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Straße vor Zanglers Haus – der Mond beleuchtet die Bühne; links im Vordergrunde ist Zanglers Haus, ein Stockwerk hoch, Vorne ein praktikables Glasfenster, unter dem Fenster sieht man die verschlossene Gewölbetüre, darüber die Tafel mit der Aufschrift: »B. ZANGLERS VERMISCHTE WARENHANDLUNG«. Etwas weiter zurück als die Gewölbetüre ist das Haustor.
Melchior, dann Gertrud
Melchior (allein, tritt von der Seite rechts aus dem Hintergrunde auf) Ah – den ganzen Weg hab' ich superb verschlafen (gähnt) und bin jetzt so munter, als wann's hellichter Tag wär'. – Da is ja 's Haus – richtig – ich muß anläuten. (Sucht an beiden Seiten des Haustores.) Was is denn das –? Keine Glocken? – Ah, da hab' ich Respekt, hier hab'n s' noch keine Hausmeister, die werden doch schön z'ruck sein in der Kultur. (Klopft an das Tor.) He, aufgemacht (Klopft stärker.) Aufg'macht! – Es hört kein Mensch. – Wenn ich nur die Wirtschafterin aufrebell'n könnt', das is die einzige Person, die mich kennt im Haus. Auf d' Letzt' lassen s' mich gar nicht hinein – ich werd' mit einem Sandkörndl ans Fenster werfen. (Nimmt eines vom Boden auf und wirft an das Glasfenster vorn.) Es hört mich niemand – ich muß ein Steinl nehmen. (Nimmt eines vom Boden auf und wirft es ans Fenster.) 's nutzt noch nix – ich muß's mit ein' größern Steinl probier'n. (Nimmt einen Stein auf und wirft ihn ins Fenster, die Scherben fallen herab, man hört von innen einen Schrei von Gertrud.) Jetzt, glaub' ich, hat mich wer g'hört. Frau Gertrud! Frau Gertrud!
Gertrud (von innen) Wo brennt's?
Melchior Nirgends! Komm' d' Frau Gertrud nur zum Fenster!
Gertrud (eine Nachthaube auf dem Kopf, schaut zum Fenster heraus) Was is's denn, um alles in der Welt!?
Melchior Sein S' so gut, machen S' mir 's Tor auf.
Gertrud Impertinenter Mensch, wer is Er?
Melchior Der neue Hausknecht bin ich, der Melchior.
Gertrud Den Tod könnt' man haben durch den Schrocken!
Melchior Von Tod is gar kein' Red', Hochzeit is! Vor Tagesanbruch kommt der Herr.
Gertrud Er hat einen Rausch.
Melchior Den müßt' er sich erst trunken haben, ich hab' ihn alser nüchterner verlassen. Machen S' nur auf!
Gertrud Mir is es in alle Glieder g'fahr'n! Das is doch gar entsetzlich! Was glaubt denn so ein Mensch? (Entfernt sich brummend vom Fenster.)
Melchior (allein) Das sind die Folgen, wenn in ein' Haus kein Hausmeister is! Mir is das alles eins, ich zahl' die Fensterscheiben nicht. Mir scheint, ich hör' s' schon.
Gertrud (man hört sie von innen das Haus aufsperren und dabei brummen) Das werd' ich dem Herrn sagen, ob das recht is, daß man jemanden so aus 'n Schlaf –
Melchior (von außen, am Haustor stehend) Nur gelassen, Frau Gertrud!
Gertrud (von innen, wie oben) Das ist keine Manier, das is keine Art, bei später Nacht dieser Schrocken!
Melchior (von außen) Schaun S', der Zorn schad't Ihnen.
(Das Haustor öffnet sich, Melchior geht hinein.)
Gertrud (von innen, indem man sie wieder zuschließen hört) Wer'n wir schon sehen, was der Herr dazu sagt, das lass' ich nicht so hingehn.
Melchior (von innen) Ah, hör'n S' auf!
(Man hört beider Stimmen immer schwächer, bis es ganz ruhig wird.)
Christopherl und Weinberl (kommen rechts aus dem Hintergrund)
Weinberl Hab'n S' g'hört, Christoph? Wenn sich der Hahn nicht verkräht hat um a Stund', so geht's schon auf 'n Tag los.
