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»In Frankreich lebte eine Königin, die in ihrer Umgebung etliche junge Damen aus angesehenen Familien aufzog. Unter diesen befand sich auch eine Verwandte der Königin namens Rolandine, welche aber ob einer Mißhelligkeit zwischen ihrer Herrin und ihrem Vater nicht eben gut behandelt wurde. Das Mägdelein war weder über die Maßen hübsch, noch auch häßlich, doch besaß sie so viel Tugend und Anmut, daß mehrere hochgestellte Herren sie zum Weibe begehrten. Alle aber erhielten scharfe Ablehnungen, denn ihr Vater war dermaßen geizig, daß er darob das Wohl seiner Tochter vergaß. Und ihre Herrin, wie gesagt, war ihr so wenig zugetan, daß alle, die es auf der Königin Gunst abgesehen hatten, sich von ihr fernhielten. So blieb sie lange unvermählt, und mit der Zeit ward sie so betrübt, daß sie – weniger aus Lust, zu heiraten, denn aus Scham, noch unvermählt zu sein – sich ganz Gott zuwandte, die Eitelkeiten des Hoflebens mißachtete und nur in Gebeten und Handarbeiten ihre Tage verbrachte.
Als sie sich dem dreißigsten Lebensjahre näherte, kam ein Edelmann an den Hof, der an Tugend und Anstand kaum seinesgleichen hatte; er war der natürliche Abkömmling eines edlen Hauses, doch fehlte es ihm an Besitz und zudem an Schönheit, so daß ihn um seiner äußeren Vorzüge willen wohl kaum eine Dame gemocht hätte. Derart war auch er unvermählt geblieben, und wie sich nun oft die vom Unglück Verfolgten zusammenfinden, lernte er die arme Rolandine kennen. Sie schütteten einander ihr Herz aus und faßten bald innigste Zuneigung zueinander, also daß sie sich allerorten trafen, um sich gegenseitig zu trösten.
Da man Rolandine immer so zurückgezogen gekannt hatte und sie nun allezeit mit jenem Bastard plaudern sah, gab es bald entrüstete Gemüter, die ihre Amme darauf aufmerksam machten, daß jene Unterhaltungen nicht so weitergehen könnten. Und die gab die Vorhaltungen Rolandine weiter und erklärte, alle Welt wäre aufgebracht, daß sie sich so viel mit einem Manne abgäbe, der weder reich genug sei, um ihn zu heiraten, noch schön genug, um ihn zu lieben. Da man Rolandine bisher viel mehr ihre Zurückhaltung denn ihre Weltlichkeit vorgeworfen hatte, so erwiderte sie ihrer Amme: ›Ach, Mütterchen, bisher konnte ich noch keinen Gatten finden, der meiner Abstammung würdig war, und die Mißgeschicke anderer Mädchen habe ich gemieden. Was kann es nun, da ich jenen tugendsamen Jüngling getroffen habe, für ein Unrecht sein, wenn ich mir ehrbare Dinge erzählen und die Langeweile vertreiben lasse?!‹ Maßen die gute Alte ihre Herrin mehr liebte als sich selbst, so sprach sie darauf: ›Ich sehe, daß Ihr die Wahrheit sprecht. Da man aber Eure Ehre angreift, müßt Ihr Euch, und wäre es Euer leiblicher Bruder, enthalten, mit ihm zu plaudern.‹ Und Rolandine entgegnete weinend: ›Wenn Ihr es mir ratet, will ich es ja tun; aber wahrlich, es ist seltsam, daß ich auf dieser Welt keinen Trost haben darf.‹
Als der Bastard wie gewöhnlich kam, um mit ihr zu plaudern, hielt sie ihm des längeren entgegen, was ihre Amme ihr eben gesagt hatte, und bat ihn weinend, sich einige Zeit fernzuhalten, bis das Geschwätz sich gelegt habe. Das tat er ihr zuliebe. Doch während jener Trennungszeit, da ihnen jeder Trost fehlte, begannen sie ein ihnen ganz fremdes Leid zu verspüren. Das Mägdelein flehte allezeit zu Gott, fastete und machte Wallfahrten; denn die Liebe, die sie bis zur Stunde noch niemals empfunden hatte, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Doch auch des Bastards Liebesqualen waren nicht geringer. Nur war er bereits von Anfang an entschlossen, sie zu heiraten, da er die Ehre dieser Verbindung bedacht hatte, und so suchte er nach Mitteln und Wegen, um sie zu erringen. Vor allem wollte er die Amme auf seine Seite bringen, und das tat er, indem er ihr die elende Lage ihrer Herrin vorstellte, maßen man ihr doch jeden Trost nähme. Und die gute Alte dankte ihm unter Tränen für seine Fürsorge. Alsdann besprachen sie, wie es sich machen ließe, daß beide miteinander reden könnten: Rolandine sollte Kopfschmerzen vorschützen, so daß man ihr allen Lärm fernhielte, und wenn dann ihre Gefährtinnen davongegangen wären, würden sie allein bleiben, also daß er die Möglichkeit hätte, mit ihr zu plaudern. Voller Freuden richtete sich der Bastard nach dem Rate der Amme, und so konnte er nun nach Herzenslust mit seiner Freundin zusammen sein.
