Hermann Marggraff
Fritz Beutel
Hermann Marggraff

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Briefwechsel zwischen Fritz Beutel und dem Herausgeber.

Fritz Beutel an den Herausgeber.

Hamburg, den 6. September 1847.

Mein Herr!

Im Begriff, zur Erholung von den selbst meine sonst unverwüstlichen urgebirgischen Nerven angreifenden deutschen Zuständen eine kleine Spazierfahrt nach Amerika und darüber hinaus zu machen, begab ich mich heute Vormittags in die Lesesäle der Börsenhalle, um mich hier zum Abschiede mit dem nöthigen journalistischen Ballast zu versehen, den ich, im Fall mein Schiff in Gefahr kommen sollte unterzugehen, über Bord werfen könnte. Bei dieser Gelegenheit stieß ich, beim Durchblättern des ersten Jahrgangs, unter andern auf No. 15 und No. 20 der in München erscheinenden »Fliegenden Blätter«. Nicht wenig war ich überrascht und erstaunt, darin ein angebliches Portrait von mir und einen durch beide Nummern gehenden Artikel zu finden, der den Titel trug: »Fritz Beutel's wunderbare Abenteuer zu Wasser und zu Lande« und mit Ihrem, wie ich der Höflichkeit wegen hinzusetze, »geachteten« Namen versehen ist.

Zunächst beklage ich mich über mein angebliches Portrait, gegen welches sich mein ganzes Inneres empört. Ich bin dort als ein hagerer, halbverhungerter, schlotteriger Lump und Bummler dargestellt, die Hände in den Hosentaschen, die Weste heraufgezogen, den Hemdenlatz offen, die sichtlich etwas abgebrauchte Cravatte vom Halse weit abstehend, die Mütze schief auf dem Scheitel sitzend. Ich habe stets auf Anstand und auf saubere Toilette gehalten, soweit es meine Geldmittel gestatteten und selbst wenn sie es nicht gestatteten. Außerdem sehe ich nicht hager und verhungert aus, sondern wie ein Mann, der sich zu nähren wußte und sich seine Corpulenz etwas kosten ließ; die Fleischpartien sind an mir so wohlgerathen, wie an einem Rubens'schen Heiligen, und meine Formen rund und appetitlich, wie sich für einen respectabeln Mann in seinen besten Jahren geziemt. Jenes Portrait ist also ein bloßes Phantasiebildniß, ein Libell und Pasquill auf die Ehre meines Leibes und ein grober, durch nichts zu rechtfertigender Verstoß gegen die geschichtliche Wahrheit.

So viel was mein Portrait anlangt. Wäre es in Farben ausgeführt, so bin ich dessen sicher, daß das Roth daran sich aus Schreck in Weiß und das Weiß aus Scham in Roth verwandeln würde. Doch genug davon!

Aber auch mit den Mittheilungen, die Sie mir in dem genannten Aufsatze in den Mund legen, habe ich Ursache, meine Unzufriedenheit auszusprechen. Sie lassen mich darin die Thaten, die ich in meiner frühesten Kindheit ausgeführt und die Abenteuer, die ich als tapferes Mitglied der Fremdenlegion in Algerien und als Theilnehmer einer arktischen Expedition am Nordpol bestanden habe, einem Kreise von Bekannten in einem Weinhause erzählen. Ganz gewiß sind Sie der stille Mann und Beobachter, der im vorigen Jahre im Hôtel de Bavière in Leipzig am untern Ende der Wirthstafel saß, wie es schien, zu tief versunken in sich, um auf meine Erzählung Acht zu haben. Indem ich mehrmals meinen Blick unwillkürlich auf Sie richtete, dachte ich: der erste Mensch, der bei der Schilderung so wunderbarer Thaten und Ereignisse keine Miene und keinen Gesichtsmuskel verzieht! Nur dadurch erregten Sie mein Interesse, denn sonst schienen Sie mir ein ziemlich unbedeutendes Subject zu sein, womit ich Ihnen übrigens keine Beleidigung sagen will; denn wer soviel erlebt, erfahren und ausgeführt hat, wie ich, dem erscheint zuletzt Alles, was Mensch heißt, und namentlich jeder Culturmensch, jeder gebildete Europäer als gänzlich unbedeutend. Mir ist soviel Wunderbares in meinem thatenreichen Leben aufgestoßen, daß ich selbst dann bei vollkommen kaltem Blute geblieben sein würde, wenn Sie in Gestalt eines in sich versunkenen Krokodils mir gegenüber gesessen hätten. Ich würde gar nicht einmal darüber reflectirt haben, wie es zugegangen, daß sich ein Krokodil unter die civilisirten Gäste in einem Leipziger Hôtel mischen konnte. Bei den gesteigerten Communicationsmitteln und der dadurch ermöglichten Vermischung aller Geschöpfe, würde ich dies ganz natürlich gefunden haben. Ohnehin macht ja, wovon ich mich in Aegypten durch den Augenschein selbst überzeugt habe, die moderne Bildung und Gesittung auch unter den Krokodilen reißende und wahrhaft bedenkliche Fortschritte.

