Hermann Löns
Der letzte Hansbur
Hermann Löns

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Die beiden Tauben

Der Hansbur hatte in seinem Letzten Willen bestimmt, daß er ganz nach der alten Art begraben werden wolle, denn damals war schon die Mode aufgekommen, daß schwarz getrauert wurde.

Um ihn aber sollte weiß getrauert werden, auch wollte er keinen hohen Sarg haben und keine Kränze, und auf seinem Grabe sollte ein Pfahl und kein Kreuz zu stehen kommen.

Er wurde in das Notlaken eingenäht, das Meta aus selbstgesponnenem Flachse gewebt und genäht hatte; Detta setzte schwarze Atlasschleifen an den Sterbekittel und zog ihm die weiße Sonntagszipfelmütze über.

Der Sarg stand auf zwei Stühlen auf der Deele und war mit dem Leichlaken zugedeckt, und davor lag der Sargdeckel, auf dem zwei alte hölzerne Leuchter brannten, deren Füße vier springende Pferde waren.

Rechts von der großen Türe hingen die beiden Seelenlaken an der Wand herunter, damit, wenn der Tote noch einmal zurückkäme, er doch einen Platz für sich fände.

Hermen sorgte dafür, daß im Altenteilerhause die Fenster der Schlafdönze nicht offen standen und daß das Bettstroh, auf dem der Altvater gestorben war, bis auf eine Hand voll verbrannt wurde, und daß der Backenstuhl, in dem der Alte neben dem Ofen gesessen hatte, umgestoßen wurde.

Durtjen warf die Waschschale, aus der der Tote gewaschen war, entzwei und grub sie ein und legte Kamm und Waschlappen in den Sarg, denn Meta, die von Detta in das Wohnhaus gebracht war, war so hinfällig, daß sie an nichts denken konnte; sie saß neben dem Ofen in der Dönze und sang leise aus dem Gebetbuche, aber keine Sterbelieder, sondern Lobgesänge.

Der Tag der Beerdigung kam. Das Leichlaken wurde heruntergenommen. Mit freundlichem Gesichte lag der Bauer in dem eichenen, mit Rehmenruß schwarz gemachten Sarge, Bibel und Gesangbuch unter dem Kinn.

Einer nach dem anderen von der Freundschaft ging über die Deele, nickte dem Toten zu und ging nach der Dönze, wo das Frühstück stand. Sie sprachen alle leise, die Männer, und die Frauen flüsterten. Es war ihnen, als wäre dieses ein ganz besonderes Begräbnis.

Der Großknecht kam und sagte: »Es ist wohl an der Zeit.« Da gingen sie alle aus der Dönze; einer nach dem anderen trat an den Sarg und gab dem Toten die Hand.

Detta und Sophie, von Kopf bis zu den Füßen in dem weißen Klagelaken, weinten los, denn der Tischler stellte die Leuchter beiseite und schloß den Sarg.

Er wurde aus der großen Tür getragen und auf das Wagenstroh gehoben. Durtjen reichte das Leichlaken her und Detta und Sophie, die hinter dem Sarge saßen, zogen es darüber, daß es rechts und links lang herunterhing.

Die Großmagd goß hinter dem Wagen eine Schale Wasser aus und lief dann in die Dönze, um die Kastenuhr abzustellen und den Spiegel zuzuhängen.

Der Großknecht stellte sich an den Kopf des Sattelpferdes und die Pferde zogen an und schnaubten, als sie über das brennende Sterbestroh mußten, das der zweite Knecht ihnen vor die Füße warf.

Die Frauen aus der nächsten Freundschaft, alle in weißen Trauerlaken, gingen hinter dem Sarge her, neben und hinter ihnen folgten die Männer, alle im Kirchenrock und hohem Hute.

Es war ein prachtvoller Tag, als sie Johannes Gotthard Georgius Hehlmann, den letzten Hansbur, den Notweg fuhren. Die Birkenbäume waren so gelb wie Gold und der Himmel war hoch und hell.

»Ein Prachtwetter«, sagte der wilde Meyer zum roten Schmidt, »ein Tag, der ihm passen konnte. Alles konnte er vertragen, bloß keinen tiefen Himmel.«

Der andere nickte und wischte sich den Schweiß unter dem hohen rauhen Hute ab; er war recht alt geworden, und Meyer noch mehr und die Sonne war ihnen beschwerlich.

»Eine Seele von Mensch war es«, flüsterte Schmidt; »weißt du noch den Abend, als er dem Sägemüller das Schluckglas in das Maul schlug? Was war das für ein Kerl! So einer kommt so bald nicht wieder.«

Meyer lächelte: »Aber Vodegel ist auch mitgekommen, trotz der alten Feindschaft; das ist schön von ihm.«

Als der Leichenzug meist bei der Kirche war, begab sich etwas, worüber sich alle wunderten. Ein Stößer war hinter zwei Tauben her. In ihrer Angst setzten sie sich auf das Leichlaken; der Stößer nahm die schwarze Taube und flog mit ihr fort.

Erst als der Sarg von dem Wagen gehoben wurde, flog die weiße Taube auf; sie flog steil gegen den Himmel und alle sahen hinter ihr her.


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