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Es war Aurelie Grimpe nicht verborgen geblieben, daß Karoline Lembke um den Bauern herumschlich wie der Fuchs um den Hühnerstall.
Sie war sehr falsch darüber, und während es bisher immer »liebe Frau Lembke« hier und »liebe Frau Lembke« da geheißen hatte, hielt sie die Nase jetzt so hoch wie der Hund in den Nesseln und ging mit einem Gesicht wie sauer Bier an ihr vorbei.
Da nun bei Frau Lembke in der letzten Zeit die Wolken tief hingen, so sah es im Hause nach Regen aus, und eines Vormittags, als die beiden Frauen allein zu Hause waren, ging das Wetter nieder.
Als das Gewitter auf der Höhe war, wurde die Obertüre aufgestoßen, und der Bauer sah hinein. Er sagte gar nichts, aber nach dem Mittag sagte er Lembke, er solle den Kastenwagen anspannen. Dann legte er Frau Grimpe ihren Lohn für den nächsten Monat auf den Tisch und sagte ihr, sie könne gehen, und zwar sofort.
Er ging in das Bruch, und als er am Abend wiederkam, war sie fort. Frau Lembke wollte ihm erzählen, wie sie sich angestellt habe, aber er winkte ab.
Nachdem er gemerkt hatte, wie wenig es Lembke passe, daß er ihm bei der Feldarbeit und beim Heumachen half, hatte er entweder für sich Heide oder Moor zu Land gemacht, oder er hatte Peter Suput bei der Arbeit geholfen, der bei Garberdings Häusling war.
Frau Suput segnete den Tag, an dem Volkmann gekommen war, denn nun konnte sie sich besser der Kinder annehmen und brauchte sich nicht so sehr abzuhetzen.
So standen sich beide Teile gut, denn Suput kannte die Arbeit aus dem Grunde und hatte einen anschlägigen Kopf, so daß bei wichtigen Sachen der Vorsteher meist fragte: »Peter, was meinst du dazu?«
Da nun der Hilgenbauer sich für keine Arbeit zu gut hielt und Suput bei allem half, so kam er in alles, was zu Hof- und Feldarbeit gehört, gut hinein, und mehr als einmal sagte ihm der Vorsteher: »Übers Jahr, wenn Lembke aufhört, kannst du das Leit selber in die Hand nehmen.«
Während der Erntezeit aß Volkmann meist bei Garberdings, und da ihm Lembkes von Tag zu Tag weniger gefielen, so saß er späterhin, als die schlimmste Arbeit vorbei war, abends meist bei Suput, mit dem er sich gut unterhalten konnte, denn der Häusling ging immer nach seinem eigenen Kopfe und trat sich überall Richtewege.
Manches Mal glückte ihm das, und Volkmann wunderte sich oft, wie selbständig der Mann über politische Dinge urteilte; hier und da lief Suput aber auch ins Moor und mußte einen großen Umweg machen, bis er wieder auf einen festen Weg kam.
Er kannte seine Bibel so gut wie der Pastor oder, wie er meinte, noch besser, und da darin nur von einem Sabbat, aber von keinem Sonntag die Rede war, so verlangte er von dem Pastor, er solle den Sonnabend zum Ruhetag machen. Das konnte und wollte der nicht, und da erklärte ihm der Häusling: »Dann werde ich mich an das Wort halten, Herr Pastor«, zog am Sonnabend sein Kirchenzeug an und setzte sich mit der Bibel hinter das Haus, und am Sonntag ging er hin und haute Heide.
Auch sonst hatte er seine Eigenheiten; wenn er zu Pferde war oder fuhr, grüßte er keinen Menschen, mochte es sein, wer es wolle, zuerst; an seinem ganzen Zeug waren kein Knopfloch und kein Knopf, sondern nur Haken und Ösen, und er konnte es nicht leiden, wenn man Blumen abschnitt und auf den Tisch stellte.
Er hatte zwei Feldzüge mitgemacht, war dreizehnmal im Feuer gewesen und besaß das Eiserne Kreuz, trug es aber niemals, weil er nicht hoffärtig erscheinen wollte. Er hatte einen Bruder, der in Amerika eine gute Farm besaß, und der hatte so lange gequält, bis er auch nach drüben ging; nach einem Jahr aber war er wieder da. »Es konnte mir da nicht gefallen«, sagte er; das war aber auch alles.
