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Durch phantastisch geschmückte Reiter war die Kunde von einem Wettkampf im Ballschlagen in den Reservationen der Indianer verbreitet worden. Der Kampf sollte sich auch dieses Mal zu einem großen Volksfest gestalten, an dem ohne Unterschied des Stammes sich alles beteiligte, was ohne zu große Schwierigkeiten die dazu gewählte Stätte zu erreichen vermochte. Südlich vom Kanadian lag diese, eine halbe Tagereise weit von der Führe und angesichts der malerischen Sans-Bois-Berggruppe. Eine ebene Wiese hatte man dazu erkoren. Von größerem Umfange, lieblich eingerahmt von grünen Waldmauern und am Rande bewässert von einem kristallklaren Bach, bot sie ausreichend Raum für das Spiel selbst wie für die gegnerischen Zeltlager und die mitgeführten Pferde. Der Ballschläger mochten sich gegen vierhundert angesagt haben. Da diese in Begleitung ihrer Angehörigen und Freunde herbeigeeilt waren, außerdem alle von weit und breit, die sich den Anblick des Festspiels nicht entgehen lassen wollten, so zeigte die Wiese schon am Tage vor dem Wettkampfe ein überaus lebhaftes, farbenreiches Bild. Mit Rücksicht auf die beiden Hauptgegner und Herausforderer teilten die Anwesenden sich in zwei gesonderte Lager. Die Vorbereitungen bestanden darin, daß zunächst der Mittelpunkt zwischen den beiden Lagern genau ausgemessen und bezeichnet wurde. Zweihundertundfünfzig Ellen von diesem und einander gegenüber schlug darauf jede Partei zwei lange Pfähle in die Erde, die oben mittelst einer Querstange verbunden wurden. Vier alte Männer zogen alsdann eine den Mittelpunkt durchschneidende Linie, die als Grenze galt. Das übliche Signal erfolgte, und in wilder Jagd stürmten von beiden Seiten Spieler und Zuschauer herbei, um über die Linie hinweg ihre Gegner zu wählen und mit ihnen Wetten einzugehen. Jeder erwartete zuversichtlich den Sieg seiner Partei und setzte daher den höchsten ihm möglichen Preis ein. Pferde wurden geboten, Gewehre, Decken, Kleidungsstücke, Hausgeräte, Geld, kurz alles, was den braunen Ansiedlern begehrenswert erschien, und alles, bis auf die der Weide bedürftigen Pferde, wurde auf der Grenzlinie deponiert. Bei diesen Vorräten nahmen die Unparteiischen ihren Posten ein. Zur Hand hatten sie seltsam geschmückte Tabakspfeifen, um hin und wieder den Duft zerriebener gedörrter Sumachblätter und Weidenrinde zu Ehren des großen guten Geistes gen Himmel zu senden, auf daß er den Wettkampf zu einem gerechten Ende führe.
Früh waren am Spieltage die Wettkämpfer gerüstet. Jeder von ihnen führte zwei Stäbe, die am oberen Ende mit einem Holzringe versehen waren und mit denen der Ball nur berührt werden durfte, und sich wieder in Züge ordnend, schritten sie nach der Grenzlinie hinüber. Ein Schuß fiel. Zugleich wurde auf dem Mittelpunkt der Ball emporgeworfen. Wie rasend stürzten die Kämpfer beider Parteien auf ihn zu und ebenso schnell mischten sie sich untereinander. Einzelne Männer und Gruppen waren nicht mehr zu unterscheiden. Nur noch einen Haufen buntfarbiger Glieder sah man, aus dem hier und da langes schwarzes Haar und die wunderlichen Roßschweife hervorflatterten. In dem dichten Gewühl und bei dem ungestümen Drängen wollte es lange keinem gelingen, des Balles habhaft zu werden. Oberhalb der Köpfe befand er sich wohl zuweilen, doch nicht lange genug zwischen zwei Ballstöcken, um geschleudert werden zu können. Wo nur immer er sichtbar wurde, entspann sich ein klappernder Kampf um ihn. Hierhin und dorthin wurde er geschlagen, bis ihn endlich ein abseits stehender Spieler mit unglaublicher Gewandtheit auffing und beinahe ebenso schnell dem seiner Partei gehörigen Tor zuschlenderte.
