein anderes. Er hält uns für untüchtig und meidet unser Thun als ein Unflath; und giebt vor, wie es die Gerechten zuletzt gut haben werden; und rühmet daß Gott sein Vater sei. So laßt doch sehen, ob sein Wort wahr sei. Ist der Gerechte Gottes Sohn, so wird er ihm helfen und ihn erretten von der Hand der Widersacher. Mit Schmach und Qual wollen wir ihn stöcken, daß wir sehen, wie fromm er sei, und erkennen, wie geduldig er sei. Wir wollen ihn zum schändlichen Tode verdammen. Da wird man ihn erkennen an seinen Worten.« Ists so bei dir?

Nun so merke auf das, was auf dies Pochen und Dräuen folgt. »Solches schlagen sie an, heißt es gleich weiter (Vers 21. 22), und fehlen. Ihre Bosheit hat sie verblendet, daß sie Gottes heimliches Gericht nicht erkennen. Denn sie haben die Hoffnung nicht, daß ein heilig Leben belohnet werde, und achten der Ehre nicht, so die unsträflichen Seelen haben werden.« Und bald hernach (c. 3, 1-3): »Aber der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an. Von den Unverständigen werden sie angesehen, als stürben sie; und ihr Abschied wird für eine Pein gerechnet; aber sie sind im Frieden

Da siehest du, lieber Prediger, was dir der Artikel vom ewigen Leben für herrlichen Trost gewähret. Du darfst nun sprechen: Wohlan! es gehe in der Welt so wüst und verkehrt zu, wie es wolle. Der Teufel und seine verzweifelten Kreaturen mögen immerhin über mich rathschlagen, wüthen, blitzen, donnern und toben, so lange es ihnen Gott zuläßt. Ich will darum nicht ablassen, sondern will es nur desto schärfer machen, desto ernster strafen was zu strafen ist, und in meinem Beruf getrost fortfahren. Meine Feinde sollen das Spiel wider mich keine hundert Jahre treiben. Es ist nur um eine geringe Zeit zu thun. Wenn mich Gott von hinnen abfordert, dann bin ich in einer anderen Welt und in einem besseren Leben. Da wird es aus einem anderen Tone gehen! Da werde ich die Krone der Gerechtigkeit von meinem Feldobersten Jesu Christo, unter dessen Panier ich streite, dessen Kreuzesfahne ich folge, mit Freuden empfangen. Und wie der höllische Leviathan mit seinen Schuppen jetzt die Oberhand hat und ich muß unten liegen, also soll er mit seinem Gesindel mir daselbst wieder zu Füßen liegen, und ich werde mit Christo, meinem Heilande, emporschweben und ewiglich über sie herrschen.

Ebenso tröstet sich auch St. Augustin und spricht: »Die Welt mag wohl wüthen und toben, mit Zungen lästern und schänden, mit Waffen und Wehren drohen und schnauben, und thun was sie nicht lassen kann. Was ist solches alles zu rechnen gegen die Herrlichkeit, deren wir in jenem Leben gewärtig sind? Ich überlege und wäge das, so ich hier leide, gegen das, was ich hoffe; und ob ich gleich fühle, was ich leide, was ich aber hoffe, noch nicht sehe: so ist doch das, was die Christen zukünftig hoffen, überschwänglich größer und besser, denn das uns hier genommen wird.«

Desgleichen sagt Luther: »Sollte man nicht des lieben Herrn Wort und Trost theurer und mehr achten, denn eines ohnmächtigen, unfläthigen, stinkenden Madensacks, oder eines gottlosen Buben und Pochers Zürnen, Drohen, Bannen, Fluchen und Donnern? wenn er gleich die ganze Grundsuppe und ganze Hölle seiner Ungnade und Fluchs wie einen Wolkenbruch über uns ausschüttete? Dieweil ich höre, daß es meinem Herrn Christo so herzlich wohlgefällt, und mich selbst heißet fröhlich dazu sein, dazu trefflichen Lohn verheißet, daß das Himmelreich soll mein sein und alles, was Christus sammt allen Heiligen und der ganzen Christenheit hat. Summa: es ist hier ein solcher Schatz und Trost, dafür ich nicht soll nehmen aller Welt Gut, Freude und Saitenspiel, obgleich alles Laub und Gras eitel Zungen wären; da nicht ein Christ, ja nicht ein Engel mich selig preiset, sondern der Herr aller Engel, dem beide, sie und alle Creaturen, müssen zu Füßen fallen und anbeten. Darum müssen sie mit allen Creaturen, auch Laub und Gras, mich loben und preisen, fröhlich von mir singen und springen. – Was wäre es nun dagegen, wenn alle Creaturen, Blätter und Gras im Walde und Sand am Meere, eitel Zungen wären und sie mich auf das Aeußerste tadelten, lästerten und vernichteten – gegen dieses Mannes einig Wort? Denn Seine Stimme klinget so hell, daß Himmel und Erde davon voll werden und erschallen muß, dagegen verschwinden das spitälische (krankhafte) Heischen, Scharren und Husten seiner Feinde.«

Ich muß allhier gedenken des frommen und Großmüthigen Churfürsten zu Sachsen, Herzogs Johann Friedrich, hochlöblichen Gedächtnisses, welcher, als die evangelischen Prediger zu Augsburg um des leidigen, schändlichen Interims willen verjagt waren, nach derselbigen einem schickte und fragte, wie es ihm ginge. »Gnädiger Herr,« antwortete der Prediger, »der Kaiser hat uns verjagt und das ganze römische Reich verboten.« Darauf fing der Churfürst an zu weinen, daß ihm die Zähren über die Backen liefen; stand auf und ging an das Fenster; wandte sich aber bald wieder und fragte weiter: »Hat er euch denn auch den Himmel verboten?« Der Prediger sagte: »Nein!« »Ei,« antwortete der Churfürst, »so hat es keine Noth! seid getrost, das Reich und der Himmel muß uns doch bleiben.« »Ließ darauf seine Satteltaschen langen und sprach: »Darinnen ist Alles, was ich auf Erden habe; daraus will ich euch einen Zehrpfennig verehren, den theilet unter eure Brüder und Kreuzgesellen. Wiewohl ich auch ein armer gefangener Fürst bin, so wird mir doch wohl Gott was wieder bescheeren.« Das war der Fürst, der, als so viele große deutsche Herren in der Anfechtung abfielen, jedes Ansinnen, dem Interim beizutreten, standhaft von sich wies. »Ich weiß, sprach er, daß es in vielen Artikeln dem Worte Gottes zuwider ist. Würde ich es billigen, so wäre es als ob ich Gott droben in seiner Majestät und die weltliche Obrigkeit hienieden mit gefährlichen Worten betrügen wollte. Ich würde die Sünde gegen den heiligen Geist begehen, die nicht vergeben wird.« Als man ihm seine Bibel und seine lutherischen Bücher wegnahm, sah er ruhig zu und sagte nur: »Ich werde schon behalten, was ich daraus gelernt hab.«

