Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Sechzehnter Auftritt

Die Vorigen ohne Kellner

Frau von Fischer (zu Madame Knorr) Nun, hab' ich deinen Gusto getroffen?

Madame Knorr 's ist aber zu viel.

Christopherl (zu Weinberl) Wie g'schieht Ihnen denn?

Weinberl Mir g'schieht gar nicht mehr, ich bin stumpf.

Christopherl Und ich bin scharf aufs Abfahr'n bedacht.

Weinberl (von dieser Idee ergriffen) Abfahren? – Sie haben recht, Krida ist da, also verschwinden – das kommt im Merkantilischen häufig vor!

Christopherl Der Kellner soll sich dann mit der Zech' an die Frauen halten.

Weinberl Recht so, wir lassen alles auf die Frauen schreiben, das is wieder merkantilisch.

Christopherl Warum stürzen s' uns so in Depensen, diese Weiber!

Weinberl Das sind ja Verschwenderinnen, reine Gourmaninnen.

Christopherl Aber nur kein' Verlegenheit g'spür'n lassen und Cour gemacht aus Leibeskräften!

(Zweiter Kellner kommt und deckt den Tisch rechts, rückt ihn aber vorher etwas gegen die Mitte der Bühne.)

Weinberl (zu Frau von Fischer) Du glaubst nicht, meine Liebe, wie wohl mir jetzt ist, es ist ein Vorgefühl in mir –

Madame Knorr Daß Sie noch viele solche frohe Tage an der Seite Ihrer Frau – das nenn' ich eine Lieb' –

Christopherl (zärtlich zu Madame Knorr) Können Sie bei diesem Anblick gefühllos bleiben?

Madame Knorr Junger Mensch, ich hab' Ihnen schon gesagt, daß ich eine Braut bin, ich lebe nur für diesen einen Mann.

Christopherl Daß Sie für einen Mann leben, gibt Ihnen das das Recht, einen Jüngling zu töten?

Madame Knorr Hören Sie auf, Sie sind ein schlimmer Cousin!

Siebzehnter Auftritt

Kellner; die Vorigen, dann Melchior

Kellner (Fasan und Rheinwein bringend) Wenn es Euer Gnaden gefällig ist. (Stellt alles auf den Tisch.)

Frau von Fischer O ja! (Zu Madame Knorr.) Komm liebe Freundin!

Weinberl (zum Kellner) Sie können auch einen wällischen Salat bringen.

Christopherl Überhaupt, was gut und teuer ist –

Weinberl Uns is das egal, was es kost't, Sie werden sehn, wir binden uns an keinen Preis. (Für sich.) Wart't's, Gourmaninnen!

Kellner Sehr wohl, Euer Gnaden! (Geht ab.)

Melchior (tritt mit dem zweiten Kellner, welcher ein Gedeck trägt, ein) Was is denn das? Ich will da für mein' Herrn aufdecken lassen und jetzt setzen sich andere herein –

Weinberl Ich glaub', an einem öffentlichen Ort hat jeder das Recht –

Melchior Ah, das is indiskret!

Zweiter Kellner In dem Salon hab'n ja zwanzig Personen Platz.

Melchior Mein Herr will aber allein sein.

Christopherl Dann soll er an keinen öffentlichen Ort gehn.

Melchior Ah, das is indiskret! Sie können sich ja hinaus in den Garten setzen.

Frau von Fischer Das kann Sein Herr auch tun.

Melchior Mein Herr muß von hier aus jemand beobachten, und mit einem Wort, mein Herr wird sich nicht wegen Ihnen vieren genieren.

Weinberl Und wir viere werden uns noch weniger wegen Sein' Herrn genieren.

Melchior Ah, das is aber indiskret. Da muß mein Herr sitzen wegen der Aussicht auf die Tür. – (Rückt den Tisch, welchen der Kellner deckte, von links gegen die Mitte ziemlich nahe an den Tisch der Gesellschaft.)

Madame Knorr Das gilt uns gleich.

Melchior Wenn der dumme Salon nur in der Mitte eine Abteilung hätt' –

Weinberl Na, ja, Sein Herr soll halt gleich eine Mauer aufführen lassen, wenn er wo einkehrt.

Zweiter Kellner Man könnte allenfalls – es zieht manchmal den Gästen zu stark, da wird dann (auf die zwischen Fenster und Türe lehnende zusammengelegte spanische Wand zeigend) die spanische Wand gebraucht. Wenn man die in der Mitte aufstellt, so wäre ja die gewünschte Absonderung geschehn.

Frau von Fischer Machen Sie das, wie Sie wollen! (Zu Madame Knorr.) Legen wir unsere Hüte ab und setzen wir uns! (Geht mit Madame Knorr zu einem Stuhl rechts, wo sie während des Folgenden ihre Hüte ablegen.)

Christopherl (zu Weinberl) Das sieht kurios aus, das können wir uns vor den Frauen nicht antun lassen.