Einem Krokodil sahen Sie nun zwar im entferntesten nicht ähnlich, und doch waren Sie eine Art Krokodil, ein stoffhungriger deutscher Schriftsteller, der einige Brosamen aus meiner Erzählung heißgierig aufgeschnappt und durch das Organ der »Fliegenden Blätter« in weitern Kreisen bekannt gemacht hat. Meine Mittheilungen waren, wie die jedes mündlichen Erzählers, fragmentarisch und desultorisch; Ihre Wiedererzählung trägt diesen Charakter in noch höherem Grade, und so erhielten die Leser der »Fliegenden Blätter« durch Sie eine höchst unvollständige und lückenhafte Vorstellung von mir in den betreffenden Momenten meines Lebens. Daß mir dies nicht angenehm sein kann, brauche ich einem einigermaßen einsichtigen Manne nicht erst zu sagen.

Erwäge ich außerdem, daß Sie Ihr literarisches Renommé zu fördern suchen, indem Sie mich und meine Privatmittheilungen ausbeuten, und daß Sie das Honorar dafür in die Tasche stecken, ohne mir einen Kreuzer davon zukommen zu lassen, daß Sie mit einem Worte geerntet haben, wo Sie nicht gesäet hatten, so stieg mein Unwille über solche Freibeuterei zum höchsten Grade gebührender moralischer Entrüstung. Geld ist zwar im Grunde für mich nur Chimäre; ich kann nöthigenfalls wie der Vogel in der Luft und wie der Fisch im Wasser leben; aber es gibt Augenblicke – Sie verstehen mich! – Augenblicke, wo man einer solchen Chimäre höchst dringend bedarf, wenn man nicht selbst zu einer Chimäre werden will. Jene verteufelten runden Dinger, die man Thaler oder Gulden oder Francs nennt, sind einmal das einzige Hilfsmittel, um in civilisirten Ländern das Leben mit poetischen Genüssen und Zierrathen zu umgeben. Ich habe deutsche Poeten kennen gelernt, die in den höchsten Sphären der Poesie und Selbstvergötterung umherschweiften, die gerade an Dichtungen arbeiteten, von denen sie hofften, daß sie noch mehr sein würden als blos unsterblich, und die sich dabei doch höchst hypochondrisch, niedergeschlagen und verzweifelt gebärdeten. Sie sangen von Champagner, von Liebe, von Freiheit, aber sie mußten diese poetischen Gaben entbehren, weil sie keinen Champagner bezahlen und kein herziges Kind in Sammt und Seide hüllen konnten und weil das drohende Schreckgespenst der Schuldhaft jedes Gefühl freier Bewegung in ihnen ausgetilgt hatte. Ach, so ein Gerichtsbote ist kein Himmelsbote der Poesie und ein grobmahnender Gläubiger erscheint selbst in den Augen eines Poeten nicht als ein Genius, der im Stande wäre, seine Phantasie zu befruchten und zu beflügeln! Ich habe dieselben Poeten gesehen, nachdem sie durch eine günstige Conjunctur in den Besitz einer Anzahl der oben genannten runden Silberstücke gerathen waren. O, wie ganz anders sahen sie dann aus, diese Poeten! Sie waren versöhnt mit dem Leben, das sie vorher verachtet hatten, sie zogen die Welt an ihr Herz, die sie vorher mit Füßen getreten hatten! An jedes dieser glänzenden verlockenden Rundstücke, die, obschon sie mit einem gekrönten Haupte gestempelt sind, selbst der fanatischste Republikaner als Autorität anerkennt, knüpfte sich ja die Aussicht auf eine heitere Stunde, auf einen wirklichen, keinen eingebildeten Genuß!