Wir Prediger des göttlichen Wortes sollen in unserem täglichen Streit, welchen wir wider den Teufel und seinen Anhang führen, den Artikel vom ewigen Leben unseren höchsten Trost uns sein lassen und mit St. Paulo sagen: »Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen (1 Cor. 15, 19).« Nun aber ist »unser Leben verborgen mit Christo in Gott« und wir wissen »wenn Christus, unser Leben, sich offenbaren wird, dann werden wir auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit (Col. 3, 3. 4).« »Ihr habt, spricht der Sohn Gottes, nun Traurigkeit. Aber ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen« (Joh. 16, 22). Solche Sprüchlein fassen wir zu Herzen und verzagen nicht, weil wir wissen, daß Gott Selbst unser Lohn im Himmel sein wird.

5.
Der Sterbens-Trost.

Ach bedenke, lieber Bruder, wenn du mit dem Tode ringest und deine Kräfte dich verlassen, kannst kein Tröpflein mehr über deine Lippen bringen, der Hals ist verschwollen, die Zunge bleibet am Gaumen kleben, die Sprache entfällt, das Gesicht vergehet, das Gehör nimmt ab, und der Athem bleibt aus: – ob dir dann auch irgend Etwas tröstlicher sein könne, als eben dieser Artikel. Sonderlich wenn du mit dem Glauben an Christum verwahret bist, und all dein Verlangen nach dein ewigen Leben stehet.

Darfst du doch vor keiner Hölle, vor keinem Teufel, noch vor der häßlichen Gestalt des Todes dich fürchten, nachdem der Sohn Gottes den Teufel dir zum Besten überwunden, die Hölle um deinetwillen erobert und geschleift, dazu dem Tode seine Macht genommen hat, daß er dich muß aus diesem Jammerthal in das ewige Leben durchdringen lassen. Ich werde nicht sterben, sagt David (Ps. 118), sondern leben und des Herrn Werk verkündigen. O Herr, ich bin Dein Knecht, Deiner Magd Sohn. Du hast meine Bande zerrissen. Denn Du hast meine Seele aus dem Tode gerissen, mein Auge von den Thränen, meinen Fuß von dem Gleiten. Ich will wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.

Ja wenn mir die Feinde der göttlichen Wahrheit den Tod droheten, was könnte mir denn tröstlicher sein, als dieser Artikel, und daß Christus sagt (Joh. 16): »Seid getrost, Ich habe die Welt überwunden!« »Sie drohen uns mit dem Tode! spricht Luther. Wenn sie so klug wären, als thöricht sie sind, sollten sie uns mit dem Leben drohen! Es ist ein spöttliches schimpfliches Drohen, daß man Christum und seine Christen mit dem Tode schreckt, so sie doch Herrn und Siegmänner des Todes sind! Gleich wenn ich wollte einen Mann damit erschrecken, daß ich ihm sein Roß aufzäumte und ihn darauf reiten ließe! Aber sie glauben nicht, daß Christus auferstanden von den Todten und ein Herr ist des Lebens und des Todes. Er ist bei ihnen noch im Grabe, ja noch in der Hölle. Wir aber müssen trotzen und sind freudig, daß er auferstanden und der Tod nichts mehr ist, denn ein Ende der Sünde und sein selbst. Denn das Leben in diesem Fleisch klebt noch an und in den Sünden, und kann nicht ohne Sünde sein, des Fleisches halben. Darum schreiet der angefangene Geist in uns: Komm Tod und jüngster Tag, und mache beiden, der Sünde und dem Tode, ein Ende! Amen. Wie St. Paulus Röm. am 7. und 8. schreibet.«

Siehe, so wundertröstlich ist der letzte Artikel unseres christlichen Glaubens vom ewigen Leben, und erquicket über alle Maaßen sehr die gottseligen Herzen in ihrer Trübsal, Kreuz und Widerwärtigkeit. Darum wir auch alle unsere Sinne, Gedanken und Begierden mit geduldigem Ertragen alles zeitlichen Elendes, und Verachtung aller weltlichen Pracht, Güter, Freude und Wollust nach dem ewigen Gut hinlenken würden: wenn wir es nur recht verständen und die selige Freude jenes ewigen Lebens, welche mit keiner irdischen Herrlichkeit zu vergleichen, sich vollkommen wollte fasten und begreifen lassen.

III.
Die beste Anleitung der Welt abzusterben.

So giebt dieser Artikel auch fröhliche Anleitung, daß wir lernen der Welt täglich absterben, aus inbrünstiger Hoffnung auf das himmlische Vaterland. Denn was ist das Leben auf dieser Welt anders als eine mühselige Wallfahrt? Und was ist die Welt mit ihrer Herrlichkeit, denn ein Hospital voll elender Leute, da bettlerische Pracht und stinkende Hoffahrt, wie auch Hader, Zank, Neid, Krieg, Geiz und ewige Unruhe stets uns begegnet? Wer wollte nun Lust haben, in solchem Spital lange zu hausen, der mit himmlischen Gütern und mit gewisser Verheißung des ewigen Lebens versichert ist?

