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Die Bäuerin hatte sich zuerst um ihren Bruder ganz mächtig angestellt und Tag und Nacht gejammert, als aber eine Woche um war, konnte sie schon wieder schimpfen und lachen.
Dem Bauern ging es viel näher. Nun war er so kahl wie ein Birkenbaum vor dem Winter. Er war nicht mehr der lustige Mann von früher; er hatte einen Mund und Augen wie ein alter Mann. Zu keinem Menschen konnte er sich aussprechen, und darum fraß es so an ihm.
Mehr als sonst dachte er in dieser Zeit an Meta. Er hatte das Korn fortgeschüttet und das Kaff aufgehegt.
Zu alle dem kam die Bäuerin mit einem Mädchen nieder. Er hatte es nicht anders erwartet, einmal, weil er nichts von ihr hielt, und dann, weil sie die ganze Zeit über so schlecht aussah.
»Das habe ich davon«, sagte er sich, als er über die Heide ging, in der die Birken so gelb wie Gold waren. Der Wind riß die alten Blätter von ihnen ab und trieb sie über den Dietweg.
»Was habe ich von dem wilden Leben gehabt?« Miken, die Piewittskrügerin, Trina und die anderen, er hatte jetzt nichts davon, als einen schlechten Nachgeschmack.
Das Einzige, was sich gelohnt hatte, war die Zeit gewesen, wo er und Meta Liebesleute waren. Er war dumm gewesen, mehr als dumm und schlecht obendrein.
»Nun habe ich meine Strafe weg«, dachte er. »Eine Frau, die ich nicht sehen kann, und keinen Hoferben.« Denn, wenn noch ein Kind kam, das wußte er, es würde auch ein Mädchen werden.
So wurde es denn auch. Zwei Jahre später war noch ein Mädchen da. Er hatte es vorausgewußt, aber es war doch ein harter Schlag für ihn.
Für die Bäuerin auch. Sie war die letzte Zeit immer stiller geworden; sie hielt sich ordentlicher und tat ihm Freundlichkeiten, wo sie konnte. Sie hatte einmal mit anhören müssen, wie die Großmagd zu Durtjen sagte: »Der Bauer kann einen dauern; was hat die Frau bloß aus ihm gemacht!«
Diese Magd war hungriger Leute Kind, aber ein Bild von Mensch. Wenn sie mit hochgesteckten Röcken nach den Ställen ging, mußte der Bauer hinter ihr hersehen.
Und sie sah hinter ihm her. Es war kein Mann auf dem Hofe, der gegen ihn aufkam. Der erste Knecht war versprochen, der zweite gehörte zu den Stillen im Lande und sah an jedem Kleiderrock vorbei; die Kleinknechte zählten nicht mit.
Anna hieß das Mädchen, und sie hatte eine schöne Stimme. Wo sie ging und stand, sang sie, und der Bauer hörte es gern. Sie hatte das bald spitz, und sang nun noch mehr, mehrstens Liebeslieder, und wenn sie dem Bauern einen Blick zuwarf, dann war das, als wenn sie sagte: »Merkst du was?«
Hehlmann aber biß die Zähne zusammen; er wollte keine neuen Heimlichkeiten, er hatte ganz genug an den alten; so wurde er von Tag zu Tag patziger zu ihr. Sie aber blieb sich gleich und war immer freundlich zu ihm, und wenn er es sich auch nicht eingestehen wollte, es tat ihm doch gut, wenn sie ihn anlachte, denn trotz allem: er war doch noch ein junger Kerl und die Bäuerin war wie Torfwasser für den Durst.
Er war aber immer gut zu ihr, denn sie tat ihm leid, und er sah, daß sie alles tat, um ihm zu gefallen; sogar mit Durtjen hatte sie sich zu stellen gewußt und die war froh, daß es jetzt sinnig auf dem Hofe zuging.