Sie werden merken, wo hinaus ich will. Ich habe die literarische Oeffentlichkeit niemals gesucht (obschon ich auch auf diesem Gebiete, wie Sie später erfahren werden, meine Erfahrungen gemacht und meine Kräfte erprobt habe, und zwar im afrikanischen Königreiche Macomaco); Sie aber haben mich in dieselbe wider mein Wissen und Wollen eingeführt. Mein Name ist gedruckt, und ich muß anerkennen, daß er in recht großen Buchstaben gedruckt ist. Da es nun einmal so weit gekommen und da es, wie gesagt, Augenblicke gibt, wo das Geld aufhört Chimäre zu sein und ein erkleckliches Honorar seine ganz angenehmen Seiten hat, so möchte ich wenigstens, daß meine Lebensgeschichte unverfälscht und vollständig vor das Publikum komme und ein generöser Verleger sich fände, der sie versilbert.

Ich schlage Ihnen daher Folgendes vor: ich liefere Ihnen die Rohmaterialien zu einer vollständigen Geschichte meines Lebens und Sie mit Ihrer geübten Feder (denn mir selbst fehlt es dazu an der nöthigen Ruhe) verarbeiten sie zu einem wohl stylisirten, lesbaren, unterhaltenden und unterrichtenden Buche, das sich mit Ehren sehen lassen kann und meinen Namen auf die Nachwelt bringt, woran mir freilich nicht viel liegt, der Nachwelt aber ohne Zweifel sehr viel gelegen sein muß.

Da gegenwärtiges Schreiben ungebührlich lang gerathen ist, will ich für heute schließen, alles Weitere auf die Fortsetzung unserer Correspondenz versparend. Ihre hoffentlich zustimmende Antwort adressiren Sie gefälligst: »Fritz Beutel, Dr. der afrikanischen Rechte, zur Zeit in Newyork«. Eine weitere Angabe ist nicht nöthig, da mich dort Jedermann kennt.

In den Schranken gewöhnlicher Hochachtung verharrend

                              Ihr ergebenster

Fritz Beutel,
Dr. der afrikanischen Rechte.

 

 

Der Herausgeber an Fritz Beutel.

Heidelberg, den 2. October 1847.

Verehrter Herr!

Fürchten Sie nicht, daß ich in den etwas gereizten Ton verfallen werde, den Sie wenigstens in den Einleitungsworten Ihrer verehrten Zuschrift vom 6. September gegen mich anzustimmen beliebt haben. Ich werde mich einzig und allein an den geschäftlichen Theil Ihres Schreibens halten.

Sehr gern will ich mein literarisches Renommé, so weit es durch die öffentliche Benutzung Ihrer Mittheilungen vermehrt worden sein sollte, wie das für den betreffenden Artikel von mir bezogene Honorar mit Ihnen theilen, wobei ich nur bemerke, daß in diesem Falle für keinen von uns viel von Beidem übrig bleiben würde.

