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Es war einmal ein kleiner Wichtelmann, der wohnte ganz hinten in der Lüneburger Heide, da wo sich die Hasen und die Füchse gute Nacht sagen. Sein Haus war das große graue Steingrab, das zwischen zwei stacheligen Machangelbüschen am Heidbrink lag, und das kleine gelbhäutige Fischer und Imker vor vielen tausend Jahren für ihre Könige aufgebaut hatten.
Da wohnte der kleine Brummerjahn schon viele viele hundert Jahre ganz muttermauseseelenallein. Wenn es Sommer war, dann schleppte er tief aus der Erde seine Schätze und breitete sie auf den dunkelgrünen Moospolstern aus, die unter den hellgrünen Ranken der Krähenbeere wucherten, umrahmt von lauter grauen, rotköpfigen Flechten.
Es sah putzig aus, wenn der Kleine auf seinen Entenfüßchen umherwatschelte und in seiner grauen Schleppkutte die Flußperlen, Silberstückchen, Goldmünzen, Bronzeringe und Bernsteinkugeln aus dem Steingrabe hervorholte. Und hatte er sie dann auf dem Moosrasen ausgebreitet, und alle das blanke und bunte Zeug flimmerte und glimmerte, glitzerte und blitzerte in der Sonne, dann juchte er vor Vergnügen, hopste hin und her, daß die Schleppe von seinem grauen Röckchen nur so flog, und warf sein rotes Zipfelmützchen hoch in die Luft, hoch über das Heidekraut. So stark war der kleine Mann.
Er lebte sehr, sehr einsam, der kleine Wicht. Da war wohl ein Steinschmätzerpaar, das in dem Steingrabe nistete, aber diese Herrschaften waren ihm zu wibbelig und zu kribbelig und er verkehrte nicht mit ihnen. Auch nicht mit den grünen Eidechsen, die durch das Heidekraut witschten; sie waren ihm nicht ernst genug. Auch die braunen Mäuse waren nicht seine Freunde. Das war Pöbel, der sich fortwährend zankte und laut quiekte.
Aber der Rauk, der alte einsame Kolkrabe, der schon seit siebzig Jahren Witwer war, und die uralte Schnake, die verwitwete Kreuzotter, das waren Pucks Freunde. Die redeten nicht immer von Liebe, wie das andere Volk auf der Heide, die waren gesetzt und vernünftig. Denn von Liebe mochte der Wicht nichts hören. Als er jung war vor zweitausend Jahren, da hatte er sich einmal sehr verliebt. In ein kleines Wollgrasnixchen aus dem Bruch. Er hatte ihr fünfzig Jahre lang den Hof gemacht, hatte ihr Blumen und Waldfrüchte, Perlen und Edelsteine gebracht, hatte Lieder zu ihrem Lob gesungen und abends vor ihrem Häuschen Musik gemacht auf einem Heuschreckenbein. Aber als er sie freien wollte, da hatte sie ihn ausgelacht und ihm gesagt, er solle sich unter den Krickenten vom Moor eine Braut suchen, die hätten gerade Patschpatschfüße wie er.
Da war er traurig weggegangen zu der alten Eiche, aus deren Rindenriß schäumender Meth floß. Da verkehrte eine liederliche Gesellschaft von durstigen Brummfliegen, Admiralen, Trauermänteln, Hornissen und Hirschkäfern. Vier Wochen hatte er da herumgesumpft, hatte jeden Morgen einen gräßlichen Kater gehabt und jeden Abend einen Rausch. Und als der Meth nicht mehr floß und die lustigen Zechbrüder alle davonflogen, da wanderte er in die Unterwelt und trank Minne mit den Erdzwergen, den Leuten mit den toten Herzen, und blieb da solange, bis sein Herz abgestorben war.
Das war nun schon schrecklich lange her. Aber der wicht dachte in jedem Frühling wieder daran, wenn die Birkhähne balzten, wenn die Dullerchen lullten, wenn der Pieper sang und abends aus dem Dorfe da hinter der Heide Lachen und Singen und Juchen zu ihm herüberklang. Dann zog er seine Runzelstirn in viele hundert Falten, schimpfte mit den Steinschmätzern, die sich verliebt um das uralte Grab jagten, brummte mürrisch, wie eine alte Erdhummel und saß brummig, wie ein Maulwurf, unter der jungen Tanne, die vor dem Eingang zu seinem Steinhause wuchs.
