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Hupfer; die Vorigen
Hupfer (mit einem Pack unter dem Arm) Da bin ich, das Meisterwerk is vollendet!
Zangler (sehr freundlich) Also doch fertig? Sie hab'n mich warten lassen, lieber Herr Hupfer.
Melchior (zu Zangler) Ist das der, den der Teufel hol'n soll?
Hupfer Wie? Was?
Zangler (zu Melchior) Halt Er 's Maul! (Zu Hupfer.) Das is nur so eine Redensart ungeduldiger Erwartung.
Melchior Freilich nur Redensart, und das weiß auch der Teufel recht gut. Wenn er gleich jeden Schneider holet, wie man's sagt, so möcht' der Teufel Schneider sein.
Hupfer (indem er die Schützenuniform auspackt und das Umschlagpapier von den Knöpfen und Borten reißt) Mit Hilfe zweier plötzlicher unverhoffter Schneiderg'sellen habe ich das Unmögliche möglich gemacht.
Melchior Sind s' heut' erst an'kommen?
Hupfer Ja.
Melchior Nicht wahr, einer is krump, der andere hat ein schwarzes und ein blaues Aug', das schwarze Natur, das blaue g'schlag'n?
Hupfer Kann schon sein.
Melchior Die kenn' ich, sie hab'n g'fochten unterwegs.
Hupfer Das is so der Brauch.
Melchior Ich hab' ihnen einen Silberzehner geb'n und g'sagt, daß s' mir sechs Groschen herausgeb'n soll'n, das hab'n s' aber in der Hitze des Gefechts überhört und sind weitergegangen. Wollen Sie ihnen nicht sagen –
Hupfer (ohne auf Melchior zu hören, zu Zangler) Jetzt bitt' ich nur gefälligst anzuprobieren.
Zangler (hat seinen Überrock abgelegt und schlüpft mit Hupfers Hilfe in den Schützenfrack, indem er zu Melchior sagt) Merk' Er auf, damit Er lernt, wie man eine Uniform – (zu Hupfer) etwas eng, scheint mir –
Melchior Das is fesch –
Hupfer Freilich!
Zangler Unterm Arm schneid't das Ding ein, das tut weh.
Melchior Macht sich aber fesch!
Zangler Und hinten gehn die Schößeln zu weit auseinand'.
Melchior Das is gar fesch!
Zangler Wie gesagt, zu eng! Bei der Tafel wer'n mir alle Knöpf' aufspringen.
Hupfer Ich begreif' nicht –
Zangler Sie haben mir doch die Maß genommen.
Melchior Mein Gott, das Maßnehmen is eine alte Gewohnheit, die die Schneider doch nicht hindert, jedes neue G'wand zu verpfuschen.
Zangler (zu Melchior) Nun, wie schau' ich aus?
Melchior Ich derf's nit sag'n.
Zangler Wenn ich Ihm's befehl'! Wie schau' ich aus?
Melchior Klassisch!
Hupfer Am Himmel hab'n s' ein Sternbild, das heißt der Schütz, das is aber bei weitem nicht so geschmackvoll wie dieser Schütz.
Melchior Das is klassisch!
Zangler Für heut' tut's es, aber morgen müssen Sie mir den Rock weiter machen.
Hupfer Warum nicht gar, eine Uniform muß eng sein.
Zangler Aber ich erstick' ja.
Hupfer Macht nichts; Sie haben einmal von der Natur eine Art Taille erhalten, und es ist die Pflicht der Kunst, dieses Geschenk der Natur in das günstigste Licht zu stellen. Rekommandier' mich bestens. (Zur Mitte ab.)
Die Vorigen ohne Hupfer
Melchior Er hat halt allweil recht und gibt nicht nach. Man glaubet's nicht, wie so ein Schneider bockbeinig ist.
Zangler Jetzt, mein Lieber – wie heißt Er?
Melchior Melchior.
Zangler Mein lieber Melchior, fahr' Er gleich wieder z'ruck in die Stadt!
Melchior Was? Ich hab' glaubt, Sie haben mich aufg'nommen?
Zangler Freilich, aber ich fahr' morgen in aller Fruh' auch in die Stadt. Da steigt Er gleich bei der Linie im Gasthaus bei der Sonn' ab, sagt nur meinen Namen, daß das gewöhnliche Zimmer für mich herg'richt't wird, und erwart't mich. Da hat Er Geld – (gibt ihm) mach' Er aber g'schwind, in einer Viertelstund' geht der Stellwagen.
Melchior Gut! Aber könnt' ich nicht vorher noch meinen übrigen Vorgesetzten, dem Kommis und dem Lehrbub'n, die Aufwartung machen?
Zangler Nix, Er versäumt sonst den Wagen.