Auf den von Ihnen gemachten Vorschlag, das mir von Ihnen zu liefernde Rohmaterial zu einem Buche zu verarbeiten, gehe ich mit größtem Vergnügen ein. Das Feld des Humors wird gegenwärtig in Deutschland leider sehr wenig beackert. Der Humor, der gemüthliche Bursche mit den offenen, zugleich weinenden und lachenden Augen, der sich aus Sonnenstäubchen ein ganzes Weltsystem baut und sich in einem Weltsysteme häuslich einrichtet wie in einem Studierzimmer, der ehedem das Recht der Freizügigkeit und Ansässigmachung in unbeschränktem Maße besaß, ist jetzt von der Gesellschaft unter Censur und die härtesten Zwangsgesetze gestellt. Es ist Alles so verbissen, so grämlich, so krittelig, so freuden- und hoffnungslos! Selbst die Weiber mahlen in dem Einerlei der klappernden Reflexionsmühle mit den Männern um die Wette. Und nun gar unsere Recensenten! Dennoch glaube ich, daß ein Bedürfniß nach dem Humor in Deutschland vorhanden ist, wie unter Anderm der Beifall beweist, welchen Adolf Glasbrenner's »Neuer Reinecke Fuchs« (ich weiß nicht, ob Sie ihn gelesen haben, jedenfalls verdient er aber von Ihnen gelesen zu werden) in den weitesten Kreisen gefunden hat. Auch daß die altehrliche Jobsiade noch immer ihre zahlreichen Verehrer hat, daß Eulenspiegel und Münchhausen noch heutzutage so populäre Männer sind wie Goethe oder Schiller, scheint auf dies Bedürfniß hinzudeuten, eben so die ausgebreitete Theilnahme, deren die »Fliegenden Blätter« gleich bei ihrem ersten Erscheinen sich zu erfreuen hatten, wozu jedoch, wie ich mir schmeichele, unsrer Beider Name das Meiste beigetragen haben mag. Selbst unsere großen politischen Zeitungen sind für den, der zu lesen versteht, oft sehr humoristisch, ohne daß sie es gerade sein wollen; denn so manchem humoristischen Schriftsteller gelingt es, sich unter der ehrbaren Maske des Ernstes in ihre Spalten einzuschleichen. Ich habe Sie, verehrter Herr Doctor! gar sehr in Verdacht, selbst stehender Mitarbeiter an verschiedenen deutschen Zeitungen zu sein. Ich kenne meine Leute!

Es gibt also für den Humor noch immer ein Publikum in Deutschland, und ich freue mich, daß Sie es über sich gewonnen haben, diese gerade dem germanischen Wesen so eigenthümliche Seite in Ihre Pflege zu nehmen. Namentlich wird der Münchhausen'sche Humor, der sich eine eigene fingirte Welt aufbaut, um die bestehende Welt und zugleich die den Deutschen eigene Renommisterei und Poltronerie zu ironisiren, so lange zu Recht bestehen, als überhaupt ein deutsches Volk besteht. Sie werden, hoffe ich, neben dem schabernäckigen Eulenspiegel, dem schlauen Reinecke Fuchs und dem Erzlügenvater, Baron Münchhausen, einen Ehrenplatz in der deutschen Literatur einnehmen, und Ihr Beispiel und Name wird der Nachwelt unverloren sein. Ich kenne nur zwei Schreib- und Auffassungsweisen, durch die der denkende Mensch sich mit den Zuständen der Gegenwart abzufinden vermag: entweder muß er sie mit dem unerbittlichsten, niederschmetterndsten, das Jämmerliche an ihr unbarmherzig herausstellenden tragischen Ernste oder mit der leichten Laune eines Komikers und Humoristen auffassen, der von oben herab die Weltdinge als ein bloßes Possenspiel und eine Puppencomödie betrachtet, an die Ernst und Entrüstung verschwenden die Mühe nicht lohnt. Ew. Wohlgeboren haben mit Recht das Letztere erwählt.

Ich sehe der Uebersendung Ihres Tagebuchs mit Vertrauen entgegen, und verspreche Ihren an mich gerichteten Wünschen in Betreff der Bearbeitung desselben nach Kräften gerecht zu werden. Aufrichtig gestanden, freue ich mich selbst darauf, an Ihrer Hand wieder einmal das Gebiet des freien Humors betreten zu können, da die literarischen Arbeiten, die sonst auf mir lasten, meist ziemlich trockener oder doch ernster Natur sind.

Mit der Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung bin ich &c. &c.

 

 

Fritz Beutel an den Herausgeber.

