Margarete von Navarra
Das Heptameron
Margarete von Navarra

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Vierzehnte Erzählung

Schlauheit eines Verliebten, der bei einer Mailänder Dame unter der Maske ihres getreuen Dieners dessen sauer verdienten Liebeslohn einheimst.

»Zu Mailand lebte während der Regentschaftszeit des Großmeisters von Chaumont ein Edelmann, ein Freiherr von Bonnivet, der ob seiner Verdienste später zum französischen Admiral ernannt wurde. Er genoß des Großmeisters Zuneigung nicht minder denn die aller Welt angesichts seiner Vorzüge, erfreute sich auch auf allen Festen der größten Beachtung der Damen, und galt mehr denn irgendein Franzose für schier unübertrefflich schön, anmutig, unterhaltsam und vor allem kühn und waffengewandt.

Als er nun eines Tages maskiert auf dem Karneval mit einer der huldreichsten Damen der Stadt tanzte, machte er ihr in der Pause mit seiner unvergleichlichen Gewandtheit einen Liebesantrag. Sie aber entsprach dem keineswegs, schnitt ihm kurz das Wort ab und erklärte, sie liebe nur ihren Mann und er brauche sich keine Hoffnungen zu machen. Diese Antwort schreckte ihn nicht ab: bis Mittfasten setzte er ihr zu; sie ihrerseits beharrte auf ihrem Standpunkte. Nun mochte er ihr jedoch keinen Glauben schenken, da ihr Mann just so reizlos war, als sie schön. Daher entschloß er sich, ihrer Verstellung mit gleichen Schlichen zu begegnen, ließ alsbald von ihr ab und spürte ihr nach, bis er festgestellt hatte, daß sie einen ehren- und tugendhaften Edelmann liebte. Diesen umwarb der edle Herr von Bonnivet nunmehr mit soviel listiger Anmut, daß der ihn bald nächst jener Dame am innigsten in sein Herz schloß, ohne ihn zu durchschauen. Um ihm nun sein Geheimnis zu entlocken, gab der Freiherr vor, ihm seines zu enthüllen, erzählte ihm, er liebe eine Dame, auf deren Gegenliebe er nie gehofft habe, und bat ihn, ja nichts auszuplaudern und sich ein Herz und eine Seele mit ihm zu fühlen. Um ihm nun diesen Beweis von Vertrauen zu erwidern, berichtete ihm der arme Edelmann des langen und breiten die Geschichte seiner Liebe zu jener Dame, an der Bonnivet sich rächen wollte.

Von nun an kamen sie alltäglich zusammen und tauschten – der eine wahrheitsgetreu, der andere mit Lügen – ihre jeweiligen Herzenserfolge aus. Der Edelmann gestand, daß er jene Dame drei Jahre lang getreulich liebe, ohne anderes zu erhalten als gute Worte und allerlei Verheißungen für die Zukunft. Alsbald gab ihm Bonnivet die nötigen Ratschläge, wie er zum Ziele kommen könne, und in der Tat bewilligte sie ihm schon nach wenigen Tagen eine Zusammenkunft, und nun hing es nur noch von Bonnivets Erfindungsgabe ab, wie diese zustande kommen könne. Auch dafür wußte der einen Rat, und so konnte ihm der Edelmann eines Tages vor dem Abendessen mitteilen: ›Ich bin Euch über die Maßen dankbar; denn durch Eure Mithilfe darf ich hoffen, heute nacht das so jahrelang ersehnte Ziel zu erreichen.‹ – ›So laßt mich wissen, was Ihr vereinbart habt, damit ich sehe, ob kein Trug dahintersteckt, und ich Euch, wenn's nottut, beistehen kann.‹ Darauf berichtete ihm der Edelmann: unter dem Vorgeben, daß man für ihren kranken Bruder jederzeit Arzenei holen müsse, wolle sie es einrichten, daß das Haustor offen bliebe. So könne er zum Hofe gelangen, dort aber müsse er statt der Haupttreppe eine kleine Stiege rechterhand betreten und so zu dem Gang kommen, der zu den Stuben ihres Schwagers und Schwiegervaters führe. Wenn er nun zur dritten Tür käme, solle er zuschauen, ob sie verschlossen wäre, und in diesem Fall sich schleunigst davonmachen, sintemalen dann ihr Mann bereits zurückgekehrt sei, den sie eigentlich erst in zwei Tagen erwarte. Fände er die Tür unverschlossen, so solle er lautlos hereinkommen und flugs den Riegel vorschieben in der Gewißheit, daß sie allein sei. Vor allem aber müsse er Filzschuhe anhaben und dürfe zudem nicht vor zwei Uhr nachts kommen, denn ihre Verwandten pflegten lange zu spielen und nicht vor ein Uhr schlafen zu gehen.