Die Richtung war gut genug gewählt. Hindurch fliegen sollte er indessen nicht. Wachsame Augen waren überall, flinke Hände hemmten seinen Flug, um ihn in entgegengesetzter Richtung davon zu senden. Doch bis zum anderen Tor war ein weiter Weg. Befreundete Hände sollten ihn weiter befördern, aber immer wieder entspannen sich heiße Kämpfe um ihn. Hinüber und herüber flog er vor den geschickten Schlägen, und lange war der Erfolg zweifelhaft, bis es endlich einem Meister gelang, ihn durch das Tor seiner Partei hindurch zu lenken.
Eine Pause trat ein. Die Unparteiischen schnitten eine Kerbe in den Rechnungsstab, wiederum wurde der Ball empor geworfen, und von neuem begann das Spiel. Aber manchen heißen Kampf sollte es noch kosten, manche Stunde unermüdlichen Ringens in der sengenden Sonnenglut, bevor der Ball das eine Tor hundertmal durchflogen hatte und damit der Sieg entschieden war.
Eine Stunde und darüber hatte das wilde Spiel schon gedauert, als plötzlich hier und da unter den Gruppen der Zuschauer der Name »Frühlingstau« umlief. Dann richteten die Blicke sich nach dem nördlichen Rande der Wiese hinüber, wo Charon, Molly und Milford, gefolgt von Tommy, aus dem Walde hervorgeritten waren und, in das Anschauen des geräuschvollen Treibens versunken, ihren Weg am Saume des Gehölzes hin langsam verfolgten. Ihr Ziel war der südliche Rand, wo sie des Standes der Sonne wegen eine bessere Aussicht genossen und zugleich Schatten fanden. Allmählich näherten sie sich dem westlichen Zeltlager, und genug hatten Charon und Molly zu tun, die freundlichen Grüße zu erwidern, die ihnen von allen Seiten zugesendet wurden.
Charon und Milford hatten keine größere Sorgfalt auf ihre äußere Erscheinung verwendet, als an jedem anderen Tage. Molly prangte dagegen in einem dunkelblauen Reitrock, der von den Hüften bis tief über ihre Füße niederfiel, während ihren Oberkörper ein feuerfarbiges Flanellhemd faltig umschloß und ein neuer Strohhut mit flatternden roten Bändern ihr lose aufgestecktes Goldhaar und das von der Hitze und dem anstrengenden Ritt glühende Antlitz beschattete.
An ihrem Ziel eingetroffen, blieben sie der besseren Übersicht wegen noch eine Weile auf ihren Pferden sitzen.
»Die guten Leute sind seit Jahren gewohnt, daß wir ihren Hauptfesten beiwohnen,« erklärte Charon, zu Milford gewendet, in seiner ruhigen Weise; »so hätte ich auch dieses Mal ihre Einladung nicht ablehnen mögen, zumal Ihnen der Anblick des merkwürdigen Schauspiels noch fremd ist. Wer weiß, ob Ihnen sich je wieder die Gelegenheit dazu bietet. Nur früher hätten wir hier sein müssen, als jeder einzelne noch in seinem vollen, charakteristischen Schmuck prangte. Entwirren die Knäuel sich jetzt, so könnte man glauben, eine Herde Höllengeister vor sich zu sehen, derartig sind die nicht kunstlosen Malereien auf ihren Körpern verwischt. Der eine und der andere wird wohl auch seinen stolzen Schweif vermissen, und die Beulen und Schrammen, die im ganzen davongetragen wurden, genügten sicher, einen Büffel ums Leben zu bringen. Doch das gehört mit zum Spiel, und nie erfuhr ich, daß von dieser Stelle aus feindliche Gesinnungen mit fortgenommen wurden.«
»Darin könnten die Weißen oft von ihnen lernen,« versetzte Milford, und sich der lieblichen Gefährtin zukehrend, spiegelte sich in seinen Blicken die Bewunderung, die sie ihm abgewann.
