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Die Tanzjungfern

In Wulfshorn war Erntebier. Hermen Beer, der Vollmeier, hatte seine Diele dazu hergegeben. Von Nachmittag an saßen der stumme Hein, der lahme Krischan und der blinde Jan dort auf vier Bohlen, die über zwei Futtertröge gelegt warm, mit Flöte, Fiedel und Brummbaß und spielten dem jungen Volk zum Tanz auf.

Es war ein reiches Jahr gewesen, das erste gute Erntejahr nach dem langen Kriege; die Wiesen hatten dreifachen Schnitt Nahrung. gegeben, das Stroh war lang, die Ähren waren schwer, Maifrost und Junihagel waren ausgeblieben, Sonne und Regen hatten ein um den andern Tag gewechselt, da konnte schon etwas daraufgehen.

So gellte denn die Flöte, quietschte die Fiedel, brummte der Baß in einem fort; die Röcke flogen, die Nagelschuhe dröhnten, die Mädchen kreischten, die Burschen johlten, und die Gläser wurden schneller leer als voll.

Die Hühner waren längst hinter die Raufen gekrochen, die Eule hatte schon öfter geschrien, und die Fledermäuse fuhren um die Mährenköpfe am Giebel, und noch immer dauerte das Tanzen an. kaum daß die jungen Leute sich Zeit zu einem Happen Essen gönnten, dann drängten sie sich wieder auf die Diele und tanzten und tanzten mit roten Köpfen und blitzenden Augen.

Am tollsten tanzten Hermen Beers vier Töchter, die schönsten Mädchen weit und breit; aus einem Arm flogen sie in den andern, von einer Brust an die andere, und wenn eine einmal aussetzte, so war es nur, um einen Schluck zu trinken, mit dem Tuche über das Gesicht zu fahren oder um eine aufgegangene Flechte festzumachen.

Elsebe, Veve, Engel und Dette hießen sie; sie hatten alle das Beersche Gesicht, aber keine war wie die andere; Elsebe war hellblond und klein, Veve schwarz und groß, Engel braun und schmal und Dette rot und breitschulterig.

Die Uhr ging auf Mitternacht; die meisten Tänzer und Tänzerinnen waren schon nach Hause gegangen, Jan, Hein und Krischan konnten kaum mehr spielen, aber immer wieder füllte ihnen eines der Mädchen den braunen Krug voll Honigbier oder steckte ihnen eine Wurst zu, daß sie noch einen spielten.

Alle vier Mädchen waren versprochen verlobt. und sollten im Mai Hochzeit halten. Ihre Verlobten mochten nicht mehr tanzen; mißmutig, müde und erhitzt standen sie an den Türen und sahen den Mädchen zu, die zu zweien und zweien sich miteinander nach dem Takte der Fiedel und Flöte drehten.

Die Dorfuhr schlug zwölf, der Sonntag hatte begonnen. Hermen Beer kam und mahnte zum Schlafengehen; aber die Mädchen wollten noch tanzen, einen noch; tanzen, tanzen, tanzen, immerzu tanzen.

Bis morgen früh, flüsterte die blonde Elsebe; den ganzen Sonntag, lachte die schwarze Veve; mein Leben lang und noch einen Tag, seufzte die braune Engel; die ganze Ewigkeit, rief die rote Dette.

Da fuhr der Wind von allen vier Seiten über die Diele, und vier Männer traten in das Haus; blond war der eine und blauäugig, hatte einen Ölhut auf und Schifferstiefel an; er faßte die blonde Elsebe und tanzte mit ihr einen schweren Tanz, den keiner kannte.

Schwarz war der zweite, seine Schuhe waren bunt gebunden, rote Bänder waren an seinem Hut, und ein rotes Tuch gürtete seine Lenden; er nahm die schwarze Veve und schwenkte sie in einem wilden Reigen, der im Lande noch nie gesehen war.

Braun war der dritte mit dem Knebelbart und dem Netz in dem lockigen Haar; er faßte die braune Engel und drehte sie auf eine Weise, deren sich keiner erinnern konnte.

Der vierte hatte rotblondes Haar, eine Pelzkappe darauf, Juchtenstiefel an und ein buntgesticktes Hemd, das tief über die faltigen Pumphosen fiel; er trat vor die rote Dette, klatschte in die Hände, schlug die Hacken aneinander, daß die Sporen klirrten, und wirbelte mit dem Mädchen herum, daß allen, die zusahen, angst und bange wurde.

Hermen Beer und seine vier Schwiegersöhne wollten Einspruch erheben; aber die vier Fremden hatten etwas Böses in ihren schönen Gesichtern, und die Scheidemesser, die sie am Gürtel trugen, waren lang und blank. Die fünf Bauern ballten die Fäuste in den Taschen und sahen mit verkniffenen Gesichtern zu.

Die vier Paare aber tanzten, sie tanzten, daß man nur einen bunten Wirbel sah, aus dem heiße Backen und glühende Augen herausleuchteten. Die Diele dröhnte, der Staub flog, Fiedel, Flöte und Baß schrillten, gellten und brummten wie wahnsinnig, denn die Fremden warfen ein blankes Stück nach dem andern den Krüppeln zu.

Eine geschlagene Stunde dauerte das tolle Tanzen. Da fuhr wieder der Wind von vier Seiten über die Diele, daß die buntbebänderten Tannengewinde zerrissen und die Laternen hoch aufblakten; so mächtig war der Windstoß, daß die fünf Bauern und die Musiker an die Wände geworfen wurden. Als sie sich wieder aufhalfen, war die Diele leer.

Draußen aber pfiff und flötete, sang und klang es, das Laub flog von den Zweigen, das Obst fiel von den Ästen, das Stroh stob von dem Dach, und alle Hunde heulten hohl.

Die Leute liefen aus den Türen und sahen nach dem Himmel. Staub wirbelte die Straße entlang und tanzte in Kringeln durch die Grasgärten; in den Lüften schrie und jauchzte es, und vier große Wolken stoben in wilden Wirbeln nach allen vier Windrichtungen.

Kein Mensch hat die vier Mädchen wieder gesehen. Wenn der Nordwind durch die kahlen Äste pfeift, dann sagen die Leute im Dorfe, sie hörten Elsebe juchen, und wenn der Südwind in der Aprilnacht durch die knospenden Kronen fährt, meinen sie Veves Stimme zu vernehmen, aus dem Abendwind wollen sie Engels Schluchzen heraushören und Dettes Lachen aus dem Wind, der von Morgen weht.

Kommt aber alle zehn Jahre einmal ein großer Wirbelwind, der die Bäume im Walde zu Hunderten umwirft und die Dächer abdeckt, dann sagen sie: »Hermen Beers Mädchen halten heute Tanzfest!«


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