Weinberl (zu Melchior, welcher die spanische Wand aufstellen will) Wenn Er mit der spanischen Wand nicht weitergeht, so werf' ich Ihn an die wirkliche! –

Melchior Ah, das is klassisch!

Weinberl Wir werden uns da wie die wilden Tier' in einer Menagerie absperren lassen!

Melchior Na, warten S', das sag' ich meinem Herrn!

Christopherl Was kümmert uns Sein Herr?

Weinberl Er soll nur kommen, wir werden ihm zeigen –

Melchior Da kommt er grad die Allee herauf. (Drohend zu Weinberl und Christopherl.) Warten S'!

Weinberl (hingehend und heftig erschreckend) Kontinent, tu dich auf! –

Christopherl (der ebenfalls hingesehen) Auweh! – und verschling' uns! –

Weinberl und Christopherl (zugleich) Der Prinzipal!

Weinberl (zu Melchior) Lieber Freund, Sie haben erst recht mit der spanischen Wand –

Christopherl Ja, 's besser, stell'n wir s' auf.

Weinberl Aber nur g'schwind, Kellner, helfen S'!

(Der Kellner, Christopherl, Weinberl und Melchior stellen mit vieler Eile, wobei einer dem andern hinderlich ist, die Wand auf.)

Melchior Jetzt sehen Sie's ein und eher haben S' so G'schichten – nein, wie Sie indiskret sein!

Madame Knorr (zu Frau von Fischer) Aber schau nur her, was sie da für Umständ' machen!

Weinberl (zu den Frauen) Es ist, wissen Sie – es zieht hier so stark nach der Luft –

Frau von Fischer Ich spüre nichts.

Madame Knorr Wir sind ja nicht rheumatisch.

Weinberl (zu Christopherl) Aber uns reißt's ungeheuer.

Christopherl Setzen wir uns!

(Alle vier setzen sich zu Tisch, die spanische Wand ist aufgestellt und teilt die Bühne in der Mitte ab. Der Tisch der Gesellschaft und der für Zangler bestimmte Tisch sind ziemlich nahe und nur durch die Wand getrennt.)

Achtzehnter Auftritt

Zangler; die Vorigen

Zangler (eintretend) Alles in Ordnung! Melchior!

Melchior Euer Gnad'n?

Zangler Der Wachter steht schon draußen auf der Pass'. Wie meine Mündel mit ihrem Entführer in Wagen steigt, steigt der Kutscher auf den Bock und der Wachter hint' auf.

Melchior Das ist klassisch!

Madame Knorr Sehr ein gutes Kompott!

Weinberl (mit gedämpfter Stimme) Ich werd' den Fasan transchieren.

Christopherl (ebenfalls mit gedämpfter Stimme) Und ich werd schau'n, ob der wällische Salat noch nicht bald kommt. –

Madame Knorr Ach ja!

Zangler Was is denn das mit der spanischen Wand?

Melchior Da darneben sind indiskrete Leut', zwei Weibsbilder mit ihre Liebhaber, damit Euer Gnaden nicht geniert sind.

Zangler Gut!

(Zweiter Kellner bringt Wein und Aufgeschnittenes, stellt es auf den Tisch. Zangler setzt sich.)

Melchior (mit dem Finger darauf zeigend) Das hab' ich für Euer Gnaden angeschafft.

Zangler Gut!

Melchior Gott, was wären Euer Gnaden ohne mich!

Zangler Die Zeitung! (Für sich.) Wer weiß, wie lang das noch dauert. –

(Kellner bringt Zangler die Zeitung und geht ab.)

Melchior Ich werd' patrouillieren. (Geht in den Garten hinaus.)

Frau von Fischer Der Fasan scheint sehr gut zu sein.

Weinberl (mit gedämpfter Stimme) Die Zähigkeit abgerechnet, delikat –

Madame Knorr Kommt der Kellner noch nicht?

Christopherl (mit gedämpfter Stimme) Nein, das ist ein langsamer Kerl.

Madame Knorr Warum reden denn die Herren so still, so heiser?

Weinberl (wie oben) Die Zugluft hat das gemacht.

Christopherl (wie oben) Es is ein wahres Glück, daß die Wand aufgestellt is.

Weinberl (wie oben) Ja, sonst hätt's uns die Sprach' gänzlich verschlagen.

Madame Knorr Nein, wie die Herren jetzt heiklich sind –

Melchior (hereinlaufend) Euer Gnad'n! Euer Gnad'n!

Zangler Was ist's? –

Melchior Ich seh' noch nichts –

Zangler Dummkopf!

Melchior Früher waren zwei da herin, das waren aber andere.

Zangler Die ich such', sitzen draußen, ich hab' sie von weitem gesehn. Geh hinaus, stell' dich in einige Entfernung vom Wagen, und wie sie fortfahren, sagst du mir's, wir fahren dann gleich nach. –

Melchior Das wird klassisch! (Geht ab in den Garten.)

