Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Sechster Auftritt

Die Vorigen ohne Rab

Kraps Ich hab' kein Wort g'hört, was er g'sagt hat. – Die Angst! Ich hab' glaubt, ich hab' Anlag', aber ich bin nix zu dem G'schäft – wenn er nur wenigstens – ich sag' halt, es wär' besser gewesen, ein anders Mal –

Weinberl (ihn an der Gurgel fassend) Nein, jetzt is's am besten!

Kraps Barmherzigkeit

Christopherl (hat ihn ebenfalls gepackt) Still, oder –

Weinberl Ich erdrossel' dich.

Kraps Herr Weinberl – Mussi Christoph –

Weinberl Das is ja –

Kraps (die Larve abnehmend) Der Hausknecht, der Kraps.

Weinberl und Christopherl Du Spitzbub'-

Kraps Ich will ein ehrlicher Mann wer'n.

Weinberl Ich seh's, du bist grad auf 'n Weg dazu.

Kraps Das war mein Anfang und mein B'schluß – so wahr als Barmherzigkeit!

Christopherl (zu Weinberl) Lassen wir'n laufen.

Weinberl Das müssen wir jetzt wohl, sonst lamentiert er uns den andern heraus. (Zu Kraps.) Dein' Mantel, Hut und Larven her!

Kraps Da, da is alles, mein bester, edelster, großmütigster Herr von Weinberl. (Gibt ihm, was er verlangt.)

Weinberl jetzt fahr ab!

Kraps (ihm die Hand küssend) Sie glauben's nicht, aber ich werd' jetzt schrecklich ehrlich wer'n! (Läuft im Hintergrunde links ab.)

Siebenter Auftritt

Die Vorigen ohne Kraps

Weinberl Den ehrlichen Mann wer'n s' schon durch die Aussagen seines Spießg'sellen kriegen. – (Hüllt sich in Kraps' Mantel ein und setzt sich dessen Hut auf.)

Christopherl Was tun S' denn da?

Weinberl Den andern muß ich erwischen.

Christopherl Sperr'n wir 's G'wölb' zu, so is er g'fangt!

Weinberl Daß er drin eine Tür eintritt, wen totschießt und doch am Ende ein' Ausweg findet! Nix, ich weiß schon, was ich tu'. Wecken Sie nur derweil den Nachtwachter auf und machen S' g'schwind Arretierungsanstalten.

Christopherl Gut! Aber is das a Glück – auf unserm Bodenkammerl hätten wir den Einbruch rein verschlafen.

Weinberl Jetzt war der Jux doch zu was gut!

Rab (von innen, sich der Tür nähernd) Wo zum Teufel bleibst denn du so lang?

Weinberl (nimmt die Larve vor, wodurch sich seine Stimme ändert) Ich komm' schon, ich komm' schon! (Winkt Christopherl, daß er forteilen soll, und geht ins Gewölbe ab.)

(Christopherl läuft im Hintergrunde rechts ab.)

Verwandlung

Zanglers Wohnzimmer, rechts eine Seitentüre, im Prospekt eine Tür, welche in das Gewölbe hinabführt. Rechts vorne steht ein Silberkasten, links vorne ein Fenster mit Vorhang. Am Prospekt ist Zanglers Bett.

Achter Auftritt

Melchior (allein, tritt mit Licht aus der Seitentüre rechts)

Melchior Da soll man Anstalten zur Hochzeit machen! Die Wirtschafterin sperrt sich ein in ihr Zimmer, gibt mir gar kein Gehör und schimpft so lang, bis s' zum Schnarchen anfangt! Die Köchin hab' ich g'funden, ah, das Weibsbild hat gar einen klassischen Schlaf! Ich muß sagen, das is mir noch nicht unterkommen. Wenn ich mein Kammerl wüßt', ging' ich auch schlafen. Ich könnt' mich zwar da in'n Herrn sein Bett legen, aber wer weiß, wär's ihm recht, 's tut's ja da im Armsessel auch. (Man hört ein Geräusch im Hintergrunde.) Was war denn das? – Ah, ich weiß schon – nix wird's g'wesen sein. 's is völlig entrisch, allein wach sein in so ein' verschlafnen Haus. (Das Geräusch wiederholt sich.) Jetzt war's aber – ja, es war was! (Nach dem Hintergrunde zeigend.) Von da unten hört man's herauf! Mensch oder Geist, was steht mir bevor? – Wenn es ein Mensch ist, o, da bin ich ein Kerl, der Courage hat, wann's aber a Geist – da wär's aus mit mir, Geist ist mir ein zu fremdartiges Wesen. (Ängstlich herumgehend.) Wo kann ich denn –? Aha – (läuft zum Fenster und setzt sich, während man außen dumpfe Stimmen hört, schnell auf das Fensterbrett, so daß ihn die herabhängenden Gardinen bedecken.)

