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Dreißigstes Kapitel

Untergang aller Parteien durch die Frauen

Wenn die Frauen anfangs der revolutionären Begeisterung eine neue Fackel anzündeten, so darf man doch nicht vergessen, daß sie dagegen unter dem Antrieb einer blinden Reizbarkeit auch frühzeitig zum Rückschritt beitrugen und selbst dann, wenn ihr Einfluß durchaus Achtung verdiente, oft den Tod der Parteien vorbereiteten.

Lafayette wäre durch die Uneigennützigkeit seines Charakters, die Nachahmung amerikanischer Verhältnisse, die Freundschaft mit Jefferson usw. sehr weit gekommen. Er wurde besonders durch den Einfluß schmeichelnder Frauen aufgehalten, die ihn umstrickten, und sogar durch den seiner Frau, deren offenbare Ergebung, deren Kummer und Tugend sein Herz mächtig rührten. Er hatte in ihr einen tüchtigen Anwalt des Königtums im Hause, der durch seine stummen Tränen wirkte. Sie konnte sich nicht darüber trösten, daß ihr Gatte des Königs Kerkermeister wurde. Sie war eine geborene Noailles und lebte mit ihren Eltern fast ausschließlich im Kloster der Miramionen, einem der bedeutendsten Herde des royalistischen Fanatismus. Schließlich floh sie in die Auvergne und verließ ihren Gatten, der dann allmählich der Verteidiger des Königtums wurde.

Die Besieger Lafayettes, die Girondisten, waren gleichfalls, wie man gesehen hat, durch die Frauen großen Unannehmlichkeiten ausgesetzt. Wir haben an anderer Stelle die kühnen Unvorsichtigkeiten Madame Rolands erwähnt. Wir haben gesehen, wie das Genie Vergniauds bei den allzu süßen Klängen der Harfe Fräulein Candeilles eindämmerte und erschlaffte.

Robespierre hängte man sehr mit Unrecht die leichtsinnigen Streiche seines Bruders an, trug ihm aber mit Recht den Götzendienst nach, den er mit sich treiben ließ, und die lächerliche Anbetung, die ihm seine blinden Anhänger zollten. Er kam in der Tat durch die Sache der Catherine Théot tödlich zu Fall.

Und wenn wir uns von den Republikanern zu den Royalisten wenden, machen wir dieselbe Beobachtung. Die Unvorsichtigkeiten der Königin, ihr Ungestüm und ihre Fehler, ihre Beziehungen zum Auslande trugen mehr als irgend etwas anderes dazu bei, das Schicksal des Königtums zu beschleunigen.

Die Vendéerinnen arbeiteten frühzeitig daran, den Bürgerkrieg vorzubereiten und ins Werk zu setzen. Aber ihr blindwütender Eifer war auch einer der Gründe, die ihn mißglücken ließen. Die Hartnäckigkeit, mit der sie der großen Armee folgten, die im Oktober 1793 die Loire überschritt, trug mehr als etwas anderes zu ihrer Auflösung bei. Der fähigste der Vendéer, Herr de Bonchamps, hatte gehofft, daß die verzweifelte und dadurch zum Äußersten entschlossene Vendée Frankreich, dessen Streitkräfte an den Grenzen waren, durcheilen würde, wenn sie ihr starkes, tiefgelegenes Bocage verlassen hätte und in das offene Land geführt sei. Dieser Ansturm eines wütenden Keilers erforderte eine reißende Schnelligkeit, eine gewaltige Schwungkraft, eine heldenkühne Entschlossenheit der Männer und Soldaten. Bonchamps hatte nicht in Berechnung gezogen, daß zehn- oder zwölftausend Frauen sich den Männern der Vendée anhängen und sich mitnehmen lassen würden.

Sie hielten es für zu gefährlich, im Lande zu bleiben. Da sie überdies abenteuerlich waren, und ihr leidenschaftlicher Eifer, mit dem sie den Bürgerkrieg begonnen hatten, nicht nachgelassen hatte, so wollten sie sich ebenfalls der höchsten Gefahr desselben aussetzen. Sie schworen, daß sie schneller und besser als die Männer marschieren und bis ans Ende der Welt gehen würden. Die einen waren Frauen mit sitzenden Lebensgewohnheiten, die anderen Nonnen (wie die Äbtissin von Fontevrault), aber alle begrüßten freudig den ihnen unbekannten Reiz des Kreuzzuges und eines freien, kriegerischen Lebens. Und warum sollte die Revolution, die von den Männern so schlecht bekämpft wurde, nicht von den Frauen besiegt werden, wenn Gott es wollte?