»Mich verdrießt, sagt Augustin, über die Maaßen sehr diese mühselige Pilgrimschaft. Denn es ist doch dies Leben ein elend Leben, ein baufällig Leben, ein ungewiß Leben, ein mühevoll Leben und ein unrein Leben. Es ist ein Leben voll Bosheit, voll Hoffahrt, voll Elends und voll Irrthums, daß es billig kein Leben sollte genannt werden, sondern ein Tod, in welchem wir alle Augenblicke sterben, sind vielfältigen Mängeln unterworfen und sterben auf mancherlei Weise.«

Ja wenn auch ein Mensch auf dieser Welt etliche Jahre bankettiret, ist reich, prächtig, weise, gesund, ansehnlich und blühet wie eine Blume aus dem Felde, lebet lange und trotzet auf seinen Reichthum: so muß er doch endlich sterben und sowohl als die Thoren und Narren umkommen, und muß sein Gut Anderen lassen. Der Welt-Leute Herz ist guter Dinge, wenn ihre Kammern voll sind, daß sie herausgeben können einen Vorrath nach dem anderen; wenn ihre Schafe tausend tragen und mehr auf ihren Dörfern; wenn ihre Ochsen viel erarbeiten; wenn kein Schade, kein Verlust noch Klage auf ihren Höfen ist; wenn ihre Häuser währen immerdar und ihre Wohnungen bleiben für und für; wenn sie große Ehre haben vor den Menschen. Aber sie bleiben nicht lange in solcher Würde, sondern müssen davon wie das Vieh. Und nachdem sie sich getröstet haben dieses guten Lebens, und gepreiset wenn einer nach guten Tagen trachtet, müssen sie ihren Vätern endlich nachfahren, das Licht nimmermehr sehen und nichts in ihrem Sterben mitnehmen. Wo ist Artaxerxes, der über hundert und siebenundzwanzig Länder herrschte? Wo ist der großmächtige König Alexander? Wo sind die schönen Weiber Abigail, Abisag von Sunem, Judith, Lucretia, Helena und andere?

»Ich that große Dinge; schreibt Salomo von sich selbst, ich bauete Häuser, pflanzete Weinberge. Ich machte mir Gärten und Lustgärten, und pflanzete allerlei fruchtbare Bäume darein. Ich machte mir Teiche, daraus zu wässern den Wald der grünenden Bäume. Ich hatte Knechte und Mägde, und Gesinde; ich hatte eine größere Habe an Rindern und Schafen, denn alle die vor mir zu Jerusalem gewesen waren. Ich sammelte mir auch Silber und Gold, und von den Königen und Ländern einen Schatz. Ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen, und Wollust der Menschen, allerlei Saitenspiel. Und nahm zu über alle, die vor mir in Jerusalem gewesen waren. Auch blieb Weisheit bei mir; und Alles was meine Augen wünschten, das ließ ich ihnen und wehrete meinem Herzen keine Freude, daß es fröhlich war von aller meiner Arbeit. Da ich aber ansah alle meine Werke, die meine Hand gethan, und die Mühe, die ich gehabt hatte: siehe, da war es Alles eitel und Jammer, und nichts mehr, unter der Sonne« (Pred. 2, 4-11).

Dieweil wir denn sehen, und nicht allein die Schrift uns lehret, sondern auch die tägliche Erfahrung bezeuget, daß dies Leben auf Erden voll Mühe ist, voll Eitelkeit, und zuletzt mit dem Tode beschlossen wird – was kann uns denn besser dazu dienen, daß wir dieser Welt lernen den Rücken zukehren und das Herz gen Himmel zu unserem ewigen Vaterlande erheben, als eben dieser letzte Artikel unseres christlichen Glaubens?

Gott hat uns berufen, spricht St. Petrus, zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Tobten; zu einem unvergänglichen Erbe, das uns behalten wird im Himmel (1 Petr. 1, 3. 4). Und St. Paulus (Tit. 2, 13) vermahnet uns, daß wir auf diese selige Hoffnung warten sollen. Das ist: wir sollen lernen, dies gegenwärtige vergängliche und jenes zukünftige unvergängliche Leben unterscheiden. Sollen wenig ansehen dies arme Leben, das so eilend vorbeigeht und welches wir endlich lassen müssen, und jenes zukünftige Leben stets in das Gesicht fassen als das ewig bleibet und darein wir gehören. Sollen also in guten Werken, in Zucht, Gerechtigkeit und Gottseligkeit stets mit solcher seligen Hoffnung umgehen und auf das himmlische Vaterland viel fester bauen, ob wirs schon noch nicht sehen und fühlen, als wir auf dies gegenwärtige Leben, das wir sehen und fühlen, jetzt bauen und hoffen.

»Es sind aber sehr wenige Leute auf Erden, wie Luther in einer Predigt sagt, die auf die selige Hoffnung des zukünftigen unvergänglichen Erbes und Reiches warten, so gewiß darauf warten, wie es wohl sein sollte, daß sie dies gegenwärtige Leben nicht so gewiß besitzen. Wenige sind, die dies zeitliche Leben nur durch ein gemalet Glas und gleichsam blindlich, aber jenes ewige Leben mit klaren, aufgethanen Augen ansehen. Der seligen Hoffnung und des himmlischen Erbes wird leider allzuoft vergessen. Aber des zeitlichen Lebens und des vergänglichen Reichs auf Erden wird allzuviel gedacht. Dies vergängliche hat man stets im Gesichte, denket daran, sorget dafür und freuet sich darob. Aber jenem unvergänglichen kehrt man den Rücken. Diesem jagt man nach Tag und Nacht, jenes – schlägt man in den Wind.«

Nun sollte es wahrlich bei den Christen nicht so sein, sondern das Widerspiel sollte sein. Ein Christ soll dies zeitliche Leben nur mit zugethanen Augen anschauen. Aber das zukünftige ewige Leben sollte er mit ganz offenen Augen und mit klarem hellen Licht ansehen. Und sollte nur mit der linken Hand in diesem Leben auf Erden sein; aber mit der rechten Hand und mit der Seele und ganzem Herzen sollte er in jenem Leben sein, d. i. im Himmel, und dessen in gewisser Hoffnung allezeit fröhlich warten.