Christopherl (hat während der letzten Reden schnell den Burnus der Frau von Fischer umgenommen und ihren Hut aufgesetzt) So kann ich neben unserm Alten vorbeipassier'n.

Frau von Fischer (zu Weinberl) Du schenkst ja unserer Freundin gar nichts ein?

Weinberl (welcher bemerkt hat, wie Christopherl sich ankleidet, zu Frau von Fischer) Aber, Liebe, ich kann ja nicht transchieren und einschenken zugleich.

(Christopherl hat den hinteren Teil der spanischen Wand geöffnet und schlüpft so in die andere Hälfte der Bühne hinüber, wo Zangler sitzt, welcher, in die Zeitung vertieft, ihn nicht bemerkt.)

Zangler (in der Zeitung lesend) »Verwegener Kleiderdiebstahl durch einen jungen Purschen.« (Spricht.) Nein, was man jetzt alles liest, die Halunken werden immer pfiffiger.

(Christopherl hat sich an der Rückwand zur Glastüre hin in den Garten hinausgeschlichen.)

Madame Knorr Wo ist denn der Cousin hin'kommen?

Weinberl (Madame Knorr den Fasan offerierend) Bitte sich zu bedienen! (Läßt, indem er nach dem Fenster sieht, eine Gabel von der Schüssel und auf das Kleid der Frau von Fischer fallen.)

Frau von Fischer Himmel! Mein neues Kleid!

Weinberl Pardon! Es wird nichts machen als einen fetten Fleck.

Frau von Fischer Der nie mehr herausgeht.

Madame Knorr Nur gleich mit der Serviett' reiben. (Ist Frau von Fischer dabei behilflich.)

(Christopherl steigt außerhalb dem Glasfenster in Sonders' Wagen.)

Weinberl (dies bemerkend, steht auf und sagt für sich, indem er sich dem Fenster nähert) Der steigt in den Wagen, das is ein g'scheiter Einfall, der Kutscher muß uns fahren bis aufs Feld hinaus, dann geb' ich ihm einen Gulden und lass' ihn umkehren. – Wie komm' ich aber hinaus? Dort der Prinzipal, da die Frauen – Gott sei Dank, der Fleck is so fett, daß die mich nicht bemerken.

Frau von Fischer Das geht nie mehr aus. –

Weinberl (einen raschen Entschluß fassend) Aber was anders geht aus! – (Steigt zum Fenster hinaus.)

Madame Knorr (Weinberl bemerkend) Freundin, da schau her, was dein Mann –

Frau von Fischer (betroffen) Er ist aus dem Fenster gestiegen!?

Madame Knorr Und steigt in den Wagen ein.

(Man sieht Weinberl in den Wagen steigen.)

Frau von Fischer (will hinausrufen) Mein Herr –!

(Man sieht den Wächter in Uniform hinten auf den Wagen steigen.)

Madame Knorr Was is das, der Ortswachter –!? Er stellt sich hinten auf –

Frau von Fischer Eine Arretierung

(Man hört schnalzen, der Wagen fährt ab.)

Madame Knorr Fort ist er!

(Beide Frauen bleiben erschrocken an ihren Stühlen stehen indem sie starr dem abgefahrenen Wagen nachblicken.)

Melchior (zur Glastür eintretend) Das is klassisch! Wir haben s' schon, der Kutscher und der Wachter lassen s' nimmer aus.

Zangler Wir fahren gleich nach. Kellner, zahlen!

Neunzehnter Auftritt

Sonders, Marie; die Vorigen

Sonders (mit Marie zur Glastüre hereintretend, ohne Zangler zu bemerken) Kellner, zahlen! Wo stecken denn die Schlingel?

Zangler (springt wütend auf) Höllen-Element! Da sind s'!

Marie Ach, der Vormund! –

(Wankt und sinkt Sonders in die Arme.)

Sonders (zugleich) Verdammt!

Madame Knorr (über Zanglers Ausruf betroffen) Was für eine Stimm'!? –

Frau von Fischer (zugleich, über den daneben entstandenen Lärm erschrocken) Was geht da vor!? –

Melchior (zu Zangler) Das sind ja die andern! –

Zangler Meine Mündel! – Der Teufel soll – (Will vorstürzen, schiebt den Stuhl wütend zurück, so daß die spanische Wand umfällt. Die beiden Frauen springen, laut schreiend, auf die Seite.)

Zangler (indem er hinübersieht, äußerst erstaunt, als er Madame Knorr erkennt) Meine Braut!?

Madame Knorr (erschrocken und verlegen) Zangler –

Melchior (verblüfft) Seine Braut – seine Mündel – das die Mündel, das die Braut – das is klassisch!

(Die zwei Kellner sind hereingekommen. Allgemeine Gruppe des Erstaunens und der Verwirrung, die im Garten sitzenden Gäste haben sich lachend dem Eingang des Salons genähert – im Orchester fällt passende Musik ein.)

Der Vorhang fällt.


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