Christopherl Macht nix, wir sind einmal da, wir können sagen, wir haben das Ziel erreicht.
Weinberl Ja, was denn eigentlich für ein Ziel, wenn man's recht betracht't?
Christopherl No, wir hab'n uns ein' Jux g'macht und kommen im übrigen grad so g'scheit wieder z' Haus, als wir aus'gangen sein.
Weinberl Jetzt frag' ich aber, zahlt sich so ein Jux aus, wenn man ihn mit einer Furcht, mit drei Schrocken, fünf Verlegenheiten und sieben Todesängsten erkauft? Is so a G'schäft nicht noch weit dümmer, als wenn man für a Lot Salami ein' Gulden, für ein Vierting Bockshörndl ein' Taler, für a halbete Sardellen ein' doppelten Dukaten zahlt? Wann wir aber das jetzt gehörig einsehn, dann kommen wir ja doch um ein Alzel g'scheiter nach Haus.
Christopherl Ich bin ja noch zu jung, um das richtig zu beurteil'n.
Weinberl Ah – ich bin ganz zerlext von die Gemütsbewegungen.
Christopherl Ich auch! Und für mich ist das noch weit gefährlicher, weil ich so stark im Wachsen bin. Schaun wir, daß wir ins Bett kommen! Soll ich anpumpern beim Haustor?
Weinberl Warum nicht gar! Wir schleichen uns ganz in der Still' ins Gewölb' und duseln ein bißl auf der Budel. In zwei Stund' wird's ohnedem Zeit zum Aufsperr'n sein. Ich hab' den G'wölb'schlüssel bei mir. (Sucht in den Taschen.) Da nein, da – oder da – Teufel hinein, ich hab' den Schlüssel verlor'n.
Christopherl Sein S' so gut!
Weinberl Wie ich den Kutscher, der uns herg'führt hat, mit meiner silbernen Uhr aus'zahlt hab', muß er mir herausg'fall'n sein.
Christopherl Na, das is ja keine dreihundert Schritt! Warten S', ich geh' z'ruck, ich weiß 's Platzl genau, werd' ihn gleich finden. (Geht in den Hintergrund rechts ab.)
Weinberl (allein)
Weinberl Jetzt habe ich das Glück genossen, ein verfluchter Kerl zu sein, und die ganze Ausbeute von dem Glück is, daß ich um keinen Preis mehr ein verfluchter Kerl sein möcht'. Für einen Kommis schickt sich so was nicht! Das kommt mir vor wie unser Fräule, die sagt auch immer: »Es schickt sich nicht«, und derweil – es g'schieht halt allerhand bei der Zeit, was sich nicht schickt.
1. | |
's hat einer a Geld herg'liehen ohne Interessen, Der Schuldner tut aber aufs Zahl'n rein vergessen. Der Gläubiger mahnt ihn stets mit Höflichkeit, Doch der Schuldner, der find't sich beleidigt und schreit: »Pressier'n Sie mich nicht, Sie wer'n 's Geld schon noch krieg'n, Sie Esel, ich werf' Ihnen gleich über d'Stieg'n!« Man glaubt nicht, wie häufig das g'schicht, Und es schickt sich doch offenbar nicht. |
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2. | |
Man muß sehn im Kaffeehaus, wenn Karten g'spielt wird, Wie s' zuschaun und dreinplauschen ganz ungeniert, Schaun zwei'n in die Karten und raten dem dritten, Ob er Karo oder Pick spiel'n soll – da muß i bitten! Und tut sich bei ein' Spieler ein Ultimo zeig'n, Dem tun d' Zuschauer völlig am Buckel auffisteig'n. Diese Unart fast überall g'schicht, Und es schickt sich doch offenbar nicht. |
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3. | |
A jungs und schlanks Töchterl, na, der steht es gut, Wann s' auch wie a B'sessene umtanzen tut, Doch was soll man sag'n, wenn d' Mama mit fufz'g Jahr'n Umafludert mit frische Kamelien in Haar'n. So a Frau wägt drei Zentner oft – Sie, das is viel! – Hupft aber noch neckisch mit in der Quadrill'. Man glaubt nicht, wie häufig das g'schicht, Und es schickt sich doch offenbar nicht. |
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4. | |
