Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Zehnter Auftritt

Kutscher; die Vorigen

Kutscher (tritt ein) Euer Gnad'n!

Zangler Geh' Er her!

Kutscher Ich hab' schon a Fuhr.

Zangler Eben deine Fuhr will ich –

Kutscher Sein denn Euer Gnaden a Kutscher?

Zangler Er versteht mich nicht –

Melchior (zu Zangler) So reden S' ordentlich mit ihm; ich seh' schon, da hab'n Euer Gnaden kein' Begriff –

Zangler Du hast einen Herrn und ein Frauenzimmer geführt?

Kutscher Ja, die sitzen im Garten.

Zangler Und weißt du, in welcher Absicht dieser Herr und dieses –

Kutscher Was geht denn das mich an!

Melchior Wenn a Kutscher in das eingehen wollt'! Ah, da hab'n Euer Gnaden kein' Begriff –

Zangler (zum Kutscher) Weißt du, Helfershelfer, daß du kriminalistisch bist?

Kutscher Lassen S' Ihnen nit auslachen!

Melchior (zu Zangler) Sehn S', jetzt lacht er Ihnen aus, Euer Gnaden hab'n keinen Begriff –

Zangler (zum Kutscher) Hier hat Er zehn Gulden.

Melchior Der Kutscher wird jetzt gleich ein' Begriff krieg'n.

Kutscher Euer Exzellenz!

Zangler (zum Kutscher) Er führt diese zwei Leut', wenn sie wieder einsteigen, nicht wohin sie wollen, sondern wohin ich Ihm sagen werde.

Kutscher Wenn s' mich aber nachher verklag'n?

Zangler (ihm einen Zettel gebend) Das is die Adress' von meiner Schwägerin, da führst du sie hin, und um dir zu zeigen, daß die Sache im Wege Rechtens vor sich geht, geh' ich jetzt zum Wachter, der muß hint' aufstehen und Gewalt brauchen, wenn sie nicht gutwillig in das Haus wollen, wo ich sie hinbringen lass'. Dem Wachter werd' ich schon erklären –

Melchior (mit Beziehung auf das Trinkgeld) O, der Wachter begreift ebenso wie der Kutscher.

Zangler (zum Kutscher) Bleib' Er jetzt beim Wagen. Er muß jeden Augenblick in Bereitschaft sein.

Kutscher Euer Gnaden können sich verlassen. (Ab.)

Zangler (grimmig) Ich fahre dann nach, und hab' ich den kecken Burschen im Haus meiner Schwägerin, dann lass' ich ihn durch einen Herrn Kommissarius ohne Aufsehen –

Melchior Das is ja das, was ich immer sag': ohne Aufsehen! Sehn Euer Gnaden jetzt ein, was das für ein Glück is, daß Sie mich haben?

Zangler (wie zuvor) Unerträglicher Kerl, ich zerreiß' Ihn!

Melchior Gehn S', Sie machen schon wieder ein Aufsehn.

Zangler Schad', daß ich mich ärger', denn Er ist so dumm, so –

Melchior Da haben Sie gar keinen Begriff, wenn Sie sagen –

Zangler Daß Er ein Stockfisch ist, den ich zum Teufel jag', wie wir nach Hause kommen, das sag' ich. (Geht wütend ab.)

Elfter Auftritt

Melchior, dann Sonders und Marie

Melchior (allein) Der wird es nie einsehn, mit dem Mann plag' ich mich umsonst. Er halt't mich partout für einen Stockfisch, und man glaubt gar nicht, was das is, wenn man einmal auf ein' Menschen einen Verdacht hat. – Ich könnt' mich aber doch durch was in Respekt setzen bei ihm: wenn ich die Liebenden, die ich in meinem Leben nicht g'sehen hab', entdecket, ihre Gespräche und Pläne belauschet und so – da kommen zwei –! (In den Garten hinaussehend.) Er red't in sie hinein, sie seufzt aus sich selbst heraus – das sind Liebende, jetzt fragt's sich nur, ob es die unsrigen sind, ob's die sind, die wir suchen? (Zieht sich rechts gegen das Fenster zurück.)

Sonders (mit Marie zur Glastüre eintretend) Sei doch nicht so ängstlich, liebe Marie!

Marie (trägt einen Burnus und Hut mit Schleier) Ach Gott, die vielen Leut' –

Sonders Kennen uns nicht, wir sind hier beide fremd.

Marie Ich glaub', jeder Mensch sieht mir's im G'sicht an –

Melchior (für sich) Das is klassisch.

Marie Und bei jedem Schritt glaub' ich, der Vormund steht vor mir.

Melchior (für sich) Sie hat einen Vormund, die sind's schon!

Sonders Hier ist der Sammelplatz der eleganten Welt, gerade hier sind wir sicher, so einem Spießbürger, wie er ist, nicht zu begegnen.

Marie Ach, August, wozu hast du mich verleitet?! Und ich hab' dir doch immer gesagt, es schickt sich nicht.

Melchior (für sich) Das is klassisch.

Sonders Mache dir deshalb keine Vorwürfe, dein Vormund ist ein Tyrann.

