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Der Mensch versucht den kecken Kampf im Krieg,
Doch in der Gottheit Händen liegt der Sieg.
Ilias.
Newton und die Uebrigen, welche für die Fregatte ausgelesen worden waren, wurden auf dem Halbdecke durch den ersten Lieutenant gemustert, der sie fragte, ob sie das Matrosengewerbe verstünden und mit Steuer und Loth umzugehen wüßten.
Nachdem er ihre Antworten aufgezeichnet und ihnen nach Maßgabe derselben ihre Posten angewiesen hatte, entließ er sie wieder. Newton wollte abermals eine Verwahrung einlegen, hielt es aber nach reiflicher Ueberlegung für räthlich, die Ankunft des Kapitäns abzuwarten. Betten und Decken waren für den Abend noch nicht zubereitet; die Boote wurden heraufgehißt und Schildwachen mit scharf geladenen Gewehren in den Gängen aufgestellt, um Desertion zu verhindern; auch gestattete man den Gepreßten, für ihre Nachtruhe sich die »weichste Planke« auszulesen.
Mit Tagesanbruch wurde die Mannschaft heraufberufen, der Kapstan bemannt und einer der Anker aufgeholt. Das Gig ging mit zwei Midshipmen an Bord, von denen der eine die Matrosen bewachen und ihre Desertion verhindern sollte, während der andere den Auftrag hatte, sich nach der Wohnung des Kapitäns zu begeben und die Ankunft des Bootes zu melden. Die Marssegel wurden losgemacht und aufgehißt, die Raaen gebraßt, und Newton bemerkte zu seinem großen Leidwesen, daß die Ankunft des Kapitäns auch das Zeichen zum augenblicklichen Aufbruch sein werde. Der Signalmann, der mit seinem Glase auf dem Lugaus stand, meldete, daß das Gig mit dem Kapitän abgestoßen sei; in Gemäßheit zuvor erhaltener Ordre ließ der erste Lieutenant alsbald den verkatteten Anker aufziehen und die Fregatte im Sund beilegen. Sobald das Boot an die Seite kam und der Kapitän die gebräuchlichen Honneurs erhalten hatte, ertheilte Letzterer Befehl, unverweilt das Gig aufzuhissen und die Segel auszubreiten, worauf er in seine Kajüte hinunterging. Newton merkte nun bald, daß alle Hoffnung auf sofortige Befreiung vorüber war. Die großen und die Bramsegel waren gesetzt, und die Fregatte schoß mit einer Geschwindigkeit von zehn Meilen in der Stunde an Ram Head vorbei.
Etwa zwanzig Minuten nach dem Beginne der Fahrt erschien der Kapitän wieder auf dem Decke und ertheilte dem ersten Lieutenant den Auftrag, die neugepreßte Mannschaft antreten zu lassen. Er setzte ihnen in wenigen Worten die Notwendigkeit ihres Dienstes auseinander und schloß damit, daß er ihnen empfahl, freiwillig in Sr. Majestät Dienst einzutreten und so sich die Gratifikation des genehmigten Handgelds zu sichern, indem er beifügte, daß diejenigen, welche sich hiezu bereit finden ließen, vorweg seiner guten Meinung versichert sein dürften; auch wolle er ihnen dieses gute Benehmen, so weit es in seiner Macht stehe, nicht vergessen, vorausgesetzt, daß sie sich durch ihre fernere Ausführung dieser Gunst würdig zeigten. Einige Wenige zeigten sich bereit, die Meisten aber leisteten entschiedenen Widerstand. Als Newton angeredet wurde, erklärte er gegen den Kapitän, daß er Schiffsmeister sei, folglich nicht gesetzmäßig gepreßt werden könne.