Neunter Auftritt

Rab, Weinberl (mit Mantel, Hut, Larve und Blendlaterne); Der Vorige

(Rab und Weinberl kommen auf den Zehen zur Mitteltüre herein.)

Melchior (hinter den Fenstergardinen hervorguckend, schaudernd für sich) Den leichten Tritt, man hört's gar nicht: es sind Geister!

Rab Wirklich, Bursche, das überrascht mich von dir, 's ist ein Wagstück, bis hierher zu dringen, und du hast's proponiert.

Weinberl 's is wegen dem Silberkasten, dort is er!

Rab Ich meinesteils mache mich immer gleich aus dem Staub, wenn ich das Geld habe, denn nur Geld, Geld –

Melchior (für sich) Sie gehn aufs Geld, es sind Menschen.

Rab Mit Pretiosen befass' ich mich nicht so gern. (Nimmt von Weinberl die Laterne und nähert sich dem Silberkasten.)

Weinberl Ah was, Silber is auch nicht zu verachten, je mehr, desto besser, man hat nie genug.

Melchior (für sich) Sie haben nie genug – es sind Menschen!

Rab Der Schlüssel steckt, räumen wir aus! (Öffnet die Glastüre des Kastens.) Da hab' ich aus dem Gewölb' einen Sack mit heraufgenommen, da pack' alles hinein! (Wirft ihm einen Leinwandsack zu, nimmt während des Folgenden aus dem Kasten Kaffeemaschine, Leuchter, Löffel usw. heraus und gibt es Weinberl, welcher es in den Leinwandsack steckt.)

Melchior (für sich) Sie packen ein, es sind Menschen, aber was für eine!

Rab Nur schnell!

Weinberl (beiseite) Nur langsam, sag' ich, ich muß ihn aufhalten, bis der Christopherl mit die Arretierer kommt.

Rab (scherzend) Einen Kaffeelöffel sollten wir ihm liegen lassen, als Souvenir de Silberkasten.

Melchior (für sich) Der hat doch noch menschliches Gefühl.

Weinberl Ah was, nur alles mitg'nommen! Im andern Zimmer drin wär' auch noch was!

Melchior (für sich) Der mit der Larven is ganz Teufel.

Rab Nein, das wäre zu riskiert, mich überfällt schon eine Unruhe – und das ist immer ein Zeichen –

Melchior (für sich) Bei dem is noch Besserung möglich.

Weinberl Die Stockuhr da drin sollten wir nicht auslassen.

Melchior (für sich) Der hat ein verhärtetes Gemüt!

Rab Nichts da, wir müssen fort! – (Bleibt stehen.) Hörst du? (Horcht gespannt.)

Weinberl Es is nix, es kann nix sein!

Melchior (über Weinberl erbost, die Faust ballend, für sich) Wenn ich nur den – (wirft durch seine unvorsichtige Bewegung einen Blumentopf vom Fenster herab.)

Rab Man kommt zum Fenster herein – schnell das Fersengeld! (Läuft zur Mitteltüre ab.)

Weinberl (für sich) Du darfst mir nicht auskommen! (Läßt den Sack liegen und läuft Rab nach.)

Melchior (springt aus seinem Versteck hervor und packt Weinberl, als er eben die Türe erreicht hat, am Genick) Hab' ich dich?!

Weinberl Au weh! Was ist das?!

Melchior Weil ich nur den hab'! (Zieht ihn mehr nach vorne.)

Weinberl Auslassen, sag' ich! Der andere is ja –

Melchior Ein Schnipfer, der zu Hoffnungen berechtigt. Du aber bist ein Scheusal –

Weinberl Er erwürgt mich – zu Hilf'! Zu Hilf'!

