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Um die Ecke biegend lief sie ihm gerade in die Arme, indem sie ihren Verfolgern zu entgehen trachtete.
A. Dumas. Im Kampfe ist der Erfolg stets das Entscheidende. Venturini. |
Nachdem wir uns drei Tage nebst den dazu gehörigen Nächten ohne Gefährde auf den sanften Wellen des Oceans fortgeschaukelt, erblickten wir plötzlich beim Anbruch des vierten Tages eine gebirgige Insel vor uns, deren wunderbar gezackte Berggipfel, zum Theil in Schneemäntel gehüllt, hoch in den Himmel ragten, von der Frühsonne wie mit Schamröthe übergossen, als errötheten sie vor uns bei dem Gedanken, daß wir sie in früher Morgenstunde so in ihrem Negligé überraschten. Wir begrüßten den prächtigen Anblick mit jubelnder Freude. Ich ruderte mächtiger darauf los, Krischan Schroop nahm vor Entzücken einen Schluck Cognac ohne Anfang und Ende, Madame Schroop schob sich die Nachthaube aus den Augen, um besser sehen zu können, Hänschen schrie an der Mutter Brust im dreimal gestrichenen f, Hector bellte seine ganze Tonleiter durch und Griseldis kletterte, possierliche Gesichter schneidend, am Mast empor bis zu seiner höchsten Spitze, wo sie, die Vorderarme ausbreitend, wie eine aus Bronze gegossene Victoria auf einem Fuße schwebend stehen blieb, bis wir landeten.
Wir legten an und waren eben im Begriff, mit unsern Flinten bewaffnet, das neue Land zu inspiciren, als wir in einiger Entfernung ein wildes Geschrei und mitten aus dem Getöse heraus eine ängstliche weibliche Stimme, bald sogar – wer beschreibt unser Erstaunen? – die deutschen in herzzerschneidender Angst herausgestoßenen Worte vernahmen: »Fritz! Fritz! Wo bist du? zu Hilfe! zu Hilfe!«
Fritz ist da, sagte ich halblaut zu mir, er ist immer da, wo man ihn braucht. Und zu meinem Genossen mich wendend, rief ich diesem zu: Krischan Schroop! hier gilts der Rettung einer Landsmännin, deren Stimme ich zu erkennen glaube. Vorwärts, das Gewehr in Anschlag! In Gottes Namen vorwärts!
Während Madame Schroop zurückblieb, um das Boot im Auge zu behalten, drangen wir beide mit Hector muthig in die bewaldete Schlucht, die sich vor uns öffnete und aus welcher der Hilferuf kam, beide entschlossen, unser Leben für die Landsmännin in die Schanze zu schlagen, was jedoch nur figürlich zu nehmen ist, denn eine Schanze war nicht da, in die wir unser Leben hätten schlagen können.
Wir waren etwa zweihundert Schritt nach allen Regeln der Strategie wie der Tactik avancirt, als plötzlich um einen Vorhügel her ein weibliches Wesen, athemlos und kaum noch mächtig, sich auf den Füßen zu halten, mit lang nachflatterndem Haar auf uns los und mir gerade in die Arme stürzte!
Beate! rief ich; Fritz! rief sie. Zu weiterer Erörterung hatten wir keine Zeit, denn in kurzem Abstande sah ich einen Haufen häßlicher, kupferrother, über und über tättowirter, halbnackter Kerle mit hochgeschwungenen Beilen und Tomahawks gerade auf uns losstürmen. Auch flogen uns einige Pfeile entgegen, die ich sofort in der Luft auffing und sie mit so großer Geschicklichkeit auf unsere Angreifer zurückschleuderte, daß zwei derselben in Unterleib oder Brust getroffen niederstürzten, worüber die Wilden nicht wenig erstaunten und stutzten. Diese Pause benutzte ich, bettete Beate Pipermann sanft in das schwellende Gras, ergriff sodann meine Flinte, legte an, drückte los, mein Genosse folgte dem Beispiel – mehrere Wilde, darunter der durch einen stattlichen Federaufsatz kenntliche, von mir getroffene Häuptling, wälzten sich in ihrem sündigen schwarzen Blute. Der Pulverblitz, der Knall, die unmittelbar tödtliche Wirkung, endlich der stechende, Alles durchbohrende und dabei verächtliche Blick, den ich ihnen zuwarf – das Alles machte einen so entsetzlichen Eindruck auf diese rothhäutigen Schufte, daß sie ihre Waffen fortwerfend auf und davon rannten unter dem kreischenden Geschrei: Kra–lu–la–tma–ti– wahittam! was in ihrer Sprache böser Geist und Bru–bro–bra–kroll–krall–krull–marmurmi! was Donnergott bedeutet.