»Wäre es anders, so hörte es auf, ein Fest zu sein,« beteiligte Molly sich fröhlich an der Unterhaltung, »und sehen Sie nur hinüber, wie die Ballstöcke härter, als gerade notwendig, auf die ungeschützten Köpfe und Arme fallen – da – der Ball fliegt durchs Tor –« und sie hatte kaum ausgesprochen, als erschütterndes Gellen und Heulen der Sieger den Erfolg verkündete. Doch nur eine kurze Pause trat ein, und mit ungebrochenen: Eifer wurde der Ball zur Fortsetzung des Spiels wieder empor geworfen.
So hatten die drei Freunde wohl eine halbe Stunde auf derselben Stelle gehalten, als Charon, dessen Blicke abermals am Waldessaum hinwanderten, sich abkehrte, um den Wechsel seines Gesichtsausdrucks zu verbergen. Er war eines Schimmelreiters ansichtig geworden, der den Wald auf der gleichen Stelle verlassen hatte, wo er und seine Begleiter die Wiese erreichten.
»Also doch,« hauchte er unbewußt vor sich hin, und er gedachte Fakits, der tags zuvor beim Kreuzen des Stromes ihn benachrichtigte, daß Adams wieder in der Nachbarschaft gesehen worden war.
Um sich zu überzeugen, daß seine Augen ihn nicht täuschten, sah er abermals hinüber. Ja, da ritt er, der Strolch, der ihn vor fünf Tagen mit seinen unheimlichen Andeutungen gleichsam überfiel und den er seitdem kaum eine Stunde aus dem Gedächtnis verloren hatte. Da ritt er, langsam und bedächtig, den Kopf, wie jemand suchend, nach allen Seiten drehend.
Zweifelnd sah er zu Molly hinüber. So fröhlich, so arglos schaute sie darein, so herzlich klang ihr Lachen, so zutraulich ihre Stimme, indem sie lebhaft zu Milford sprach. Wie mußte sich dies alles ändern, wenn sie plötzlich den Menschen vor sich sah, von dem sie mit so viel Abscheu zu ihm gesprochen hatte? Wie konnte er ihr und Milford die rätselhaften Fäden erklären, die sich zwischen ihm und einem verworfenen Landstreicher hin und her spannen? Und weiter ritt Adams unterdessen in weitem Bogen, und näher rückte er wie ein unabwendbares schwarzes Verhängnis. Molly, deren Aufmerksamkeit dem Spiel zugewendet war, hatte ihn noch nicht bemerkt. Ein instinktartiger Drang, das Zusammentreffen immer noch ein wenig weiter hinauszuschieben, war es, der Charon bewog, sein Pferd zu wenden und die beiden Gefährten aufzufordern, ihm zu folgen.
»Die Tiere bedürfen der Rast und des Futters,« sprach er, als diese bereitwillig neben ihn hin ritten und mit ihm die Richtung nach dem Waldessaum einschlugen; »der Tag ist lang, und gefällt es uns, so mögen wir später hinüber gehen und das tolle Treiben in der Nähe betrachten.«
Gleich darauf stiegen sie unter einer breit verzweigten Sykomore von den Pferden, und kaum mit Absatteln beschäftigt, eilten mehrere gefällige Choctaw-Burschen herbei, um die Tiere der abseits werdenden Herde zuzuführen. Molly hatte unterdessen die Satteltaschen geleert und ordnete deren Inhalt auf dem Rasen. Wie in der heimatlichen Hütte, erfüllte sie auch hier die Obliegenheiten der Wirtin mit Eifer und bezaubernder Anmut. Charon hatte sich auf den Rasen geworfen. Unruhig berechnete er die Zeit, die Adams gebrauchen würde, heranzukommen. Nach ihm auszuschauen, gewann er nicht über sich. Aber er fühlte gleichsam dessen Blicke, die, nachdem sie ihn erst entdeckt hatten, mit der Schärfe eines heißhungrigen Wolfs auf ihm ruhten. Und so bemerkten weder Adams noch er selber, daß zwei der wilden Steppenräuber, deren schwarze Augen unter dem sie fast verschleiernden Stirnhaar hervor immer wieder seltsam gierig Mollys schlanke Gestalt gesucht hatten, bei des ersteren Annäherung einige Worte leise miteinander wechselten und davon schritten, als hätten sie die Begegnung mit ihm vermelden wollen. Gleich darauf waren sie am Waldessaum verschwunden. Einige Minuten dauerte es dann noch, als Adams seinen Schimmel in der Nähe anhielt und einen rauhen Gruß zu den mit ihrem Mahl Beschäftigten herüber sandte.