Mit diesem Manne unterhielt sich Volkmann liebend gern, anfangs über Bodenbestellung und Viehzucht, dann über Politik und Religion, und durch vernünftiges Vorstellen brachte er es dahin, daß Suput zum Pastor ging und sagte: »Herr Pastor, ich will es jetzt wieder nach der gebräuchlichen Art machen; ich glaube, ich hatte mich verbiestert.«
Das war dem Geistlichen sehr lieb, denn der Häusling war einer der tüchtigsten Männer in der Gemeinde, und der Vorsteher war es erst recht zufrieden, denn in der hillen Zeit war es ihm oft sehr störend gewesen, wenn sein Lehnsmann am Sonnabend ausgeblieben war.
Suput hatte bei dem Zusammenarbeiten mit Volkmann herausgefunden, daß dieser jedes Getier und alle Kräuter mit Namen zu nennen wußte, und da er von klein auf draußen gearbeitet und auf alles ein achtsames Auge gehabt hatte, so kam er Volkmann fortwährend mit Fragen, die dazu beitrugen, daß die Unterhaltung zwischen ihnen nicht abriß.
So sagte er ihm eines Tages: »Als Engelke sich vor dem Moore hier anbaute als junger Kerl, da war hier bloß Heide. Da gab es Dullerchen und nach dem Moore zu Moormännchen und in der großen Sandkuhle Lochschwalben. Nachher, als das Haus eben fertig war, bauten gleich Schwalben, und mit der Zeit kamen auch Spatzen, und als hier Land unter Pflug kam oder zu Wiesen gemacht wurde, da war mit eins auch die Singlerche da, alles Vögel, die man auf Ödland doch nicht antrifft. Nun bedünkt mich, daß alle diese Vögel, und noch andere, als wie der Storch und der Kiebitz und der gelbe Wippsteert, daß sie alle früher hier nicht waren und erst zugereist sind, nachdem die alten Deutschen, wie es in den Büchern zu lesen ist, hier an die Herrschaft kamen und Viehzucht und Feldwirtschaft hier einführten, denn anders kann ich mir das nicht erklären. Aber das ist bloß so meine dumme Meinung, weil ich davon doch keinen rechten Verstand habe.«
Volkmann mußte lächeln, als der Mann so redete. Ihm, dem Fachzoologen, war diese Tatsache, daß die deutsche Tierwelt aus zwei ziemlich scharf getrennten Schichten, der des Urlandes und der des Baulandes und der Siedlung, bestehe, wohl aufgefallen, aber nachgedacht hatte er darüber noch nicht weiter.
Nun saß dieser Häusling da, Peter Suput, rauchte seinen Rippenkanaster und stellte eine Theorie auf, die, wenn sie irgendein Gelehrter gefunden hätte, wohl Veranlassung gewesen wäre, daß dieser wer weiß wie hoch gesprungen wäre, die Theorie von der Quintärfauna; und das hätte ein dickes Buch mit vielen Karten und Tafeln und einen großen Aufstand in der Zoogeographie gegeben.
Aber Peter Suput hatte noch etwas anderes: »Diesen Sommer hat bei der Mühle ein Vogel gebaut, aus dem ich nicht klug werden kann. Er sieht aus wie ein Wippsteert, ist aber unten gelb. Es ist aber nicht der, der auf den Wiesen im Grase brütet und dem Vieh das Ungeziefer absucht, sondern er benimmt sich ganz so wie der weiße Wippsteert, und was der Hahn ist, der ist schwarz am Halse, und das Nest stand unter dem hohlen Ufer.«
Der Hilgenbauer war neugierig, ging mit dem Häusling nach der Mühle und stellte fest, daß der Vogel die Bergbachstelze war, die er sonst nur im Berglande gefunden hatte. Aber als er daraufhin die Augen aufmachte, fand er, daß der Vogel weit und breit bei Mühlen und Stauwehren brütete, und er schüttelte bei sich den Kopf über Peter Suput und seine Beobachtungen.