»Hermen, du Stoffel«, sagte sie und stieß ihren Mann in die Rippen, daß er vor Angst an zu lachen fing; »du weißt gar nicht, wie gut du es hast, daß ich dich genommen habe. Denk' mal bloß, du wärest der Bauer und hättest diese Frau! Sie gibt sich ja alle Mühe, aber man kann nicht recht froh darüber werden. Es ist ein Kreuz und ein Elend, daß Meta damals hier wegmußte.«
Die war nicht wieder auf dem Hehlenhofe gewesen; Durtjen hatte sie noch einmal besucht und sie wohl und munter angetroffen. Sie hatte das Leit in die Hände genommen und ihre Schwägerin, die immer noch nicht so ganz in die Reihe kommen wollte, war es zufrieden, und der Bauer war froh, daß Meta das Regiment führte. Von früh bis spät war sie im Gange: sie sorgte für das Vieh und nahm sich der Kinder an; bei der Arbeit war sie über ihre Gedanken weggekommen und war wieder so hübsch, wie früher; bloß ein bißchen voller war sie geworden.
Von Hehlmann hörte sie selten, und was sie hörte, war nicht danach, daß sie Freude daran hatte. Sie wußte, daß er viel im Piewittskruge verkehrte, und das war keine Wirtschaft, in die ein ordentlicher Mann hingehörte; dann hatte sie auch vernommen, daß er zu viel auf die Jagd gehen sollte und oft mehr trank, als es gut war; und mit den Karten befaßte er sich auch.
Einmal hatte sie seine Frau gesehen, und da wurde es ihr klar, warum ihr Göde, wie sie ihn bei sich immer noch nannte, auf die Rutschbahn gekommen war. »Freude kann er an der Frau nicht haben«, dachte sie; »vorzüglich, wo er noch nicht mal einen Erben von ihr hat.«
Hehlmann aber hatte sich an Trina gewöhnt. Die beiden Kinder gediehen, aber da es keine Jungens waren, kümmerte er sich wenig darum.
In den Piewittskrug ging er nicht mehr, weil von da aus das Unglück gekommen war; zudem verkehrten da jetzt meist nur Knechte und fremde Völker.
Die Jagd war ihm halb und halb verleidet; er ging nur mit der Büchse los, wenn das Wild ihm zu viel Schaden machte oder wenn er einen Bock fortschenken wollte. Das Hehlloh hatte er an den Oberförster verpachtet; er wollte damit nichts mehr zu tun haben.
Ganz stumpf lebte er seine Tage hin. Wenn er in den anderen Wirtschaften einkehrte, trank er, bis ihm die Augen klein wurden und ging dann ruhig nach Hause, und am anderen Tage schämte er sich.
Als er im Bruche Grummet auflud, nahm Anna ab. Es war ein Hauptheuwetter an dem Tage, so eins, wo die Mädchen alle blanke Augen haben und das ganze Bruch voll von Lachen und Juchen ist.
Jedes Mal, wenn das Mädchen das Schoof annahm, sah sie ihm in die Augen. Der helle Fluckerhut stand ihr gut zu Gesichte und ihre Arme, das war eine wahre Pracht, wie rund die waren und so schön braun.
Als der Wagen fortfuhr, vesperte er mit ihr unter einer krausen Fuhre, und es fiel ihm auf, wie schöne Zähne sie hatte und wie gut sie aß, denn seitdem er die Hohenhölter Herrschaften hatte essen sehen, war es ihm zuwider, wenn einer hörbar oder hastig aß.
Er hielt ihr die Flasche hin. »Ist es ein süßer?« fragte sie und sah ihn aus kleinen Augen an; »'n andern mag ich nicht.« Da stellte er die Flasche hin und nahm sie in den Arm.
Hinterher war er es, der an die Folgen dachte, aber das hübsche Mädchen lachte und sagte: »Hab' man keine Bange, daß ich dir Ungelegenheiten mache; dafür kann ich dich viel zu gut leiden. Da hast du meine Hand drauf.«
Er nahm sie wieder in den Arm und sagte: »Es ist nicht wegen mir, aber du bist zu schade dafür.«
Sie drückte ihn an sich: »Schade, was ist schade? Soll ich warten, bis ich alt und kalt bin? Was sein muß, das muß sein.«
Seitdem lebte er wieder mehr auf, die neue Heimlichkeit nahm die alte weg, und er hatte jetzt wieder einen Menschen, zu dem er vertraulich sprechen konnte.
Seitdem das erste Kind gekommen war, schlief er wieder für sich und so war es ihnen leicht gemacht, zusammen zu sein.
Manches Mal kam es ihm vor, als wenn die Bäuerin etwas merkte, aber sie sagte nichts. Zuerst war er froh darüber, aber hinterher kam er sich schlecht vor.