Erschrocken fuhr Molly auf. Sobald sie aber den rohen Landstreicher wieder erkannte, legte sie unwillkürlich die Hand auf den Kopf des neben ihr ruhenden Bären. Ihr nächster Blick galt Charon, um aus seinen Zügen herauszulesen, welchen Eindruck das ihr selbst unerwartete Erscheinen des unheimlichen Fremden auf ihn ausübe. Doch Charon hatte ja Zeit gefunden, sich einigermaßen auf die unvermeidliche Zusammenkunft vorzubereiten, und er beantwortete den Gruß mit kalter Ruhe.
Über das Gesicht des Strolches flog ein böses Zucken.
»Feine Gelegenheit hier,« meinte er spöttisch, »klopfte schon in aller Frühe bei Ihnen an, um mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen, fand aber den Bau leer. Waren da nicht des Feldmessers Leute, die den Prahm hantierten und zu mir herüberlotsten, hätte ich mit meinem Schimmel durch den Strom schwimmen müssen, um hierher zu gelangen.«
»Das Wasser hätte schwerlich über den Sattel gereicht,« erwiderte Charon, nicht ohne Mühe sich überhaupt zu einer Antwort bequemend.
»Der Teufel mag seinen Sattel ins Wasser tauchen,« versetzte Adams mit wüstem Lachen, »da war's besser, es kam, wie es gekommen ist.« Er warf einen feindseligen Blick auf Molly, deren entscheidenden Einfluß auf Charon er fürchtete, einen zweiten auf Milford, der ihn durchdringend musterte. Dessen Äußeres schien ihm zu mißfallen, seine zuversichtliche Haltung ihm Scheu einzuflößen. Sehr wohl entsann er sich, ihm begegnet zu sein, und schon damals war er von ihm mit unzweideutiger Verachtung zurückgewiesen worden. Jetzt mochte er Ähnliches befürchten, denn anstatt, wie er ursprünglich beabsichtigte, sich zu Gast zu bitten, trieb er sein Pferd an.
»Kein rechter Ort hier, das Handwerk zu grüßen,« sprach er im Davonreiten, und wiederum entstellte höhnisches Grinsen seine sonnverbrannten, aufgedunsenen Züge; »vielleicht glückt's auf 'ner anderen Stelle und bei 'ner günstigeren Gelegenheit besser; dann aber will ich Ihnen dankbar sein für jeden guten Rat, den ich zu hören bekomme.«
Charon gab keine Antwort. Schweigend blickte er dem hinterlistigen Schurken nach, wie er in der Entfernung einiger hundert Schritte sich aus dem Sattel schwang, seinen Schimmel abzäumte und mittelst einer langen Leine auf grasreicher Stelle an den nächsten Baum band.
»Dem steht der Spitzbube auf dem Gesicht geschrieben,« erklärte Milford, als er in Charons Zügen tiefe Erbitterung zu entdecken glaubte.
»Ein schrecklicher Mensch,« bestätigte Molly aus Überzeugung.
»Und doch ein beklagenswerter, heimat- und obdachloser Landsmann,« versetzte Charon eintönig, und seinem Beispiel folgend, bedienten Molly und Milford sich von den einladend geordneten Speisen. »Er klagte mir seine Not und sein Sehnen nach einer Zufluchtsstätte für seine alten Tage; da werde ich ihn wohl ein wenig unterstützen müssen. Mag er nicht viel Gutes auf seinem Gewissen haben: vielleicht bringt Nachsicht ihn auf bessere Wege. Seine Roheit verzeihe ich ihm. Es ist eine eigentümliche Erscheinung: je tiefer die Sphäre, aus der die hier eingewanderten Deutschen hervorgegangen, um so wilder schwelgen sie in dem Genuß, wenn ihnen auf dieser Seite des Ozeans Gelegenheit geboten wird, mit den Gebildeteren ihres Vaterlandes sich auf die gleiche Stufe zu stellen.«
Molly sah befremdet auf.
»So wird er in unserer Nachbarschaft bleiben?« fragte sie zweifelnd.
