Margarete von Navarra
Das Heptameron
Margarete von Navarra

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Einunddreißigste Erzählung

Mit welch scheußlicher Grausamkeit ein Franziskaner seine schändliche Geilheit zu befriedigen suchte und wie er dafür gestraft wurde.

»In den Landen Kaiser Maximilians von Österreich stund ein hochgeachtetes Franziskanerkloster unweit von dem Hause eines Edelmannes, der die Mönche über die Maßen verehrte und sie mit Gaben überhäufte, um an ihren Wohltaten, Fasten und Kasteiungen teilzuhaben. Zu jener Brüderschaft gehörte nun auch ein hochgewachsener, schöner Mönch, der des Edelmannes Beichtvater wurde und bald in dessen Hause mehr zu sagen hatte als jener selbst. Maßen aber dieser Franziskaner die Edelfrau unvergleichlich schön und klug fand, verliebte er sich in sie, also daß er Essen und Trinken vergaß und aller Vernunft bar wurde.

Eines Tages entschloß er sich kurz und gut, zum Ziele zu gelangen. Dieserthalben begab er sich in des Edelmannes Haus, und da jener nicht daheim war, fragte er die Frau, wohin er gegangen sei. Die entgegnete, ihr Mann sei auf eines seiner Güter gereist und würde zwei bis drei Tage fernbleiben; wenn er ihn aber dringend sprechen müsse, wolle sie einen Eilboten an ihn senden. Das lehnte der Franziskaner ab und begann alsbald im Hause hin und her zu laufen wie ein Mensch, der etwas Wichtiges im Sinne hat. Als er das Zimmer verlassen hatte, sagte die Frau zu einer der beiden Mägde, die bei ihr waren: »Geh' zu dem guten Pater und frag' ihn, was er will; er sieht so unzufrieden aus.«

Die Magd ging zu ihm auf den Hof und fragte ihn, ob er etwas wünsche. Er sagte ja, zog sie in eine Ecke und stieß ihr einen Dolch in die Kehle, den er im Ärmel verborgen hatte. Kaum hatte er dies vollbracht, so kam ein Knecht auf den Hof geritten, der die Pacht eines Gutshofes brachte. Sobald der vom Pferd stieg und den Mönch grüßte, so umfaßte ihn dieser, als wolle er ihn umarmen, stach ihm von hinten den Dolch ins Herz und verschloß alsdann das Tor.

Als nun die Dame sah, daß ihre Magd nicht zurückkam, verwunderte sie sich, was jene bei dem Mönch verweile, und hieß ihrer andern Zofe: »Sieh nach, wo das Mädel bleibt.« Die ging. Doch kaum war sie die Treppe hinabgestiegen und des Paters ansichtig, so zog er auch sie in einen Winkel und ermordete sie gleich den anderen. Maßen er nun allein im Hause war, begab er sich zu der Dame und erklärte ihr: er sei schon längst in sie verliebt, und nun sei die Stunde der Erfüllung gekommen.

Daran hatte die Frau nie je gedacht, und so erwiderte sie: »Ehrwürdiger Vater, ich glaube, Ihr würdet mich als erster steinigen, wenn ich so Schändliches im Sinne hätte.« Der Pater aber sprach: »Geht in den Hof und sehet, was ich getan habe.« Als sie dort die Leichen ihrer Mägde und des Knechtes erblickte, erschrak sie so furchtbar, daß sie gleich einer Bildsäule erstarrte und keinen Laut hervorbrachte. Der Schandbube wollte aber mehr denn einen flüchtigen Genuß. Daher nahm er sie nicht gewaltsam, sondern erklärte ihr: »Bangt Euch nicht, Gnädigste, denn Ihr seid in der Hand eines Mannes, der Euch liebt.« Und damit öffnete er seine Kutte, zog daraus einen kleineren Mönchskittel hervor, gab ihr den und eröffnete ihr, sie müsse ihn anziehen oder sie würde das Schicksal jener Ermordeten teilen.

Mehr tot als lebendig entschloß sie sich, seinem Gebot zu gehorchen, um einerseits ihr Leben zu retten, und zudem in der Hoffnung, daß ihr Mann vielleicht inzwischen heimkehren würde. Auf Geheiß des Mönches löste sie zunächst ihre Haare, doch so langsam als möglich, um Zeit zu gewinnen. Kaum hingen die lose herab, da schnitt der Mönch sie eiligst ab, ohne ihre Schönheit weiter zu beachten, ließ sie dann sich bis aufs Hemd entkleiden, zog ihr die kleinere Kutte an, nahm die seine wieder um und eilte dann flugs mit seinem so lange erstrebten »Mönchlein« davon.

Gott aber erbarmte sich solcher schuldlosen Pein, da er die Tränen jener Frau gewahrte. Und so kehrte der Edelmann, dessen Angelegenheiten sich unerwartet schnell erledigt hatten, auf dem gleichen Wege heim, auf dem jene davongingen. Als der Franziskaner seiner von ferne gewahr wurde, erklärte er ihr: »Da kommt Euer Mann. Wenn Ihr ihn anblickt, wird er Euch meinen Händen entreißen wollen; daher gehet vor mir her und wendet das Gesicht von ihm ab. Würdet Ihr ihm auch nur das kleinste Zeichen geben, so bekämet Ihr den Dolch eher in die Kehle, als er Euch aus meiner Hand befreien könnte.«