Beate Pipermann hatte sich unterdeß erholt, berichtete uns in aller Kürze, daß noch hundert Landsleute, und außer ihnen ein schwarzhaariger Italiener, der sehr gut singen und die Guitarre spielen könne, sich in den Händen der Wilden befänden und ganz gewiß sehr bald dem Kriegsgott der Wilden geopfert oder als Leckerbissen von den Kannibalen verspeist werden würden, wenn wir ihnen nicht sofort Rettung brächten. Hilf- und wehrlos nach dem Untergange des Schiffes an den Strand geworfen, seien sie von einigen tausend Wilden plötzlich überfallen und da sie keinen Widerstand leisten konnten, an Händen und Füßen gebunden worden, um für einen schmählichen Tod aufbewahrt zu werden. Nur sie, für die sich der nun erschossene Häuptling interessirt, sei nicht gebunden worden und so sei es ihr gelungen, in einem unbewachten Augenblick ihren kannibalischen Wächtern zu entkommen.
Unser Entschluß: unsere unglücklichen Landsleute um jeden Preis zu befreien, war bald gefaßt, indem wir uns mit Recht darauf verließen, daß das den Wilden ungewohnte Phänomen des Schießgewehrs schon seine gehörige Wirkung thun werde. Wir gingen also in Gottes Namen vorwärts, geleitet von dem heldenmüthigen Mädchen, das sich seinerseits mit meiner geladenen Doppelpistole bewaffnet hatte. Schroop's Pistole hatte Hector in die Schnauze genommen, um auch sie beim Angriff mit den Zähnen abzudrücken. Vorher schnitt ich jedoch dem Häuptling noch den Kopf ab und steckte ihn zu mir.
Es dauerte etwa eine Viertelstunde, als wir hinter dem Gebüsch ein Gewimmel von nackten bronzefarbenen Gestalten sich hin und her bewegen und in lebhafter Conversation begriffen sahen.
Ohne Zweifel hatten die von uns in schimpfliche Flucht Geschlagenen den Zurückgebliebenen erzählt, was ihnen inzwischen widerfahren sei, und daß der böse Geist und der Donnergott einige der Ihrigen, darunter den Häuptling, durch den Blitz erschlagen habe. Die andern Wilden schienen der Erzählung keinen Glauben beimessen zu wollen, sondern schüttelten den Kopf, lachten spöttisch und wiesen auf die gebundenen Europäer, als ob sie damit sagen wollten, es sei nun Zeit, das Frühstück zu bereiten und dazu einige der Unglücklichen zuzurichten.
Ich ergriff nun den abgeschnittenen Kopf des Häuptlings, befestigte ihn an einer aufgefundenen Schleuder und warf ihn mit riesiger Kraft über das Gebüsch mitten unter die Kannibalen. Meine Kriegslist gelang. Alle drängten sich, tobend, schreiend, Entsetzens- und Racherufe ausstoßend in einen dichten Knäuel um den Kopf ihres Häuptlings. Diesen Augenblick nahm ich wahr, durch eine etwas lichtere Stelle im Gehölz vordringend, commandirte ich Feuer! und mitten in den zusammengedrängten Knäuel hinein schossen wir unsere doppelläufigen Gewehre und Beate und Hector ihre Pistolen ab. Mit dem Ruf des Schreckens und Entsetzens: Kra–lu–la–tma–ti–wahittam! und Bru–bro–bra–kroll–krall–krull–marmurmi! stoben die Elenden auseinander. Noch einmal geladen, noch einmal abgefeuert – dann stürzten wir mit lautem Kriegsrufe, Hector mit wüthendem Gebell, Beate wie eine Rachegöttin mit hochgeschwungenem Beile mitten unter die Menschenfresser, die rathlos hin und wieder liefen, und sich wie verschüchterte Fledermäuse im Dickicht zu verbergen suchten, während Hector mit Kriegsgebell den Flüchtigen auf den Fersen war und bald den Einen, bald den Andern faßte, zerfetzte und niederwarf.