Melchior Mir gehen vor Wut die Kräften aus – zu Hilf'! Zu Hilf'!

Beide Zu Hilf'! Zu Hilf'!

Zehnter Auftritt

Zangler, Madame Knorr, Frau von Fischer, Christopherl, Sonders, Marie; die Vorigen ohne Rab

Christopherl (mit einer Laterne) Der Rauber is solo g'fangt, die Wachter hab'n ihn schon! (Zündet auf dem Tische rechts Licht an.)

Melchior Ich hab' den wahren. –

Zangler Was gibt's denn da für ein' Rumor?!

Weinberl (hat die Larve abgenommen) Herr Prinzipal –

Zangler (Melchior, welcher Weinberl noch immer festhalten will, beiseite schleudernd) Pack' du dich und nicht den da! (Zu Weinberl.) Der Christopherl hat mir alles gesagt – an mein Herz, edler Mann! (Umarmt Weinberl.)

Melchior Der umarmt den entlarvten Bösewicht! Das is klassisch!

Christopherl (zu Madame Knorr, bittend) Verschwiegenheit, Prinzipalin!

Madame Knorr (Christopherl erkennend) Ah, das is stark –!

Melchior (zu Zangler) Aber schaun S' nur, wie er Ihr Silber –

Zangler Durch dieses Silber hat er mir das Gold seiner Treue bewährt.

Melchior Das is klassisch!

Frau von Fischer und Madame Knorr (Weinberl erkennend) Was is denn das –!? Das is ja –

Zangler (der Madame Knorr und Frau von Fischer Weinberl vorstellend) Mein ehemaliger Kommis, gegenwärtig mein Associé, Herr Weinberl, der während meiner Abwesenheit mein Haus so treu bewacht.

Frau von Fischer und Madame Knorr (zu Zangler) Erlauben Sie, das ist –

Melchior (zu den Frauen) O, sag'n Sie ihm's, auf meine Reden gibt er nichts.

Weinberl (in ängstlicher Verlegenheit bittend, leise zu Frau von Fischer und Madame Knorr) Verschwiegenheit und Schonung, meine Gnädigen!

Frau von Fischer (böse) Was –? (Zu Zangler.) Das ist der Mensch, der es gewagt hat –

Weinberl (hat einen raschen Entschluß gefaßt und fällt ihr in die Rede) Ja, ich bin der, der es gewagt hat, wie Sie, Herr Prinzipal, mich einmal in die Stadt geschickt haben, hab' ich es gewagt, mich in diese reizende Witwe zu verlieben, und jetzt als Associé wag' ich es, ihr Herz und Hand zu Füßen zu legen.

Frau von Fischer (überrascht) Wie –? Wenn das Ihr Ernst wäre –

Weinberl So wahr ich Weinberl bin.

Zangler Na, das freut mich –

Melchior (zu Zangler) Aber, Euer Gnaden!

Zangler Noch ein Wort und ich jag' Ihn aus 'n Dienst.

Melchior (bemerkt in dem Augenblick, als er sich wendet, Sonders, welcher Marien umschlungen hält) O je, da schaun S' her!

Zangler (auf die Liebenden deutend) Aus diesem Grunde freut's mich doppelt, Herr Weinberl, daß Sie schon eine Wahl getroffen, denn Ihnen hab' ich meine Mündel zugedacht, aber 's Mädl hat sich in den Herrn vergafft, und grad, wie ich ihn als Entführer arretieren lassen will, klärt sich's durch den Herrn Kommissarius auf, daß seine Tante bereits gestorben und die große Erbschaft gerichtlich für ihn hier deponiert is. No, da hab' ich dann nicht anders können.

Sonders Der liebe Herr Zangler!

Marie (zugleich) Der gute Vormund!

Weinberl Also hat sich der Fall schon wieder ereignet? Nein, was 's Jahr Onkel und Tanten sterben müssen, bloß damit alles gut ausgeht –!

Melchior Das is klassisch!

Zangler (Madame Knorr bei der Hand nehmend und auf die beiden Paare zeigend) Mit einem Wort: es gibt eine dreifache Hochzeit.

Weinberl Dreifache Hochzeit, das is der wahre Jux!

(Unter einigen Takten fröhlicher Musik fällt der Vorhang.)

Ende


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