Am Bord der Diana, 30° westl. Länge und
10° südl. Breite. 16. Juni 1848.

Verehrter Herr!

Da das englische Dampfboot Diana, auf welchem ich mich in diesem Augenblicke befinde, soeben einem englischen Postdampfer begegnet, welcher Briefschaften und Packete unserer Mannschaft mit nach England befördern will, so ergreife ich diese Gelegenheit, Ihnen ein Packet, einen Theil meines Tagebuchs enthaltend, und gegenwärtige Zeilen zu übersenden. Machen Sie sich an die Arbeit und dann so schnell als möglich an einen Verleger!

Es ist mehr als ein halbes Jahr verstrichen, seitdem ich das Vergnügen hatte, mit Ihnen in Correspondenz zu treten; aber ich bin während dieser Zeit so hin- und hergeschleudert worden, daß ich nur selten einen freien Augenblick hatte, um an die Aufzeichnung meiner Aventüren und Thaten denken zu können. Sobald als möglich erhalten Sie eine weitere Sendung, vielleicht den Rest meines Manuscripts.

Sie werden begreifen, daß ich mich heute kurz fassen muß, da das englische Postschiff nicht lange warten kann. Nur gegen eine, in Ihrem Schreiben vom 2. October 1847 enthaltene Annahme möcht' ich mich schon heute verwahren, nämlich dagegen, daß Sie mir die Absicht unterlegen, ein humoristisches Buch, vielleicht gar eine Art Münchhauseniade schreiben zu wollen. Da verkennen Sie ganz meinen Charakter. Ich kann Sie vielmehr versichern, daß ich der ernsthafteste und wahrheitsliebendste Mann bin, der je auf Erden gelebt hat. Was ich Ihnen und der Welt mitzutheilen habe, sind keine Ausgeburten der Phantasie, sondern wirkliche Ereignisse und Geschehnisse, die ich mit der Wahrheitsliebe des gewissenhaftesten Historikers aufgezeichnet habe und in derselben Weise strengster Objectivität auszuzeichnen fortfahren werde. Zum Beweise, daß in meinen Memoiren Alles echt ist, lege ich mehrere Documente in Abschrift bei, u. A. die beutelländische Reichsurkunde, mein Tombuktuer Diplom als Doctor der afrikanischen Rechte, meinen Trauschein von wegen meiner Vermählung mit der Königin Krikikara, meinen Contract mit der tibetanischen Nation bei Uebernahme des Dalai-Lama-Postens u. s. w. Versichern Sie dies dem Publikum, wenn es eben so befangen sein sollte als Sie, und es wird Ihnen glauben; denn was glaubt das Publikum nicht?

Ich will, mit Einem Worte, nichts weiter als meinen Nebenmenschen nützlich sein, damit sie, wenn sie in ähnliche merkwürdige oder furchtbare Lagen kommen wie ich, sich mit derselben Geistesstärke und Geistesgegenwart herauszuwickeln wissen. Mein Leben war zu ernst und an gewaltigen Ereignissen zu reich, als daß ich daran hätte denken können, den Humor in dem Maße, wie Sie ihn bei mir voraussetzen, auszubilden und ihm den Zügel schießen zu lassen. Am wenigsten bin ich gerade jetzt dazu aufgelegt, wo ich an einem chimborassohaften dritten Theil des Goethe'schen Faust arbeite, welcher dieser unfertigen Dichtung erst die wahre Vollendung geben wird.

Briefe, die Sie etwa an mich zu richten haben, wollen Sie unter meiner Adresse Peking poste restante abgehen lassen u. s. w.

Fritz Beutel, Dr.

 

 

Fritz Beutel an den Herausgeber.

Peking, den 13. März 1851.

Hierbei erhalten Sie wieder eine Sendung Manuscript. Es wird noch eine Weile so fortgehen, denn das Schicksal sorgt dafür, daß mir der Stoff unter den Händen immer mehr anschwillt. Während ich Großes niederschreibe, stößt mir immer noch Größeres zu.

