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Das elendigliche Ende Mikens gab dem Bauern viel zu denken; sein Herz hatte er nicht an sie gehängt, aber es lief ihm kalt über, wenn er daran dachte, wie wohl ihr Ende gewesen war, und als er einmal über die Heide ging und eine Schnucke husten hörte, schudderte es ihn.
In dieser Zeit mußte er Gerichtsgeschworener werden und in einem Falle ein Urteil abgeben, das ihm noch mehr zu denken gab. Ein Vetter von dem Halbmeyer Scheele, mit dem er so manches Mal bei Bier und Karten lustig gewesen war, saß auf der Armensünderbank; er war durch das Kartjen in Bedrängnis gekommen und hatte einen Meineid geschworen. Er wurde schuldig gesprochen und erhängte sich in der Nacht darauf.
Das ging Hehlmann nahe, aber noch schlimmer traf ihn die Rede, die der Staatsanwalt gehalten hatte, denn der hatte gesagt: »Leider können wir die Hauptschuldigen nicht fassen, zwei Männer, die durch ihr wüstes Leben schon mehr als einen Familienvater zum Luderleben verführt und ins Unglück gebracht haben.«
Das ging auf den wilden Meyer und den roten Schmidt. Mit einem Schlage standen die beiden ganz allein; jeder, der etwas auf sich hielt, ging ihnen aus dem Wege.
Hehlmann auch, denn er mußte dem Staatsanwalt recht geben. Daß er damals Vodegel das Glas in die Zähne schlug und hinterher Hand an sich legte, und daß er wegen des liederlichen Stückes, der Alma, beinahe in den Mund der Leute gekommen war, die beiden hatten die mehrste Schuld daran.
Er hielt sich von da ab mehr an den Pastor Heuer, der ihn ab und an besuchte. Der Mann gefiel ihm, weil er aus seinem Herzen keine Mördergrube machte. Als er sich einmal den Hansburhof angesehen hatte, meinte er: »Hehlmann, Sie sind doch wirklich zu beneiden!« Da hatte der Bauer die Achseln gezuckt und gesagt: »Was hilft mir der ganze Kram, wo ich keinen Hoferben habe!«
Aber wie hatte ihn der Pastor da heruntergekanzelt; so etwas war dem Bauern noch keinmal vorgekommen, seitdem er kein Junge mehr war.
Ein Wort war es besonders, das ihm zu bedenken gab: »Ein Mann wie Sie nimmt sein Leben fest in die Hand, mag da kommen, was da will.«
Breit hatte er sich vor ihn hingestellt: »Zwei gesunde Töchter haben Sie! Und ich? Mein gesundes Kind wurde mir genommen, das krüpplige blieb mir. Soll ich deshalb verzagen? Man muß nicht an das denken, was man wünscht, sondern an das, was man hat. Sie sind doch kein Schwächling! Jedem kann es der Herr nicht zu Passe machen. Das ist die wahre Lebenskunst, sich mit dem abzufinden, was man hat.«
Mit dem Pastor kam er von da ab öfter zusammen; der baute nicht, wie der alte Pastor, eine Mauer zwischen sich und die Gemeinde, sondern hielt freundschaftlichen Verkehr mit den Bauern. Obzwar sie erst den Kopf darüber schüttelten, daß er sich in der Wirtschaft sehen ließ und sein Glas Bier trank, ohne viel danach zu fragen, wer bei ihm saß, mit der Zeit leuchtete es ihnen ein, daß das für beide Teile gut war, denn wenn der Pastor da war, ging es immer ehrbar zu, ohne daß es deshalb langweilig wurde, denn er war von lustigem Gemüt und es kam ihm selbst auf eine quante Redensart nicht an.
Er hatte es bald spitz, wer in der Gemeinde Sinn für etwas anderes hatte, als bloß für Arbeit und Geld und Essen und Trinken; die holte er sich so bei kleinem zusammen.
Erst wurde bloß Bier getrunken und Schafskopf gespielt; mit der Zeit blieben die Karten vom Tische, es wurde über Politik und andere Dinge geredet, und zuletzt wurde so eine Art Verein daraus, in dem der Pastor oder der neue Doktor oder der Lehrer, der mehr Bildung hatte als der alte Mackentun, der schon einige Zeit bei der Kirche lag, allerlei aus den Büchern vorlas.