»Fast bereue ich meine Zusage – wirst es mir wohl angemerkt haben,« hieß es zurück; »allein ihn jetzt noch auf die Landstraße werfen – ich gewinne es nicht über mich. Doch gleichviel; sobald er Ursache zur Unzufriedenheit gibt, ist es immer noch früh genug, uns seiner endgültig zu entledigen. Lassen wir ihn. Wer weiß, wie alles noch kommt.« –
Adams säumte nur, bis er sich überzeugt hatte, daß dem Schimmel das Gras mundete; dann warf er sich am Fuße einer Eiche nieder, und Fleisch und Brot nebst Branntweinflasche aus der neben ihm auf dem Rasen liegenden Satteltasche ziehend, begann er mit Gier zu essen. Um das Schauspiel des Ballschlagens kümmerte er sich wenig, und Charon und dessen Begleitung schien er vergessen zu haben.
Er hatte eben wieder ein Stück Fleisch zwischen die Zähne geschoben, als hinter ihm der Name Thomas ausgesprochen wurde.
Wie durch das Rasseln einer Klapperschlange gestört, fuhr er herum. Auf seinem Gesicht prägte sich Schrecken aus. Während seine Kiefer zur Ruhe gelangten, richtete er die tückischen Augen über die Schulter forschend auf das hinter dem Eichenstamm beginnende dichte Gesträuch. Nichts entdeckte er, und zu dem Glauben hinneigend, sich getäuscht zu haben, kehrte er sich der Wiese wieder zu, als es abermals, jetzt aber etwas lauter, zu ihm herausdrang:
»Mein Freund Thomas mag ungestört sitzen bleiben. Ich will mit ihm reden. Niemand soll es sehen. Hat mein Freund sich gesättigt, so trete er in den Wald. Keiner wird ihn hindern. Stelle er seine Füße so oft voreinander, wie zehn Hände Finger zählen, und er findet mich. Mein Freund Thomas ist ein kluger Mann. Will er zwei gute Pferde sein eigen nennen, so gehören sie ihm.«
So lange die Stimme hinter ihm ertönte, ging eine Wandlung in dem Gesicht des Strolchs vor sich. Wo eben noch Schrecken und Verlegenheit vorherrschten, gelangte, wie bei einem blutiges Fleisch witternden Wolf, unbezähmbare Raubgier zum Durchbruch. Ohne sich umzusehen, neigte er als Antwort zustimmend das Haupt, und weiter kaute er, als hätten die zu ihm gedrungenen Worte keinen höheren Wert für ihn gehabt, als die melancholische Stimme eines zu seinen Häupten im dichten Gezweig singenden, glühendroten Kardinals.
Ohne sich zu übereilen, beendigte er sein Mahl. Bedächtig tat er einen tiefen Zug aus der Branntweinflasche; ebenso bedächtig schob er die Speisereste in die Satteltasche zurück und füllte er seine Tonpfeife, worauf er seine Glieder träge ausreckte. Zum Überfluß stattete er dem Schimmel einen kurzen Besuch ab, und die knochigen Fäuste in die Taschen seiner Beinkleider zwängend, schritt er eine kurze Strecke am Waldessaume hin. Auf einer ihm geeignet erscheinenden Stelle bog er wie ein argloser Müßiggänger in das Gebüsch ein, wo er bald sich abermals mit dem Namen Thomas angeredet hörte. Er kehrte sich dem Ruf zu, und vor ihn hin trat ein schwarzbrauner Indianer, der, um sie gegen das zerrende Gestrüpp zu schützen, die blaue Kalikodecke zusammengerollt unter den Arm genommen hatte.