Aber die Freude dauerte nicht lange. Die Königin, die Rolandine nicht wohlwollte, fragte, was sie so viel in ihrem Zimmer triebe. Jemand erwiderte, sie sei dort, weil sie sich krank fühle. Jemand anderes aber, der ihr wohl gram war, erklärte, sicherlich vertriebe die Freude an des Bastards Geplauder Rolandine den Kopfschmerz. Maßen nun die Königin Herzenssünden nur bei sich verzeilich fand, so ließ sie jene rufen und verbot ihr, mit dem Jüngling anderwärts zu reden als vor ihr oder im Saale.
Das Mägdelein ließ sich nichts merken und erwiderte, wenn sie gewußt hätte, daß dieser oder ein anderer der Königin mißfiele, so hätte sie nie mit ihm geplaudert. innerlich aber bedachte sie Auswege, von denen die Königin nichts erfahren konnte, und richtete folgendes ein: alle Mittwoche, Freitage und Samstage blieb sie zum Fasten auf ihrer Stube allein mit ihrer Amme, also daß sie die Möglichkeit hatte, während die andern zu Abend aßen, mit ihrem Geliebten zu sprechen. Doch trotz aller Vorsicht bemerkte ein Diener, wie jener an einem Fastentage bei ihr eintrat und berichtete es, so daß die Königin davon erfuhr und derart in Zorn geriet, daß der Bastard nicht mehr ins Damenzimmer zu kommen wagte. Um aber seiner Freuden nicht ganz verlustig zu gehen, schützte er bisweilen eine Reise vor und kam dann abends, in einer Mönchskutte wohl verborgen und völlig unkenntlich, in eine Kirche oder Kapelle des Schlosses. Und dorthin kam dann auch die junge Dame mit ihrer Amme und plauderte mit ihm.
Da er nun ihrer großen Liebe inne ward, zagte er fürder nicht mehr und sagte zu ihr: ›Ihr sehet, in welche Gefahren ich mich Eurethalben stürze, maßen die Königin uns jedes Gespräch verbietet. Andererseits hat Euer Vater Euch so viel Ehevorschläge verweigert, daß ich fürwahr nicht weiß, wer überhaupt noch in Betracht kommen kann. Ich bin nun zwar arm, doch Ihr seid reich, und wenn ich das Glück hätte, von Euch zum Gatten erwählt zu werden, so würde ich Euch allezeit ein ergebener Diener und treuer Freund sein und Ihr würdet nicht einen gestrengen Herrn in mir bekommen, sondern die zufriedenste und verhätscheltste Frau der Welt werden.‹
Da Rolandine ihn das Gleiche sprechen hörte, was sie ihm ihrerseits sagen wollte, so entgegnete sie mit zufriedener Miene: ›Ich bin sehr froh, daß Ihr nun selbst damit anfangt. Mein Vater hat mein Wohl bisher so wenig bedacht, daß ich mich jetzt wohl ohne ihn verheiraten kann, obwohl er allerdings das Recht hat, mich zu enterben. Doch bin ich selbst reich genug mit dem was ich besitze, wenn ich dazu einen Gatten wie Euch erhalte. Zum Zeichen aber, daß unsere Freundschaft auf Tugend und Ehre gebaut ist, versprecht mir, keinerlei eheliche Rechte von mir zu beanspruchen, ehe mein Vater nicht gestorben ist oder seine Einwilligung gegeben hat.‹
Das sagte ihr der Bastard gerne zu. Alsdann tauschten sie als Zeichen der Ehe ihre Ringe, küßten sich in der Kirche und nahmen Gott zum Zeugen ihres Bundes. Und niemals kam es seitdem je zu weitergehenden Vertraulichkeiten. Das schuf ihnen große Befriedigung, und obgleich sie sich oft lange Zeit nicht sahen, waren sie in ihrer Zuversicht glücklich. Kam der Edelmann aber von Reisen oder Kriegen zurück, so sahen sie sich, wie bisher in der Kirche, bis eines Tages der König in ein Lustschloß übersiedelte, das so abseits lag, daß man nur die Kirche dieses Schlosses besuchen konnte. Die war derart ungünstig gebaut, daß man nirgends im Verborgenen beichten konnte, ohne erkannt zu werden. Doch mochte ihnen so eine Möglichkeit entgehen, so fand Amor bald andere Wege. Denn zufällig kam eine Dame an den Hof, die mit dem Bastard nahe verwandt war.