Vor einigen Jahren war es gewesen, da hatten da drüben hinter dem Moor in den struppigen Sonnenschichten hundert rote Kreuzschnäbel gebrütet. Die hatten die langen goldbraunen Zapfen aufgeklaubt und den Samen gefressen und ihre Jungen damit gefüttert. Ein kleines Flügelsamenkorn war ihnen weggeflogen, der Südwind hatte es über das Moor gewirbelt und vor das Hünengrab geweht, da hatte es der Wicht in die Erde gesteckt, mit Tau begossen und gehegt und gepflegt. Darum war es eine so schöne schlanke Tanne geworden. Und auch darum, weil der Schäfer nicht seine Schnucken hinhütete, denn er fürchtete das alte Heidengrab. Alle anderen Tannen in der Heide waren von den Schnucken verbissen und krumm und kruzelich geworden, diese aber wuchs rank und schlank in die Höhe und unter ihr saß der Wicht und dachte an seine Jugend.
Im Winter aber, wenn der Schnee hart und fest auf der Heide lag, dann wanderte der Wicht in das Dorf und lebte bei dem alten brummigen Jagdhüter. Da wohnte er unter dem alten schwarzgeräucherten Steinherde, und wenn es Abend war und der alte Jagdhüter im Lehnstuhl saß und schmökte, dann fiedelte Puck auf einem Heuschreckenbein mit einer Fiedel aus einer Wieselrippe, und die Leute sagten dann, das täten die Heimchen.
Nun hatte der Jagdhüter eine Tochter, die war das schönste Mädchen im Dorf. Ihre Backen waren so weiß und so rot, wie die roten Glöckchen im Moor, und ihr Haar war so weich wie Wollgras und so goldig wie die Abendsonne im Fuhrenwald. Und die hatte einen Liebsten, der war Knecht im Dorfe. Er war der hübscheste und strammste Bengel weit und breit und fleißiger und nüchterner als alle andern, aber er war gerade so arm, wie seine Liebste. Und so gern er seine Liebste geheiratet hätte, es ging nicht, weil sie beide nichts hatten.
Und weil der Vater des Mädchens das wußte, darum litt er es nicht, daß die beiden miteinander gingen. Aber an jedem Sonntagabend im Frühling und Sommer trafen sie sich bei dem Steingrabe und saßen da und küßten sich und jammerten über ihre Armut. Anfangs hatte Puck sich über sie geärgert, denn küssen und kosen sah der wicht nicht gern. Aber da sie so still und ernst waren, so mochte er sie schließlich gern leiden.
Und dann hatte er auch Grund, beiden gut zu sein. Lieschen, die Tochter des alten Waldhüters, war ein gutes Mädchen. Sie hatte einmal morgens in der Herdasche die Spuren der Entenfüße von ihm entdeckt und hatte ihre alte Muhme gefragt, was das wäre. Und die war eine kluge Frau, die von heimlichen Dingen Bescheid wußte, und sie sagte ihr, das wäre wohl ein kleiner armer Wicht, der nicht Weib noch Kind hätte. Das tat dem guten Mädchen leid und sie stellte von da ab jeden Abend auf einem Puppentellerchen für den Kleinen Speise und in einem Fingerhut Milch oder Honigbier hin. Und wenn gebacken wurde, dann backte sie ihm extra einen kleinen Kuchen, und wenn geschlachtet wurde, dann band sie ihm eine kleine Wurst. Und jeden Morgen war alles aufgegessen.
Johann, der Knecht, hatte bei dem Kleinen auch einen Stein im Brett. Denn vor zwei Jahren hatte sein Bauer ihm gesagt, er solle mit Bohrer und Pulver hingehen und das Hünengrab zerschießen, denn er brauche Steine für ein Stallfundament. Johann aber hatte gesagt, das täte er nicht, denn er wollte nicht den Platz zerstören, wo er so oft mit seinem Lieschen gesessen hatte. Da hatte der Bauer geschimpft und ihm gekündigt und der Knecht war heim Amtmann in Dienst gegangen und hatte dem erzählt, warum der Eichenbauer ihm gekündigt hatte. Da hatte der Amtmann an den Drosten geschrieben und der hatte der Gemeinde bei Strafe verboten, das Steingrab zu zerstören. Das hatte Puck gehört, als Lieschen ihrem Vater das erzählte, und er war dem hübschen Knecht sehr dankbar dafür, denn so versteinert war des Wichts altes Herz doch nicht.