»Das ist leicht gesagt,« bemerkte der Kapitän; »aber wo habt Ihr Eure Beweise? Eure Jugend spricht schon vornweg gegen Eure Behauptung.«
»Hier sind meine Papiere, Sir – mein Klarirungsschein vom Zollhause und mein Frachtbrief; ich hatte sie bereits zu mir gesteckt, da ich ein paar Minuten nach der Zeit, in welcher ich gepreßt wurde, auszufahren gedachte.«
»Ich sehe,« entgegnete der Kapitän, die Papiere untersuchend; »Eure Angaben scheinen richtig zu sein. Wie ist Euer Name?«
»Dann ist dies hier Eure Unterschrift?«
»Ja, Sir.«
»Mr. Pittson, bedeutet dem Schreiber, daß er Feder und Dinte heraufbringe.«
Der Schreiber erschien.
»Schreibt da Euren Namen auf.«
Newton gehorchte, und sowohl Kapitän, als erster Lieutenant verglichen seine Unterschrift mit der auf dem Ladscheine.
»Warum habt Ihr dies nicht früher gesagt?« fuhr der Kapitän fort.
»Ich versuchte es mehreremale, erhielt aber nicht die Erlaubniß zu sprechen.«
Newton gab nun an, wie er von den Preßmatrosen und nachher von dem kommandirenden Offizier des Kutters behandelt worden war.
»Ihr wart allerdings vom Preßzwang frei, wenn es mit Euren Angaben seine Richtigkeit hat, und ich bezweifle dieselbe nicht,« versetzte der Kapitän. – »Es ist ein unangenehmer Fall; aber was kann ich thun? Wir sind jetzt auf der See und müssen wahrscheinlich mehrere Monate kreuzen. Ihr könnt nicht verlangen, daß man Euch an Bord eines Kriegsschiffes das Brod des Müssigganges verzehren lasse und werdet daher Euren Dienst auf dem Posten versehen, der Euch angewiesen wurde. Es ist keine Schande, Sr. Majestät in was immer für einer Eigenschaft zu dienen, und ich sage Euch aufrichtig, daß ich Euch zwar nicht selbst gepreßt haben würde, aber doch froh bin, Euch an Bord meines Schiffes zu haben. Ich wollte, ich hätte fünfzig von Eurem Schlage, statt daß man mir den Kehricht der Gefängnisse schickt, den ich mit tüchtigen Matrosen vermischen muß.«
»Vielleicht habt Ihr die Güte, Sir, mich mit dem ersten heimwärts fahrenden Schiffe zurückzuschicken?«
»Nein, das kann ich nicht thun; Ihr steht nun einmal in unsern Schiffsbüchern, und der Fall muß nach unserer Rückkehr der Admiralität vorgelegt werden. Ich bin hiezu gehalten, wenn Ihr darauf besteht, hoffe übrigens, daß Ihr noch vorher freiwillig in Sr. Majestät Dienst eingetreten seid.«
»Ach, und in der Zwischenzeit kann mein armer Vater verhungern,« sagte Newton mit einem Seufzer, nicht gerade als Erwiederung an die Offiziere, sondern mehr in lauten Gedanken.
Der Kapitän wandte sich ab und ging mit dem ersten Lieutenant auf dem Halbdeck hin und her. Endlich hörte man ersteren sagen – »Es ist jedenfalls ein sehr ärgerlicher Umstand. – Forster, versteht Ihr Euch auf das Wissenschaftliche der Seemannskunst?« fuhr der Kapitän gegen Newton fort.
»Ja, Sir, ich kann eine Gissung ausfertigen und die Sonnenhöhe nehmen.«
»Gut, gut; das wird gehen. – Mr. Pittson, Ihr könnt die Leute entlassen. Sind ihre Menagen angewiesen?«
»'s ist Alles bereinigt, Sir.«
»Zwölf Uhr, Sir,« sagte der Schiffsmeister an seinen Hut langend, indem er den Quadranten herbeibrachte.