Denn so lehret St. Paulus in der ersten Epistel an die Corinther am siebenten: »Weiter ist das die Meinung: Die da Weiber haben, daß sie seien, als hätten sie keine; und die da weinen, als weineten sie nicht; und die sich freuen, als freueten sie sich nicht; und die da kaufen, als besäßen sie es nicht; und die dieser Welt brauchen, daß sie derselbigen nicht mißbrauchen. Denn das Wesen dieser Welt vergehet.« Mit diesen Worten möchte uns der liebe Apostel dies Leben auf Erden, das wir jetzt mit leiblichen Augen sehen, gern verdunkeln und ins Finstere stellen, dieweil es nicht unser recht Leben ist. Aber jenes Leben im Himmel will er gern hervorziehen und ins Licht stellen, auf daß wir lernen unsere Augen, Herz und Seele darauf schicken und desselben in frischer Hoffnung mit Freuden warten. Denn so wir Christen sein wollen, soll unser Hauptbegehren auf Erden nicht sein: freien, oder uns freien lassen, kaufen, verkaufen, pflanzen, bauen, wie Christus Matth. 24 sagt daß die Gottlosen sonderlich vor dem jüngsten Tage thun werden, – ob wir schon deß auch zur Nothdurft des Leibes brauchen müssen. Sondern unser Endziel soll etwas Besseres und Höheres sein, nämlich das selige Erbe im Himmel, welches nicht vergehet.

Desgleichen schreibt er 2 Cor. am 5. »Wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von Gott erbauet, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel. Und über demselbigen sehnen wir uns auch nach unserer Behausung, die vom Himmel ist. – Wir sind getrost allezeit, und wissen, daß, dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem HErrn. Denn wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost, und haben viel mehr Lust außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein bei dem HErrn.« Da macht er auch einen Unterschied zwischen diesem vergänglichen und jenem unvergänglichen Leben und sagt, daß dies Leben auf Erden nicht unsere Heimath und das wahre Leben sei, darauf wir unser Datum zu setzen haben. Sondern wir sollen uns nach dem rechten Vaterland sehnen und nach der ewigen Behausung im Himmel ein herzlich Verlangen haben.

Und zu den Philippern spricht er: »Unser Wandel (d. i. unser Bürger-Recht) ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes JEsu Christi, des HErrn. Welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge Ihm unterthänig machen« (c. 3, 20. 21). Als wollte er sagen: Es bürgert, wandelt und wohnet sich mit uns Christen nicht in dieser Welt, sondern im Himmel ist unsere Bürgerschaft, Wandel und Wohnung. Wir sind wohl Bürger und Bauern aus Erden eine Zeit lang nach dem äußerlichen weltlichen Wesen. Aber solches ist nicht unsere rechte erbliche bleibende Bürgerschaft. Sondern unsere rechte Bürgerschaft ist mit Christo im Himmel, da wir ewig Bürger bleiben werden, wenn Er vom Himmel kommen und uns hinauf holen wird. Darum sollen wir uns halten als die zwar in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt sind noch darein gehören, sondern anderswohin gehören, in eine andere Bürgerschaft und Reich, da wir ein bleibend Wesen haben.

Desgleichen lehret auch St. Petrus: »Lieben Brüder, ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilgrimme: enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten« (1 Petr. 2, 11). Er nennet uns Fremdlinge und Pilgrimme, anzuzeigen was unser Leben auf Erden sei und wofür man's halten soll. Ein Fremdling heißt ein Einkömmling oder Ausländer, der an dem Ort, wo er wohnet, nicht Bürger ist von Ankunft und Geburt, sondern anderswoher gekommen: der also nicht einheimisch ist, wie die Kinder Israel Fremde und nicht Einheimische waren in Egypten, darein sie kommen waren aus dem Lande Kanaan durch die Theurung, wie Moses ihnen oft vorhält und spricht: ihr seid Fremdlinge gewesen in Egyptenland. Ein Pilgrim heißt ein Wanderer, der ein Land durchreiset und nicht in seiner Stadt oder aus seinem Dorf ist, da er hingehöret, sondern an einem fremden Ort nur herberget als im Durchgang; der nicht allein ein Einkömmling ist wie ein Fremder, sondern auch ein Gast, und nichts Eigenes hat noch zu haben gedenkt an dem Ort seiner Wallfahrt, sondern lediglich durchpassirt, wie die Kinder Israel Pilger waren in der Wüste. Also sind die Christen Fremdlinge und Pilger in dieser Welt. Fremdlinge sind sie darum, weil sie nach der fleischlichen Geburt von Gott kommen in diese Welt, aus nichts geschaffen, und nicht in dieser Welt bleiben, sondern müssen die Welt lassen gleich allen andern Menschen auf Erden. Wie Hiob spricht: »Ich bin nackend von meiner Mutter Leibe gekommen, nackend werde ich wieder dahinfahren« (c. 1, 21). Pilger sind sie darum, weil sie nach der geistlichen Geburt, da sie durchs Wasserbad im Wort aus dem heiligen Geist wiedergeboren sind, auf Erden sind als Gäste, und ihr Leben nur eine Wallfahrt ist, wie es der Patriarch Jakob nennet (1 Mos. 47, 9).

So will nun St. Petrus anzeigen, daß wir dies Leben nicht anders ansehen sollen, als ein Fremdling und Pilgrim das Land ansiehet, darin er ein Ausländer und Gast ist. Ein Fremdling darf nicht sagen: hier ist mein Vaterland! denn er ist da nicht einheimisch. Ein Pilgrim gedenket nicht, zu bleiben im Lande, da er wallet, und in der Herberge, da er über Nacht liegt, sondern sein Herz und Gedanken stehen anderswohin. In der Herberge nimmt er nur seine Nothdurft, Mahl und Lager, und wandert immer wieder davon, bis er an den Ort kommt, wo er daheim ist. Also seid ihr Christen, spricht er, nur Fremdlinge und Gäste in dieser Welt und gehöret in ein ander Land, da ihr eine stete Herberge und bleibende Statt habt ewiglich. Darum stellet euch als Fremdlinge und Gäste in diesem fremden Land und Gasthof, nehmt daraus nicht mehr denn Essen, Trinken, Kleider, Schuhe und was ihr bedürft zu dieser Nachtherberge, und denket immer an euer Vaterland, da ihr Bürger seid.