Die Wahlstatt – eine fast runde offene Stelle im Urwald – war unser und mit einer großen Zahl Verwundeter, Getödteter oder von Hector's Gebiß Zerfleischter bedeckt. Mit Schaudern erblickten wir in der Mitte eine Art Opferaltar aus Steinen, auf dem unseren unglücklichen Landsleuten die Leiber auf- oder die Kehlen abgeschnitten werden sollten, und daneben einen Holzstoß, an dem man sie zum Frühstück zu braten gedachte. In unmittelbarer Nähe, Angesichts dieser fürchterlichen Anstalten, lagen unsere unglücklichen Landsleute sammt dem schwarzhaarigen Italiener gefesselt, jetzt aber dankbare Blicke zum Himmel emporsendend und uns, ihren Rettern aus so gräßlicher Gefahr, mit den rührendsten und innigsten Worten dankend. Beate übernahm das Geschäft, ihnen die Fesseln zu lösen, auch dem vermaledeiten Italiener (hätten die Wilden doch ihn wenigstens gefressen!), bei dem sie sich, wie es mir schien, länger aufhielt als gerade nöthig war. Die Befreiten bewaffneten sich sofort mit den Waffen der Wilden, gingen nun auch ihrerseits auf diese los und richteten unter ihren Quälern ein furchtbares Blutbad an, bis der Rest vor mir auf die Kniee fiel und mit dem Wort: Woo–Gum–si –kna–kno–buh! Woo–Gum–si–kna–kno–buh! d. h. Gnade! Gnade! seine Unterwerfung anbot und um sein Leben flehte.
Sofort that ich dem Blutvergießen wenn auch nicht ohne Mühe Einhalt, indem ich meinen wüthend gewordenen Landsleuten vorstellte, daß es einem gemüthlichen Deutschen nicht zieme, Leute so ungemüthlich abzuschlachten, die auf jeden Widerstand Verzicht geleistet hätten. Zugleich machte ich ihnen bemerklich, daß wir ja doch Arbeiter und Diener haben müßten und daß sich diese Menschenfresser hierzu vortrefflich eignen würden. Denn unter uns Weißen befände sich wohl Keiner, der nicht lieber den Herren als den Diener spielen würde, was ihnen auch sofort einleuchtete.
Die Wilden wurden sonach in eine große geräumige Höhle eingesperrt, der Eingang mit Baumstämmen verrammelt und zwei der Unsern als Schildwache davorgestellt, welche zugleich den Befehl erhielten, mit ihren Pistolen bei entstehendem Lärm sofort unter die Bestien in Menschengestalt zu feuern, was dann auch mehrmals geschah, ehe sie das große Wort, daß Ruhe die erste Bürgerpflicht sei, in richtigem Sinne auffassen und befolgen lernten. Da wir nicht hinlänglich Lebensmittel hatten, so überließen wir ihnen selbst die Mühe, sich zu verköstigen, was sie denn auch in ihrer Weise thaten. Denn, als wir sie am andern Morgen herausließen und musterten, fehlte gerade ein Dutzend davon, und es waren von ihnen nur die langen unverdaulichen Haarzöpfe übrig geblieben.
Ich schritt nun zu dem wichtigen Acte, von der Insel Besitz zu ergreifen, die ich meiner Mamsell Liebsten zu Ehren Pipermannland oder Pipermannien nannte und zu einem Königreiche erhob. Hierauf ließ ich mich, der Form wegen, durch freie Abstimmung zum Kaiser von Beutelland, Erzherzog von Klein-Austria und Könige von Pipermannland erwählen, und zwar auf dem Subscriptionswege.
Ich ließ nämlich die Staatsurkunde, die ich für alle Fälle mit mir zu nehmen die Vorsicht gehabt hatte, bei meinen Unterthanen herumgehen und ihre Namen unterzeichnen, was, beiläufig gesagt, mit Blut geschah, das wir einem der Wilden abgezapft hatten. Obschon ich ihnen durchaus keine härtere Alternative gestellt hatte, als entweder zu unterschreiben oder erschossen zu werden, unterzeichneten sie doch Alle ohne Ausnahme. Die Wahl konnte nicht freier, das ganze Verfahren nicht loyaler sein.
Nachdem ich meine Unterthanen in meiner Tasche hatte, dachte ich daran, mein Ministerium zu vervollständigen; indeß waren mir bis dahin die Eigenschaften nur eines meiner Unterthanen bekannt, meines Schulfreundes Peter Silje, den ich seiner gelehrten Kenntnisse wegen (konnte er doch schon in der Schule zu Schnipphausen die zehn Gebote, die drei Glaubensartikel und die sieben Bitten viel besser als ich) zu meinem Minister der geistlichen und Schulangelegenheiten ernannte. Der blonde blasse Jüngling hatte auch in der That während aller dieser wichtigen Vorgänge, auf einem Feldstein sitzend, sich mit der Lectüre eines Buches beschäftigt, das er in der Tasche seines Oberrocks mit sich genommen hatte. Es war »Abällino der große Bandit«, worin er sociale Studien machte. Zum Minister der Medicinalangelegenheiten ernannte ich dann später noch den Schiffswundarzt Winkerle.
