Hermann Löns
Der letzte Hansbur
Hermann Löns

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Im Ruhhorn

Das war ein harter Spruch.

Schön war es auf dem Hofe unter den tausendjährigen Eichen; da flogen die Hirschkäfer um die olmige Eiche und es sah putzwunderlich aus, wenn sie die kleinen Wagen zogen, die Göde ihnen machte.

In dem alten Burgfried, der im Giebel noch drei Kugellöcher aus der Schwedenzeit aufwies, hatte die Hauseule ihren Unterstand und es war rein zum Lachen, wenn Göde kam; denn dann machte sie sich ganz lang und wackelte just so wie Zitterfried, der Lumpensammler, wenn er einen Schnaps zu viel hatte.

Unter dem Brennholze wohnten die Heermännken und wenn man sich still verhielt, liefen sie hin und her und brachten ihren Jungen Mäuse.

Im Heidschauer hatte der Zaunkönig sein Nest und machte eine furchtbare Schande, wenn ein Mensch in die Nähe kam.

Dann war da Matz, die Elster, die Göde aufgezogen hatte, die lauter Dummerhaftigkeiten im Kopfe hatte, indem sie bald wie eine Katze machte oder wie ein Habicht schrie, daß die Hunde wie verrückt in ihre Ketten gingen und die Hühner für unklug unter das Holz liefen.

Ein Hauptspaß war es auch, wenn Glocke oder Kiekebusch, die beiden jungen Bracken, die der Bauer für den Förster aufzog, sich mit einem Zaunigel befaßten und sich heiser bellten und so lange in das Untier hineinbissen, daß ihnen der blanke Schaum vor den Schnauzen stand.

Außerdem gab es Ratten und Erdmäuse zu jagen, und das brachte etwas ein, denn für jede gab es vom Vater einen Pfennig. Und hatte Göde zum Rattenpassen keine Lust, dann nahm er das Pusterohr und wartete in der Laube, bis es im Kirschbaume knackte, und es war selten, daß die Tonkugel den Kirschfink nicht zwischen die Zwiebeln warf.

Auch die Katteeker, die aus dem Holze kamen und an die Birnen gingen, hielt Göde mächtig im Schach und manch einen holte er mit der Pistole herunter.

Aber das alles war doch nichts dagegen, wenn es in die Wildnis ging. Was gab das für ein Peitschenklappen und Prahlen: »Willst du hier, Buntscheck! Zurück, Blöming! Geh zu, Wittkopp! Heraus, Kreih!«

Wenn dann die Kühe vom Wege wollten, so wurden Strom und Pollis und Widu hinterhergeschickt. Dann war Göde auf der Höhe, wenn er drei, vier Jungens, die Hunde und das Vieh unter sich hatte, und alle ihm gehorchen mußten, selbst Hannes, der Bulle, denn wo Gödes lange Peitsche hinkam, da zog es Blasen.

»Wie der Junge das Regieren los hat!« meinte der Bauer, »ich habe das mit vierzehn Jahren noch nicht so gekonnt.«

Am liebsten trieb Göde das Vieh in die Ecke des Hehlenbruches, wo die schnelle Bullerbeeke mit der langsamen Wittbeeke zusammenkam, denn da brauchte er nicht so viel aufzupassen, weil das Vieh nicht durch das Wasser ging.

Das Ruhhorn hieß die Gegend und war das schönste Teil von dem ganzen Bruche.

Viel altes Holz stand da auf den hohen Sandbrinken, die vor der Beeke lagen, Eichen und Fuhren und auch etliche Buchenbäume, und Fichten und Birken in Masse, und darunter wuchsen Machangeln, Hülsen und Haseln und wer weiß was alles. Erdbeeren gab es da die schwere Menge und später Bickbeeren, Brombeeren und Kronsbeeren.

Vielerlei Getier lebte da, Hirschböcke, Rehböcke und manchmal auch ein wildes Schwein. Der Habicht baute da und der Rabe und der schwarze Storch, und fast jeden Tag standen Reiher an der Beeke und im großen Moore gingen die Kraniche auf und ab, klappten mit den Flügeln und bliesen wie Janpeter Luhmann, der Schweinehirt.