's gibt Leut', die ein' gern nur was Unang'nehms sag'n: »Ach, Sie schaun schlecht aus, Ihnen hat's schön beim Krag'n!« – »Gestern hat auf ein' andern g'schmacht't Ihre Herzensdam'.« – »Wer hat Ihnen den Rock g'macht, Sie, der steht infam!« – »Der Wag'n, den Sie kauft hab'n, ach, das is a Karr'n!« – »Ihr Stück hab' ich g'lesen, Sie, das is a Schmarn!« So sagen s' alles den Leuten ins G'sicht, Na, das schickt sich doch offenbar nicht. |
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5. | |
Das steht so gut, wann die gebildeten Herrn Recht freundlich und zärtlich mit Dienstboten wer'n Und ganz franchement rennen beim hellichten Tag Wie die Windspiel' ein' schlampeten Kuchelbär'n nach Und drucken ihr d'Bratzen und lassen s' nit aus: »O Engel, sagen S' mir's, sein S' allein heut' zu Haus?« Man glaubt nicht, wie häufig das g'schicht, Und es schickt sich doch offenbar nicht. |
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6. | |
Bei einer Art G'schwufen is viel Witz jetzt zu Haus, Sie lassen ihn sogar an Godscheberbuben aus, Sie kaufen a Pomeranzen und stecken s' in Sack Und sagen: »Wannst dein Geld willst, so rauch' erst Tabak!« Der Bua raucht, die Herren lach'n und machen sich brad, Bis ihr Witz dem Godscheber den Magen umdraht, 's soll erst unlängst g'schehn sein, so a G'schicht', Und es schickt sich doch offenbar nicht. |
(Im Hintergrund rechts ab.)
Kraps und Rab (kommen links aus dem Hintergrund. Rab trägt eine Blendlaterne, Kraps hat einen Mantel um und eine dunkle Larve vor dem Gesicht)
Rab Mir scheint gar, Kerl, du zitterst?
Kraps Nein, ich klappr' nur mit die Zähn'.
Rab Hasenfuß, da hättest du mich sehen soll'n, wie ich oft –
Kraps Das will ich wohl glauben, aber – du, lassen wir's auf ein anders Mal –
Rab Schämst du dich nicht? Hat der Kerl den genial'n Einfall, den Schlüssel in Wachs abzudrücken, und bei der Ausführung verliert er die Courage!
Kraps Es ist nur heut', schau, ein anders Mal –
Rab Nichts da! Nimm die Latern' und leuchte mir!
Kraps (zitternd die Laterne nehmend) Schau, Brüderl –
Rab Frisch ans Werk! (Sperrt während des Folgenden die Schlösser an den Gewölbestangen auf.)
Weinberl und Christopherl; die Vorigen
(Beide kommen aus dem Hintergrundstücke rechts und sehen, was an der Gewölbetüre vorgeht.)
Weinberl und Christopherl (erschrocken mit unterdrückter Stimme) Was ist das –!?
Rab (ohne die eben Angekommenen zu bemerken, in seinem Geschäft und in seiner Rede fortfahrend) So leuchte doch daher! Siehst du denn nicht –? Aber, Narr – hahaha, wozu, Strohkopf, nimmst du denn eine Larve?
Kraps Wann's schelch geht, es sehet uns wer, und wir müßten echappier'n – mein G'sicht ist zu bekannt in dem Haus!
Rab (der immer fortgearbeitet hat, macht einen Flügel der Gewölbetüre auf) Die Tür ist offen! Jetzt hinein und vor allem der Kassa eine Visit' gemacht! Gib mir die Latern' – die Schreibstube ist hinten links?
Kraps (ihm die Laterne gebend) Ja.
(Weinberl und Christopherl, die anfangs wie versteinert stehengeblieben sind, sich aber dann rechts nach dem Vordergrunde gezogen, zugleich)
Weinberl Christoph!
Christopherl Weinberl!
Kraps Aber, Brüderl, lassen wir's auf ein anders Mal!
Rab Wäre nicht übel! Umkehren auf halbem Weg! Du bleibst noch ein paar Minuten hier stehen und siehst dich um, ob nicht etwa über unser Geräusch sich irgendwo ein Licht zeigt, dann kommst du mir nach! Aber zittre doch nicht, du Hasenfuß! Klugheit im Kopf, Schnaps im Magen und Pistolen in der Tasche, da geht alles gut. (Geht ins Gewölbe ab.)