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Der Hexenbrenner

Pater Christoph liegt im Sterben,
Und weil immer er getan,
Was die heilige Kirche vorschreibt,
Sieht den Tod er ruhig an;
Beichtet, was nicht wert der Beichte,
Nimmt das letzte Sakrament
Und empfiehlt die reine Seele
In des lieben Herrgotts Händ'.

Als die Seele schwach und elend
Nun im dunklen Jenseits stand,
Sie zu ihrem größten Schrecken
Gar nicht sich zurechte fand;
Sehr vermißte sie den Engel,
Der den wahren Weg ihr wies,
Und es schien ihr nicht sehr freundlich,
Daß man sie alleine ließ.

Und sie schwirrte hin und wieder,
Und sie schwirrte hin und her,
Und sie murrte und sie knurrte
Und sie fluchte schließlich sehr:
»Dazu hat man nun auf Erden
Sich nicht Kuß noch Kind gegönnt,
Daß man hier nun wie ein Schwanzstern
Köpflings in die Runde rennt.

Über fünfzig Hexen hat man
Zu der Hölle hinspediert,
Alles Weinen, alles Winseln
Hat mir nicht den Sinn gerührt;
Und besonders bei der einen
Kam es gar nicht leicht mich an.
Denn man war doch jung und kräftig
Und war schließlich auch ein Mann.

Himmelblau war'n ihre Augen
Und wie Sonnenschein ihr Haar,
Und ihr Leib war schön, wie schöner
Nicht der von Frau Venus war;
Selbst als er zerfetzt und blutig
Wimmernd in den Ketten hing,
Sündlich Fühlen mir wie Feuer
Über Leib und Lenden ging.

Doch ich rang die Sünde nieder
Und ich trat den Teufel tot,
Und ich lag in meiner Zelle
Nackt bei Wasser und bei Brot;
Und ich betete und büßte,
Und ich rief den Himmel an,
Und in Hunger, Frost und Elend
Ich den sauren Sieg gewann.

Doch, wenn ich es recht bedenke,
Finde ich, ich war sehr dumm,
Daß ich selber mir die Pforte
Schloß zu dem Elysium;
Beten, fasten und kasteien
Tat ich all mein Leben lang,
Und nun wird man so behandelt,
Und das ist dafür der Dank!«

Und er quält sich und er härmt sich
Drei Millionen Jahre hin,
Hat den Himmel längst vergessen,
Hat das Hexlein nur im Sinn;
Hexlein mit den blauen Augen,
Hexlein mit dem blonden Haar,
Mit dem blütenweißen Leibe,
Der so jung gestorben war.

Und die arme Seele flattert
Wimmernd vor das Höllentor;
»Laura,« ruft sie, und ein Teufel
Nied'ren Grades tritt hervor:
»Ihre Laura, werte Seele,
Ist hier gänzlich unbekannt.«
Ganz verdonnert Pater Christophs
Seele auf der Treppe stand.

Und sie flattert wieder weiter
Und zum Fegefeuer hin,
Doch die Auskunft, die ihr wurde,
Ward ihr auch nicht zum Gewinn;
In der Hölle keine Laura?
Und im Fegefeuer nicht?
Sollte sie im Himmel weilen?«
Seufzt der ganz verdutzte Wicht.

Zaghaft naht er sich der Pforte,
Und er pochet scheu und bang,
Und das Tor des Himmels öffnet
Weit sich ihm mit hellem Klang;
Und am Tor steht seine Laura,
Schön wie sie auf Erden war,
Mit den himmelblauen Augen,
Mit dem sonnenblonden Haar.

Und er zögert, und er dienert,
Und er fragt: »Ist es erlaubt?
Habe dir dein junges Leben
Einst in blödem Wahn geraubt;
Ich, der Pater Hexenbrenner
Stürzte dich in Not und Qual,
Und nun willst du meine Seele
Führen in den goldnen Saal?«

Doch das Hexlein lacht und alle
Engel lachen mit im Chor,
Und aus seiner Demantlaube
Tritt der liebe Gott hervor;
Und er füget ihre Hände,
Und die Seelen küssen sich;
Gottes Sohn, der lächelt freundlich,
Doch der Geist spricht feierlich:

»Glaubst du denn, wir hier im Himmel
Haben irdisches Gemäß,
Messen eure armen Sünden
Mit dem amtlichen Gefäß?
Nein, wir werten nur die Liebe,
Gab sie sich auch plump und dumm:
Wer geliebt hat, der hat Zutritt
Einstmals zum Elysium.«

Und er schämt sich ganz gehörig,
Und dann spricht er seinen Dank,
Und dann küßt er seine Laura
Zehn Millionen Jahre lang;
Und die Engel stehen alle
Dicht geschart und ihr Gesang
Lehret ihn des Himmels Satzung,
Die verfehlt er allzulang:

Von dem Mond bis zu der Sonne,
Das ist wohl ein weiter Weg,
Von der Erde bis zum Himmel
Führt ein ewiglanger Steg;
Alle Reue, alle Buße
Kürzt dir nicht des Weges Pein,
Nur die Liebe kann dir helfen,
Daß du gehst zum Himmel ein.


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