›Geht, lieber Freund,‹ sprach nun Bonnivet, ›Gott wird Euch geleiten, darum werde ich ihn anflehen. Kann Euch im übrigen mein Beistand etwas nützen, so will ich gern für Euch tun, was ich vermag.‹ Der Edelmann aber versicherte ihm unter heißen Dankesworten, in dieser Angelegenheit fühle er sich ganz sicher. Und damit ging er fort, um alle nötigen Vorbereitungen zu treffen.

Aber auch Bonnivet blieb nicht untätig, denn nunmehr war die Stunde der Rache gekommen. Alsbald kehrte er in seine Wohnung zurück, ließ sich Haar und Bart kürzen, so daß sie denen des Edelmannes glichen und ihn bei Berührung nicht verraten konnten, und besorgte sich sodann Filzschuhe sowie Kleider ähnlichen Schnittes, wie jener sie trug. Und da er mit dem Schwiegervater sehr gut stand, so ging er ohne Furcht weit früher hin, denn falls er zufällig gesehen wurde, so wollte er geradeswegs zu dessen Zimmer gehen, als hätte er mit ihm etwas zu bereden. So kam er gegen zwölf Uhr in das Haus der Dame, wo noch viele Leute aus und ein gingen. Unerkannt schritt er an ihnen vorbei, kam schließlich zu dem Gange, versuchte die erste, die zweite, endlich die dritte Tür, die er unverschlossen fand. Sachte stieß er sie auf, trat ein, schob den Riegel vor und sah sich nun in einem ganz in weiß ausgeschlagenen Gemach, darinnen ein mit allerfeinstem, geblümtem Leinen gedecktes Bett stand. Dies und im Bette die Dame im Schmucke eines perlen- und edelsteingeschmückten Häubchens und Nachtgewandes gewahrte er durch die Spalte eines Vorhanges, ohne daß jene ihn erblicken konnte. Ein großes Wachslicht beleuchtete das Zimmer schier taghell. Um nun nicht erkannt zu werden, verlöschte er zuvorderst dies Licht, kleidete sich dann stracks aus bis aufs Hemd und legte sich ihr zur Seiten nieder.

Die Dame vermeinte, es sei ihr langergebener Freund, und nahm ihn in allen Hulden in ihre Arme. Er hinwiederum hütete sich, ein Wort zu reden, maßen doch dies Glück nicht ihm galt, und war nur darauf bedacht, an ihr Rache zu nehmen und ohne jede Gnade und Rücksicht ihre ehrbare Keuschheit zu demütigen. Wider Erwarten sagte ihr seine Rache also zu, daß sie seine vermeintliche langjährige Ergebenheit bis ein Uhr nachts unentwegt belohnte. Da nun die Stunde des Abschieds schlug, fragte er sie im Flüsterton, ob sie gleichermaßen mit ihm zufrieden sei als er mit ihr. Und sie, die immer in ihrem Wahne beharrte, entgegnete, sie sei nicht nur mit ihm zufrieden, sondern über die Ausdauer seiner Liebe freudig überrascht, maßen er eine Stunde lang selbiger gepflogen habe, ohne Zeit für ein Wort zu finden. Darob begann er laut zu lachen und rief: ›Werdet Ihr mich nun künftig wieder abweisen, wie Ihr es bisher zu tun beliebtet?‹