Der Aufmerksamsten einer war der Hansbur, der auf diese Art von seiner Unruhe abgelenkt wurde, und da der Pastor viele schöne Bücher hatte, so lehnte Hehlmann sich Bücher über Reisen oder Kriegsgeschichten und kam dadurch über seine dummen Stunden fort.
Bislang war auf dem Hehlenhofe in der Ackerwirtschaft alles nach der alten Art gegangen und es dauerte eine Ewigkeit, bis daß sich eine neue Einrichtung einführte.
Der Pastor besorgte dem Bauern auch Bücher über Landwirtschaft und Viehzucht und dadurch bekam dieser Lust, allerlei Versuche zu machen, und auf die Art kriegte er wieder Freude an seiner Wirtschaft.
Er beschaffte sich Edelreiser und besserte seinen Baumgarten auf, bepflanzte den Mergelbrink, der sich an der Bullerbeeke entlang zog, mit Rotbuchen und hatte seine Freude daran, wie sie gediehen, er ging zur Gründüngung über und konnte mehr Land bestellen als mit der Stalldüngung, und schließlich ging er sogar an den künstlichen Dünger und brachte es auf geringem Boden bald zu guten Erträgen.
Je mehr er sich mit Neuerungen abgab, um so weniger hatte er unter der inneren Hitze zu leiden, und die Unruhe, die ihn früher in den Krug trieb, spürte er kaum mehr. Er machte sich mit den Gutsbesitzern in der Umgegend und den Domänenpächtern bekannt und sah ihnen allerlei ab. Bei kleinem sprach es sich rund, daß er ein Bauer war, der mit der Zeit ging und es ging keine Woche hin, daß er nicht Besuch von Bauern oder Landwirten bekam, die sich bei ihm umsahen und seinen Rat einholten.
So machte es sich ganz von selbst, daß er Beisitzer im Vorstande des landwirtschaftlichen Vereins wurde. Als er die erste Scheu überwunden hatte, ergriff er bei den Besprechungen oft das Wort und schließlich ließ er sich von dem Freiherrn von Olighusen das Wort abnehmen, über seine Versuche auf der Hauptversammlung einen Vortrag zu halten.
Hinterher tat ihm das leid, denn er wußte nicht, ob er imstande war, einen vernünftigen Vortrag zu halten. Aber Pastor Heuer redete ihm seine Bedenken aus, half ihm dabei, eine Übersicht auszuarbeiten und riet ihm so zu reden, wie ihm der Schnabel gewachsen war, und so fuhr er getrost los.
Es war ihm zuerst etwas bänglich zumute, als er in den großen Saal kam und die vielen Leute sah, und als der Vorsitzende sagte: »Das Wort hat jetzt unser zweiter Vorsitzender, der Vollmeier Hehlmann zu Hehlenhof«, und über vierhundert Gesichter ihn ansahen, da wünschte er, daß er ganz woanders war, und als er aufstand, hatte er erst einen roten Kopf, aber dann trat er hinter seinen Stuhl, legte seine Hände auf die Lehne und fing an zu sprechen.
»Meine lieben Freunde, ich bin man ein einfacher Bauer und kann meine Worte nicht so setzen, als wie Pflanzfuhren oder Kartoffeln«, fing er an, und da wurden die vielen Gesichter auf einmal lachend und das gab ihm Mut.
Schlicht und einfach trug er vor, wie er erst nach der Väter Art gewirtschaftet hatte, wie ihm das langweilig geworden war, und wie er dann seine Unzufriedenheit nicht mehr im Kruge, sondern in den Büchern gelassen habe und bei kleinem und ohne Eiligkeit von einer Neuerung zu der anderen gekommen war.
Er kam so in Schuß, daß ihm die Worte von selber zuflogen, und alle Augenblicke klappten die vielen Hände oder es ging ein lautes Lachen durch den Saal, wenn er eine lustige Redensart gemacht hatte oder einen Vergleich, der zwischen seinen ruhigen Worten stand, wie ein grüner Birkenbaum auf brauner Heide.