Das ist nun bald gesagt, aber nicht so leicht gefaßt und nicht so bald gethan. Denn auch wir Christen, so getauft sind, das Evangelium hören, und angefangen haben zu glauben, fühlen noch, daß der Geist in uns schwach, Fleisch und Blut aber, und Vernunft zumal, stark sind und uns immerdar zurückziehen, daß wir jenes Leben gering achten, auch wohl gar zuweilen in Zweifel stellen. Also daß wir, wo wir anders recht wollen beichten, selbst bekennen müssen: wir gedenken selten daran, daß wir endlich davon, und dies Leben lassen müssen. Wir haben von Natur Alle weltliebende, weltsieche und weltschmeckende Herzen, und der größeste Haufe gehet sicher dahin, trachtet nach Frieden und guten Tagen, suchet Lust und Freude auf Erden, ist ersoffen im Geiz, Unzucht, Hoffahrt und andern Lastern und flicht sich so gar in die Welt, als wollte er hier ewig bleiben und Gott den Himmel allein lassen.

Vor solchem epikuräischen, fleischlichen Wesen warnet uns nun die Schrift und heißet uns Fremdlinge, Gäste, und Pilgrimme, unsere Gedanken und Sinne damit von der Welt abzuwenden, daß wir uns nicht zu tief in dies zeitliche Leben vergaffen und versenken wie die Säue und unvernünftigen Thiere, welche sich um das zukünftige Leben gar nicht kümmern. Eine Sau liegt auf dem Koben oder auf dem Mist, ruhet und schnarchet, und denkt nur, wo Traber und Kleie seien, weist von keinem Tod, fürchtet sich vor keiner Hölle, freuet sich keines Himmels, sondern Traber und Kleie sind ihr Himmelreich. Also sind die Leute auch, die nicht weiter gedenken, denn wie sie aus der Welt Alles vollauf haben mögen.

Wir sollen als Kinder des Lichts mit allem Fleiß trachten nach dem das droben ist (Col. 3), und dieser Welt also brauchen, daß wir derselben nicht mißbrauchen und uns in Sorgen der zeitlichen Nahrung und weltliche Geschäfte nicht tief verwickeln. Mit solchen Gedanken soll ein Christ umgehen und sagen: Weil ich ja auf Erden leben muß, so lange Gott will, so will ich also essen, trinken, freien, pflanzen, bauen Haus und Hof, und was Gott beschenkt, brauchen, nicht als wäre solches das rechte Gut, sondern als eine zeitliche Nothdurft. Und gleich wie ein Fremdling und Gast im fremden Lande und Gasthofe solches alles gedenkt zu verlassen und seinen Stab weiter zu setzen: also denke ich auch aus dieser Welt als aus dem fremden Lande und aus dem bösen unsicheren Gasthofe immer hinweg in das rechte Vaterland, des ewigen Lebens, da eitel Sicherheit, Ruhe, Friede und Freude sein wird ewiglich.

Wenn wir also uns wüßten zu schicken und den Unterschied des zeitlichen und ewigen Lebens recht merkten, so würde uns dieser Artikel endlich zu Herzen gehen. Wir würden dann nach St. Pauli Vermahnung allem irdischen Wesen den Rücken wenden und Weiber haben als hätten wir keine, weinen als weinten wir nicht. Wir würden uns freuen, als erfreuten wir uns nicht. Wir würden dies ganze Leben für einen Traum und Schatten ansehen und mit unseren Gedanken am meisten droben im Himmel sein, am liebsten vom ewigen Leben reden und singen, dahin denken und trachten, Abends und Morgens, Tag und Nacht, daß uns auch in unseren Träumen nichts denn eitel himmlische Freude, himmlische Glorie und die himmlische Gesellschaft der heiligen Engel vorkommen könnte.

IV.
Das herzliche Seufzen nach dem ewigen Leben.

Endlich ist kein Zweifel, wenn uns der Artikel vom ewigen Leben tief eingebildet wäre und tief zu Herzen ginge, so würden wir eine selige Sehnsucht nach dem Himmel tragen. Und wie die jungen Küchlein, wenn sie von der Henne abkommen sind, immer schirpen und trauern, bis sie wieder kommen unter der Mutter Flügel: also wurdest du dein Herz auf dieser Welt nimmer können vollkömmlich zufrieden stellen, sondern zu Gott wenden und Abends und Morgens nach dem ewigen himmlischen Vaterland seufzen und mit dem Propheten Jeremia sagen: »Meine Augen fließen, und können nicht ablassen, denn es ist kein Aufhören da, bis der HErr vom Himmel herabschaue, und sehe darein« (Klagel. 3, 49. 50). Diesem Exempel folge nach, du lieber Christ, und lerne zu Gott seufzen, daß dein herzlich Verlangen nach keiner Freude, nach keinem Gut und nach keinem Trost noch Erquickung auf Erden so sehr hingerichtet sei als nach Gott und nach Seinem himmlischen Freudensaal. Laß, wie der Prophet vermahnet (Klagl. 2, 18. 19), Tag und Nacht Thränen herabfließen wie einen Bach, und höre nicht auf, und dein Augapfel lasse nicht ab! Stehe des Nachts auf und schreie, schütte dein Herz aus in der ersten Wache gegen den HErrn! Lerne beten mit David, mit St. Paulus, mit dem heiligen Augustin, und sprich:

O Du frommer treuer Gott, der Du mich inwendig und auswendig kennest, mein allerbester Vater! Du Sohn Gottes, mein allerliebster Heiland, HErr JEsu Christe! Und Du HErr Gott, heiliger Geist! O Du heilige Dreifaltigkeit, Du wahrer Gott! Ich werde Dich in jenem Leben im Schauen kennen, wer Du bist. Ich werde Dich kennen und sehen, der Du bist meiner Seele Kraft und Stärke. O Du Tröster mein, Du wollest Dich ja mir zeigen und offenbaren, hier im Glauben und dort im Schauen, daß ich Dich als meiner Augen Licht und Trost sehen möge! Meine Augen thränen zu Dir, frühe wache ich zu Dir. Es dürstet meine Seele nach Dir, mein Fleisch verlanget nach Dir in einem trockenen und dürren Lande, da kein Wasser ist (Ps. 63). Betrübt ist meine Seele und gebückt, und gehet jämmerlich einher und hat ihre Augen schier ausgeweint. Ich schreie mich müde, mein Hals wird heiser und das Gesicht vergehet mir, daß ich so lange auf Dich harren muß. Du sprichst: ja, Ich komme bald! Und der Geist und die Braut sollen sprechen: komm! Und wer es hört, der soll sprechen: komm! Nun rufe ich ja Tag und Nacht, und meine Seele harret von einer Morgenwache bis zur andern. Ach komm, HErr JEsu, komm und gieb Dich mir zu erkennen, Du höchste Freude meines Geistes! Ach daß Du den Himmel zerrissest und führest herab, daß die Berge vor Dir zerflössen, wie ein heißes Wasser vom heftigen Feuer versiedet! (Jes. 64, 1. 2).