Diese Dame wurde mit ihrem Sohne derart im Schlosse untergebracht, daß die Stube dieses jungen Prinzen in einem Vorbau lag und man von seinem Fenster aus Rolandine sehen und sprechen konnte, maßen beider Fenster just im Winkel einander gegenüber lagen. In diesen Gemächern, die ob dem Königssaale waren, wohnten alle Gefährtinnen Rolandines. Als selbige nun mehrmals den jungen Fürsten am Fenster erschaute, ließ sie durch ihre Amme den Bastard darauf aufmerksam machen. Der besah sich die Sache genau und heuchelte alsbald großes Gefallen an einem Buch, das in des Prinzen Zimmer lag. Und wenn nun alle zum Essen gingen, ersuchte er den Kammerdiener, ihn ruhig einzuschließen, da er weiterlesen wolle und schon aufpassen würde. Weil man nun seine Verwandtschaft zu dem Prinzen kannte, ließ man ihn lesen, so viel er wollte. Von der anderen Seite kam dann Rolandine ans Fenster, die ein schmerzendes Bein vorgeschützt hatte, um ihr Verweilen zu begründen, und meist im voraus aß. Sie hatte sich ein seidenes Bett an das Fenster rücken lassen, wo sie allein bleiben wollte, und wenn sie sah, daß niemand mehr da war, so plauderte sie mit ihrem Gatten, ohne daß man durch den Bettvorhang ihrer gewahr werden konnte. Kam aber jemand, so hustete sie oder gab Zeichen, worauf der Bastard sich zurückzog.
Eines Tages nun trat die Mutter des jungen Fürsten in dessen Zimmer ans Fenster, wo jenes dicke Buch lag, und alsbald grüßte ihr von drüben eine von Rolandinens Gefährtinnen zu. Die Dame fragte, wie es dieser ginge, und jene erwiderte, sie könne sie hier sprechen, und rief sie herbei. Nachdem die Dame mit Rolandine etwas geplaudert hatte, zogen sich beide zurück. Die Dame aber besah sich das Buch, das von den Rittern der Tafelrunde handelte, und sagte zu dem Kammerdiener: ›Ich begreife gar nicht, wie die jungen Leute mit so dummem Zeug ihre Zeit verbringen können.‹
Der Diener entgegnete, ihm schiene es noch verwunderlicher, daß erwachsene Männer, die für klug und gesetzt gälten, daran schier noch mehr Freude fänden als Jünglinge. Und als Erklärung erzählte er, wie ihr Verwandter oft vier und fünf Stunden beim Lesen dieses schönen Buches zubrächte. Alsbald verstand die Dame, was dahintersteckte und hieß den Kammerdiener, sich irgendwo zu verbergen und aufzupassen. Das tat er denn und erkannte, daß Rolandine und das Fenster an jenem Buche so anziehend waren. Zudem hörte er manch liebevolles Wort, da sie sich unbelauscht glaubten. Als er am nächsten Tage Bericht abstattete, ließ seine Herrin den Bastard rufen, machte ihm lebhafte Vorwürfe und verbot ihm, wiederzukommen. Abends aber sprach sie mit Rolandinen und drohte ihr, die Königin in Kenntnis zu setzen, wenn diese Torheit so weiter ginge. Rolandine war gar nicht überrascht und stritt alles glatt ab. Der Bastard aber fürchtete, daß die Sache herauskäme, und blieb lange Zeit dem Hofe fern. Doch schickte er heimlich Briefe an seine Geliebte, erst durch einen Mönch, dann durch einen jungen Pagen, der die Farben seines Gewandes immer wechselte. Einst wäre der fast auf der Straße ergriffen worden, da ein Edelmann ihn erkannte. So trat er flugs in das Haus einer alten Frau, die beim Kochen war, und verbrannte die Briefe im Herde. Als nun der Edelmann ihn durchsuchte, fand er nichts.
