Hermann Löns
Der letzte Hansbur
Hermann Löns

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Das Osterfeuer

Göde riefen sie den Jungen, denn Gotthard nahm ihnen zu viel Zeit.

Der Junge wuchs, daß es ein Staat war. Er hatte einen ansehnlichen Vater und seine Mutter war das glattste Mädchen weit und breit gewesen. So war es kein Wunder, daß der Junge rundumher als das schönste Kind galt.

Und gesund war er und kernfest, wie die Eichen auf dem Hofe. Er hatte Licht und Luft und gute Hut, und als seine Mutter mit ihm ging, hatte sie ihre Augen hell und ihr Herz rein gehalten.

Kein mal hatte sie beim Nähen schwarzen Zwirn über den Hals gehängt, nie einen Faden abgebissen, niemals die Leinwand gerissen.

Eins nur machte ihr Sorge: Als sie fühlte, daß sie guter Hoffnung war, war der Viehhändler Seligmann auf den Hof gekommen. Sie hatte ihn nie so recht leiden können. Als er ihr auf so wunderliche Art die Hand gab, sie mit Augen ansah, als hätten sie zusammen Holz gestohlen, und sie schmusternd fragte: »Nun, schöne, junge Frau, hat der Adebar schon geklappert?« da hatte sie den Kopf geschüttelt. Wenn aber eine Mutter ihr Kind ableugnet, dann bleibt es nicht bei der Wahrheit.

Aber das mochte nur wieder so ein Schnack sein von Mutter Griebsch, die der jungen Frau sagte, was sie tun dürfe und was nicht.

Detta gab auf alle diese Dinge nicht so ganz viel, denn zu oft hatte der Pastor dagegen von der Kanzel geredet; deswegen stellte sie die Wiege aber doch immer fest, wenn das Kind nicht darin lag, damit sie nicht taub hin und her ging und der Junge Kopfweh bekam. Sie sorgte dafür, daß keine jungen Hunde auf dem Hofe waren, und nahm nicht die Schere, wuchsen dem Kinde die Nägel über.

Weil der Junge elf Finger hatte, zog sie ihn durch die Zwille einer jungen Eiche, und als der Finger trotzdem nicht zurückging, band sie ihn mit einem weißen Faden ab und tat den Saft von Jesuwundenkraut darauf, und es blieb nichts zurück, als eine kleine rote Stelle.

Die große bunte Wiege von Eichenholz, die seit 1564 auf dem Hofe war, wurde zu kurz, als Göde ein knappes Jahr alt war, so wuchs der Junge.

Durchschnittlich war er ein freundliches Kind, aber einmal, als seine Mutter sich verjagt hatte, als das Wetter in eine von den großen Eichen schlug und die ganze Deele voll von blauem Feuer war, mußte ihr wohl die Milch hart geworden sein, denn als der Junge trinken wollte, hatte er schnell losgelassen und ganz falsch mit der Hand nach der Brust geschlagen. »Du Untier«, hatte die Mutter gesagt, »noch nicht ein Jahr und schon schlägt er zu, wie ein Alter.«

Sonst war er aber gutartig, lachte immer und wenn man ihn mitten aus dem Schlafe aufnahm. Er konnte drei Stunden allein liegen und mit seinen Füßen spielen oder lauthals über den Schatten juchen, den seine Hände gegen die Wand warfen. Wenn er einmal ein bißchen weinte, so wie einer mit ihm sprach, gleich lachte er wieder.

Bloß wenn der Bauer vorbeiging, ohne mit ihm zu sprechen oder ihn auf den Arm zu nehmen, dann fing er ganz gefährlich an zu schreien, und Hehlmann lachte und sagte: »Eine Stimme hat er, wie ein Bullenkalb. »

So blieb er auch; immer war er lustig und nie verzagt. Als er vier Jahre alt war, schnitt er sich zwei Finger bis auf den Knochen durch und kam mit Tränen in den Augen ganz still an und sagte: »Mutter, Lappen ummachen.« Mit sieben Jahren griff er den Marder, der in das Tellereisen getreten war, und brachte Marder und Eisen lachend in das Haus, und dabei hatte ihn das Tier durch den Daumennagel gebissen.

Er hatte eine Art mit dem Vieh umzugehen, als wenn er schon ein Kerl von zwanzig Jahren wäre; alles, was auf dem Hofe an Getier war, mußte ihm untertänig sein, aber nie ging er hart damit um, außer, wenn eins nicht so wollte, wie er.

Dann aber wurden seine Augen blank und seine Stimme war wie ein Peitschenklappen, und der Bauer und die Bäuerin sahen sich an, machten enge Lippen und die Mutter rief über den Hof: »Göde, prahl nicht so!«

Ein einziges mal war der Vater böse zu ihm geworden. Die Kinder hatten sich ein Osterfeuer gemacht und waren über die Flammen gesprungen, Göde immer vornweg.

Bloß Ludjen Wehmeyer, ein Häuslingsjunge, wollte nicht, denn er war bange. Da war Göde an ihm vorbeigelaufen, hatte ihn an den Ärmel gefaßt und war mit ihm über das Feuer gesprungen, das heißt, nur halb, denn weil Ludjen sich sträubte, fiel Göde und nun lagen sie alle beide in dem Feuer.

Göde hatte nicht viel abgekriegt, aber Ludjen um so mehr und als Mutter Wehmeyer auf den Hof kam und dem Bauern die Ohren vollheulte, da hatte Göde abgestritten, daß er schuld sei.

Aber die Lüttjemagd hatte über die Halbetüre gerufen: »Doch hat er schuld, ich hab' es gesehen!«

Der Vater hatte ihn mit in die Dönze genommen und gesagt: »Warum bleibst du mit der Wahrheit hinter dem Busche? Gehört sich das für einen Bauernsohn? Wie kann ich dir glauben, wenn du einmal gelogen hast? Und damit du dir das merkst, gehst du die erste Woche nicht mit in das Bruch.«


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