Ich hoffe, daß Sie in voller Arbeit sind und bereits vorläufig mit einem Verleger Rücksprache genommen haben; aber ich bitte, wählen Sie einen, auf den Sie vollkommenes Vertrauen setzen.

Es wäre mir lieb, wenn Sie irgend ein Ihnen interessantes Kapitel aus dem bereits eingesandten Manuscript bearbeiten, in einer deutschen Zeitschrift mittheilen, und die betreffenden Nummern mir, Melbourne in Australien, poste restante, zusenden wollten, damit ich aus dieser Probe ermessen kann, wie Sie das Ganze zu behandeln gedenken. Denn was Sie davon in den »Fliegenden Blättern« mittheilten, war offen gestanden nur lückenhaft, wie ich Ihnen schon früher bemerkte.

 

 

Der Herausgeber an Fritz Beutel.

Hamburg, den 5. September 1853.

Ich habe Ihrem Wunsche, ein Kapitel aus Ihren höchst merkwürdigen Memoiren für ein deutsches Blatt zu bearbeiten, entsprochen. Sie finden den Ihre anstaunenswürdigen Thaten in Tombuktu betreffenden Artikel in den beiliegenden Nummern 202, 207, 208 und 209 des Hamburger Correspondenten, einer altehrwürdigen, wohlaccreditirten Zeitung, deren neuerichtetes Feuilleton ich im gegenwärtigen Augenblicke leite. Auch ich bin, wie ich hierbei bemerke, wenn auch nur auf deutschem Gebiete, vielfach hin- und hergeschleudert worden, und habe bei diesen Irr- und Kreuzfahrten manche Menschen und auch Nichtmenschen kennen gelernt, darunter aber keinen Fritz Beutel.

Es ist sehr zu bedauern, daß Sie sich im Jahr 1848, wo wir uns auch einmal etwas Revolution zu machen herausnahmen, nicht auf deutschem Boden befanden. Für einen Mann von Ihrer Erfahrung, Thatkraft und sittlichen Gediegenheit wäre da wohl etwas abgefallen, wenn nicht eine Krone, doch gewiß ein Krönchen; denn mit einem der damals sehr ausgebotenen Minister- oder Kammerpräsidentenposten würde sich ein Mann wie Sie wohl nicht begnügt haben. Es fehlte uns damals, wie noch jetzt häufig versichert wird, an einem großen Genie und Charakter, und Beides würde Deutschland, ja ich darf sagen die europäische Welt in Ihnen gefunden haben.

Was übrigens meine Bemerkungen über den humoristischen Charakter Ihrer Memoiren betrifft, so genehmigen Sie die Versicherung, daß ich nicht im Entferntesten an Ihrer strengen Wahrheitsliebe und an der historischen Genauigkeit der von Ihnen mitgetheilten Thatsachen zweifele. Ich wollte damit nur sagen, daß Sie, einen gewissermaßen mit der Welt spielenden, ironischen Standpunkt festhaltend, der Auffassung dieser Thatsachen ein humoristisches Colorit zu geben verstehen, und das behaupte ich noch jetzt.

Womit ich verharre u. s. w.

 

 

Fritz Beutel an den Herausgeber.

Melbourne in Australien, den 1. April 1854.

In den Diggings oder Goldgruben bis zum Kinne vergraben, habe ich vor acht Tagen Ihre freundliche Zusendung erhalten.

Mit Ihrer Bearbeitung desjenigen Theils meiner Tagebücher, welcher meine Tombuktuer Episode betrifft, bin ich recht sehr einverstanden, wobei ich jedoch voraussetze, daß Sie einzelnes nach Journalistenmanier nur Angedeutete später auf Grundlage meines Manuscripts weiter ausführen werden. Auch bitte ich, das Weinhaus, in welches Sie auch diesmal die Scene zu verlegen beliebt haben, ganz fortzulassen, denn eine solche Scenirung beeinträchtigt die historische Wahrheit und könnte mich außerdem in den Ruf bringen, daß ich den Freuden des Weingenusses in zu beträchtlichem Maße huldige. Dies ist so wenig der Fall, daß ich, wenn es sein muß, Monatelang meinen Durst nur mit Wasser stille, ja ihn als Dalai-Lama in Tibet ein Jahrlang nur mit Morgenthau gestillt habe. Freilich, wenn es die Ehre gebietet, zu zeigen, was ich als Deutscher im Trinken leisten kann, so trinke ich die ganze Welt unter den Tisch. Es kommt dabei immer nur auf Verhältnisse und Lagen (unter andern auch auf die gute Weinlage) an.

