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»In dem Jahre, da Margarete von Österreich im Auftrage ihres Neffen, des Kaisers, nach Cambrai kam, um mit Luise von Savoyen, der Mutter des allerchristlichen Königs, über den Frieden zu verhandeln, kam auch in Margaretens Gefolge die Gräfin von Aiguemont dorthin und erfreute sich des Ruhmes, für die schönste Frau Flanderns zu gelten. Diese kehrte nach Beendigung jener Verhandlungen wieder in ihr Schloß zurück, und da nun die Adventszeit nahte, ließ sie ein Franziskanerkloster um Abordnung eines Beichtvaters für sie selbst und ihr Haus ersuchen. Der Abt wählte den würdigsten aus, der nur irgend hierfür in Betracht kommen konnte, maßen sein Kloster von den Familien Aiguemont und Piennes, denen die Gräfin angehörte, mit Wohltaten überhäuft wurde. Und so wurde der angesehenste Prediger jener Brüderschaft entsandt, der auch während der ganzen Adventszeit zur großen Zufriedenheit der Gräfin seines Amtes waltete.
In der Weihnachtsnacht ließ dann die Gräfin den Beichtiger rufen, um das Abendmahl zu nehmen, beichtete ihm in einer wohlverschlossenen Kapelle, auf daß die Beichte um so geheimer vor sich ginge, ließ dann die Ehrendame beichten, und diese schickte hierauf ihre junge Tochter zu jenem wackeren Beichtvater. Als selbige alles gesagt hatte, was sie wußte, und er so hinter ein kleines Geheimnis gekommen war, wandelte ihn die kecke Lust an, ihr eine ungewöhnliche Buße aufzuerlegen, und so sprach er:
›Meine Tochter, deine Sünden sind so schwer, daß ich dir zur Sühne auferlegen muß, meinen Strick auf dem bloßen Leib zu tragen.‹ – Das Mägdelein sagte gehorsam: ›So gebt ihn mir, auf daß ich ihn nach Euerm Geheiß umlege.‹ – ›Nein, meine Tochter,‹ entgegnete jener, ›das genügte nicht, wenn es von deiner Hand geschähe; das müssen meine Hände sein, die dir auch dann Absolution erteilen. Die werden dich das erstemal gürten, und so wirst du alsbald deiner Sünden ledig.‹
Nun begann das Mägdelein zu weinen und erklärte, sie wolle es nicht tun. – ›Wie,‹ rief der Mönch, ›bist du eine Ketzerin, die eine Buße abweist, wie Gott und unsere heilige Mutter, die Kirche, sie vorschreibt?‹ – ›Ich habe gebeichtet,‹ schluchzte das Mägdelein, ›wie die Kirche es befiehlt, und will gern Buße tun, um Absolution zu erhalten. Doch will ich nicht, daß Eure Hände mich berühren, denn sonst werde ich die Buße verweigern.‹ – ›Wenn es so ist,‹ sprach der Beichtvater, ›dann gebe ich dir auch keine Absolution.‹ Alsbald erhob sich das Mägdelein in tiefer Verwirrung, denn es war sehr jung, und so fürchtete es, durch diese Ablehnung eine Sünde begangen zu haben. Als nun nach der Messe die Gräfin das Abendmahl nahm, fragte die Ehrendame, die alsdann an der Reihe war, ihr Töchterlein, ob es bereit sei. Das Mägdelein gestand ihr unter Tränen, daß der Pater ihr die Beichte nicht abgenommen habe. ›Was hast du denn aber dort so lange geweilt?‹ fragte die Mutter. – ›Ich wollte die auferlegte Buße nicht erfüllen,‹ schluchzte das Mädchen, ›und so gab er mir keine Absolution.‹
Nun sprach die Mutter so klug auf sie ein, daß sie bald erfuhr, welch seltsame Buße der treffliche Beichtvater ihr hatte auferlegen wollen. Drob ließ die Mutter sie bei einem andern Mönch beichten, worauf beide das Abendmahl nahmen. Sobald aber die Gräfin von der Kirche zurückkehrte, trug ihr die Ehrendame ihre Klage ob jenes Paters vor. Des war die Gräfin gar betreten, sintemalen sie ihn bisher so wohl beurteilt hatte. Doch konnte ihr Zorn sie auch nicht hindern, über diese neuartige Buße zu lachen, so hielt sie solches nicht ab, den Franziskaner in die Küche schleppen und wohl mit Ruten bestreichen zu lassen, bis er die Wahrheit gestand. Alsdann sandte sie ihn mit gefesselten Händen und Füßen zu seinem Prior zurück und ließ bitten, ihr künftig jemanden zu schicken, der geeigneter sei, Gottes Wort zu verkünden.
Bedenket wohl: wenn die Mönche in einem so hochedlen Hause wie diesem keine Angst haben, ihre Frechheit zu enthüllen – was mögen sie bei armen Leuten tun, wo sie doch vor allem zu tun haben und ihnen alles so leicht gemacht wird. Mir scheint es ein Wunder, daß sie meist ungerupft davonkommen. Doch wandelt eure Entrüstung in Mitleid, meine Damen, und bedenkt, daß der gleiche Teufel, der Mönche verblendet, auch geeigneten Falles Damen nicht verschont.«
»Ich finde, das war ein recht schlimmer Mönch,« entrüstete sich Oisille, »und die äußeren Umstände – Weihnachtsnacht, Kirche und Beichte – erschwerten noch seine Sünde.« – »Meint Ihr,« neckte Hircan, »daß die Franziskaner keine Menschen sind und es sich nicht entschuldigen läßt, maßen er sich doch in tiefer Nacht allein mit einem schönen Mägdelein sah?« – »Er hätte wohl bedenken sollen,« warf Parlamente ein, »daß in jener Nacht die Geburt Jesu Christi gefeiert wurde.« – »Ihr überseht, daß einer Geburt eine Empfängnis vorhergeht,« rief Saffredant. »Immerhin war sein Tun sündhaft, und er hat seine Strafe verdient.« – »Vielleicht wäre es besser gewesen, ihm nur Vorwürfe zu machen, statt die Sache an die große Glocke zu hängen,« meinte Guebron. »Denn hat ein Mönch erst die Scham verloren, dann wird er sich schwerlich bessern. Mit der Scham verliert man meist auch das Gewissen.« – »Dem kann ich nicht beistimmen,« entgegnete Parlamente. »Mir scheint es verdienstlich, solchen Menschen die Maske abzureißen, auf daß wir uns so vor Verführungen unserer Töchter hüten, die oft nicht genügend gewarnt sind. – Doch wem wird nun Hircan das Wort geben?« – »Euch selbst, die Ihr fragt,« sprach der, »maßen kein verständiger Mensch es Euch verweigern wird.«
»Wenn ich dergestalt an der Reihe bin,« hub Parlamente an, »so will ich einen Fall berichten, für den ich persönlich bürgen kann. Wenn die Tugend in einem schwachen Geschöpfe von einem starken und mächtigen Feinde angegriffen wird, so ist ihr Sieg bekanntlich um so preislicher. Denn wenn ein Starker einen Starken überwindet, so ist das nicht weiter verwunderlich. So täte ich der Wahrheit, die ich in so armem Gewande erkannte, daß sie gar unbemerkt blieb, unrecht, wenn ich nicht die Geschichte jenes Mägdeleins erzählte, das also rühmenswerte Taten vollbrachte.«