An einem Sonntag war er ganz allein mit Anna auf dem Flett und sie saß auf seinen Knieen. Vor lauter Alberei hatten sie gar nicht auf die Zeit gepaßt und so kam es, daß die Bäuerin die Halbtür aufstieß. Sie drehte sich sofort um und rief der Kleinmagd zu: »Sieh gleich mal nach, ob Eier da sind; wir wollen Pfannkuchen backen.«
Nachher war sie so, als ob sie nichts gesehen hatte, nur daß sie den ganzen Abend nicht aufsah.
Hehlmann konnte die Nacht nicht schlafen; er schämte sich vor seiner Frau. Hätte sie Schande gemacht, dann wäre ihm sein Unrecht nicht so aufgestunken.
Am Morgen ging er der Magd in den Stall nach. Sie schlug die Augen unter sich, als er kam, und er sah, daß sie ganz blaß war. Ihr ging es nicht anders, als ihm.
»Hör' zu, Anna«, sagte er, »das muß nun aufhören mit uns. Kommt es rund, dann bist du in schlechtem Ruf, und ich will ihr«, und dabei wies er mit dem Kopfe nach dem Wohnhause, »das Herz nicht noch schwerer machen. Sie trägt schon schlimm genug daran, daß wir keinen Jungen haben. Du mußt fort von hier.«
Das Mädchen sah nicht auf. Ihre Brust ging auf und ab und die Tränen liefen ihr aus den Augen.
»Ich will dir was sagen, Anna«, fuhr er fort, »du weißt, ich kann dich leiden; gerade deshalb mußt du gehen. Es gibt noch mehr Männer auf der Welt und was ich dir an dem Tage beim Grummet sagte: du bist zu schade für eine Liebschaft mit einem verheirateten Kerl. Und nun nimm mir das nicht vor übel: du bist ein armes Mädchen; morgen fahre ich nach Celle und gebe durch den Advokaten auf der Sparkasse so viel für dich auf, daß du eine gute Aussteuer und noch was in der Hand hast und das kannst du abheben, so bald du einen ordentlichen Kerl findest. Schwer wird dir das ja nicht fallen. Und heute gleich sagst du der Frau auf und siehst dich nach was anderem um.«
Er gab ihr die Hand, drehte sich um und ging lauten Schrittes durch den Stall, denn wenn er sie weinen hörte, wußte er, verlor er die Macht über sich.
Am Abend ging er in den Krug, trank aber so gut wie nichts und ging bei Dunkelwerden fort.
Es war der erste schöne Märzabend und die Mädchen gingen untergehakt über die Straße und sangen eins von den Liedern, die der Pastor nicht haben wollte.
Langsam ging er den Pattweg durch die Heide und dachte an die Nacht nach dem Erntebier, als er mit Meta hier gegangen war. Wie lange war das schon her! Damals sah er über die Fuhren weg; heute konnte er das nicht mehr.
Auf der Höhe blieb er stehen und sah sich um. Am Himmel stand der halbe Mond und alle Sterne waren versammelt. Ein Reh schreckte vor ihm und polterte in die Fuhren und vom Hofe her rief die Eule, es war ganz so wie an jenem Abend.
Das Herz wurde ihm schwer; nun war er wieder ganz allein. Aber es mußte sein; zu sehen, wie sich seine Frau unter die Erde grämte, das ging nicht. Wenn sie von Anfang an so gewesen wäre wie jetzt, dann hätte er mit ihr ein ganz gutes Leben haben können.
Jetzt war es zu spät dazu; sie hatten sich auseinandergewöhnt. Seine Schuld war es nicht, aber es traf ihn mit.
Noch lange Zeit lag er wach und sah gegen die Deckenbalken. Sie waren so angeordnet, daß es wie ein AH aussah, und dem Bauern fiel es ein, daß das Mädchen eine Nacht, als es mondhell war, ihm zugeflüstert hatte: »Kiek, da steht Anna Hehlmann« und daß er ihr das barsch verwiesen hatte.
Er seufzte tief auf und warf sich hin und her; das Lied, das die Mädchen im Dorfe gesungen hatten, wollte ihm nicht aus dem Sinne:
Und du bleibst bei mir, schläfst bei mir, schläfst die liebe lange Nacht bei mir, ju, ja, Nacht bei mir im dustern Kämmerlein. |