Über eine Stunde dauerte seine Rede, ohne daß er auch nur einen Blick auf die Ausarbeitung warf, die er sich gemacht hatte, und als er mit den Worten schloß: »Wenn sich einer aus meiner Rede etwas entnehmen sollte, was ihm von Nutzen ist, so wird mir das eine große Freude sein«, da gab es ein solches Händeklappen und Füßegetrampel, daß die Fensterscheiben beberten.
Dann drückte ihm der Vorsitzende die Hand und hielt eine Rede, in der er ihm im Namen der Versammlung den Dank für den Vortrag aussprach und also schloß: »Doch das Wichtigste, was uns der Vortrag unseres Freundes gelehrt hat, das ist, daß wir sagen müssen: Und das alles hat er ganz aus sich selbst heraus!«
Über die Besprechung des Vortrages ging noch eine Stunde hin und mehrere Male mußte Hehlmann das Wort ergreifen, und wenn der Wirt nicht gemahnt hätte, daß das Essen fertig wäre, dann hätte man noch länger verhandelt, so viel Anregung hatte die Rede gegeben.
Bei Tische mußte der Hansbur zwischen dem ersten Vorsitzenden und dem Ehrenvorsitzenden Platz nehmen, und obzwar er sich mächtig im Trinken zurückhielt, hatte er doch bald einen roten Kopf, denn von allen Seiten wurde ihm vorgetrunken, so daß er nicht wußte, ob er sich wegen der vielen Ehre freuen oder schämen sollte.
Er war so glücklich, wie er es seit der Zeit, wo er es heimlich mit Meta hielt, noch nicht wieder gewesen war, und die Bäuerin bekam vor Freude nasse Augen, als er ihr erzählte, wie es ihm gegangen war, und sie sah zu ihm auf, wie zu dem Pastor auf der Kanzel.
Die größte Freude aber hatte sie, als erst das Kreisblatt mit einem Bericht über die Rede und hinterher die landwirtschaftliche Zeitung mit der wortwörtlichen Rede kam, und da drückte es ihr auf das Herz, wie wenig sie neben einen solchen Mann paßte.
Hehlmann ließ sie das aber nicht merken, und weil die Sonne nun wieder durch die Hofeichen schien, gediehen die Leute, und die Frau wurde wieder meist so ansehnlich, wie sie als Mädchen gewesen war, als sie sich noch um die Mannsleute Mühe gab.
Wenn sie jetzt beide zur Kirche gingen, sahen die Leute nicht mehr von ihm zu ihr und meinten: »Na, er ist da auch man so dran hängen geblieben.« Auch bei den Mädchen war sie in Ansehen gekommen, seitdem sie das Schimpfen aufgegeben hatte.
Seitdem der Bauer in Haus und Hof seine Zufriedenheit fand, gewöhnte er sich auch mehr an die Kinder heran, auf die er früher wenig acht gegeben hatte.
Detta, die älteste, die ganz nach ihrer Vaters-Mutter schlachtete, hatte an Hausarbeit und Blumen Freude.
Sophie, die mehr auf ihre Großmutter von Mutterseite artete, war mehr für den Gemüsegarten und das Federvieh.
Die eine freute sich über alles, was glatt und hübsch war, die andere hatte ihre Freude an dem, das etwas einbrachte.
Jede zog es nach ihrem Widerpart; Detta war ein Mutterkind, Sophie hing sich an den Vater, und darum ging es ihm sehr nahe, als sie an den Masern zu liegen kam.
Kaum war sie wieder auf den Füßen, da legte sich die älteste und die Bäuerin kam durch das Wachen und Hüten sehr von Kräften und als auch Detta wieder in der Sonne sitzen konnte, mußte sich die Bäuerin legen, denn sie hatte sich angesteckt.
Die Krankheit setzte ihr so gefährlich zu, daß der Doktor jeden Tag kommen mußte, aber er konnte ihr nicht helfen; sie hatte nicht genug zuzusetzen, als das Fieber sehr schlimm wurde.
