Pierre Loti
Ein Seemann
Pierre Loti

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Elftes Kapitel

Und sie kam jeden Abend immer zur Stunde dieses schönen Dämmerlichtes, das wie flüssiges Gold herniederströmte, und Jean dachte den ganzen Tag über nur an diesen Augenblick. Sobald er mit der Arbeit fertig war, säuberte er sich mit Strömen von Süßwasser, drückte die Wollmütze zierlich und herausfordernd auf sein Kraushaar und schwang sich, leicht wie ein Seiltänzer, auf den Damm, um, seine türkische Cigarette im Mund, das Mädchen zu erwarten. Und dann tauchte sie plötzlich in einem der steilen Gäßchen zwischen den himmelhohen Mauern auf und kam aus der Altstadt zum Hafen herab, wobei sie sich oft ängstlich umsah, als ob sie verfolgt zu werden fürchtete. Mit langsamen, trippelnden Schritten kam sie heran, keck und kindlich zugleich, als ob sie keine Ahnung davon hätte, daß Liebe etwas Böses sein könne.

Ohne sich zu rühren, wartete Jean, bis sie an ihm vorüberkam. Lächelnd blieb sie dann vor ihm stehen, gab ihm irgend eine Blume, eine Orangenblüte oder eine der wilden, stark duftenden orientalischen Rosen oder sprach auch ein paar Worte in einem halb französischen Kauderwelsch: Wie lange er in Kandjiotos bleiben werde? Wohin er dann gehe? … Dann setzte sie mit halb spöttischer Miene ihren Weg fort, mit dramatischen Gebärden der Entrüstung, des Flehens oder Widerstandes seine Begleitung abwehrend.

Er hatte immer nur am Abend frei, und die türkische Stadt wurde selbstverständlich beim Einbruch der Nacht finster und unzugänglich, was sollte er also beginnen?

Dieses Mädchen verkörperte für Jean nicht nur den ganzen Zauber und das prickelnde Geheimnis dieses Landes, es war, als ob ihr flüchtiges Erscheinen und Lächeln auch ein Sinnbild des Unerfüllten und Vergänglichen bedeutete, das seines Lebens Stempel bilden sollte.


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