Immerhin bediente sich der Bastard des Pagen fürder nicht mehr. Vielmehr schickte er das nächstemal einen alten Diener, der die Furcht vor dem Tode, so ihm seitens der Königin drohte, in den Wind schlug und es übernahm, die Briefe zu überbringen. Nachdem er das Schloß betreten hatte, wartete er bei einer Tür am Fuße einer großen Treppe, wo alle Damen vorbei mußten. Doch ein Schloßdiener, der ihn früher einmal gesehen hatte, erkannte ihn alsbald und benachrichtigte den Haushofmeister der Königin, der flugs herunterkam, um ihn ergreifen zu lassen. Als der fürsichtige Diener des Bastards inne ward, daß man ihn beobachtete, wandte er sich zur Mauer, als wolle er das Wasser lassen, zerriß die Briefe in möglichst kleine Stücke und und warf sie hinter die Türe. Unmittelbar darauf wurde er ergriffen und genau durchsucht, und da man nichts fand, auf seinen Eid befragt, ob er keine Briefe bei sich gehabt habe. Ob man ihm aber auch mit allen Strafen drohte, alle nur denkbaren Überredungsmittel anwandte, – es war nichts aus ihm herauszubekommen. So stattete man der Königin Bericht ab. Doch kam einer der Hofleute auf den Gedanken, man solle hinter der Tür nachschauen, neben der er gefaßt worden wäre. Das geschah, und so wurden die gesuchten Brieffetzen gefunden.
Nun ließ man des Königs Beichtvater holen. Der stellte die Zettel wieder zusammen und las den ganzen Brief vor. Und so kam die vollzogene Heirat an den Tag, denn der Bastard nannte Rolandine stets ›seine Frau‹. Die Königin geriet alsbald in gewaltigen Zorn. Sie ließ nochmals den Diener ausfragen, und da er andauernd schwieg, so steckte man ihn gar in einen Sack und warf ihn ins Wasser. Da er aber auch so nichts gestand, war der König ob seiner Treue gerührt und nahm ihn in seinen Dienst. Die Königin aber ließ Rolandinen rufen, nannte sie nicht mehr ›Base‹, sondern ›Unglückliche‹, und warf ihr vor, welche Schande sie auf ihr Haus geladen habe, indem sie sich ohne Erlaubnis ihrer Herrin vermählte. Rolandine aber verstand wohl, daß alles dies nur bezweckte, sie zu demütigen, und erwiderte mit froher, zuversichtlicher Miene:
›Hohe Frau, Ihr wisset vielleicht selbst nicht, wie Ihr mich und meinen Vater mit Ungnade überschüttet. Ich war darob so verzweifelt, daß ich Nonne geworden wäre, wenn meine Gesundheit es erlaubt hätte. Da ich nun jenen gefunden hatte, der mir Trost spendete, entschloß ich mich, die Ruhe zu suchen, die Ihr mir stets vorenthieltet, und so schlossen wir diesen Ehebund. Doch sind nie größere Vertraulichkeiten zwischen uns ausgetauscht worden denn Küsse, da ich stets hoffe, die Zustimmung meines Vaters noch zu erringen. So geruht uns zu verzeihen und erlaubt uns in Frieden miteinander zu leben.‹
Die Königin weinte bei diesen Worten vor Zorn und rief: ›Unglückliche, statt Demut und Reue zu zeigen, sprecht Ihr keck und ohne eine Träne. Fürwahr, Ihr seid widerspenstig, und wenn der König und Euer Vater auf mich hören, werden sie Euch an einen Ort bringen lassen, der Euch eine andere Sprache lehren dürfte!‹
Rolandine aber versetzte darauf: ›Wie sollte ich weinen, hohe Herrin, da meine Ehre und mein Gewissen mir keine Vorwürfe machen? Und möget Ihr mir auch die schwerste Strafe zuteil werden lassen, so werde ich doch allezeit mehr Freude darüber empfinden, daß ich schuldlos bin, als Ihr darüber, mich also gestraft zu haben.‹