Melchior No, so geh' ich halt. Sie sind bei einer Tafel eing'laden, Herr von Zangler, geb'n S' acht auf 'n neuen Rock, daß S' Ihnen nicht antrenzen!
Zangler Was red't Er denn für dumm's Zeug –!?
Melchior Schön 's Serviett' vornehmen und auseinand'breiten, die Bratlfetten geht hart heraus.
Zangler Glaubt Er denn, ich bin ein Kind? Er is wirklich zu dumm!
Melchior Aber meine Aufführung is halt klass –
Zangler Mach' Er jetzt weiter!
Melchior Das hat mein voriger Herr auch immer g'sagt: dumm, aber klassisch. (Zur Mitte ab.)
Zangler (allein, den neuen Hirschfänger umschnallend) Schon wieder?! – Nein, was ich die Sprichwörter nicht ausstehen kann! – Mich hat einmal ein Sprichwort abscheulich ang'setzt, nämlich das »jung gefreit, hat niemand bereut«, das wird schier, wenn man alle Sprichwörter nach der Dummheit klassifiziert, 's erste Prämium kriegen. Und dem Sprichwort zum Trotz geh' ich jetzt als Alter wieder auf Freiersfüßen, und ich werd's g'wiß nicht bereuen. Wart' nur, Sprichwort, dich bring' ich noch ganz um den Kredit. (Geht durch die Seitentüre links ab.)
Gertrud
Gertrud (allein, kommt mit Lichtern zur Mitteltüre herein) Kaum viertel auf achte und schon völlig Nacht! (Stellt ein Licht auf den Tisch links.) 's fangt auf einmal zum Herbst'ln an. (Geht mit dem andern Licht in die Seitentüre links ab.)
Zangler (nach einer kleinen Pause von innen) Auf meine Mündel soll Sie schaun, hab' ich Ihr g'schafft.
Gertrud (von innen) Das tu' ich ja so! (Erscheint wieder unter der Türe, hineinsprechend.) Wie kann ich denn schaun auf sie, wann ich kein Licht anzünd'! (Kommt heraus.) So ein großes Mädl könnt', glaub' ich, schon selbst auf sich schaun. Sie geht mir nicht herauf aus 'n Garten, und da soll ich ihre Schmiseln begeln! Ja, überall z'gleich kann ich nicht sein! (Geht in die Seitentüre rechts ab.)
Weinberl (allein, tritt während dem Ritornell des folgenden Liedes zur Mitte ein. Er ist dunkelgrau gekleidet, mit einer grünen Schürze)
1. | |
Es sind gewiß in unsrer Zeit Die meisten Menschen Handelsleut', Und wer das Ding so observiert, Muß sag'n: der Handelsstand floriert. – 's versetzt ein Vater sein' Kaput Und führt drei Töchter auf d' Redout', Damit er s' vorteilhaft bringt an, Na, das ist doch ein Handelsmann! »Sie krieg'n mein' Tochter, wenn S' vor all'n Dem Vater seine Schulden zahl'n.« – »Das kann ich nicht.« – »Dann sag' ich: nein.« Das wird doch ferm gehandelt sein! »Ich hab' dich g'wiß« – sagt eine Braut, Indem sie so au'm Bräut'gam schaut – »In zwanzig Jahr'n wie heut' so gern!« – Da wird wohl auch was g'handelt wer'n. |
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2. | |
's Weib sagt zum Mann: »Du gehst jetzt aus Und kommst vor neune nicht nach Haus!« – »Ja«, sagt er – »wennst mir an Zwanz'ger gibst.« So a Handel ist ja allerliebst. – A alte Schachtel hat viel Geld, 's heirat't s' ein junger Guckind'welt, Verkauft sein' Freiheit und sein' Ruh' – Der Handel kummt gar häufig vur. 's sagt eine' »I bin zwanzg'g Jahr'.« – »Oha, Ich hab' ja Ihren Taufschein da.« – »So?« sagt s' – und g'steht ein' Vierz'ger ein – Das wird doch tüchtig g'handelt sein! Es prahlet eine Schwärm'rin sich: »Wenn ich nicht liebe, könnten mich Zehn Millionen nicht betör'n«, Da wurd' wohl auch was g'handelt wer'n. |
(Nach dem Liede.)
