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In den Gemächern der Herzogin hatte gegen Abend eine Trauung stattgefunden. Sie wußten es alle im Schloß, von der Leinenschließerin in der netten Mansardenwohnung bis zum Küchenjungen im Erdgeschoß, man wußte, daß der junge Ehemann gleich nach der Trauung abgereist war und daß Frau Klaudine von Gerold ihren Platz am Krankenbett der Herzogin eingenommen hatte.
Die hohe Frau befand sich sehr schwach heute abend. Bei der Feier war sie zugegen gewesen, sie selbst hatte mit zitternden Händen den Brautschleier über das schöne, blonde Haupt des Mädchens gelegt. Seine Hoheit, die Herzoginmutter und Frau von Katzenstein waren die anderen Trauzeugen gewesen. Noch im Beisein der Herrschaften hatte das junge Paar Abschied voneinander genommen.
Und nun saß neben Klaudine am Fußende des Himmelbettes eine kleine, zierliche Gestalt, und beide hatten verweinte Augen. Die Herzogin war nach der Trauungsfeierlichkeit ohnmächtig geworden, und der Medizinalrat hatte sich zum Herzog begeben und ihn flüsternd auf das Unabweisliche vorbereitet.
Da draußen waren die Schneewolken zerrissen, und die Sterne blitzten herab auf die winterliche Erde. In den Zimmern der Prinzen schien die Ampel auf schlummernde, blonde Köpfchen. Sie ahnten nichts. Sonst wachte alles in dieser Nacht. Die Lichter des Schlosses flimmerten hinaus in die Schneelandschaft, und dort unten in den Häusern der Stadt betete man für die allzeit hilfsbereite Herrin, die auf ihrem Sterbebette lag.
Im Vorzimmer ging der Herzog auf und ab. Zuweilen warf er einen Blick in das Schlafgemach seiner Gemahlin. Dann hörte er eine leise Stimme: »Adalbert, ist Klaudine fort?« – Und die junge Frau rückte geräuschlos an die Seite des Bettes. »Du bist noch da?« fragte die Kranke.
»Laß mich bei dir bleiben, Elisabeth,« bat Klaudine, »Gerold hat noch verschiedenes zu ordnen, bevor ich nach Neuhaus kommen kann.«
Die Herzogin lächelte schwach.
»Du verstehst ja nicht zu lügen, Klaudine, ich weiß, weshalb du bleibst! Armes Kind, welch traurige Hochzeit! – Ruf Adalbert!« stieß sie dann hervor. »Ist Helene da?«
Die Prinzeß kam. Dicht nebeneinander standen Klaudine und sie.
»Gebt euch die Hand«, bat die Herzogin.
Prinzeß Helene faßte die Hand der jungen Frau. »Vergeben Sie mir!« sagte sie leise weinend.
»Und nun ruft Adalbert!« forderte die Kranke.
Er kam, setzte sich auf den Rand ihres Bettes, und sie drückte ihm stumm die Hände.
»Wenn ich leben könnte, dich zu trösten, mein armer Freund!« flüsterte sie. »Es ist so schwer, entsagen zu müssen, ich weiß es. Aber – sie liebten sich nun einmal, und du, du gehst so leer aus, so leer! Ach, wenn es in meiner Macht gestanden hätte, wie glücklich solltest du werden!«
»Sprich nicht so«, sagte er. »Ich werde nur unglücklich, mein Liesel, wenn du mich verläßt!«
»Sag noch einmal ›mein Liesel‹«, bat sie und sah ihn an, und die fast erloschenen Augen flammten noch einmal in dem alten innigen Liebesschein.
»Mein Liesel!« flüsterte er mit versagender Stimme.
Sie drückte seine Hand.
»Nun geh, Adalbert, ich will schlafen, ich bin so müde – küsse die Kinder – geh!« drängte sie.
Und sie schlief.
Die junge Frau saß treu wachend an ihrem Lager. Nur einmal war es, als lege sich minutenlang eine zwingende Müdigkeit auf ihre Augen. Kaum eine Minute mochte es gewährt haben, da raffte sie sich auf, von einem Schauer erweckt. Die Herzogin lag so seltsam ruhig da, ein Lächeln auf den Lippen, die Hände gefaltet.
Klaudine faßte ihre Hand. »Elisabeth!« sagte sie angstvoll.
Sie hörte es nicht mehr.
Auch die Prinzessin trat näher und sank schluchzend vor dem Bette nieder. Der Herzog kam und der Arzt, die alte Hofdame –
Es war so still, so beängstigend still in dem hellen, prächtigen Raum.
Dann gingen sie alle, nur der Herzog und Kiaudine blieben zurück. Sie saßen am Bette der Toten, und durch die geöffneten Fenster des Nebenzimmers schollen die tiefen Klänge der Kirchenglocken herein, die an diesem kalten, dunklen Wintermorgen dem Lande verkündeten, daß seine Fürstin schlafe, den langen, ewigen Schlaf.
So hielten sie Totenwache, die beiden, die ihr die liebsten Menschen gewesen.