Die Königin war so voller Grimmes, daß sie nicht mehr an sich zu halten vermochte. Sie befahl, Rolandine ihr aus den Augen zu tun und in ein entlegenes Zimmer zu sperren. Doch ließ man die Amme bei ihr, durch die sie den Bastard von allem benachrichtigen und zudem um seinen Rat befragen ließ. Der vermeinte, die Dienste, die er dem König erwiesen hatte, seien wohl einer Gunst wert. Deshalb ging er alsbald zu Hofe, suchte den König auf, erzählte ihm den wahren Sachverhalt und bat ihn, ihm die Gnade zu erweisen und die Königin soweit zu besänftigen, daß die Ehe anerkannt würde. Der König aber antwortete nur mit der Frage: ›Könnt Ihr mir versichern, daß Ihr sie geheiratet habt?‹ Und der Bastard antwortete: ›Jawohl, Majestät, zunächst nur unter Gelöbnissen und Geschenken, doch wenn Ihr geruhen wolltet, es zu erlauben, dann kann sie auch in aller Form statthaben.‹
Der König neigte den Kopf und kehrte ohne jedes weitere Wort in das Schloß zurück. Dort rief er den Hauptmann der Wachttruppen und hieß ihn, den Bastard zu ergreifen. Der hatte aber einen Freund, der in des Königs Gesicht wohl zu lesen verstand und jenem daher riet, sich eiligst davonzumachen und in einem nahegelegenen Hause – das besagtem Freunde gehörte – zu verbergen. Sollte, wie er fürchte, der König ihn suchen lassen, so wolle er ihn benachrichtigen, so daß er aus dem Reiche flüchten könne, und wenn man sich hier beruhigt hätte, so würde er ihn davon alsbald in Kenntnis setzen. Der Bastard befolgte auch flugs diesen Rat, also daß der Hauptmann seiner nicht habhaft werden konnte.
Der König und die Königin berieten nun, was man über jene unglückliche Dame beschließen solle, so die Ehre hatte, ihrem Hause anzugehören. Auf Rat der Königin wurde endlich festgestellt, daß man sie zu ihrem Vater zurücksenden müsse, den man zudem von dem ganzen Sachverhalt in Kenntnis setzte. Der Vater aber wollte sie nach alledem nicht sehen und schickte sie nach einem Waldschlosse, daß er dermalen unter Umständen hatte erbauen lassen, die wohl wert wären, nach dieser Geschichte berichtet zu werden. Alldort hielt er sie lange Zeit gefangen, doch ließ er ihr sagen: falls sie ihr Eheversprechen widerriefe, wolle er sie freilassen. Doch sie blieb fest und trug freudig alle Entbehrungen dem Erwählten zuliebe.
Nun aber konnte man sehen, wie die Männer sind! Der Bastard war nach Deutschland geflüchtet, wo er viele Freunde hatte. Dort erwies er durch seine Leichtfertigkeit, daß er nicht aus wahrer Liebe, sondern aus Geldgier und Ehrgeiz Rolandine nachgestellt hatte. Denn alsbald verliebte er sich in eine reiche deutsche Edelfrau, also daß er nachließ, der zu schreiben, die seinetwegen so viel erduldete, obgleich er stets die Möglichkeit hatte, ihr Briefe zustellen zu lassen. Als Rolandine nur noch kalte, schwülstige Briefe erhielt, schöpfte sie Verdacht und ließ ihn durch einen Diener beobachten. Als der ihr die Wahrheit mitteilte, wurde sie vor Leid schwer krank. Doch hielt ihre Liebe auch dieser Versuchung stand und sie war entschlossen, ihm bis zum Tode getreu zu bleiben. Da erbarmte sich ihrer die himmlische Güte; denn wenige Tage später fand der Bastard den Tod, da er der anderen Frau nachstellte.