O Du lieber Gott, wie ängstlich harre ich Deiner! meine Seele harret und ich hoffe aus Dein Wort. Ich will Dich mit Wonne meines Herzens anschauen. Ich will Dich herzlich lieben, der Du bist das Leben meiner Seele. O HErr, erscheine mir, der ich an Dir meine große Lust und Freude habe, der Du mein süßer Trost bist, der Du bist mein Leben und meiner Seele Ehre. Ich habe Dich stets in meinem Herzen, ich trage ein groß Verlangen nach Dir. Ich werde Dich einmal antreffen, ich werde Dich einmal zu sehen bekommen, der Du mir so herzlich lieb bist. Ich will Dich, Du himmlischer und leutseliger Bräutigam, noch mit Freuden herzen und küssen. O Du lieber Gott, der Du meine allerhöchste Freude, der Du mein ewiges Leben und Seligkeit, meine trostreiche Lieblichkeit und Süßigkeit beides Leibes und der Seele bist: ich werde noch Deiner ansichtig werden und Deiner augenscheinlich genießen. Ich will Dich lieben, HErr, der Du bist meine Stärke, meine feste Burg, meine Zuflucht und mein Erlöser, mein einziger Trost und Hoffnung in allem Unfall.

O Du unbegreifliches und in diesem Leben unsichtbares Licht, erleuchte meine Augen und gieb mir ein solch Gesicht, daß ich Dich hier aus Deinem Wort im Glauben und dort im Schauen sehen möge! O Du süßer lieblicher Geruch meines Lebens, schaffe in mir, daß ich Deine gute Salbe immerdar rieche. Gieb mir einen solchen Geschmack, daß ich erkenne und inne werde, wie groß Deine Güte ist, die Du verborgen hast denen, die Dich fürchten und denen erzeigst, die vor den Leuten auf Dich trauen! Gieb mir ein solch Herz das stets an Dich denke, eine solche Seele die Dich liebe, ein solch Gemüth das Deiner nicht vergesse, einen solchen Verstand der Dich recht erkenne, einen solchen Sinn der nach Dir als dem lieblichsten Gut ein stetiges Verlangen habe und an Dir hange, bis ich zu Dir komme und Dich gegenwärtig anschaue.

O mein Leben, von dem ich und alles was da lebet, das Leben habe, dem auch alles lebet, durch Dich lebe ich, ohne Dich sterbe und verderbe ich, durch Dich werde ich wiederum lebendig und auferwecket, in Dir freue ich mich, ohne Dich habe ich keine Freude noch Trost. O Du lebendiges, holdseliges, liebliches Leben, wo bist Du anzutreffen? Zeige mir solches durch Dein Wort und Geist, daß ich mein ganzes Sinnen und Beginnen nicht auf das zeitliche Leben, sondern auf Dich als auf das ewige Gut setze.

O Du lieber Gott, sei mir nahe durch Dein Wort in meinem Gemüth, in meinem Herzen, in meinem Munde, in meinen Ohren. Eile mir zu helfen, denn ich bin krank vor Liebe. Wenn ich an Dich gedenke, werde ich gleich lebendig. Dein süßer Geruch erquickt mich. Ich will satt werden, wenn ich erwache nach Deinem Bilde. Meine Seele verlanget und sehnet sich nach Dir, Herr, mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Wo ist doch der allerschönste und lieblichste Gott? Ich rieche wohl Deinen lieblichen Geruch aus Deinem Wort, ich höre wohl Deine Stimme, aber sehen kann ich Dich nicht. Wenn ich nun frage: warum verbirgest Du Dein Antlitz vor mir? so bekomme ich zur Antwort: »kein Mensch wird leben, der Mich siehet« (2 Mos. 33, 20). Ist dem so, ei Du lieber Gott, so will ich ja gern sterben, daß ich Dich sehen möge! Ich habe nicht Lust hier länger zu leben, sondern wünsche daheim zu sein bei meinem lieben Herrn. Ich bin dieses Lebens müde und überdrüßig, und seufze danach daß ich bei und mit Christo dort ewiglich lebe.

Komm Tod, komm letzter Tag, mein bester Geburtstag, komm Du letzte Stunde meines Abschieds! komm und hole mich von dieser gegenwärtigen argen Welt! Ach daß ich endlich aus dem betrübten Jammerthal errettet würde und heim führe aus diesem Elende in das rechte Vaterland des ewigen Lebens! Ich bin ein Gast und Fremdling auf Erden und habe doch hier keine bleibende Statt, die zukünftige suche ich (Ebr. 13, 14). Ich gräme mich aus inbrünstigem Verlangen nach meinem Gott, daß mir das Herz verschmachtet. Ich bin »gleich wie eine Rohrdommel in der Wüste; ich bin gleich wie ein Käuzlein in den verstörten Stätten. Ich wache und bin wie ein einsamer Vogel auf dem Dach« (Ps. 102, 7. 8). »Meine Hand ist des Nachts ausgereckt und läßt nicht ab, denn meine Seele will sich nicht trösten lassen« (Ps. 77, 3). Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu Dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue? (Ps. 42). O HErr mein Gott, Du Brunnen des Lebens, Du lebendige Wasserquelle, wann soll ich kommen aus dem trocknen und dürren Lande zu den Strömen Deiner Süßigkeit, daß ich Deine Kraft und Deine Herrlichkeit sehe und meinen Durst lösche mit dem süßen edlen Wasser Deiner Barmherzigkeit? Mich dürstet! riefst, seufztest Du, mein JEsu. Ja es dürstet Dich auch nach mir, nach meinem Heil und Leben. Und mich, lieber HErr, mich dürstet nun, ja mich dürstet nach Dir! O wann werde ich kommen, daß ich vor Deinem Angesicht erscheine?