Vor dem Handelsstand kriegt man erst den wahren Respekt, wenn man zwischen Handelsstand und Menschheit überhaupt eine Bilanz zieht. Schaun wir auf 'n Handelsstand, wieviel gibt's da Großhandlungen, und schaun wir auf die Menschheit, wie wenig große Handlungen kommen da vor! – Schaun wir auf 'n Handelsstand, vorzüglich in der Stadt, diese Menge wunderschöne Handlungen, und schaun wir auf d' Menschheit, wie schütter sind da die wahrhaft schönen Handlungen ang'sät! – Schauen wir auf 'n Handelsstand, diese vielen Galanteriehandlungen, und schaun wir auf d' Menschheit, wie handeln s' da oft ohne alle Galanterie, wie wird namentlich der zarte, gefühlvolle, auf alle Galanterie Anspruch machende Teil von dem gebildetseinsollenden, spornbegabten, zigarrozuzelnden, roßstreichelnden, jagdhundkaschulierenden Teil so ganz ohne Galanterie behandelt! – Jetzt, wenn man erst die Handlungen der Menschheit mit Gas beleuchten wollt' – ich frag', wieviel menschliche Handlungen halten denn eine Beleuchtung als wie eine Handlung auf 'n Stock-im-Eisen-Platz aus? – Kurzum, man mag Vergleiche anstellen, wie man will, der Handelsstand is was Erhabenes, wir haben einen hohen Standpunkt, wir von der Handlung, und ich glaub', bloß wegen dieser schwindelnden Höhe fallen so viel' von der Handlung! – Der Christopherl tandelt wieder mit 'n G'wölb'zusperr'n.
Christopherl; der Vorige
Christopherl (zur Mitte hereinlaufend) Mussi Weinberl, der G'wölb'schlüssel war voll Wachs, grad als wie wann ein Bandit einen Abdruck hätt' mach'n woll'n.
Weinberl Dummer Pursch, du hast halt den Schlüssel wieder wohin g'worfen, ohne zu schaun, ob's sauber is. Von Rechts wegen unterliegest jetzt einer Straf'.
Christopherl O, ein Lehrjung' unterliegt nicht so g'schwind, durch G'wohnheit verträgt man viel.
Weinberl (in etwas feierlichem Tone) Die Verhältnisse haben indes eine andere G'stalt gewonnen. Der deutsche Handelsstand wird bald um einen Lehrjung' weniger hab'n.
Christopherl No, sein S' so gut, bringen S' mich um!
Weinberl Im Gegenteil, ich werde Sie bei einem freundschaftlichen Glas Wein leben lassen.
Christopherl (erstaunt) Wie g'schieht Ihnen denn, Mussi Weinberl?
Weinberl Nenn Sie mich in Zukunft Herr Weinberl, denn ich habe Hoffnung, zum Buchhalter zu avancieren, und Sie selbst werden von heut' an per Mussi tituliert.
Christopherl Warum sagen denn Sie »Sie« zu mir?
Weinberl Ahnen Sie nichts, glücklicher Kommerzzögling? Mit dem heutigen Schopfbeutler habe ich auf ewige Zeiten Abschied genommen von Ihrem Kakadu.
Christopherl Darum war Ihre Hand so heftig bewegt, als wenn sie sich gar nit trennen könnt'.
Weinberl Sie sind unter meiner fünfthalbjährigen Leitung g'waltig ausgebildet worden, haben das Kommerz von seinen verschiedenen Seiten kennengelernt und haben kritische Perioden mitgemacht. Wenn die Geschäfte stocken, 's G'wölb' leer is und der Handel- und Wandelbeflissene bloß dasteht, a paar Stanitzln macht und gedankenlos auf die Gass'n hinausschaut, da is es leicht! Aber plötzlich tritt neues Leben ins Merkantilische, in fünf Minuten steht 's ganze G'wölb' voll Leut', da will eins anderthalb Lot Kaffee, da eins um zwei Groschen Gabri, der ein' frischen Aal, die ein' g'faulten Lemonie, da kommt ein zartes Wesen um ein' Bärnzucker, da ein Kuchelbär um ein Rosenöl, da lispelt ein brustdefekter Jüngling: »Ein' Zuckerkandl«, da schreit ein kräftiger Alter: »A Flaschel Schlibowitz!«, da will ein üppiges Wesen a Halstüchel, da eine Zaundürre Fischbeiner zu ein' ausg'schnittnen Leibel hab'n; da geht a Alte auf 'n Kas los und schreit: »Mir ein' halb'n Vierting Schweizer!«, da kommt ein gemeiner Dienstbot' ein' Haring austauschen, den ihr ihre noble Frau ins G'sicht g'worfen hat, weil's kein Milchner war – in solchen Momenten muß der Kommis zeigen, was ein Kommis is, d' Leut' z'samm'schrein lassen, wie s' woll'n, und mit einer ruhigen, ans Unerträgliche grenzenden Gelassenheit eins nach 'n andern bedienen.
Christopherl Jetzt weiß ich aber noch allweil nicht, was is's denn eigentlich mit mir?
Weinberl Ruhig, der Prinzipal wird es Ihnen notifizieren.