Kaum hatte sie von Augenzeugen seiner Beisetzung diese Nachricht erhalten, so bat sie ihren Vater um eine Unterredung. Der kam alsbald zu ihr, nachdem er sie bis dahin nie während ihrer Gefangenschaft gesehen hatte und hörte sie ausführlich an. Statt sie aber zu töten, wie er ihr oft gedroht hatte, schloß er sie in seine Arme und sprach unter heißen Tränen: ›Du bist gerechter als ich, denn meine Schuld war es, daß dies solchen Verlauf nahm. Da nun Gott alles so gefügt hat, will ich versuchen, das Vergangene wieder gutzumachen.‹ Alsbald nahm er sie mit in sein Haus und behandelte sie als seine geliebte Tochter. Und als ein Edelmann gleichen Wappens und Namen sie umwarb, der edel und tugendhaft war und Rolandine hoch verehrte, gab der Vater seine Einwilligung und die Ehe wurde vollzogen.
Zwar wollte ihr Bruder ihr auf Grund ihres früheren Ungehorsams nichts gönnen und gab ihr nach dem Tode des Vaters so wenig, daß sie schier Not litt, maßen ihr Gatte ein jüngerer Sohn war. Doch auch da erbarmte sich Gott ihrer: der Bruder starb plötzlich und so fiel ihr die ganze Erbschaft zu. So hatte sie nun ein großes, angesehenes Haus, wo sie fromm und ehrsam mit ihrem Mann lebte; und nachdem sie zwei Söhne erzogen hatte, die Gott ihr bescherte, gab sie fröhlich Dem ihre Seele wieder, in dem sie allezeit ihren Trost gefunden hatte.
So, und nun, meine Damen, mögen die Herren kommen, die uns immer als treulos hinstellen möchten, und uns einen gleich treuen, standhaften Ehemann zeigen.«
»Wahrlich,« sprach Oisille, »Ihr habt uns die Geschichte einer hochherzigen Frau erzählt, Parlamente, die ebenso beständig war, als ihr Gatte treulos.« – »Ich meine,« überlegte Longarine, »daß zwei zusammen wohl solches Leid ertragen können; fällt die Last aber auf einen allein, dann muß sie unerträglich werden.« – »So solltet ihr also Mitleid mit uns haben,« – rief Guebron, »denn wir tragen die Last der Liebe, und ihr helft mit keinem Finger, sie uns leichter zu machen.«
»Ach, Guebron,« entgegnete Parlamente, »wie verschieden sind doch die Lasten, die auf Männern und Frauen ruhen. Die Liebe der Frau stützt sich auf Gott und ihre Ehre. Wer diese gerechte und vernünftige Grundlage antastet, kann nur feige und schlecht sein. Die Liebe der meisten Männer aber ist auf Genußsucht begründet, und leider sind die meisten Frauen zu unerfahren, um genügend dawider zu kämpfen. Enthüllt ihnen aber Gott jene Bosheit, dann handeln sie nur ehrenhaft, wenn sie schnell die Beziehungen abbrechen. Die kürzesten Torheiten sind allemal die besten.«
»Was für ein herrlicher Grundsatz!« rief Hircan. »Die tugendhaften Frauen dürfen in allen Ehren anständige Männer verlassen, umgekehrt aber geht es nicht. Als ob die Herzen verschieden wären! Schlimmer ist nur die besser verhehlte Bosheit.« – Parlamente antwortete etwas erzürnt: »Ihr scheint die Menschen höher zu stellen, deren Bosheit zutage tritt.« – »Lassen wir diesen Streit,« beschwichtigte Simontault, »genau besehen, taugt keines von beiden Herzen etwas. Hören wir lieber, wem Parlamente das Wort erteilt.« – »Ich gebe es Guebron,« sprach diese. Guebron hub also an: »Ich habe schon von Franziskanern erzählt. Nun will ich etwas berichten, was mit zween Benediktinern vorgefallen ist. Damit will ich niemandes gute Meinung von achtbaren Geistlichen beeinträchtigen. Doch sollt ihr nur nicht für unmöglich halten, daß unter großer Frömmigkeit nicht auch bisweilen schlimme Sinnengier verborgen liegt. Darum höret, was sich unter Franz, dem ersten seines Namens, zutrug.«