Melchior (für sich) Was? Auf die Art sind die's doch nicht. Unserer ihr Vormund is a G'würzkramer und der ihrer is a Tyrann. Das sind Liebende, die uns gar nix angehen.

Sonders Er selbst hat uns gezwungen zu diesem Schritt.

Melchior (für sich) Die sind dazu gezwungen worden, und die unsrigen sein freiwillig fort, ja, das sind ganz andere Verhältnisse.

Marie Du wirst sehen, August, mir geht's im Geist vor –

Sonders Beruhige dich, liebes Mädchen, wir haben nichts zu befürchten.

Melchior (für sich) Die haben nichts zu befürchten, und die unsrigen haben sehr viel zu befürchten – wie gesagt, das sind hier ganz andere Verhältnisse.

Marie Daß ich aber mit dir in der Welt herumlauf', das schickt sich nicht.

Melchior (für sich) Das is klassisch.

Sonders Dafür ist gesorgt, ich erwarte hier nur die Antwort von einem Freunde, dessen Schloß zwei Stunden von hier gelegen; bei seiner Gattin findest du ein freundliches Asyl, bis ich, nach Beseitigung aller Hindernisse, dich als Gattin in die Arme meiner Tante führe.

Melchior (für sich) Die gehen zu einer Tant', und die unsrigen kommen von ein' Onkel – na, ja, das sind ja ganz andere Verhältnisse.

Sonders (Melchior bemerkend) Wer spricht hier?

Melchior Nein, nein, sind Sie ruhig – Ihnen tun wir nix.

Sonders Er hat uns behorcht!

Melchior Kein Gedanken!

Sonders Was will Er also hier?

Melchior Sie müssen wissen, sowohl Sie als das Fräulein müssen wissen, ich bin da mit mein' Herrn!

Sonders Was geht das uns an?

Melchior Na ja, wenn Sie die wären, die – dann ging's Ihnen wohl sehr viel an, aber wie gesagt, bei Ihnen sind es ganz andere Verhältnisse. –

Sonders Ich glaube, Er ist betrunken.

Zwölfter Auftritt

Ein Kellner; die Vorigen

Kellner Die Schokolade ist serviert.

Sonders Wo hast du für uns gedeckt?

Kellner Wo Euer Gnaden früher gesessen sind, in der Laube.

Sonders Komm, liebe Marie!

Marie Ach, August, es schickt sich nicht. (Beide ab, der Kellner folgt.)

Dreizehnter Auftritt

Melchior

Melchior (allein) Die sagt immer: »Es schickt sich nicht«, geht aber doch wieder in die Laube, das is klassisch! (Ab.)

Vierzehnter Auftritt

Madame Knorr, Frau von Fischer, Weinberl, Christopherl

(Frau von Fischer, von Weinberl, Madame Knorr, von Christopherl geführt, treten ein; Frau von Fischer trägt Hut und Burnus von derselben Farbe, wie Marie hatte.)

Frau von Fischer (zu Weinberl) Ich begreife nicht, mein Lieber, was dir eingefallen ist, daß du den Wag'n fortfahren ließest?

Madame Knorr Hier bekommen wir ja wieder Wägen, soviel wir wollen.

Christopherl O ja, wenn man kein Geld anschaut.

Weinberl (leise zu Christopherl) Ich werd' sehr bald kein Geld anschauen, denn ich werd' gleich keins mehr haben. (Laut zu Frau von Fischer.) Weißt du, Liebe, ich hab' geglaubt, es ist angenehmer, wenn wir zu Fuß nach Hause gehen.

Frau von Fischer Zu Fuß?

Madame Knorr Aha, im Mondenschein mit dir dahinschlendern und schwärmen hat er wollen.

Weinberl Ja, schlendern und schwärmen.

Christopherl (zu Madame Knorr) Und wir hätten auch das Unsrige geschwärmt.

Madame Knorr O, Sie schlimmer Cousin!

Weinberl Ja, ja, gehen wir zu Fuß, das is so schwärmerisch (beiseite) und so billig!

Frau von Fischer Warum nicht gar, der Abend ist kühl, willst du mich morgen krank wissen?

Madame Knorr In der Hinsicht soll man wohl nicht sparen. Eine Krankheit kommt höher als zehn Fiaker.

Weinberl (für sich) Mich kommt wieder ein Fiaker höher, als wenns' morgen zehn Krankheiten kriegt.

Frau von Fischer (zu Weinberl) Ohne Widerrede, wir fahren.

Madame Knorr (zu Frau von Fischer) War das aber ein guter Rat von mir, daß ich g'sagt hab', du sollst um den Mantel nach Haus schicken.

Frau von Fischer Jawohl, aber hier will ich doch ablegen. (Geht zu einem am Fenster stehenden Stuhl und legt den Burnus ab, wobei ihr Madame Knorr behilflich ist.)

Weinberl (im Vordergrund zu Christopherl) Christoph, Sie haben doch etwas Geld bei sich?

Christopherl Nein, gar keins.

Weinberl Sie sind ein – auf Ehr', wenn Sie nicht schon Kommis wären, jetzt beutlet ich Ihnen, daß –

Christopherl Und wenn S' mich noch so beuteln, so fallt kein Kreuzer heraus! Ich hab' mich auf Ihnen verlassen, wie viel haben S' denn?