»Hab's mir gedacht,« redete er den Indianer unverzüglich an, und grinsend sah er auf die wilde Physiognomie, der die träge niederhängenden Lider und das ungeordnete, lange schwarze Haar ein Gepräge von Geistesstumpfheit verliehen, »ja, gedacht, in des Satans Namen; denn kein anderer als Howunni, das Beil der Komanches, kennt hier herum meinen wahren Namen. Jetzt heiße ich nämlich Adams.«
»Ich kenne nur meinen Freund Thomas,« antwortete der Komanche, der Dolmetscher seines Stammes, in gebrochenem Englisch, »mein Freund Thomas war es, den ich unten in Texas kennen lernte. Das Blut an seinem Messer ist noch nicht lange trocken. Mein Freund Thomas, mit dem ich fünf Pferde von der Weide des Weißen trieb.«
»Verdammt, Mann,« fiel Adams unwirsch ein und durch die Mahnung an den Mord peinlich berührt; »von denen vier auf deinen und deines Kameraden Part kamen, wogegen ich meine Not hatte, mit dem einen zu entrinnen. Hatte schon meinen Verdacht, daß du selber durch falsche Spuren die Verfolger mir auf die Hacken brachtest.«
»Will mein Freund tauschen?« fragte der Komanche gelassen, »gebe er mir das weiße Pferd, so bringe ich ihm dafür zwei farbige. Das weiße ist ein Jagdpferd. Kein Büffel läuft weit vor ihm.«
»Wollen's beim alten lassen,« versetzte Adams sichtbar geschmeichelt. »Aber zum Henker, das hätten wir im Freien ebensogut bereden können. Sage mir lieber, weshalb du mich gerufen hast und was du mit den zwei Gäulen meinst.«
»Möchte mein Freund mit wenig Arbeit zwei Pferde gewinnen?«
»Zum Teufel, ja. Das heißt, nach Texas bringen mich zehn Gäule nicht mehr hinunter. Will ich meinen Kopf in eine Schlinge stecken, hab' ich's hier bequemer.«
»Ohne Gefahr soll er die Hand auf zwei gute Gäule legen.«
»Auf gestohlene, um hinterher für anderer Leute Kniffe verantwortlich gemacht zu werden? Hab' genug von der letzten Fahrt.«
»Die Pferde weiden in der Herde der Komanches. Leistet mein kluger Freund den Komanches einen großen Dienst, so gehören sie ihm.«
»Ein großer Dienst verlangt eine große Bezahlung. Für zwei abgedankte Mähren geh' ich nicht weit.«
»Mein Freund soll fordern. Wo zwei Pferde sind, gibt es mehr.«
»Das läßt sich hören. Zuvor aber möchte ich wissen, um was es sich handelt. Es gibt Dienste, bei denen man sich selber die Kehle zuschnürt.«
»Thomas ist sehr scharf. Er wittert die Gefahr auf eine Tagereise voraus und geht ihr aus dem Wege.«
»Verdammnis und kein Ende! So sage, was im Hintergrunde steckt. Unbesehens kaufe ich keine Pfeife Tabak, geschweige denn Gäule.«
»Mein Freund Thomas redete mit dem Fährmann. Das trieb mich, ihn hierher zu rufen. Sonst hätte er mich nicht gesehen. Kennt er den Fährmann?« forschte Howunni, und seine Nasenflügel zitterten seltsam, als hätten die letzten Worte eine unberechenbare Tragweite besessen.
»Den kenn' ich besser, als ein anderer Mensch der Welt,« antwortete Adams hohnlachend, »besser, als es ihm selber lieb und angenehm ist.«
»Kennt mein Freund die Tochter des Mondes und des Frühlingstaus?« forschte Howunni dringend weiter.