Als sie nunmehr seine Stimme erkannte, ward sie vor Scham schier verzweifelt, nannte ihn tausendmal einen Bösewicht, Verräter und Truggesellen und wollte aus dem Bett springen, um sich mit einem Messer zu entleiben, da sie das Unglück erlebt habe, von einem Manne entehrt zu werden, der sie nicht liebe und nun aus Rache aller Welt seinen Erfolg ausposaunen würde. Er aber hielt sie umfangen und versicherte ihr mit sanften Worten, daß er sie mehr liebe denn der andere und alle Zeit auf ihre Ehre bedacht sein wolle, so daß kein Makel auf sie fiele. Und die Ärmste war töricht genug, es ihm zu glauben. Nun berichtete er ihr all seine Mühen und Schliche und bewies ihr seine größere Liebe damit, daß der andere doch ihr Geheimnis ausgeplaudert habe. Sie könne sich nun überzeugen, wie falsch man die Franzosen beurteile: die seien viel gewandter, ausdauernder und verschwiegener als die Italiener.

Dann bat sie ihn, in der Folgezeit sie niemals auf Festen oder sonsten wo ohne Maske zu treffen, denn sie fühle sich so beschämt, daß sie fürchte, sich zu verraten. Das versprach er ihr und ersuchte sie obendrein, ihren Freund liebevoll aufzunehmen, wenn er um zwei Uhr käme: dann aber möge sie sich allmählich von ihm freimachen. Nur widerstrebend mochte sie das zusagen, und ohne ihre große Liebe zu ihm hätte sie jenem gewiß nichts mehr zugebilligt. Als er nunmehr von ihr Abschied nahm, beglückte er sie nochmals so sehr, daß sie ihn gern noch länger bei sich behalten hätte. Doch er mußte fort, zog sich eilends an, schlüpfte aus dem Zimmer und ließ die Tür angelehnt, wie er sie gefunden hatte. Um aber dem andern nicht zu begegnen, so stieg er zum nächsten Treppenabsatz hinauf, bis er kurz darauf jenen eintreten sah. Dann ging er heim und schlief nach der geleisteten Arbeit so fest, daß ihn die neunte Morgenstunde noch im Bett fand.

Just als er aufstand, kam der Edelmann zu ihm und erzählte von seinen Erfolgen, die sich nicht so günstig gestaltet hatten, als er zuvor hoffen konnte. Da er nämlich in das Zimmer der Dame getreten sei, habe jene im Nachtgewand fiebernd, mit fliegenden Pulsen, flammendem Gesicht und beginnendem Schweißausbruch mitten in der Stube gestanden. Ob ihres Zustandes habe sie ihn gebeten, wieder fortzugehen, maßen sie nur um seinetwillen ihre Kammerfrauen noch nicht gerufen habe. Nun fühle sie sich so schlecht, daß sie mehr an Sterben denn an Liebe, mehr an Gott denn an Kupido dächte, und sie bedaure daher sein Kommen, weil sie in dieser Welt ihn wohl nicht mehr entlohnen könne und wenigstens hoffen wolle, im Jenseits an ihn zu denken. Vor Betrübnis sei alsbald all seine Freude zu Eis erstarrt und klagevoll sei er eilends davongegangen. Nunmehr habe er sich heute gleich frühzeitig nach ihrem Befinden erkundigt und gehört, daß sie in der Tat sehr krank sei.