Meinen Regierungssitz beschloß ich fürs erste wieder auf Beutelland zu nehmen, weil dieses fruchtbarer war als das größtentheils gebirgige Pipermannland, das, wie ich jedoch sehr bald erkannte, an mineralischen Schätzen, edeln Metallen und edeln Steinen ungemein reich war. Wenn man von Goldadern und Silberstufen spricht, so galt dies im buchstäblichen Sinne von Pipermannland. Die Felsenberge waren mit Adern von Gold wie durchflochten und mächtige Stufen von Silber führten zu ihren Gipfeln hinauf. Schöpfte man aus einem Bergstrom Wasser in einen Becher, so fand man den Boden zollhoch mit reinstem Goldsand bedeckt. Wohin man sah, flimmerte und schimmerte es, daß das Auge fast geblendet wurde. Von den Bergwänden bröckelten sich glänzende Saphire, Smaragde, Rubine und Topase in ganzen Massen los und Diamanten waren auf Pipermannland so gemein, wie bei uns die Kieselsteine. Dennoch, wie gesagt, zog ich Beutelland vor, weil es idyllischer und mir durch langen Aufenthalt lieb und vertraut geworden war. Auch haben, aufrichtig gesagt, solche todte Schätze niemals großen Werth für mich gehabt, obschon ich die Bedeutung nicht verkannte, welche sie für mein junges Reich im Verkehr mit andern Ländern später gewinnen konnten.
Die Besorgung der nöthigen Regierungsgeschäfte hielt mich auf Pipermannland mehrere Wochen zurück. Zuvörderst mußte ich darauf denken, mir und meiner Beate einen glänzenden Hofstaat zu bilden. Es befanden sich unter meinen Unterthanen fünfzehn Personen weiblichen Geschlechts, die ich an ebensoviele Unterthanen verheirathete. Die Ehen segnete ich, der ich mich ja auch als geistliches Oberhaupt meines Reiches proclamirt hatte, selbst ein, wie ich schon vorher meine Ehe mit der Pipermann eingesegnet hatte. Diese sämmtlichen älteren und jüngeren Weiber wurden von mir sofort auch zum Range von Hofdamen erhoben. Wir hatten eine Geheime-Ober-Reichsköchin, eine Ober-Hof-Stubenreinigerin, eine Ober-Hof-Beinkleider-Flickerin, eine Ober-Hof-Strümpfe-Stopferin, eine Wirkliche Geheime-Ober-Waschräthin, eine Geheime-Ober-Hof-Grogbereiterin, eine Geheime-Ober-Hof-Klatschmeisterin, welche das Amt hatte, meiner Gemahlin täglich die Chronique scandaleuse des Reichs zuzutragen und zu der ich natürlich diejenige auswählte, welche mir dazu die beste Anlage und das loseste Mundwerk zu besitzen schien. Ich errichtete eine Leibgarde, einen hohen, mittlern und niedern Adel und verschiedene Orden, z. B. den militärischen Orden Beutelkreuz, der auf der Brust, und den Civilverdienstorden vom Pavian, der auf dem Rücken, den Peter-Siljenorden für Kunst und Wissenschaft, der am Strumpfband, und das Verdienstkreuz für beste Wäsche, der von den Damen an einem an der linken Hüfte befestigten Strumpf getragen wurde. Eine Zahl Unterthanen wurden zu dem Range von Kammerherrn erhoben und auf dem Rücken mit großen Hausschlüsseln versehen, welche einige sehr vorsichtige Auswanderer bei sich trugen, vermuthlich um nicht auf den Nachtwächter, insofern sie zur Rückkehr in ihre Heimath genöthigt werden sollten, lange warten zu dürfen, sondern sofort ihre alte Wohnung öffnen zu können. Da ich erkannt hatte, daß der Strand der Insel zum größten Theil, wie nach Ehrenberg's Forschungen der Boden von Berlin, aus Infusorien bestand und ich immer auf solche Winke der Natur besonders geachtet habe, so legte ich mich auf die Infusorienzucht, indem ich die Verheirathungen, die Ansässigmachung und Freizügigkeit unter diesen Miniaturgeschöpfen möglichst beförderte und vollständige Gewerbefreiheit unter ihnen einführte, und ich hatte die Freude, noch vor meiner Abreise die Insel um einige Quadratmeilen Landes vergrößert zu sehen.
Außerdem ließ ich Münzen nach der Reichswährung prägen, auf der einen Seite mit meinem Bildniß, auf der andern Seite mit dem Reichswappen, dem oben nicht zugebundenen Reichssäckel, und mit dem Orenstjern'schen Regierungssatze: »Parva sapientia regitur mundus« als Umschrift.