»Die verdammteste Hexe, die je einem ausgewachsenen Manne Grobheiten ins Angesicht sagte.«
»Was ist Hexe? Ich weiß es nicht. Frühlingstau ist ein Zaubermädchen; weiß das mein Freund?«
Adams grinste boshaft, bestätigte aber mit schlauer Berechnung: »Natürlich ist sie ein Zaubermädchen. Wenn sie die Lust anwandelt, gestaltet sie die Gäule da draußen auf der Prärie in lauter Säue um.«
Der Komanche legte die flache Hand auf seinen Mund und stieß ein gedehntes »Hah« des Erstaunens aus. Erst nach einer Pause, als Adams erwachende Ungeduld verriet, fuhr er fort: »Ist Frühlingstau ein Zaubermädchen, was ist der Bär? Er geht, wo sie geht; er ist immer bei ihr.«
»Selbstverständlich ein Zaubertier,« erklärte Adams wiederum spöttisch, aber ahnungslos, was der Komanche mit seinen Fragen bezweckte. »Das Vieh redet nämlich wie ein Mensch, ich hörte es selber.«
»Fürchtet mein Freund den Zauberbären?«
»Zum Henker, nein. Der ist nicht gefährlicher, als ein junger Hund. Aber ich frage nochmals: was verlangst du von mir? Ich hoffe, du bist nicht einfältig genug, mich zum Narren machen zu wollen.«
»Sehr Wichtiges verlange ich,« antwortete Howunni geheimnisvoll, sogar scheu, »aber ich kann's nicht sagen hier. Die Blätter an den Bäumen und Sträuchern haben Ohren. Die tragen's den Choctaws und Kreeks zu. Will mein Freund von hier fortgewiesen werden? Nein. Höre er auf mich. Eine Stunde Reitens ist es von hier; da haben fünf, vier, sechs Komanches ein sicheres Versteck gefunden. Dahin soll mein Freund kommen und seine Ohren öffnen. Er wird alles hören. Die Kreeks, Choctaws und Chikasaws sind hier auf der Spielprärie versammelt. Sie schlagen Ball. Sie achten nicht auf meinen Freund, wenn er heimliche Wege reitet. Sie achten nicht auf die Komanches, die ihn erwarten. Wir sind sicher. Will mein Freund dahin reiten, wohin ich sage?«
»Der Teufel traue euch,« meinte Adams argwöhnisch, »ihr habt schon früher 'nem ehrlichen Christenmenschen um 'nen Gaul die Kehle abgeschnitten.«
»So komme mein Freund zu Fuß. Sein Pferd ist hier gut genug aufgehoben.«
Adams sann eine Weile nach und fragte wieder mißtrauisch: »Wie lange werde ich bei euch aufgehalten?«
»So lange, bis mein Freund sich mit den Komanches um die Pferde geeinigt hat.«
»Gut, Mann,« entschied Adams nach einer Pause des Überlegens, »ich werde kommen. Fressen könnt ihr mich nicht,« und er schlug auf seine Pistolen, »schließlich machtet ihr kein gutes Geschäft, vergriffet ihr euch an mir. Also heraus mit der Sprache: Wann und wie gelange ich in euer Versteck?«
»Verweile mein Freund noch eine Stunde beim Ballspiel,« nahm Howunni nunmehr erläuternd das Wort. »Dann reite er in den Weg zurück, den er gekommen ist. Dort wende er den Kopf seines Pferdes gegen Sonnenuntergang. Reite er bis dahin, wo der Weg bergab führt. Blicke er zwischen Mittag und Sonnenuntergang hindurch. Da entdeckt er eine große Prärie. In der Prärie liegen Waldinseln. Eine kleine neben zwei größeren. Auf der kleinen wird er einen Baum ohne Blätter sehen. Er ist hoch. Er ist vor Jahren gestorben. Nach dem Baum reite er hinüber. Dort erwartet ihn jemand, der soll ihn führen. Bevor die Sonne schläft, kann er wieder hier sein und bei einem Kreek übernachten. Die Kreeks sind gastfrei. Sie haben beim Ballspiel offene Hände. Will mein Freund weiter ziehen nach der Fähre, so hindert ihn nichts. Der Mond geht auf, wenn es noch nicht lange dunkel ist. Er ist kleiner geworden, aber er beleuchtet die Wege.«
»Das ist nicht schwer im Kopfe zu behalten,« versetzte Adams nachdenklich. Dann lebhafter: »Ich werde mir die Sache noch einmal ordentlich überlegen. Gefällt's mir hernach, so komme ich. Auf alle Fälle erwartet mich und berechnet, wie viele gute Pferde mein guter Dienst wert ist. Nachdem ich ihn erst kennen lernte, sage ich euch, wie hoch ich ihn selber taxiere; da mögen wir uns einigen.«
»Gut,« erwiderte der Komanche, »so sind wir fertig,« und sich kurz umdrehend, schlüpfte er durch das Gebüsch davon, während Adams sich nach der Spielwiese zurückbegab.
Bei seinem Pferde eingetroffen, überzeugte er sich leicht, daß ihn keiner beachtete, noch weniger jemand sich um seine Abwesenheit gekümmert hatte. Er warf sich daher wieder auf den Rasen. Dann verkündete rauhes Schnarchen, daß er in festen Schlaf versunken war.