Man fragte die Tante eines meiner Freunde, die bis dahin eine wackere Nonne war, was sie bezwecke, indem sie diesem großen, buntgemischten Heere folge, bei dem sie vielen Zufällen ausgesetzt sei. Sie antwortete kriegerisch: »Dem Konvent Furcht einzujagen.«

Sehr viele Vendéerinnen glaubten, daß die weniger begeisterten Männer ihre Hilfe nötig brauchten und durch ihre Energie angefeuert werden müßten. Sie wollten dafür sorgen, daß ihre Gatten und Liebhaber frisch drauflos marschierten, und ihren Priestern Mut einflößen. Beim Übergang über die Loire waren die Barken wenig zahlreich, und sie verbrachten die Wartezeit damit, zu beichten. Die Priester hörten sie ab und saßen dabei auf den Hügeln am Ufer. Der Vorgang wurde durch einzelne verirrte Schüsse aus dem Geschütz der Republikaner gestört. Einer der Beichtiger floh. Sein Beichtkind erwischte ihn wieder: »Lieber Vater, bitte die Absolution!« »Meine Tochter, sie ist dir gewährt!« – Aber sie ließ ihn nicht los, sondern hielt ihn an der Soutane fest; er mußte unter dem Feuer aushalten.

So unerschrocken diese Damen waren, bildeten sie dennoch ein großes Hemmnis für die Armee. Sie waren in fünfzig großen Wagen zusammengepfercht; außerdem waren Tausende auf Karren untergebracht oder zu Pferd, oder sie gingen zu Fuß im bunten Gemisch. Viele schleppten Kinder mit sich. Einige waren schwanger. Sie fanden bald die Männer anders, als sie beim Ausmarsch waren. Die Tugenden des Vendéers hingen von seinen Gewohnheiten ab; außerhalb seiner Heimat war er demoralisiert. Das Vertrauen zu seinen Führern, seinen Priestern schwand; er hatte die ersteren im Verdacht, fliehen und sich aus dem Staube machen zu wollen. Bei den Priestern erschien alles in schamloser Offenheit: ihre Streitsucht, die Schurkerei des Bischofs von Agra, die Intrigen Berniers, ihre bis dahin verheimlichten Unsitten. Die Armee verlor ihren Glauben an sie. Kein Mittelpunkt war mehr vorhanden; gestern gläubig, wurden sie heute plötzlich Zweifler, viele hatten vor nichts mehr Achtung.

Die Vendéerinnen wurden grausam bestraft für den Anteil, den sie am Bürgerkriege genommen hatten. Von den nun folgenden Ersäufungen abgesehen: bei Mans wurden einige dreißig Frauen unmittelbar in der Schlacht erschossen. Viele andere, das ist wahr, wurden von den Soldaten gerettet, die den zitternden Damen den Arm reichten und sie aus dem Getümmel brachten. Man barg sie, soweit es anging, in den Familien der Stadt. Marceau rettete in einem ihm zugehörigen Kabriolett ein junges Mädchen, das all die Seinigen verloren hatte. Es lag ihr wenig daran, am Leben zu bleiben, und sie tat nichts, um ihrem Retter zu helfen; so wurde sie verurteilt und kam um. Einige heirateten die Männer, die sie gerettet hatten; diese Ehen nahmen einen bösen Ausgang; die unversöhnliche Bitterkeit kehrte bald zurück.

Ein junger Beamter aus Mans namens Goubin fand am Abend nach der Schlacht ein armes Mädchen, das sich unter einer Haustür verbarg und nicht wußte, wohin es gehen sollte. Da er selbst unbekannt in der Stadt war und kein sicheres Haus wußte, so nahm er sie mit nach Hause. Da die Unglückliche vor Frost oder Furcht zitterte, so überließ er ihr sein eigenes Bett. Als kleiner Gehülfe mit sechshundert Francs Gehalt besaß er nur ein Stübchen, einen Stuhl und ein Bett, sonst nichts. Acht Nächte nacheinander schlief er auf dem Stuhl. Dann wurde er müde und krank und bat sie, angekleidet bei ihr schlafen zu dürfen; das erlaubte sie. Überflüssig zu sagen, daß es kam, wie es kommen mußte. Eine günstige Gelegenheit ermöglichte es dem Mädchen, zu ihren Eltern zurückzukehren. Es stellte sich heraus, daß sie reich und aus gutem Hause war, und – das ist das erstaunlichste – sie besaß auch ein Gedächtnis. Sie ließ Goubin sagen, daß sie ihn heiraten wolle, und erhielt die Antwort: »Nein, Fräulein, ich bin Republikaner; die Blauen sollen blau bleiben.«


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