»Besorgt die Wache und laßt zum Mittagessen pfeifen.«
Newton hatte seinen Posten im Fockmars erhalten. Nach einigen Tagen hatte er sich an die Neuheit der Scene und an den Unterschied des Massenhaften in Vergleichung mit seinem kleinen Fahrzeuge gewöhnt. Die Ordnung in Handhabung der Mannszucht und zweckmäßiger Zeiteinteilung für die Geschäfte, wie auch die Kenntniß des ihm zugewiesenen Dienstes ließen ihn bald fühlen, daß nicht weiter verlangt wurde, als mit Leichtigkeit besorgt werden konnte, und daß der Dienst an Bord eines Kriegsschiffes nichts Schweres sei; das einzige Drückende war die Art, wie er in denselben gebracht worden war. Zwar seufzte er oft bei dem Gedanken an seinen Vater und seine Mutter; demungeachtet aber versah er seine Obliegenheit freudig und zeichnete sich bald als ein sehr viel versprechender junger Matrose aus. Kapitän Northfleet war ein menschenfreundlicher und guter Offizier; der erste Lieutenant bildete sich nach seinem Beispiele und verdiente in gleichem Grade dieses Zeugniß. Ehe noch die Schiffsmannschaft sechs Wochen beisammen gewesen war, herrschte schon eine leidliche Disciplin, und die Matrosen fühlten sich wohl. Dies nebst der beharrlichen Aufregung, welche das Jagen eines Feindes zur Folge hatte, wie auch die Hoffnung auf Prisengelder, ließ die Gepreßten bald vergessen, wie sie in den Dienst gekommen, und wenn auch dies nicht bei allen der Fall war, so hörten sie doch auf, über Bedrückung zu klagen. Das fleißige Exerziren an den Kanonen hatte unabänderlich den allgemeinen Wunsch zur Folge, man möchte mit einem gleich starken Feinde zusammentreffen, um sich überzeugen zu können, ob man auch etwas Tüchtiges gelernt habe. Die Terpsychore erhielt Mundvorrath nebst Wasser von andern Schiffen, und setzte neun Monate einen erfolgreichen Kreuzzug fort.
Mehrere Prisen waren bereits gekapert und nach England geschickt worden. Die Bemannung derselben hatte die der Fregatte bedeutend geschmälert, obschon einzelne Partieen auf anderen Schiffen wieder zurückgekehrt waren; da ließ sich eines Tages von der Mastspitze aus ein fremdes Segel unterscheiden. Einige Stunden reichten zu, die schnelle Terpsychore an die Seite des Fremden zu bringen, welcher zuerst die dreifarbige Flagge aufhißte, sie aber bald wieder zum Zeichen der Unterwerfung herunterholte. Das Fahrzeug war eine französische Brigg, die mit Munition und Gouvernementsgütern nach dem Cap der guten Hoffnung segeln sollte. Der dritte Lieutenant und alle Midshipmen, welche sich auf die Seefahrerkunst verstanden, waren bereits fortgeschickt, und da die Prise sehr werthvoll war, beschloß Kapitän Northfleet sie gleichfalls einzusenden.
Die Schwierigkeit in Betreff der Wahl eines Prisenmeisters wurde durch den ersten Lieutenant beseitigt, welcher unsern Newton Forster für den Auftrag empfahl; der Kapitän ging auf diesen Vorschlag ein, und Newton wurde mit fünf Mann nebst zwei französischen Gefangenen, welche Beistand leisten sollten, an Bord der Estelle gesetzt; dazu erhielt er die schriftliche Weisung, sich nach Plymouth zu begeben, die Prise den dortigen Agenten auszufolgen und sich bei dem Admirale zu melden.
Kapitän Northfleet gab Newton auch die Papiere seiner Schaluppe zurück und versah ihn mit einem Briefe an den Admiral, worin et dem letzteren die Art, wie unser Held in den Dienst gekommen, auseinander setzte. Den Inhalt dieses Schreibens theilte er Newton mit, empfahl ihm aber, Im Dienste zu bleiben, indem er ihm zugleich versprach, wenn er das Schiff wohlbehalten in den Hafen bringe, wolle er ihn als einen der Fregattenmaten auf das Halbdeck nehmen. Newton dankte dem Kapitän für seine guten Absichten, bat ihn um die Erlaubniß, sich den Vorschlag zu überlegen, nahm Abschied und befand sich in wenigen Minuten an Bord der Estelle.
