Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Fünfzehnter Auftritt

Die Vorigen ohne Gertrud

Weinberl (lachend vom Stuhl aufstehend) Sehn Sie, jetzt sind wir gedeckt. Erfahrt im schlimmsten Fall der Prinzipal, daß's G'wölb' zugesperrt war, so berufen wir uns auf seinen Befehl, den wir durch die Frau Gertrud erhalten haben.

Christopherl Dann glaubt er, die Alte is verruckt.

Weinberl Das verschlage ihr nix, denn für g'scheit hat er s' nie g'halten.

Christopherl Meiner Seel', pfiffig ausspekuliert! Na, Sie sind ja auch einmal Lehrjung' g'west, sonst könnt' das G'wixte nicht in Ihnen stecken.

Weinberl Richten Sie sich jetzt das Sonntagsg'wand! Was zur Eleganz fehlt, Krawattel, Schmisel, Handschuh' und Schnopftüchel werd' ich Ihnen leihn.

Christopherl Juchhe, das wird ein Jux wer'n morgen! (Geht zur Mitte ab.)

(Man hört von außen Zangler räuspern und husten.)

Christopherl (erschrocken zurückprallend) O jegerl, der Alte kommt!

Weinberl (erschrocken) Der Herr Zangler – wann er mich in dem Aufzug sieht –

Christopherl Ich retirier' mich zu der Frau Gertrud hinein.

Weinberl Aber was tu' denn ich? Ich kann mich so weder vor der Frau Gertrud noch vor 'n Herrn Zangler zeigen.

Christopherl Ich geh' zu der Frau Gertrud, ich riskier' nix, aber ich bin dabei. (Geht zur Seitentüre rechts ab.)

Weinberl Mir bleibt nix übrig – (löscht schnell das Licht aus und eilt hinter den Ofenschirm links im Hintergrunde.)

Sechzehnter Auftritt

Zangler, Weinberl (hinter dem Schirm)

Zangler (zur Mitte eintretend) Ich hab' mir das Ding anders überlegt, zur Schützentafel komm' ich später auch noch z'recht. Wie leicht könnt' der saubre Herr Sonders diesen Abend zu einem Rendezvous benützen wollen. Ich werd' an meinem Fenster ein wenig aufpassen. Wir haben Vollmond, da seh' ich's prächtig, wenn er allenfalls ins Haus hereinschleichen wollt'! Der saubere Herr Sonders, der! (Geht in die Seitentüre links ab.)

Siebzehnter Auftritt

Weinberl, dann Marie und Sonders

Weinberl (kommt hinter dem Schirm hervor) Er is drin, jetzt kann ich mich ausg'schirren.

Sonders (von außen) Nein, nein Marie! So geh' ich nicht von dir.

Weinberl (erschreckend) Verdammt, da kommt wieder wer – ich komm' als Associé in die Sauce – ich muß abermal – (läuft wieder hinter den Schirm.)

Marie (mit Sonders zur Mitte eintretend) Aber, August –

Sonders Versprich mir, in meinen Plan zu willigen.

Marie Ich soll dem Vormund durchgehn –?

Sonders Fliehen sollst du mit mir.

Marie Das schickt sich nicht.

Sonders Marie!

Marie Fliehen, durchgehen und auf und davonlaufen is eins, und das schickt sich nicht!

Sonders Du hierbleiben, mir entrissen werden und ich mir eine Kugel vor den Kopf brennen, ist auch eins, und das schickt sich so gewiß, wenn du nicht Mut hast –

Marie August, du bist ein fürchterlicher Mensch.

Sonders Des Alten Eigensinn läßt uns nichts anderes übrig.

Marie Wenn ich dir aber sage, es schickt sich nicht! Du sollst eigentlich schon lang fort sein, ich hab' dir nur erlaubt, bis es Abend wird, und hier ist nicht einmal Licht.

Sonders Haben Liebende je eines andern Lichtes bedurft als des Mondes, der eben freundlich durch die Fenster blickt?

Marie Der Mondschein schickt sich nicht. Du gehst entweder sogleich fort oder gehst mit mir zur Frau Gertrud hinein, die hat Licht.

Sonders Die darf ja nicht erfahren –

Marie Warum nicht? Machen wir sie zur Vertrauten unserer Liebe.

Sonders Ich traue alten Weibern nie. (Nach der Türe rechts horchend.) Da hör' ich jemand an der Türe!

Marie Am End' gar der neugierige Christoph –

Sonders Wir wollen einen Augenblick uns hier verbergen.

(Nimmt Marie bei der Hand und geht mit ihr von der rechten Seite hinter den Schirm.)

Marie (indem August sie nach sich zieht) Ach Gott, das schickt sich nicht!

(Weinberl, der hinter dem Schirm steht, drückt sich soviel als möglich gegen die linke Seite, ohne sich zu getrauen, sein Versteck zu verlassen.)