Als gewissenhafter Geschäftsmann möchte ich nun mit Ihnen ein festes contractlich sichergestelltes Verhältniß eingehen, und ich schlage Ihnen zu dem Zweck folgenden Vertrag vor:

Art. 1. Endesunterzeichneter Fritz Beutel verpflichtet sich, die Begebenheiten seines Lebens in möglichst vollständiger wahrheitsgetreuer Aufzeichnung zu geben, so daß kein Zeuge jemals gegen ihn auftreten kann, um ihn einer absichtlichen Lüge oder eines unabsichtlichen Irrthums zu zeihen.

Art. 2. Der endesunterzeichnete Herausgeber verpflichtet sich, diesen Rohstoff zu einem durchweg interessanten, eben so unterhaltenden als lehrreichen Buche zu verarbeiten, welches dem Namen Fritz Beutel's Ehre bringt, und ihm eine unvergängliche Stellung in der deutschen Literatur sichert.

Art. 3. Der Herausgeber verpflichtet sich, einen Verleger zu gewinnen, der so viel Honorar zahlt als möglich, und wenn es angeht, noch etwas mehr. Das Honorar wird dann zwischen dem Lieferanten des Rohmaterials und dem Herausgeber und Bearbeiter zu zwei gleichen Hälften getheilt.

Art. 4. Endesunterzeichneter Lieferant des Rohmaterials verpflichtet sich, alle seine zahlreichen Connexionen dazu zu benutzen, in allen Ländern der Welt Abnehmer für das Buch zu gewinnen, wobei jedoch dem Abnehmer nicht der Zwang auferlegt werden soll, auch das Buch zu lesen, wenn er nicht will.

Art. 5. Endesunterzeichneter Herausgeber verpflichtet sich seinerseits seine Connexionen dazu zu benutzen, daß das Buch in allen Zeitungen und Journalen gebührend empfohlen und nichts Nachtheiliges darüber gesagt wird. Sollte letzteres aber wider Erwarten dennoch geschehen, so verpflichtet er sich, darüber still zu lächeln und seine eigenen Gedanken zu haben.

Art. 6. Da Fritz Beutel beabsichtigt, auch die rein wissenschaftlichen Resultate seiner Reisen zu veröffentlichen, so verpflichtet sich der Herausgeber, auch für dieses, die Erdkunde und ihre Hilfswissenschaften jedenfalls in ihrem Fundamente umgestaltende Werk seine literarische Hilfsleistung zu gewähren, sich bei Zeiten nach einem Verleger umzusehen und zugleich die für ein so umfangreiches Werk nöthigen hohen Protectionen zu gewinnen. Für Protectionen außereuropäischer Fürsten, Minister, Behörden und hochgestellter Gelehrten verpflichtet sich Fritz Beutel das Seinige zu thun.

Art. 7. Der Herausgeber verpflichtet sich, aus den klassischen Schriftstellern des In- und Auslandes für jedes Kapitel solche charakteristische Stellen als Mottos zu wählen, die sich zugleich als Stammbuchsentenzen brauchen lassen und in den im Publikum verbreiteten Ausgaben dieser Klassiker womöglich nicht vorkommen.

Art. 8. Eine Verbesserung dieses Contracts, immer möglichst zu Gunsten des mit unterzeichneten Fritz Beutel, wird für jede nöthig gewordene neue Auflage des Werkes vorbehalten.