Kurz bevor sie starb, wurde sie noch einmal klar im Kopfe, sah den Bauern freundlich an und tat so, als wenn sie ihm zunicken wollte.
Sie hatte so gar nicht zu ihm gepaßt; aber als sie nicht mehr da war, merkte er doch, daß sie ihm mehr gewesen war, als er gewußt hatte.
Er kam aber wenig zum Nachdenken, denn Detta, die sich um ihre Mutter sehr grämte, machte ihm zu viel Sorgen, und so gab er sie schließlich zu der Pastorsfrau, auf die das Mädchen große Stücke hielt.
Sophie aber kam bald über den Tod der Mutter weg; sie ging dem Vater überall zur Hand und konnte so besinnlich über das, was sie in den landwirtschaftlichen Büchern gelesen hatte, reden, daß er sich abends keinmal mehr allein vorkam.
Wenn er auf die Güter fuhr oder zum landwirtschaftlichen Verein, nahm er sie immer mit, und es war ein harter Schlag für ihn, als sie sagte, sie wolle gern eine Zeit auf ein großes Gut gehen, um mehr zu lernen.
Anderseits freute es ihn, daß das Mädchen seinen eigenen Weg ging, denn sie war die erste Bauerntochter in der Gegend, die noch weiter lernte, als sie schon aus der Schule war. Und da Detta jetzt wieder im Hause war und er viel um die Ohren hatte, ging ihm das Jahr schnell hin.
Als er zum ersten Male wieder mit den beiden Mädchen zur Kirche fuhr, war er ganz stolz, so glatt sahen sie aus, eine ganz anders als die andere und beide doch so, daß die jungen Leute mehr nach der Hansburbank als nach der Kanzel sahen; und wenn sie abends zusammen in der Dönze saßen und lasen oder sich etwas erzählten, dann ging ihm nichts ab.
Darum verjagte er sich, als bei einem Tanzefeste der Vorsteher zu ihm sagte: »Hansbur, den Freiwerber brauchst du nicht rundschicken und deine Mädchen anstellen lassen; wie die aussehen, werden sie bald genug beschrieen sein. Und in die Milch zu brocken haben sie ja auch genug.«
Am anderen Tage war er so ernst, daß Detta, die sich besser auf ihn verstand, wenn auch Sophie mehr um ihn war, ihn fragte: »Vater, was hast du heute? So bist du ja lange Zeit nicht gewesen.«
Er hatte daran gedacht, was aus ihm werden sollte, wenn die Mädchen heirateten. Wenn auch Detta auf dem Hofe blieb, er war dann abgedankt, denn dann kam doch ihr Mann in erster Reihe.
Eine Woche lang trug er seine Gedanken mit sich herum; am Sonntag aber sattelte er den Rappen und ritt nach dem Mittag los.
Es war ein Herbsttag, zu dem man du sagen konnte; die Heide war abgeblüht und sah aus, als ob Silber darauf lag. Die Birken waren über und über gelb und brannten in der Sonne wie Flammen und der Altweibersommer hing in allen Fuhrenzweigen.
Der erste Mensch, der ihm in der hohen Heide in die Möte kam, war die Jungmagd vom Voßhofe, ein Mädchen so schier und eben, daß ihm das Herz im Leibe lachte. »Das ist ein guter Vorspuk«, dachte er und rief ihr ein lustiges Wort zu.
Als er über den Knüppeldamm ritt, standen an die hundert Störche im Bruche: »Auch nicht schlecht!« dachte er wieder.
In den Wiesen sah er einen Hasen von links nach rechts laufen. »Heute geht nichts verkehrt«, sagte er laut und ritt im Galopp den Sommerweg entlang, daß es nur so mülmte, und als drei Handwerksburschen ihn um ein Zehrpfennig angingen, gab er ihnen einen heilen Gulden.
Er machte runde Augen, als er auf dem Dieshofe ankam. Der Hof sah schnicker und ordentlich aus. Über der Einfahrt war ein Spruchbrett und darauf stand: »Deinen Eintritt segne Gott«, und auf dem Torbalken war zu lesen: »Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.« Auf der Deele wurde ein geistliches Lied gesungen.