Aber was bekümmerst du dich denn, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Ich weiß, daß ich werde sehen den edlen Tag, ja den edlen Tag der Freuden und des Frohlockens. O des herrlichen Tages, der von keinem Abend weiß und hat keinen Untergang, an welchem ich werde hören die Stimme des Lobens, die Stimme des Dankens und des öffentlichen Bekennens! O des edlen Tages, da ich werde hören die fröhliche Stimme: Gehe hin in deines Herrn Freude, in die ewige Freude, in das Haus des Herrn deines Gottes, da große, unausforschliche, wunderbarliche Geheimnisse sind, welche man nicht alle erzählen kann! gehe hin in die Freude, die von keiner Traurigkeit weiß! Da ist eitel Gutes und nichts Böses; da ist Alles was dein Herz begehrt, und was du nicht willst, das ist da auch nirgends vorhanden. Da ist ein recht lebendig Leben, ein süß, lieblich Leben, ein Leben dessen man nimmer kann müde werden. Da ist kein Feind, der wider dich streitet und processirt. Auch keine sündliche Lust als inwendiger Widersacher. Sondern eine hohe Sicherheit, eine sichere Rast und Ruhe, ein ruhig Frohlocken, ein fröhlich Heil, eine heilsame Ewigkeit, eine ewige Seligkeit, eine selige Dreifaltigkeit, ja Gott einig im Wesen und dreifältig in Personen, der einige wahre Gott und die selige Anschauung seines freudenreichen Wesens.

O Freude über Freude, du selige Freude, die über alle vergängliche Weltfremde hoch herfährt und ohne welche nirgends beständige Freude angetroffen wird! Du selige Freude, wann werde ich zu dir eingehen, daß ich sehe den HErrn meinen Gott, der in dir wohnet? Ich sage mit Mose (2 Mos. 3, 3): «ich will dahin und sehen dies große Gesicht!« Aber was ist es, das mich so aufhält und zurückzieht? Ach wehe mir, daß ich so lange Zeit muß ein Fremdling sein unter Mesech und wohnen in den Hütten Kedars (Ps. 120, 5)! Wehe mir, daß ich so lange in dieser Welt pilgrimme! Es ist wie ein Mord in meinen Gebeinen, daß man täglich zu mir sagt: wo ist nun dein Gott? und daß ich immer diese Worte hören muß: harre hier, harre da! hier ein wenig, da ein wenig!

Und wessen soll ich nun so lange harren, auf wen soll ich so lange warten? HErr Gott Vater, sollen wir nicht warten Deines eingebornen Sohnes, unsres Heilandes, JEsu Christi, des Herrn? welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe? Ja, so stehet es in Deinem Wort (Phil. 3). Wir, Deine Kinder, warten ja auf Ihn, wenn Er kommen wird von der Hochzeit, daß Er uns mit Sich zu Seiner Hochzeit führe.

So komm doch nun, Du allerliebster HErr, und verziehe nicht länger! Komm, mein Jesu, komm und suche uns heim in Frieden! komm und führe die Gebundenen aus dem Gefängnis, ja löse die Ketten, laß sie springen, dann können wir springen, Dir Jubilate und Cantate bringen und vor Dir uns freuen von ganzem Herzen! Komm, Heiland, komm Du Hochgewünschter aller Völker, und laß leuchten Dein Antlitz – so genesen wir. Komm, mein Licht und mein Erlöser, und führe meine Seele aus dem Kerker, daß ich Deinen heiligen Namen preise! Wie lange soll ich umgetrieben werden in den Fluthen meiner Sterblichkeit, und zu Dir schreien, HErr, daß Du mich nicht erhörest? Erhöre doch, HErr, mich Elenden, der ich aus diesem großen ungestümen Meer des Jammers auf dieser Welt zu Dir schreie! recke aus Deine starke Hand und ziehe mich in den Hafen der ewigen Seligkeit!

O was sind das für selige Leute, die aus dem Meer der Trübsal an das Ufer des Heils und aus diesem Elend in das rechte Vaterland, aus dem Gefängniß in den himmlischen Palast kommen sind, da sie nun leben in der seligen und hochgewünschten Ruhe und haben erlangt das Kleinod der ewigen Herrlichkeit, das sie hier durch viele Trübsal gesucht haben! Sie habens erlangt und freuen sich nun mit seliger Frohlockung in alle Ewigkeit. O wie sind sie so selige Leute, daß sie nun frei und sicher sind von allem Bösen, von allem Jammer, von aller Angst und Noth, und haben erreicht die unverwelkliche Herrlichkeit und das schöne Reich des ewigen Lebens! – O was für ein Reich ist das! ein Reich von Ewigkeit zu Ewigkeit, da das Licht scheinet, welches nimmer abnimmt, und der Friede Gottes herrschet, welcher höher ist denn alle Vernunft. O des edlen Reichs, in welchem die Seelen der verstorbenen Heiligen sanft ruhen, da ewige Freude ist über ihren Häuptern, da sie haben Freude und Frohlocken und da Angst und Seufzen fern von ihnen ist! O was ist es für ein herrlich Reich, da Du, allmächtiger Herr Gott Zebaoth, lässest alle Deine Heiligen mit Dir ewiglich herrschen, angezogen mit Licht wie mit einem Kleid und tragend auf ihrem Haupt die alleredelste Krone ihrer Herrlichkeit, und lassest Dich von ihnen sehen von Angesicht zu Angesicht!

Da ist eine unmäßige und unendliche Freude, eine Freude ohne Traurigkeit, da ist eitel Heil ohne Schmerzen und Wehetage. Da ist die schöne Straße, darauf man wandelt und wird nimmer müde. Da ist ein Licht ohne Finsterniß und ein Leben ohne Anfechtung des Todes. Da sind Alle Kinder Gottes, schöne frische junge Leute und werden nimmer alt. Da weiß der Anfang von keinem Ende, das Leben von keinem Tode, da wird die schöne Gestalt der Auserwählten nimmer häßlich, nimmer eingeschrumpft, nimmer bleich, ihre inbrünstige Liebe verwelket und erkaltet nicht, ihre Gesundheit verwandelt sich nicht und ihre Freude gehet nimmer zurück. Auch fühlen sie nimmer Schmerzen, sie hören kein Seufzen, sie sehen nichts Trauriges, sie haben ewige Freude und fürchten kein Unglück, keine Widerwärtigkeit und nichts Böses, weil sie besitzen das allerhöchste Gut, weil sie mit Freuden allerwege sehen das Angesicht des Herrn aller Heerschaaren. Darum sind sie ja selig und überselig alle, welche von dem Schiffbruch dieses vergänglichen Lebens erlöset und zu solcher großen Freude durch den Tod hineingedrungen sind.