Wie schwoll Newton die Brust, als er die Fregatte im Rücken hatte. Er gab zwar zu, daß er gut behandelt worden und nicht unglücklich gewesen war, aber doch fühlte er sich jetzt einer erzwungenen Dienstbarkeit entnommen. Es ist schwer, es überall zu Gefallen zu machen, wo so viele Herren sind, und kleinliche Tyrannei existirt auch in den bestgeordneten Schiffen, so daß oft große Unzufriedenheit herrscht, noch ehe sie entdeckt wird. Das befehlshaberische Benehmen der jungen Midshipmen, welche denselben despotischen Scepter schwingen, der an ihnen in Anwendung kommt, so oft sie ihre Oberen außer Seh- und Hörweite wissen, machten Newton Forsters Galle nicht selten rege, und er bedurfte oft seiner ganzen Selbstbeherrschung, um nicht loszubrechen; denn wie sehr er auch Recht haben mochte, mußte er sich doch der Mannszucht fügen, wenn er nicht einer schweren Strafe verfallen wollte. Er fühlte sich daher hoch entzückt, als er wieder einmal sein eigener Herr war und den Rumpf sammt dem Segelwerk der Terpsychore allmälig an dem Horizont hinuntersinken sah.
Die Estelle war ein schönes Schiff, und da ihr Cargo nicht durchgängig aus schweren Materialien bestand, so lag sie mit hinlänglicher Leichtigkeit auf dem Wasser, um gut zu segeln. Als sie gekapert worden war, befand sich die Fregatte ihrer Berechnung nach ungefähr vierzehnhundert Meilen von dem Lizard. Newton hoffte daher, wenn der Wind günstig blieb, im Laufe von vierzehn Tagen seinen Fuß wieder auf heimathlichen Boden zu setzen. Er breitete alle Segel aus, die sich mit der Klugheit vertrugen, und steuerte, den Wind auf seiner Vierung, der Küste von England zu.
Die ihm beigegebene Mannschaft bestand aus zwei tüchtigen Matrosen und dreien aus der Bande, welche von dem Gefängnißtrosse der Fregatte zugetheilt worden war. Kapitän Northfleet hatte die ersteren der Brigg beigegeben, weil es nothwendig war, daß ein Theil der Mannschaft sich auf das Steuern und Lenken eines Schiffes verstand, letztere aber in der Hoffnung abgetreten, daß er sie nicht wieder zu Gesicht bekommen werde, denn er nahm es für ausgemacht an, sie würden davon laufen, sobald sie in Plymouth anlangten. Mit den zwei Gefangenen war deßhalb die Estelle hinreichend in der Lage, ihren Curs zu verfolgen.
Während der ersten zehn Tage war der Wind im Allgemeinen günstig, und die Brigg befand sich schon in der Nähe des Kanaleinganges, als ein niedriges Schiff aus dem Nordwesten auf sie abhielt. Newton hatte kein Fernrohr, bemerkte aber, als sich der Fremde auf etwa drei Meilen näherte, daß er das Aussehen eines Kaperschooners hatte, wenn schon sich nicht unterscheiden ließ, ob er ein Feind war oder nicht. Die Estelle hatte zwei kleine Messingkanonen in ihrer Back, und Newton, der sich Gewißheit verschaffen wollte, welcher Nation der Kaper angehörte, hißte die englische Flagge auf, indem er zugleich eine Kanone abfeuern ließ. Eine Minute später zeigte der Fremde englische Farben; da er aber fortfuhr, auf sie abzuhalten, so zog Newton, der sich nicht sicher fühlte, seine Leesegelkardele an und traf alle Vorbereitungen, den Wind zu schneller Fahrt zu benützen, denn er wußte, daß dies der beste Segelstrich der Fregatte war. Der Kaper näherte sich ihnen auf zwei Meilen, und nun gab Roberts, einer der zwei Matrosen, seine Ansicht entschieden dahin ab, daß das fremde Schiff ein Franzose sei, indem er dabei auf die leichten Abänderungen in der Takelung und in dem Schiffsbau, welche nur ein befahrener Seemann zu würdigen versteht, aufmerksam machte.