Als Hehlmann vom Pferde stieg, hörte das Singen auf und der Diesbauer ging auf ihn zu. Hehlmann wußte nicht recht, was er sagen sollte. Er hatte Dettmer früher etliche Male gesehen, und obzwar er damals selber kein leeres und kein volles Glas sehen konnte, einen Säufer mochte er darum doch nicht leiden. Dieser Mann hier aber war ein anderer geworden.
Es wurde erst über das Wetter und die Ernte geschnackt, und dann sagte Hehlmann, er müßte Meta sprechen, denn alle die Jahre habe er ganz vergessen, daß sie von seinem Vater in dem Testamente mit einer Stiftung bedacht war, und davon wollte er ihr die Abschrift bringen.
»Ja, Meta ist nicht inne«, sagte die Bäuerin, »sie ist nach Brinkmanns gegangen; da ist die Frau zu liegen gekommen. Auf das versteht sie sich; ohne sie kröppelte ich heute noch zwischen Bett und Stuhl herum.«
Der Diesbauer sah sie ernst an: »Sie war bloß ein Werkzeug des Herrn; ihm allein gebührt der Dank.«
Hehlmann fragte, wann sie zurückkommen wollte, und als er hörte, daß das nicht bestimmt wäre, ließ er sich den Weg zeigen und ging ihr entgegen.
Als er in den hohen Fuhren war, wurde ihm das Herz schwer; Jahre lagen jetzt zwischen ihnen. Mai war es, als er sie im Grasgarten in den Arm nahm, und die weißen Lilien blühten, und jetzt waren die Krammetsvögel in den Ebereschen zu Gange.
Sein ganzes Leben ging an ihm vorbei; es hatte ihm nicht viel Gutes gebracht und wer weiß, was ihm noch bevorstand. Die Mädchen freiten wohl bald; dann war er allein und ging als alter Mann auf dem Hofe herum und war jedem im Wege.
Er ließ den Kopf hängen und ging langsam den anmoorigen Weg fürbaß und riß in Gedanken den Windhalmen die Köpfe ab.
So tief war er in Gedanken, daß er sich ganz mächtig verjagte, als vor ihm jemand seinen Namen rief.
Meta war es und »Göde« hatte sie gerufen, steckte sich aber rot an, wie ein junges Mädchen und sagte: »Hehlmann, o Gott, wo kommst du bloß auf einmal her?« und dann wurde sie ganz weiß im Gesicht.
Es war ihm warm um das Herz dabei geworden. »Meine Meta«, rief er und nahm sie um den Hals. Sie zitterte und fing an zu weinen. Da faßte er sie um und führte sie unter eine krause Fuhre am Grabenbord, unter der sich die Hütejungen eine Moosbank gebaut hatten.
Eine ganze Zeit weinte Meta in ihr Fürtuch; dann trocknete sie sich die Augen: »Ich habe mich zu sehr verjagt, Göde; wer konnte sich auch so was denken. Aber nun sag bloß, wie kommst du nach dem Dieshofe?«
Er sah sie so lange an, bis sie über und über rot wurde: »Du hast dich gut gehalten, Meta, bloß daß du früher dünner warst.«
Dann sah sie ihn auch an: »Du hast noch kein eines graues Haar, Göde, und die zwei Wirbel hast du immer noch.«
»Und deine Hände, Meta, die sind noch ganz so wie früher, trotz der vielen Arbeit.«
»Und deine, Göde, die sind noch immer, wie zwei Heidbrinke«, sagte sie und lachte dabei.
»Ja, und deine gegen meine, Meta, das ist wie ein Kalb gegen die Kuh«, und dann lachten sie beide, denn sie dachten an den Tag im Blumengarten, als seine Hand neben ihrer auf ihrem Kleiderrocke lag.
Aber dann wurde ihr Gesicht anders; das war nun schon so lange her und was lag da nicht alles dazwischen.
Er mochte ähnliche Gedanken haben, denn er seufzte auf und sah über die Buchweizenstoppel, die ganz rot aussah in der Sonne.
Dann sah er wieder Meta an; gewiß, um den Mund und hinter den Augen hatte sie Falten und unter der Haube sah man ein paar graue Haare. Aber wenn sie auch noch mehr Falten und einen ganz weißen Kopf gehabt hätte, es war seine Meta mit den treuen Augen und dem schönen Mund und den guten Händen.