Weinberl Ich hab' mir von z' Haus zehn Gulden mitgenommen.

Christopherl Und mit zehn Gulden hab'n Sie wollen ein verfluchter Kerl sein?

Weinberl Hab' ich das ahnen können, wie ich in der Fruh' so ledig aus'gangen bin, daß ich gegen Abend a Frau hab'? Sonst sagt man: 's Unglück kommt über Nacht, mir is es über Mittag kommen! – Und daß ich alles zahlen muß, hab' ich mir auch nicht denkt – jetzt hab' ich grad noch zwei Gulden.

Christopherl Und jetzt brauchen wir a Jausen auf vier Person', Wagen nach Haus und unser' Ruckreis' –

Weinberl Da schaut offenbar a Krida heraus.

Frau von Fischer (mit Madame Knorr vorkommend) Nun, lieber Mann, du vergißt ja, den Kellner zu rufen?

Weinberl Nein, ich hab' grad drauf denkt. – (Zögernd.) Du glaubst also wirklich, daß wir hier jausnen sollen?

Frau von Fischer Was sonst?

Weinberl (verlegen) Nein, nein, sonst nix – (Beiseite.) Mir is das z'viel!

Frau von Fischer So rufe doch –

Weinberl (mit unsicherer Stimme) He, Kellner!

Frau von Fischer So wird dich niemand hören.

Weinberl Ich hab' so was Erschöpftes in mir – gar nicht das rechte Organ, ein' Kellner zu rufen. (Ruft wie freier.) He, Kellner!

Christopherl (laut) Kellner!

Frau von Fischer (zu Madame Knorr) Mein Mann macht sich öfters den Spaß, den Knickrigen zu spielen, die Jause soll dich vom Gegenteil überzeugen. (Für sich.) Ich glaube, der Mensch wollte mich zum besten halten, das soll er mir büßen.

Fünfzehnter Auftritt

Kellner; die Vorigen

Kellner Was schaffen Euer Gnaden?

Weinberl Sie sind der Kellner? Haben Sie die Gewogenheit, nehmen Sie es nicht ungütig, daß wir Sie hieher bemühen –

Kellner Euer Gnaden scherzen –

Weinberl O nein, warum soll ich Ihnen nicht mit Achtung behandeln –

Christopherl (leise zu Weinberl) Was treiben S' denn?

Kellner (zu Weinberl) Bitte, Euer Gnaden, so zart geht kein Gast mit ein' Kellner um.

Weinberl O, ich bitte! – (Leise zu Christopherl.) Jetzt hab' ich doch Hoffnung, daß er mit mir auch zart umgehen wird, wenn es zum Äußersten kommt.

Frau von Fischer (welche indes mit Madame Knorr gesprochen): Nun, was ist denn angeschafft worden?

Kellner Bis jetzt noch nichts.

Weinberl Wir deliberieren grad, ich glaube, zwei Schalen Kaffee –

Frau von Fischer Kaffee haben wir ja schon bei meiner Freundin getrunken. Du mußt eine Jause bestellen, die gleich als Souper dienen kann.

Weinberl Aha –! (Zum Kellner.) So bringen Sie uns Butter und Rettig und drei Seitel Bier, zwei für uns und eins für die Damen. (Für sich.) Das kommt billig.

Frau von Fischer Was wär' das? Du willst uns so ordinär –?

Madame Knorr Ich trinke nie Bier –

Weinberl (zum Kellner) Also nur für uns Bier, für die Damen Wasser. (Für sich.) Das is noch billiger.

Frau von Fischer Aber, Mann!?

Madame Knorr Ich darf nicht kalt soupier'n.

Weinberl Also was Warmes? (Zum Kellner.) Haben Sie kein Beuschl?

Christopherl Oder ein halbes Gulasch?

Kellner Das möcht' ich nicht raten, es ist schlecht.

Weinberl (für sich) Das wär' eigentlich gut, da esseten s' nicht viel. –

Frau von Fischer (ernst zu Weinberl) Mann, jetzt sag' ich dir zum letztenmal –

Weinberl (mit Resignation zum Kellner) Also bringen Sie zwei Schnitzel, für uns Bier und für die Damen ein Seitel Achter. (Für sich.) Die zwei Gulden sind überschritten – die Krida geht an.

Frau von Fischer (zu Madame Knorr) Heut' hat mein Mann wieder seinen närrischen Tag. (Zu Weinberl.) Herr Gemahl, jetzt hab' ich's satt!

Weinberl (für sich) Das wär' ein Glück –

Frau von Fischer So schafft man nicht an, wenn man Damen ausführt. Kellner, Sie bestellen uns ein' Fasan –

Kellner Den Augenblick kommt einer vom Spieß.

Frau von Fischer Dazu Kompott, dann Torte und sonstiges Dessert, zuerst Rheinwein, am Schluß Champagner.

Kellner Sehr wohl, Euer Gnaden. (Ruft, indem er abgeht.) Anton, vier Gedeck' im Salon. (Ab.)


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