»Wir würden besser thun, das Steuer zu lüpfen und davon zu segeln. Ist der Fremde ein Franzmann, so werden wir ihn bald an seinem Feuer erkennen.«
Newton war derselben Ansicht. Die Brigg wurde vor den Wind gebracht und allmälig sämmtliches Segelwerk ausgebreitet. Der Kaper schüttelte augenblicklich seine Reffe aus, setzte seine oberen Segel, zeigte die französischen Farben, und nach wenigen Minuten zischte durch das Takelwerk der Estelle eine Kugel, welche vor dem Schnabel derselben in's Wasser fiel.
»Dacht' ich's ja,« rief Roberts; »'s ist ein Johnny Crapeau. Indeß, man hat lange hintendrein zu jagen. Die Brigg segelt gut, und es ist nur noch zwei Stunden Tag. Monsieur muß daher hurtig sein, wenn wir ihm nicht entschlüpfen sollen.«
Der Kaper war nun nur noch eine Meile von ihnen; beide Schiffe waren rüstig im Gang und ihre beziehungsweise Segelschnelligkeit ließ sich jetzt unterscheiden. Nach einer halben Stunde hatte sich der Kaper auf eine Dreiviertelsmeile genähert.
»Ich denke, unsere kleinen Kanonen werden ihn bald erreichen,« bemerkte Newton. »Williams, gebt mir das Steuer. Geht mit Roberts und den Leuten nach dem Vorderschiffe und bringt das Geschütz nach hinten. Seid hurtig, meine Jungen, denn sie sind uns auf den Fersen.«
»Kommt mit,« sagte Roberts. »He, Collins, warum rührt Ihr Euch nicht? Wünscht Ihr das Innere eines französischen Gefängnisses zu sehen?«
»Nein,« versetzte Collins, nach dem Vorderschiffe schlendernd, »nicht besonders.«
»Ich dächte, nur um der Abwechselung willen,« bemerkte Thompson, ein anderer der Verurteilten. »So viel ich weiß, bist Du schon in jedem englischen Gefängnisse gesessen – ist's nicht so, Ben?«
»Kann sein,« entgegnete Collins: »aber ein Gentleman sollte sich nie mit den Angelegenheiten eines Andern befassen. Ich wurde wenigstens nicht an dem Karren gepeitscht, wie Dir's bei den letzten Lancaster-Assisen erging.«
»Nein; aber Du hast Deinen Antheil am Bord der Terpsychore abgekriegt. Ist Dir dies schon aus dem Gedächtniß gekommen, Ben?« erwiederte Hilson, der dritte von den Ehrenmännern, welche man Newton beigegeben hatte.
In einigen Minuten waren die Kanonen nach dem Hinterschiff gebracht und die nöthige Munition auf das Deck geschafft. Newton gab das Steuer an Williams ab und bediente eines der Geschütze, während Roberts das andere übernahm. Der Kaper war immer näher gekommen und befand sich jetzt in ihrer Schußweite. Die Estelle eröffnete nunmehr ein rasches Feuer, das der Gegner mit Kugeln von schwerem Kaliber erwiederte.
Nachdem das Feuer begonnen hatte, zügelte der Kaper einigermaßen seine Eile. Die Kanonen, welche in dem Sterne der Estelle abgefeuert wurden, unterstützten die Geschwindigkeit der Brigg, während der Kaper im Gegentheil einzuhalten genöthigt war, weil er von seinem Laufe abgieren mußte, um sein Buggeschütz zu benützen. Dennoch blieb ihm noch immer der Vortheil des Segelns, und er kam, obgleich langsam, der Brigg immer näher.
