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5.

Seit vierzehn Tagen befand sich Gauds kleiner Vertrauter in seinem Quartier in Brest; Sylvester fühlte sich sehr einsam, er war aber verständig und trug stolz seinen offenen blauen Kragen und die Mütze mit der roten Troddel daran. Die hohe Gestalt mit flinkem Gang gab einen prächtigen Matrosen, im Herzen aber sehnte er sich nach seiner alten Großmutter und blieb in Brest ein eben so reiner Jüngling wie daheim.

Betrunken hatte er sich ein einziges Mal mit Landsleuten – das will der Brauch so – und sie waren straßenbreit Arm in Arm ins Quartier zurückgekehrt, wobei sie auf ohrenbetäubende Weise Lieder gegröhlt hatten.

An einem Sonntag war er auch im Theater gewesen; man gab eines jener Trauerspiele, in welchem sich die Matrosen so gegen den Verräter im Stück aufzuregen pflegten, daß sie ihm alle zusammen ein dröhnendes »Hu!« entgegenbrüllten. Sylvester war es droben auf der Galerie sehr heiß und erstickend vorgekommen; der Versuch, seinen Paletot auszuziehen, hatte ihm eine Rüge vom diensthabenden Offizier eingetragen. Zuletzt war er eingeschlafen.

Als er nach Mitternacht in die Kaserne zurückkehrte, traf er ein paar Frauenzimmer mit hochfrisiertem Haar, die so spät noch lustwandelten.

»Hör' doch eine Minute, du hübscher Junge,« redeten sie ihn mit grober, rauher Stimme an.

Sylvester hatte gleich begriffen, was sie von ihm wollten, denn er war nicht so unerfahren, als man hätte glauben können. Mit dem Bild der Großmutter stieg aber dasjenige von Marie Gaos vor ihm auf; er musterte die frechen Mädchen nur mit einem verächtlichen Lächeln und ging vorüber. Sie waren ganz erstaunt über die Zurückhaltung dieses schönen, jungen Matrosen und schrieen ihm höhnend nach: »Reiß aus, Jüngelchen, reiß schnell aus! Nimm dich in acht, sonst wirst du gefressen!«

In dieser Sonntagsnacht ging es sehr laut auf der Straße zu, daher übertönte der Lärm die gemeinen Reden, welche die Frauenzimmer Sylvester noch nachriefen. Er betrug sich in Brest aber nicht anders als auf hoher See, und blieb ein reiner Mensch. Seine Kameraden verspotteten ihn aber deshalb nicht, denn er war sehr stark, und das flößt den Seeleuten Respekt ein!


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