Achtzehnter Auftritt

Gertrud; die Vorigen (hinter dem Schirm)

Gertrud (aus der Seitentüre rechts kommend) Was ist das? Kein Licht da? Ah, das wird der Herr ausgelöscht haben, wie er fort is. Ich muß schaun, daß ich dem Mussi Weinberl heut' noch den Befehl ausrichten kann, daß 's G'wölb' zugesperrt bleibt, bis morgen könnt' ich vergessen, da wär's nachher wieder ein Lärm! O, der Alte – das ist ja ein – (geht zur Mitte ab.)

Neunzehnter Auftritt

Weinberl, Sonders, Marie

Sonders (Weinberl hervorziehend) Da hat uns einer belauscht, nur hervor!

Marie (ebenfalls vorkommend, erschrickt, indem sie Weinberl der Schützenuniform wegen für Zangler hält) Himmel, der Vormund –!

Sonders (betroffen) Herr Zangler –

Marie (Weinberl zu Füßen fallend) Lieber Herr Onkel-Vormund, sein Sie nicht bös, ich kann nichts davor, ich weiß, daß es sich nicht schickt, aber –

Sonders Ich habe Marien gegen ihren Willen bis in die Stube verfolgt, zürnen Sie daher mir doppelt und dreifach, wenn Sie wollen, doch Marien dürfen Sie keine Schuld zumessen.

Marie Nein, gar nichts zumessen! – Verzeihung, lieber Herr Onkel und Vormund! – Sie schweigen? Diese schauerliche Stille verkündet einen furchtbaren Sturm.

Weinberl (welcher in größter Verlegenheit dagestanden, indem er jeden Augenblick fürchtet, trotz der Dunkelheit von Marien erkannt zu werden, weiß sich nicht anders zu helfen, nimmt zuerst Mariens, dann Sonder's Hand und fügt ihre beiden Händen segnend ineinander)

Sonders (auf höchste erstaunt und freudig überrascht) Ist's möglich –!? Diese Sinnesänderung –? Sie segnen unsern Bund –?

Marie Ach, lieber, göttlicher Herr Onkel und Vormund!

Weinberl (hebt die noch immer kniende Marie empor und legt sie in Sonders' Arm)

Marie August!

Sonders Marie!

(Weinberl benutzt den Moment, während die Liebenden sich in den Armen halten, und eilt leise und mit großen Schritten zur Mitteltüre hinaus.)

Zwanzigster Auftritt

Die Vorigen ohne Weinberl

Sonders Jetzt bist du meine Braut –

Marie (sich aus Sonders' Armen erhebend) Wie soll ich Ihnen danken, Herr Onkel?

Sonders (beinahe zugleich mit voriger Rede) Vortrefflicher, herrlicher Mann –! (Beide bemerken mit Staunen, daß niemand mehr da ist.)

Marie Was is denn das?

Sonders Er ist fort!

Marie Wo ist er denn hin?

Sonders Ohne Zweifel auf sein Zimmer. Der gute Mann will das erste Entzücken beglückter Liebe nicht stören. Marie, komm in meine Arme!

Marie Von Herzen gern, jetzt schickt es sich ja.

Sonders (sie umarmend) Liebes, teures Mädchen!

Einundzwanzigster Auftritt

Zangler, später Weinberl und Christopherl; Die Vorigen

Zangler (kommt mit Licht aus der Seitentüre links) Was gibt's denn da –? Ich glaub' gar – (ergrimmt) Himmel-Mordtausend-Element –! Herr, Sie unterstehen sich –

Marie (wie aus den Wolken gefallen) Aber, lieber Herr Onkel – Sie haben ja selbst –

Zangler Entartetes Mädel! (Sie zur Seitentüre links schleudernd.) Da hinein!

Sonders Haben Sie nicht erst in diesem Augenblick –

Zangler (wütend) Verwegener Landstreicher! (Auf die Mitteltüre zeigend.) Da hinaus!

(Weinberl tritt, bereits wieder umgekleidet, zur Mitte ein und sieht, im Hintergrunde rechts stehend, dem Auftritte zu, ebenso Christopherl, welcher auf den Lärm neugierig aus der Seitentüre rechts tritt; beide stehen so, daß Sonders ihnen das Gesicht nicht zuwendet.)

Marie Das kann Ihr Ernst nicht sein!

Zangler (immer wütender) Hinein!

Sonders Entweder Sie halten uns jetzt zum besten oder haben früher –

Zangler (wie oben) Hinaus!

Marie (weinend zur Seitentüre links gehend) Der Vormund is verhext! (Ab.)

Zangler (ihr nachrufend) Hinein!!

Sonders Sie sind verrückt, Herr, aber Geduld, ich werde –

Zangler (mit den Füßen stampfend) Hinaus!

Sonders Es ist zu arg! (Geht in großer Aufregung zur Mitte ab.)

Zangler (indem er in die Seitentüre links abgeht) Wart', ungeratenes Geschöpf, dich wird meine Schwägerin koramisieren! (Ab.)

Weinberl (vortretend) Das is eine Historie –!

Christopherl (in ausgelassener Freude springend) Ich vergönn' ihr's! Warum heißt s' mich immer einen dalketen Bub'n!

Weinberl Mir scheint, ich fang' schon an, verfluchter Kerl zu sein! Das is der Vorgeschmack vom Jux.

(Im Orchester beginnt heitere Musik.)

Der Vorhang fällt.


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