Solches war die gesegnete Wirksamkeit, die ich in diesem Theile meines Reiches ausübte. Ich beschloß nun, sechzig meiner Unterthanen nebst zwei Drittheilen der Wilden nach Beutelland zu verpflanzen, vierzig Europäer und den Rest der Wilden aber auf Pipermannland zu lassen, um hier vorzugsweise den Bergbau zu betreiben und die Schätze der Insel an edeln Metallen und Steinen auszubeuten. Beutelland sollte in sechzig und Pipermannland in vierzig ganz gleiche Quadratstücke getheilt, und über jedes derselben ein Staatsangehöriger gesetzt werden, jedoch mit der Bestimmung, daß der Ertrag davon ohne Ausnahme in das kaiserliche Reichsmagazin abzuliefern sei. Eine Commission, die ich zu wählen und bei der ich sammt meiner Gemahlin den Vorsitz zu führen haben sollte, hatte dann laut der Reichsurkunde ihr Gutachten darüber abzugeben, wie viel davon für das kaiserliche Haus gehöre und wie viel wieder an die einzelnen Unterthanen zurückzufließen habe. In der That, man wird finden, daß diese Verwaltungsmethode die einfachste, untrüglichste und patriarchalischste von der Welt ist.
Ich glaubte Grund zu haben, die Entfernung des mir sehr verdächtigen Italieners, Signore Rackerino Rackerini mit Namen, von der Person meiner Gemahlin wünschen zu müssen. Ich traf daher den Ausweg, ihm während meiner Abwesenheit die Oberaufsicht über Pipermannland anzuvertrauen und ihn zu Sr. Excellenz dem Vicegouverneur der Insel zu ernennen. Beate machte dazu ein ziemlich saures Gesicht und äußerte zu mir, sie hätte ihn am liebsten in unserer Nähe gehabt, wegen seiner schönen Stimme und seines Guitarrespiels, und nun schilderte sie mit großer Erregtheit, ja mit Thränen im Auge, wie Rackerino Rackerini, als sie nach dem Schiffbruch ans Land schwammen, seinen rechten Arm um ihren Leib geschlungen und sie so vor dem Untersinken geschützt, mit der rechten aber die Guitarre hoch in die Höhe gehoben, ja sogar, um sie guten Muths zu erhalten, mit den Fingern eine süße Melodie geklimpert und ein gar schönes Lied dazu gesungen habe. Ueberhaupt hatte sich Beate in Folge ihrer letzten merkwürdigen Schicksale und ihres Umgangs mit Rackerino Rackerini außerordentlich geändert, sie sah gar nicht mehr so rührend einfältig aus wie ehedem; mir kam sie sogar sehr vielfältig vor.
Nachdem ich alles dies und noch Anderes ausgerichtet, beschloß ich mich auf die Heimfahrt nach Beutelland zu begeben. Da jedoch unser Boot nicht alle von mir nach Beutelland bestimmten Individuen fassen konnte, so schiffte ich mich fürs erste mit meiner kaiserlichen Gemahlin, meinen Ministern und deren Frauen und noch zehn meiner Unterthanen ein, um die Uebrigen später nach und nach abzuholen. Griseldis, die ich zur Geheimen-Ober-Hofäffin, und Hector, den ich zum Geheimen-Ober-Hofhund ernannt und mit dem militärischen Orden Beutelkreuz für bewiesene Tapferkeit decorirt hatte, durfte natürlich nicht fehlen.
Während wir vom Lande abstießen, sang Rackerino Rackerini, am Strande sitzend, ein schmelzendes italienisches Lied zur Guitarre im Dreivierteltact, welches meine Beate, obschon sie von den Worten nichts verstand, bis zu Thränen rührte, die leider mir nicht galten. Die Thränen rollten dahin, im Ocean; ich konnte sie mit den Augen verfolgen, so dick waren sie. Glücklicherweise sog gerade ein Haifisch eine Menge Wasser in sich und schlürfte die Zähren mit hinein. Die buhlerischen Thränen meiner Gattin im Bauche eines Haifisches – o Ironie! o Nemesis! dachte ich. Es war ein Glück für die Welt, daß der Haifisch sie verschluckte; denn diese Thränen würden den Ocean vergiftet haben und Alles was darin lebt. Auch schien der Hai sie nicht verdauen zu können. In convulsivischen Zuckungen hob er sich einige Mal über das Meer, fiel zurück und schwamm dann auf der Oberfläche der See wie ein abgestandener Fisch auf dem Rücken. Was mich betrifft, so wußte ich nun, was ich zunächst zu thun haben würde.