Nun war es wieder einmal Weihnachtszeit geworden. Die Bauern waren alle zur Stadt gewesen und halten eingekauft zum Heiligen Abend. Im ganzen Dorf war alles voll Vorfreude, nur in des Waldhüters Haus sah es nicht festlich aus. Da ging das blonde Lieschen mit dick geweinten Augen herum, und der Alte brummte und knurrte den ganzen Tag. Denn er wollte, daß Lieschen den Krämer heiratete, den alten, dem das hübsche Mädchen gefiel. Aber die wollte ihn nicht, und sie aß und trank nicht und sah ganz blaß und miesepetrig aus. Und abends, als der Alte vor das Holz ging, um für den Bauermeister einen Hasen zu schießen, da kam Johann. Er sah auch blaß und traurig aus, und manchmal kullerte ihm eine Träne über das Gesicht.
Traurig saßen die beiden Liebesleute da, Hand in Hand und weinten und seufzten. Lange sah der Wicht aus seiner Herdecke ihnen zu, aber schließlich taten sie ihm doch zu leid. Und er trat aus seinem Winkel heraus, stellte sich vor sie hin und fragte sie mit seiner dünnen Stimme, was ihnen fehlte.
Da fuhren die beiden zusammen, denn sie sahen ihn nicht. Aber da nahm er seine rote Zipfelmütze ab und sie erkannten ihn. Sie lachten nicht über seine Entenfüßchen, sie lachten nicht über seine Krötenhändchen und seinen Mausebart, und da fragte er sie nochmals nach ihrer Not.
Und sie erzählten ihm von ihrer Liebe und von ihrer Not und sagten ihm, wie schrecklich es wäre, daß beide so blutarm wären, wie die Kirchenmäuse, so arm, daß sie nie daran denken könnten, Mann und Frau zu werden, und sie weinten bitterlich.
Da wurde es dem Kleinen ganz wunderbar ums Herz, und er dachte daran, wie lieb Lieschen immer zu ihm gewesen war und, was er Johann zu verdanken hatte, und plötzlich fielen ihm seine Schätze ein, und daß er damit den beiden Liebesleutchen helfen könne. Und da lachte er seit tausend Jahren wieder zum erstenmal, und winkte dem Knecht und sagte ihm er solle eine Schute und einen Sack nehmen und ihm folgen. Und dann ging er mit ihm über die verschneite Heide bis zu dem Hünengrabe. Und dort lief er rund um die Tanne und trat mit seinen Patschfüßchen einen Kreis in den Schnee und sagte, so solle er die Tanne ausgraben. Und das tat Johann, und als er die Tanne mit vieler Mühe herausgerissen hatte, da funkelte und glitzerte es im Mondlicht in dem Loche von Gold und Geld, Perlen und Edelsteinen. Und alles das gab ihm der Wicht und sagte ihm, die Tanne solle er mitnehmen, schön aufputzen und nach Weihnachten vor dem Hause des Waldhüters eingraben.
Das wurde eine frohe Weihnacht am nächsten Abend. Mitten auf dem Fleet stand die junge Tanne mit ihrem Wurzelboden und darunter lag der Schatz. Und nach Weihnachten ging Johann in die Stadt und verkaufte all das blanke Zeug, und von dem Erlös kaufte er Äcker und Wiesen und Holz und baute an Stelle der alten Kate ein großes Haus und das bezog er im Sommer mit Lieschen.
Und da er fleißig und sparsam war, zahlte er dem Wicht das ganze Darlehn in zehn Jahren zurück. Und jeden Winter wohnt der Kleine bei ihnen und bekommt das Beste aus Keller und Küche.
Die Tanne aber ist groß und schlank geworden, und in ihr brütet im Sommer ein Amselpaar.
Und wer die Geschichte nicht glaubt, der gehe nach dem Wichtelhofe. Da kann er die Tanne sehen und Lieschen, die jetzt aber die Wichtelhofbäuerin heißt. Und schon daran, daß die Leute vom Wichtelhof keine Enten halten, um ihren Herdgeist nicht an seine Patschfüße zu erinnern, sieht man, daß es mit dem Wichtelhof ein heimliches Ding ist.
Druck und Einband von Hesse L. Becker in Leipzig