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Was ihr da in euren Händen haltet, ist ein sehr merkwürdiges Buch und mit keinem der euch bekannten Bücher zu vergleichen. Es wirkt wie ein Märchen und ist doch Wirklichkeit, es erzählt die Wahrheit und umspinnt euch dennoch mit Zauberfäden. Denn glaubt uns nur, ihr Kinder: nichts ist so wunderbar wie die Natur, und alle Feengeschichten können sich vor dem Buch der Welt verstecken. Man muß es bloß an der richtigen Stelle aufschlagen, da wo ihr es zu lesen versteht. Und das ist hier geschehen, so denken die Verfasser dieses Buchs.
Auf der Titelseite habt ihr den Namen Robinson gelesen, und von diesem berühmten Menschen handelt das Buch auch durchweg. Eigentlich könntet ihr nun gleich da anfangen, wo richtig erzählt wird, und manche von euch werden das ja auch wirklich tun; nämlich diejenigen, die überhaupt niemals eine Vorrede lesen. Aber einige werden doch denken: da die Verfasser so einen Vorspruch an den Anfang gestellt haben, so wollen wir doch hören, was sie uns extra sagen möchten.
12 Und das wäre etwa folgendes:
Dieser Robinson, dessen Geschichte hier auf vielen Blättern aufgezeichnet steht und mit allerlei Bildern anschaulich wird, hat einmal wirklich gelebt. Eigentlich hieß er zwar anders, aber im Lauf langer Zeiten haben sich die Menschen daran gewöhnt, ihn Robinson zu nennen, und dabei wollen wir denn auch bleiben.
Wobei wir aber nicht bleiben wollen, das ist etwas anderes. Die Erlebnisse des uralten Robinson klingen nämlich heute gar nicht mehr so schön und so spannend, wie sie euren Vätern und Großvätern geklungen haben. Es hat sich in der Zeit so viel geändert, daß gar vieles in dem alten Robinson heutzutage wie verwelkt und abgestanden anmutet; oder etwa wie eine Speise, zu der ursprünglich vorzügliche Stoffe verwendet wurden, die aber einen ranzig schmeckenden Schaum angesetzt hat. So eine Speise kann aber wohl mit Kunst wieder genießbar gemacht werden. Man muß den übeln Schaum abschöpfen, das Ganze sorgsam aufkochen und einige neue leckere Zutaten beifügen; dann kann ein Gericht herauskommen, das noch schöner schmeckt als die alte Speise.
So etwas ähnliches hat man nun mit guten Büchern schon manchmal versucht, und Wertvolles ist dadurch entstanden. Nur an euch Kindern sind die Buchschreiber gewöhnlich vorbeigegangen. Sie haben vielleicht in alten Kinderbüchern dies und das ein wenig zurechtgestutzt, einiges gar zu Langweilige herausgestrichen, ein paar neue Bilderchen hinzugemalt. Aber etwas wertvolles Altes für euch zu erhalten und es doch ganz 13 neu zu formen, daran hat keiner gedacht. Und so war es denn auch bei dem alten Robinson geblieben, der mehr und mehr in Vergessenheit gerät, weil seine Zeit um ist.
Aber weshalb ist sie denn um? Weshalb blühen heute noch die alten Grimmschen Märchen und viele andere Jugendgeschichten, die man jetzt noch genau so erzählt, wie sie zur Zeit der Urahnen erzählt wurden?
Das wollen wir euch sagen: weil solche reinen Märchen, Sagen, Fabeln in gar keiner Zeit spielen, und weil ihr Inhalt vor hundert, vor tausend Jahren so gültig war, wie er in hundert, in tausend Jahren gültig sein wird.
Das ist aber bei Robinson anders. Der ist ein auf eine einsame Insel verschlagener Mensch, den wir als unseresgleichen betrachten sollen. Aber ist er denn noch unseresgleichen, wenn er so denkt und die Welt so anschaut wie die Leute vor urlangen Zeiten? Ganz gewiß nicht. Ihr Kinder seid heute in zahllosen Dingen weit gescheiter als die Erwachsenen vor hundert Jahren. Mit den ersten Schritten in die Stadt und ins Land hinein lernt ihr Unzähliges kennen, wovon die Großen von ehedem noch gar keine Ahnung hatten, mit einem Wort: ihr denkt mit dem Zeitalter der Dampfmaschinen, der Eisenbahnen, der Luftschiffe, der letzten Erfindungen und Entdeckungen, und ein Mensch, der hiervon noch gar nichts ahnt, ist nicht euresgleichen.
Deshalb wird euch hier von einem Robinson erzählt, den ihr versteht, und der auch euch verstehen würde, wenn er sich mit euch unterhalten könnte. Seine Geschichte wird darum nicht weniger spannend und abenteuerlich sein als die des 14 alten Robinson. Nein, noch weit spannender, merkwürdiger und abenteuerlicher. Das werdet ihr ja bald genug merken, wenn ihr erst zu lesen angefangen habt. Und wir versichern euch dabei: es ist im Grunde jene Geschichte, die schon so viele Gemüter erregt und beschäftigt hat; nur so erzählt und vorgetragen, daß ihr als Kinder einer vorgeschrittenen Zeit daran ein wahrhaftes Vergnügen haben könnt.
Und dann, wenn ihr erst das ganze Buch fertig gelesen habt, steht euch noch eine besondere Entdeckung bevor. Ihr werdet dann nämlich zu eurer Überraschung wahrnehmen, daß ihr nicht nur um eine merkwürdige Geschichte, sondern auch um ein tüchtiges Stück Wissen reicher geworden seid.
Darüber soll euch aber diese Ansprache vorläufig nichts weiter verraten. Nur das eine wollen wir euch geloben, daß euch nicht eine Minute lang so zumute sein soll, als säßet ihr auf der Lernbank und solltet mit Lehrstoff gefüttert werden. Nein, die seltsamen, gefahrvollen und stürmischen Erlebnisse des Robinson bleiben immer die Hauptsache; ihr sollt nie aufhören, mit ihm zu sorgen, zu hoffen, Leid und Wonne zu empfinden und – mit ihm zu lernen. Denn Robinson lernt unablässig, und kein Ereignis überfällt ihn, das nicht auch das Maß seines Wissens vergrößert. An dieser Wissensvermehrung sollt ihr teilnehmen, wie ihr in Zittern und Bangen, in Schreck und Freude an all seinen Schicksalen teilnehmen werdet.
Und wenn eines von euch, sei es Knabe oder Mädchen, dann noch etwas auf dem Herzen hat, in irgendeiner Frage über dies und das oder sonst in einer Bemerkung über 15 Robinsons Erlebnisse und Erfahrungen, dann schreibt es nur den Verfassern und richtet eure Briefe an den Verlag, der unten auf dem Titelblatt steht. Die Verfasser versprechen euch, alles, was ihr ihnen kundtut, sehr aufmerksam zu lesen, zu prüfen und euch durch die Post Antwort zu geben, Auskunft zu erteilen über manches Schöne und Wissenswerte, was in diesem Buch nur lose berührt werden konnte. Und damit, liebe Kinder, begrüßen wir euch und wünschen euch viel Genuß zu der Geschichte, die auf der nächsten Seite anfängt.
Die Buchschreiber und Herausgeber Artur Fürst Alexander Moszkowski |