Immer war es im Ruhhorn schön, trotz der Mücken und Gnitten und blinden Fliegen und der giftigen Addern. In der Bullerbeeke saßen Forellen und wer sich darauf verstand, konnte sie leicht kriegen; in der Wittbeeke standen Hechte und wühlten Aale. Göde stellte Setzangeln, wie es ihm Tönnes Tielemann und Hein Gird Grönhagen, die Kleinknechte, beigebracht hatten.

Er ging nicht gern mit den Knechten, denn dann mußte er tun, was die wollten, und das war ihm nicht nach der Mütze; lieber ging er hinter den Kühen, weil er dann allein das Wort hatte.

Aber ab und an, wenn einer von den Kleinknechten eine andere Arbeit hatte, mußte er mit den Pferden zu Bruche, und dann lernte er jedes einzige Mal etwas Neues.

Tönnes war faul und saß schmökernd bei seinen Setzangeln, Hein Gird aber stokelte überall herum und bald kam er mit einer Mütze voll Enteneiern an, bald mit einem jungen Reh, und in der Schummerstunde brachte er das dann nach seiner Mutter.

Das dauerte so lange, bis daß der alte Hagelberg, der Förster, sie dabei packte. Da mußten sie alle drei zum Vorsteher und es gab einen heidenmäßigen Krach, als Göde mit der Sprache herauskam und sagte, daß Tönnes und Hein Gird ganze Mützen voll Enten- und Birkhuhneier und viele Aale und Hechte und Hasen und auch ein junges Reh nach Hause geschleppt hatten.

Kein eines Mal hatte Göde seinen Vater so wild gesehen: »Junge«, hatte er gerufen und war ganz rot unter den Augen geworden, »machst du mir solche Schande! Vor dem Vorsteher stehen, wie ein Vagelbunde, der an fremder Leute Eigentum gegangen ist! Die Fischerei in den beiden Beeken ist dem Müller und die Jagd ist herrschaftlich. Du kannst heilsfroh sein, daß ich mit dem Droste gut stehe, sonst geht es dir, wie den beiden Unduchten, dem Tönnes und dem Hein Gird: die sind jeder zu zehn Peitschenhieben verdonnert! Wenn sie heute abend zurückkommen, sag' ihnen, sie sollen dir ihr Achterviertel weisen; da kannst du deine Freude an haben. Und das mit dem Bruche ist nun aus. Vom Montag ab gehst du zum Pastor in die Vormittagsschule. Und die Pistole gib auch her. Das Ding bringt dich bloß auf Dummerhaftigkeiten.«

Der Junge war weiß wie eine Wand geworden. Daß er nicht mehr in das Bruch durfte, das war schon schlimm, die Pistole mißte er auch nicht gern, und die Vormittagsschule, davon hielt er erst recht nichts; aber wenn er daran dachte, daß jetzt beim Vorsteher Tönnes und Hein Gird auf der langen Bank lagen und Humpelhinnerk weiste sie mit dem Haselstocke, daß es nur so brummte, da wußte er: wäre es ihm so gegangen, er hätte sich einen Strick gesucht und es gemacht wie Töde Döbke, der Schneider, als er unter das Schnapsverbot kam.

Ganz begossen stahl er sich ab und ging zu Ohm Jürn, der auf der Heide bei den Schnucken stand und an einem Strumpfe knüttete. Der freute sich, als er den Jungen kommen sah, über sein ganzes altes faltiges Gesicht, das so braun wie Ellernholz war, und hielt ihm eine Rede, eine große Rede für seine Verhältnisse, denn meist sprach er überhaupt nicht, höchstens brummte er so vor sich hin.

»Ja, ja, Junge; laß' den Kopp nicht hängen, Kind, sagte die Kuh, als sie mit dem Kalb durch die Beeke mußte. Ist man alles halb so schlimm. Und die Häuslingsjungen sind schon gar kein Umgang für einen Hoferben.«

Das sah Göde denn auch ein und das Herz tat ihm gar nicht weh, als abends die Jungens mit dem Vieh vom Bruche zurückkamen und lauthals sangen.


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