Der Edelmann ritt vorbei ohne sein Weib zu erkennen. Er fragte den Franziskaner, woher er käme, und der erwiderte: »Von Eurem Hause, wo Eure Frau Euer harrt. Es geht Ihr sehr gut.« Des Edelmannes Diener aber, der hinterher kam und stets mit dem Gefährten jenes Paters, einem Bruder Johann, zu plaudern pflegte, sprach seine Herrin an, da er sie für diesen Johann hielt. Das arme Weib wagte nicht den Kopf zu wenden und sprach keinen Ton. Um nun das Gesicht zu sehen, ritt er über den Weg hinüber. Da blinzelte sie ihm mit tränenfeuchten Augen zu. Schnell eilte der Knecht seinem Herren nach und sagte: »Ach Herr, als ich auf die andere Seite des Weges ritt, erblickte ich das Gesicht des anderen Mönches: das war nicht Bruder Johann, sondern er glich Eurer Gemahlin, die mir mit tränenden Augen jammervolle Blicke zuwarf.«

Der Edelmann erwiderte, er träume wohl, und beachtete seine Worte nicht. Doch der Knecht bestand auf seiner Angst und bat um die Erlaubnis, jenen nachzueilen, derweile sein Herr hier warten solle, ob er recht hätte. Der Edelmann war damit einverstanden und hielt an, um des Knechtes Antwort abzuwarten. Als nun aber der Mönch den Knecht kommen sah und hörte, daß der nach dem »Bruder Johann« rief, argwöhnte er, daß jener die Dame erkannt habe, hob seinen eisenbeschlagenen Stock empor und hieb dem Knecht damit so gewaltig in die Seite, daß er vom Pferde stürzte. Und flugs sprang der Pater auf seine Brust und schnitt ihm die Gurgel durch.

Der Edelmann sah seinen Diener stürzen. Doch vermeinte er, das sei durch Ungeschick geschehen, und eilte herbei, um ihm aufzuhelfen. Kaum sah ihn der Mönch kommen, da schlug er ihn gleich dem Knecht nieder und sprang auf ihn zu. Der Edelmann war aber gewaltig stark. Daher gelang es ihm, jenen so zu umfassen, daß er ihn unschädlich machte und ihm den Dolch aus der Faust schlug. Den hob sein Weib unverweilt auf, gab ihn dem Ehemann und hielt mit aller Kraft den Franziskaner an der Kapuze fest, während ihr Mann jenem etliche Dolchstiche versetzte, bis er um Gnade bat und seine Schandtat eingestand. Der Edelmann wollte ihn aber nicht töten. So hieß er sein Weib nach Haus zu laufen und Leute mit einem Karren herbeizurufen. Also tat sie: nachdem sie die Kutte abgestreift hatte, lief sie im Hemd mit geschorenem Kopf bis zu ihrem Haus.

Alsbald kamen ihre Leute angelaufen, eilten flugs zu ihrem Herrn, um ihm beim Heimschaffen des gefangenen Wolfes zu helfen, und schleppten ihn in des Edelmannes Haus. Der ließ ihn sodann dem Kaiser in Flandern vorführen, wo der Bösewicht seine Niedertracht zugab. Und ob seines Geständnisses und durch eine örtliche Untersuchung stellte sich heraus, daß eine Menge Edelfrauen und Mägdelein in jenes Kloster in ganz gleicher Weise verschleppt worden waren, wie der Franziskaner es in diesem Falle getan hatte. So wurde alles geraubte Gut nebst den Frauen, die dort waren, säuberlichst hinausgeschafft, das Kloster mit den Mönchen darin zugesperrt und zum ewigen Gedächtnis an diese Untaten niedergebrannt. So kann man erkennen, daß nichts grausamer ist als verbrecherische Liebe, gleichwie nichts preislicher ist als die zarten Gefühle eines tugendsamen Herzens.

Ich bedaure sehr, meine Damen, daß ich um der lieben Wahrheit willen nichts zum Lobe der Franziskaner zu sagen weiß, obgleich ich sie im Grunde schätze. Beginge heute einer von ihnen eine rühmenswerte Tat, so wäre ich der erste, sie zu feiern.«

»Das nenne ich wahrlich grausame Liebe,« erklärte Oisille. – »Ich verstehe nur nicht,« meinte Simontault, »warum er sie nicht mit Gewalt nahm, als er sie im Hemd sah und so in der Hand hatte.« – »Er war eben kein Fresser, sondern ein Feinschmecker,« lächelte Saffredant, »und um sich nun täglich an ihr zu berauschen, wollte er nicht vorzeitig daran naschen und sich den Appetit verderben.« – »So liegt es wohl nicht,« widersprach Parlamente. »Aus Angst, abgefaßt zu werden, wollte er sicherlich sein Lämmlein an einen sichern Ort schleppen, gleich dem Wolf, um es dann in Gemütsruhe zu genießen.« – »Jedenfalls wurde er gebührend gestraft,« sprach Oisille, »und ich bete zu Gott, daß es allen ähnlichen Frevlern gleichermaßen gehen möge. Doch wem gebt Ihr nun Eure Stimme, Guebron?« – »Euch, edle Frau, denn sicher wißt Ihr etwas Schönes zu berichten.«

»So will ich denn«, hub Oisille an, »einen Vorfall erzählen, der sich zu meiner Zeit zutrug und mir von einem Augenzeugen berichtet wurde. Da der Tod auch allem Unglück ein Ende macht, so ist er oft nicht die größte Strafe für einen Übeltäter. Schlimmer ist eine dauernde Qual, die schwer genug ist, um das Ende herbeizusehnen, doch nicht schwer genug, um es zu beschleunigen. In diesem Sinne handelte ein Ehemann mit seinem Weibe, wie ihr alsbald hören werdet.«


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