Durch den Häusling erfuhr er auch, daß der Schulmeister Owerhaide für solche Dinge ein Auge habe und allerlei Sachen sammele, die er den Kindern zeigte, Steine, Baumfrüchte, Schlangen in Spiritus und dergleichen.
Der Lehrer bekam einen roten Kopf, als Volkmann ihn bei Gelegenheit bat, ihm die Sammlung zu zeigen, weil er, wie er sagte, davon auf dem Seminare so gut wie nichts gelernt hätte, und so war es auch, denn er hatte Korn und Kaff durcheinandergesammelt und die Hälfte falsch bestimmt.
Um so froher war er, als Volkmann Flachs und Hede auseinanderbrachte, jedem Dinge seinen wahren Namen gab und die richtige Reihenfolge herstellte.
Drei Dinge aber nahm er heraus: eine alte Münze, deren Ränder wie Messing glänzten, eine grüne Schwertklinge und ein schwarzes Steinbeil, die alle beim Torfmachen gefunden und dem vorigen Lehrer gebracht waren, und sagte:
»Diese drei sind zu schade für eine Dorfsammlung; sie gehören in ein großes Museum. Schicken Sie sie versichert in das Bremer Museum, und bieten Sie sie zum Ankauf an. Sie bekommen dann sicher so viel, daß Sie einen Sammlungsschrank für die Schule und einige gute Bücher anschaffen können.«
Da der Lehrer und der Schulvorstand damit einverstanden waren, wurde die Sache so gemacht, und es kam auch einige Zeit darauf Antwort, daß die Sachen angekommen wären, das Nähere sollte mündlich abgemacht werden.
Vierzehn Tage später kam ein Herr mit greisem Bart und jungen Augen angefahren, sah sich die Sammlungen an und machte dem Schulvorstande folgenden Vorschlag:
Die Schule bekommt zwei Sammlungsschränke, Präparatengläser, gestopfte Tiere, eine kleine Heimatbücherei, Nachbildungen der drei Gegenstände und tausend Mark bar.
Der Schulvorstand fiel beinahe um, als er das vernahm, und der Schulmeister stieg mächtig in Achtung, und Volkmann, von dem man wußte, daß er zum Angebot geraten hatte, erst recht.
Als er abends mit dem Bremer Museumsleiter bei dem Lehrer saß, erzählte er von den Beobachtungen Peter Suputs, und der Professor sagte: »Sie sind ja Zoologe; schreiben Sie uns doch darüber. Viel zahlen wir gerade nicht, aber immerhin etwas.«
Es gab einen großen Aufstand, als die Schränke ankamen, denn sie waren so groß, daß sie in der Schule keinen Platz hatten; und da die Schulbehörde nichts dawider hatte, so wurde auf Vorschlag des Schulmeisters, dem Volkmann das eingeblasen hatte, ein eigener Anbau dafür gemacht, der ganz in der alten Art gehalten wurde und in der Mitte durchgeteilt war, so daß in dem einen Zimmer die Schränke mit den Tieren und Steinen und Heidetöpfen und Büchern untergebracht wurden; das andere wurde ganz wie eine alte Dönze gehalten, und es dauerte keine acht Tage, da wußte der Lehrer nicht, wo er mit dem Urväterhausrat, der ihm zugebracht wurde, bleiben sollte, denn jedes Gemeindemitglied wollte mit einem Stück darin vertreten sein.
Das Dorf war sehr stolz auf sein Museum, zumal von weit und breit Männer kamen, die es sich ansahen und fotografierten und die Bilder in »Niedersachsen« herausbrachten, und Lehrer Owerhaide wurde ein vielgenannter Mann, denn der Hilgenbauer hatte ihm das Wort abgenommen, daß von ihm selber nicht die Rede sein sollte.
Er kümmerte sich auch weiter nicht darum, da er dabei war, die Jagd mit einem Netz von Pürschsteigen und mit Hochständen zu versehen; er machte das ganz heimlich, um den Rechtsanwalt und den Baumeister damit zu überraschen, wenn die Jagd auf den Rehbock aufging.