Er holte das Papier aus der Tasche und hielt es ihr hin: »Da hatte ich ganz auf vergessen, Meta. Mein Vater hat das in seinem Letzten Willen aufgegeben, daß auf dem Hehlenhofe für dich immer eine Stätte ist, wenn es dir wo anders nicht mehr paßt.«
Sie sah in das Papier und meinte leise: »O, hier habe ich es ganz gut.«
»Ja, Meta, so meine ich das nicht. Du hast mich nicht nötig, aber ich habe dich nötig. Wie lange wird es dauern, und die Mädchen freien, und dann habe ich wieder keinen Menschen, wie so viele Jahre.«
Sie legte ihre Hand auf seine: »Wenn das so ist, Göde, mich brauchen sie auf dem Dieshofe nicht mehr, und so kann ich ja nach dem Hehlenhofe ziehen.«
Und damit schlug sie wieder ihr Fürtuch vor das Gesicht und weinte, daß es sie schüttelte, denn sie wußte nicht, war das nun ein Glück, um den einen Mann zu sein, dem ihr Herz von Anbeginn gehört hatte, oder war es schrecklich, da Wirtschafterin zu sein, wo sie von Rechts wegen als Bäuerin hingehört hätte.
»Meta«, rief Hehlmann und faßte sie um, »Meta, glaubst du denn, ich wäre so ein grundschlechter Kerl, daß ich dich bloß für meine Bequemlichkeit haben wollte? Ich habe die ganzen Jahre an dich gedacht, wo ich ging und stand, und ich habe viel auszuhalten gehabt. Nein, Meta, auf die Art nicht, ich meinte das ganz anders.
So alt sind wir beide noch nicht, und wenn auch, wir sind regelrecht versprochen gewesen und du sollst meine Frau werden, denn so haben wir es uns gelobt.«
Sie fiel ihm um den Hals und ihre Tränen liefen ihm über das Gesicht: »Göde, o Gott, Göde, mein Göde, und wenn es nur auf einen Tag wäre!«
Sie weinte zum Sterben, und er drückte sie fest an sich und mußte auch weinen.
»Nu kiek einer an! Hat man so was schon belebt«, schrie es hinter ihnen. »Wir warten und warten, aber keine Meta und kein Hansbur will kommen! Schämt ihr euch nicht? Meta, schon so alt und noch so leichtsinnig, und Hansbur, redet lang und breit von Erbschaftssachen und nun sitzt das da und, nein, eher denke ich, daß unser alter Bolze Junge kriegt!«
»Ein Schade, daß Dettmer nicht da ist, denn dann könntet ihr was gewärtig sein von Zuchtlosigkeit und weltlicher Fleischeslust und dem Strafgericht Gottes! Nun aber zu, Liebe zehrt und es ist lange Vesperzeit. Ich will man schon vorlaufen.«
Wie eine Tüte witschte sie dahin. Göde und Meta aber hatten den Sturm hinter sich; er hielt sie umgefaßt und sie legte ihren Kopf gegen seine Schulter, und ihre rechte Hand war in seiner linken.
So gingen sie langsam durch die hohen Fuhren, und es war ihnen, als wenn es Mai war und sie hatten noch die beste Zeit vor sich.
Ein Knecht und eine Magd, die in dem Zuweg standen und sich abküßten, sahen ihnen verwundert nach, aber keins lachte, denn der Mann und die Frau sahen aus, als wenn sie geradewegs aus dem Paradiese kamen.
Es war ein mondheller Abend, als der Hansbur nach Hause ritt; die Krammetsvögel zogen und oben in den Lüften flötjete der Regenpfeifer.
Er ließ den Rappen Schritt gehen, denn zu viel Frieden war in ihm.
Als er durch Lichtelohe ritt, sangen die Mädchen hinter ihm her:
Jetzt geb' ich meinem Pferd die Sporen, Zu dem Tore reit ich hinaus, Schatz, du bleibst mir auserkoren, Bis ich wieder komm nach Haus. |