All' das erzählte er unter soviel Tränen, daß man hätte meinen können, seine Seele schwömme weg. Bonnivet war dagegen nicht minder zum Lachen aufgelegt. Doch tröstete er jenen, so gut er konnte, meinte: ›Was lange währt, wird endlich gut,‹ und solche Verzögerung sichere ihm nur größere Freuden für die Zukunft zu. Und damit trennten sie sich. Die Dame aber blieb zwar einige Tage im Bett; als sie aber dann wieder ganz gesund war, gab sie ihrem ersten Liebhaber den Laufpaß unter dem Vorgeben, Todesangst und Gewissensbisse hätten ihr zu sehr zugesetzt. Dagegen blieb sie Bonnivet getreu, dessen Liebe freilich, wie üblich, nicht länger dauerte denn die Schönheit der Blumen auf dem Felde.

Mir scheint nun wohl, die Schliche jenes Edelmanns wogen die Heuchelei der Dame reichlich auf, die erst die Prüde spielte und sich dann so liebestoll gebärdete.«

»Möget Ihr nun von den Frauen sagen, was Ihr wollt«, entgegnete Emarsuitte, »der Edelmann hat nicht schön gehandelt. Wenn eine Frau jemanden liebt, heißt das etwa, daß ein andrer das Recht hat, sie mit List zu nehmen?!« – »Glaubt mir,« meinte Guebron, »solche Ware wird allemal von dem davongetragen, der am meisten dafür darangibt. Doch geschieht das dann keineswegs aus Liebe zu den betreffenden Damen, sondern einzig aus Eigenliebe und Genußsucht« – »Weiß Gott,« rief Longarine, »ich muß nach eigener Erfahrung gestehen, alle fangen höchst ehrenhaft an und am Ende läuft alles auf dasselbe hinaus. Am besten gibt man den Männern gleich bei den ersten Worten den Laufpaß; denn erkennt man erst, daß sie es nur auf lästerliche Dinge absehen, dann hat die Abweisung schon nicht mehr den Wert.«

»Wie denn,» fragte Emarsuitte, »man soll sie erst gar nicht anhören?« Parlamente entgegnete: »Meine Ansicht ist, man soll tun, als ob man nichts versteht, und zu unzweideutigen Erklärungen keinen Glauben zeigen. Verschwören sie sich aber hoch und teuer, so soll man sie auf diesem schönen Weg lassen und ihnen zum Tal nicht entgegenkommen.« – »Aber heißt es nicht seinen Nächsten aburteilen,« meinte Nomerfide, »wenn wir gleich das Schlechte voraussetzen?« – »Denkt, wie ihr wollt,« erwiderte Oisille, »aber es spricht so viel dafür, das es so sei, daß ihr das Feuer fürchten müßt, wenn Ihr nur einen Funken wahrnehmt. Sonst ist euer Herz verbrannt, ehe ihr etwas merkt.« – »Euer Urteil ist zu hart,« sprach nun Hircan, »denn würden alle Frauen so grausam sein, so würden wir bald statt sanfter Bitten List und Gewalt anwenden.« – »Mir scheint am besten, jeder zeigt sich wie er ist,« meinte Simontault. – »Sofern dadurch gleichermaßen für unsere Ehre als für unsere Lust gesorgt wird,« rief Saffredant. Dagoucin aber konnte nun nicht mehr schweigen und sprach: »Wer lieber sterben als Wünsche äußern möchte, wird nicht dieser Ansicht sein.« – »Sterben?« fragte Hircan. »Der müßte erst geboren werden, der dafür zu sterben bereit ist. Sehen wir nun, wem Simontault das Wort gibt.« – »Ich gebe es Longarine, denn ich sah, wie sie mit sich selbst sprach. Sicherlich wiederholte sie schnell noch einmal ihre Rolle. Zudem ist sie sehr wahrheitsliebend.« – »Wenn ihr mich dafür haltet,« sagte Longarine, »so will ich euch eine Geschichte erzählen, die zwar nicht den Frauen zum Lob gereicht, wohl aber erweist, daß sie gerade so klug und verschlagen sind wie die Männer. Sollte die Geschichte etwas lang geraten, so habe, bitte, Geduld.«


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