»Es ist nicht nöthig, daß ihr so nahe zu uns nach dem Hinterschiffe kommt,« sagte Roberts zu den zwei Franzosen, welche sich mit an Bord befanden; »geht nach vorn und haltet euch aus dem Wege. Der Kerl dort sinnt auf Unheil; er hat sein Auge auf die Munition gerichtet,« fuhr der Matrose gegen Newton fort. »Nach dem Vorderschiffe sollt Ihr gehen, hört Ihr? oder ich schlage Euch mit dem Merlpfriem Euren verdammten Franzosenschädel ein.«
»Thut ihm nichts zu Leide, Roberts,« entgegnete Newton.
»Nein, das soll nicht geschehen, wenn er nur aus dem Wege bleibt. Hört Ihr's? Nach vorne sollt Ihr gehen!« rief Roberts dem Franzosen zu, indem er ihm mit der Hand winkte.
Der Franzose antwortete bloß mit einem höhnischen Lächeln und machte eben eine Wendung, um dem Befehle zu gehorchen, als eine Kugel von dem Kaper aus angeflogen kam und ihn beinahe mitten entzwei riß. Der andere Franzose, der an seiner Seite stand, flüchtete sich eiligst in die Kajüte hinunter.
»Das war jedenfalls gut gemeint,« bemerkte Roberts, den Leichnam betrachtend, »obschon die Kugel eigentlich nicht ihm zugedacht war. Soll ich ihn über Bord werfen?«
»Nein, nein – laßt ihn liegen. Wenn sie uns nehmen, werden sie sehen, daß es ihr eigenes Werk ist.«
»Wohlan, so will ich ihn nur ein Bischen bei Seite schaffen und in die Leespeigaten werfen.«
Eine andere Kugel des Kapers drang durch die Kajütenfenster bis in den Raum des Vorderschiffes. Der Franzose lief nun mit eben so großer Geschwindigkeit auf's Deck, als er zuvor die Kajüte gesucht hatte.
»Ja, die Reihe wird jetzt zunächst an Euch kommen, mein Hähnchen,« rief Roberts, der die Leiche nach dem Schanddeck gebracht hatte. »So, jetzt will ich mein Glück auf's Neue versuchen.«
Und er eilte nach seiner Kanone.
Newton feuerte ab, ehe Roberts bereit war. Die Topsegelschotten des Schooners wurden durch die Kugel zerrissen und das Segel flog vor der Raa her.
»Das macht uns gute zwei Kabellängen aus,« rief Roberts. »Jetzt kommt die Reihe an mich.«
Roberts feuerte sein Geschütz ab und war noch glücklicher; seine Kugel zerschmetterte die Fockbramstenge und die Oberbramsegel fielen vor dem Marssegel nieder.
»Bravo, mein kleines Stück Messing!« sagte Roberts, indem er die Kanone vertraulich auf das Bodenstück klopfte; »hilf uns nur aus unserer Klemme und ich will dich poliren, daß du wie blankes Silber aussiehst!«
Ob ihn nun die Kanone verstand oder ob (was wahrscheinlicher ist) die kurze Entfernung zwischen der Brigg und dem Kaper, die Schüsse wirksamer machte – kurz, der Schooner erlitt noch weit mehr Schaden in seinem Segel- und Tauwerk. Die Marssegelschoten waren jedoch bald wieder hergestellt, die Segel gesetzt und die übrigen Beeinträchtigungen gut gemacht. Der Kaper hörte auf, mit seinem langen Geschütz zu feuern und hatte sich mit dem Einbruch der Dunkelheit auf eine Viertelmeile genähert. Nun begann ein schweres Musketenfeuer auf die Brigg.
»Das ist ziemlich warme Arbeit,« bemerkte Williams am Steuer, indem er auf ein Kugelloch in seiner Jacke zeigte.