Endlich wünsche ich – doch mache ich dies nicht zu einer contractlichen Bedingung – daß Sie meine Lebensgeschichte zu einem Operntexte verarbeiten, und dafür einen jener Componisten gewinnen, welche der »Zukunft« und nicht der Gegenwart angehören. Der Schau- und Hörlust wird dabei gewiß im reichsten Maße Genüge gethan werden können. Denken Sie nur an die vielen feuerspeienden Berge, Eisberge, Stürme, Erdbeben, Feuersbrünste, Pulverexplosionen, Nordlichter, Kämpfe und Kanonaden, an die unzähligen Eisbäre, Krokodile, Schlangen, Walfische, Seehunde und Affen, mit denen ich in meinem Leben zu thun hatte!

Ihr ergebenster

Fritz Beutel, Dr.

 

 

Fritz Beutel an den Herausgeber.

Vor Sebastopol, den 26. September 1854.

Den von Ihnen unterzeichneten Contract habe ich richtig erhalten, jedoch ohne ein Begleitschreiben, aus dem ich entnehmen könnte, wie unsere Angelegenheiten stehen. Ich denke gut, denn sonst würden Sie den Contract nicht unterzeichnet haben.

Sie erhalten hierbei eine abermalige Sendung meines Tagebuchs, an dem nur noch wenige Blätter fehlen. Es reicht bis in die letzten Tage, die schlimm genug waren. Auch hier wie immer habe ich nur Undank geerntet. Ich hatte Sebastopol schon ganz sicher in meinen Händen, und doch mußte mir das Ding durch den Unverstand, die Bosheit und den Neid meiner beiden Collegen, des englischen und des französischen Oberbefehlshabers, wieder entrissen werden. Die ganze russische Flotte war mein, alle russische Batterien waren in meiner Hand, Fürst Mentschikow hatte sich an meine Brust geworfen und mich beschworen, nur um Gotteswillen dem Czaaren in St. Petersburg nichts davon zu sagen – und nun? Doch ich deute diese Vorgänge hier nur an; in meinem Tagebuche werden Sie das Nähere finden. Das Publikum wird dadurch höchst merkwürdige Aufschlüsse erhalten, und dieses Publikum, das mir früher gänzlich gleichgiltig war, ist gegenwärtig das einzige Geschöpf, von dem ich nicht verkannt werden möchte.

Trotz meiner schlimmen Erfahrungen, werde ich hier noch ausharren und zusehen, was aus dieser ganzen Krim'schen Geschichte werden wird. Leider kann ich unter diesen Massen nicht soviel wirken, als ich in ähnlichen Lagen gewirkt habe, wenn ich mein eigener Mann war. Die Verhältnisse sind so complicirt. Mich, der ich schon so ganz andere Dinge erlebt habe, wundert nur, daß man von diesem kleinen Scharmützeln bei Sebastopol so viel Lärm machen kann. Mir machen sie einfach Spaß, und da mir vom vielen Denken die Stirn brennt, so habe ich nichts lieber als das bischen Zugluft, welche die hunderte von hin- und herfliegenden Bomben verursachen. Wenn mich sonst nichts trifft, oder wenn mich die ganze Geschichte nicht zu langweilen anfängt, gebe ich Ihnen jedenfalls noch ein Lebenszeichen von hier, vielleicht in Begleitung einer kleinen Bombe, die ich vorgestern in der Luft aufgefangen und in die Tasche gesteckt habe, und einer aus dem Quarantänefort herausgeschossenen Schießscharte, die gerade zu meinen Füßen niederfiel.

                Adieu! Ihr

Fritz Beutel.

Nachschrift. Die Dinge haben für mich eine ganz merkwürdige unerwartete Wendung genommen. Ich habe mich, eingehüllt in Mentschikow's weltgeschichtlichen Paletot, als echter Deutscher auf den soliden Boden der Neutralitätspolitik gestellt. In dieser unparteiischen Mittelstellung zwischen östlicher Barbarei und westlicher Civilisation werde ich die kommenden Dinge abwarten. Aber die Alliirten sollen nun zu thun bekommen, sie sollen einsehen lernen, was ihnen fehlt, wenn Fritz Beutel fehlt! All ihre Parallelen kommen nicht in Parallele gegen mich! Das Nähere mit meiner nächsten und letzten Sendung!

Der Obige.


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