Dagegen ach wie arm und wie unselig sind wir elenden Adamskinder, die wir noch in diesem Jammerthal als auf einem ungestümen Meer das Schiff unseres Lebens durch viele große Fluthen, Wellen und rauschende Wasserwegen des Elendes ziehen müssen und wissen nicht, wie lange es währen soll und zu welcher Zeit und Stunde der HErr kommen und uns erlösen werde! Unser Leben ist allhier im Elend und unser Weg in eitel großer Gefahr. Wir sind mitten im Leben mit dem Tod umfangen. »Da ist immer Sorge, Furcht, Hoffnung, und zuletzt der Tod. Sowohl bei dem der in hohen Ehren sitzt, als bei dem Geringsten auf Erden. Sowohl bei dem der Seide und Krone trägt, als bei dem der einen groben Kittel anhat« (Sir. 40, 2-4). Darum weine ich so und meine Augen fließen mit Wasser, daß der Tröster, der meine Seele soll erquicken, so fern von mir ist. Und was soll ich sagen? was soll ich machen? wo soll ich hin? wo soll ich ihn suchen? wo werde ich ihn finden? wen soll ich fragen? und wer will dem Herrn meinem Gott, meinem allerliebsten Freund ansagen daß ich vor Liebe krank bin? Die Freude meines Herzens hat abgenommen und mein Lachen ist in Weinen verkehret. Ach Gott, Du ewiger Trost meines Herzens und mein Erbtheil in Ewigkeit: mein Fleisch verdorret, mein Herz verschmachtet und meine Seele will sich nicht trösten lassen denn nur von Dir allein, der Du bist meine höchste Süßigkeit. Denn was suche ich sonst im Himmel und auf Erden als Dich allein? Dich will ich, auf Dich hoffe ich, und mein Herz sagt Dir: ich suche Dein Angesicht HErr, Du wollest Dein Antlitz ja nicht von mir wenden!

O Du allergütigster Liebhaber der Menschen, die Armen befehlen sich Dir, Du bist der Waisen Helfer. O mein treuster Anwalt, mein Mittler und Fürsprecher bei Gott dem Vater, erbarme Dich meiner, Deines verlassenen Waiseleins! Mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen, und meine Seele ist wie eine Wittwe. Schaue doch die Thränen meines Elends und meines Jammers, die ich Dir opfere, bis Du zu mir kommst. Ei so erscheine mir doch, mein allerliebster Herr, so bin ich getröstet! Zeige mir Deine Gegenwart, so habe ich was mein Herz begehrt. Offenbare mir Deine Herrlichkeit, so wird meine Freude vollkommen sein. Meine Seele dürstet nach Dir und mein Fleisch verlangt nach Dir. Es dürstet meine Seele nach Dir, HErr, Du lebendige Quelle. Wann wirst Du kommen, mein Tröster, und wie lange soll ich harren? Wann werde ich Dich sehen, Du hochgewünschte Freude? Wann wirst Du mein Thränenwasser verwandeln in Freudenwein?

Ich bitte Dich durch Deine heiligen und heilsamen Wunden, die Du Dir am Kreuz zu unserem Heil hast schlagen lassen, und daraus Dein theures Blut zu unserer Erlösung geflossen ist: verwunde doch meine sündige Seele, für welche Du auch gestorben bist! Verwunde sie mit dem starken feurigen Pfeil Deiner großen Liebe und Barmherzigkeit! Verwunde sie mit Deinem Wort, das da ist lebendig und kräftig, und schärfer denn kein zweischneidig Schwert! O mein HErr und mein Gott, der Du mit Deiner Gewalt den starken Panzer des menschlichen Herzens durchstoßen kannst: – ich bitte Dich, triff doch mein Herz mit dem auserwählten Pfeil Deiner Gnade, daß meine Seele zu Dir sage: ich bin durch Deine Liebe verwundet, also daß mir aus solcher Wunde meine Thränen mildiglich fließen Tag und Nacht. Schlage doch, lieber HErr, ich bitte Dich: schlage doch mein steinhart Felsenherz mit der starken Spitze Deiner Liebe und drücke mit Deiner mächtigen Kraft fest nach und tief hinein! ja locke mir das Augenwasser hervor immer und immer wieder, und laß meine Augen Thränenbrunnen sein, die aus innerlicher Begierde und herzlichem Verlangen nach Deiner Schönheit fließen und rinnen, daß ich um Dich und nach Dir weine und in diesem Leben mir keinen zeitlichen Trost zu Herzen gehen lasse, bis ich Dich sehe auf Deinem himmlischen Thron, im ewigen Freudensaal, Du allerliebster und allerschönster Bräutigam!

Wenn ich allda mit allen Auserwählten Dein herrlich, wunderbarlich Angesicht voll aller Süßigkeit mit meinen Augen sehe; wenn ich Deine große Majestät in tiefster Demuth ehre, lobe, preise und anbete; und wenn ich voll bin der himmlischen, unaussprechlichen Freude und ewigen Frohlockung: – dann, ja dann will ich triumphiren und jauchzen mit Allen die Dich lieben, und sagen: Eia, nun hab ich vor Augen, darauf ich so lange gehoffet und danach ich so herzlich gerungen habe! Nun besitze ichs, und was ich so hoch gewünscht, das ist nun mein! Nun ist mir das Loos gefallen aufs Lieblichste, nun ist mir ein schön Erbtheil geworden! Denn nun bin ich im Himmel, in seligster Gemeinschaft mit Dem, dem ich auf Erden mit ganzer Liebe anhing! Nun lobe ich ihn, nun preise ich ihn, nun bete ich ihn ewiglich an, den HErrn meinen Gott, der da lebet und herrschet von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.


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