»Ein Bischen zu warm,« bemerkte Collins, der Verurtheilte. »Ich sehe nicht ein, warum wir für unsern armseligen Antheil an Prisengeld unser Leben wagen sollen, und stimme daher fürs Herunterholen der Flagge.«
»Noch nicht,« sagte Newton, »noch nicht, meine Jungen. Laßt uns noch einige Schüsse versuchen.«
»Versuchen? – Ei freilich,« versetzte Roberts. Habe ich nicht vorhin gesagt, daß man einen lange hinterdrein jagen lassen kann?«
»Das macht die Sache nur um so schlechter,« entgegnete Collins; »denn wenn man auf diese Weise gepfeffert wird, so denke ich, ist's besser, wenn man's je eher je lieber aufgibt. Wie dem übrigens sein mag – thut was ihr wollt; aber ich habe an der Geschichte keinen Affen gefressen, und will mich da unten unter der Vorderpiek bergen.«
»Ben, Du bist ein verständiger Bursche und ertheilst guten Rath; wir wollen Dir folgen,« sagte Hilson.
»Vögel von dem gleichen Gefieder halten stets zusammen; ich will mich daher gleichfalls der Partie anschließen,« fügte Thompson bei.
Die Verurtheilten machten sich nun aus dem Musketenfeuer in den Raum des Vorderschiffes hinunter, während Newton und Roberts fortfuhr, das Geschütz zu bedienen, und Williams die Brigg steuerte. Der Franzose hatte schon vor den Verurtheilten seinen Weg nach unten gefunden.
Der Schooner lag jetzt auf zwei Kabelslängen entfernt, und die Musketenkugeln flogen hagelsdicht. Jeder der englischen Matrosen hatte schon leichte Wunden erhalten, als noch kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein Schuß der Brigg sich besonders wirksam erwies. Die große Spiere des Schooners wurde entweder entzwei gerissen, oder doch so beschädigt, daß der Franzose sein großes Segel niederlassen mußte. Die Brigg segelte nun mit großer Geschwindigkeit weiter, und nach einigen Minuten hatten die englischen Matrosen den Kaper im Dunkel der Nacht aus dem Gesichte verloren.
»Hurrah!« rief Roberts. »Sagte ich nicht, daß man einen lange hinten nach fahren lassen kann?«
Am Himmel ließ sich kein Stern blicken; es herrschte pechfinstere Nacht, und Newton berieth mit Williams und Roberts die weitern Maßregeln. Sie kamen mit einander überein, eine Viertelstunde seitwärts zu fahren, dann Alles zu beschlagen und den Kaper an sich vorbei zu lassen. Dies geschah, und die Verurtheilten boten jetzt, da nicht mehr gefeuert wurde, ihren Beistand an. Am andern Morgen war das Wetter nebelig und der Schooner, welcher ihnen allem Anscheine nach mit allen Segeln nachgesetzt hatte, ließ sich nirgends mehr blicken.
Newton und seine Mannschaft wünschten sich Glück zu ihrem Entkommen und nahmen abermals ihren Kurs nach dem Kanal auf. Der Wind gestattete ihnen nicht, sich von Ouessant klar zu halten, und zwei Tage später thaten sie die französische Küste in der Nähe dieser Insel an. Am andern Morgen hatten sie schrägen Wind, der sie in den Stand setzte, ihren Schnabel für Plymouth anzulegen, und sie hofften bereits, nach vierundzwanzig Stunden in Sicherheit zu sein. Dieses Glück war ihnen jedoch nicht beschieden. Gegen Mittag zeigte sich ein Schooner im Lee und sie fanden bald aus, daß es das nämliche Schiff war, dem sie kürzlich erst entronnen waren. Noch vor Abend hatte sie der Kaper eingeholt, und Newton, der die Unmöglichkeit eines Widerstandes einsah, legte bei – zum Zeichen der Unterwerfung.