Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Brummelchen

Es war einmal ein Hummelchen, das hieß Brummelchen.

Es war ein dickes, lustiges, gräßlich verliebtes Pummelchen und wollte schrecklich gern einen Mann haben.

Aber so verliebt es war, so wählerisch war es auch. Es fehlte ihm nicht an Freiern; doch an jedem hatte es etwas auszusetzen.

Der Schillebold war so mager; der Laufkäfer priemte; der Schwalbenschwanz war zu flatterhaft; der Hirschkäfer kneipte zu sehr; der Ligusterschwärmer trieb sich abends zu viel herum; der Nashornkäfer hatte einen Hängebauch; der Totengräber einen anrüchigen Beruf; der Maiwurmkäfer schwitzte zu stark; und so ging es weiter.

Mochte kommen, wer da wollte, und wenn er auch die ernsthaftesten Absichten hatte, Hummelchen überlegte und überlegte sich die Sache so lange, bis es dem Freier zu langweilig wurde und er sich eine andere Frau suchte. Der Frühling ging hin und der Sommer kam, und noch immer war Hummelchen ohne Mann. Als sie sich eines Morgens in einem Tautropfen spiegelte, sah sie, daß sie anfing, bedenklich alt zu werden. Ihr seidenweiches Haar wurde spröde und verlor seinen Glanz, die Flügel hatten abgestoßene Ränder, ihre Taille war nicht mehr so schlank wie im Mai, und ihre Hüften gingen immer mehr in die Breite.

Sie erschrak ganz fürchterlich. Eine alte Jungfer wollte sie auf keinen Fall werden, und sie nahm sich vor, den ersten besten Mann zu erhören, der ihr einen Antrag machte. Darum verlobte sie sich schleunigst mit einem schon ziemlich bejahrten Eichenbocke. Es gefiel ihr zwar nicht, daß er so gut wie gar nicht sprach, sondern wo er ging und stand in greisenhafter Weise vor sich hin zirpte, auch waren ihr seine Fühlhörner viel zu lang, und daß er sich schnürte, fand sie albern, aber schließlich war es doch ein Mann, und das war die Hauptsache. So wurde alles für die Hochzeit vorbereitet, die Gäste wurden geladen, Bestellungen gemacht, die Wohnung wurde geschmückt. Aber als die Trauung vor sich gehen sollte, war alles da, bis auf den Bräutigam. Man wartete und wartete, aber er kam nicht, und als man ihn suchen ging, fand man ihn tot vor, oder vielmehr bloß noch seine Hülle, denn den Inhalt hatten sich die Ameisen zu Gemüte geführt.

Hummelchen raufte sich die Fühlhörner und schluchzte bitterlich, doch weniger aus Kummer um den Toten, sondern weil sie sich blamiert vorkam, und auch der Unkosten wegen, denn der Bräutigam war ein armer Teufel gewesen. Hummelchen fand es rücksichtslos, daß er vor der Hochzeit tot gegangen war, denn als junge Witwe, so meinte sie, hätte sie bessere Aussichten gehabt denn als spätes Mädchen. Anstandshalber trug sie acht Tage Trauer und lebte sehr zurückgezogen, was ihr nicht sehr schwer wurde, weil es in einem fort regnete. Sobald aber die Sonne wieder schien, legte sie die Trauer ab, machte sich so fein, wie es ihr Alter und ihre Mittel erlaubten, und sah sich aufs neue unter den Junggesellen und Witwern um.

Es dauerte auch nicht lange, da lernte sie einen Herrn kennen, der ihr im großen und ganzen recht gut gefiel. Er war etwas größer als sie, breitschultrig, von gemessenem, aber liebenswürdigem Benehmen. Freilich haftete ihm so eine Art von Pferdestallgeruch an, doch Hummelchen gewöhnte sich sehr bald daran. So verlobte sie sich mit ihm, machte als strahlende Braut bei allen Freunden und Bekannten Besuche und sah sich im Geiste schon als junge Frau. An der Verwandtschaft ihres Zukünftigen hatte sie freilich allerlei auszusetzen, denn einige der Vettern und Basen dufteten schon nicht mehr nach Stall, sondern nach Dünger, und einige der Herren, die ein recht bäuerliches Benehmen zeigten, wirkten auf Hummelchens empfindliche Geruchsnerven gerade so, als ob sie eben Jauche gefahren hätten. Sie beschloß bei sich, sobald sie erst verheiratet sei, sich diese Gesellschaft vom Leibe zu halten.

Große Bedenken machte ihr allerdings die Küchenfrage. Sie hatte ihren Bräutigam einmal zu Mittag eingeladen, aber er roch kaum an dem Honig und dem Blütenstaub und sagte, er habe sich den Magen verdorben. Sodann war es ihr unbequem, daß ihr Verlobter mit ihrer Kleidung nicht zufrieden war. Er meinte, Pelz trüge eine anständige Frau nicht im Sommer, und die goldenen Volants paßten ihm auch nicht; eine Frau aus seinen Kreisen trüge sich ganz einfach, am besten schwarz, sagte er. Auch fand er es auf die Dauer lästig, daß seine Braut in einem fort vor sich hinsummte. Er, sagte er, täte das nur, wenn er flöge, und dasselbe wünsche er auch von ihr. Brummelchen tat ihm den Gefallen und stellte ihr Gesumme ein, wenn sie mit ihm zusammen war, dachte aber dabei: »Laß uns man erst Mann und Frau sein; dann werde ich summen, wann es mir paßt.«

Eines Tages sagte ihr Bräutigam, sein Oheim Schrummbumm habe Namenstag und gäbe ein Essen, und dazu müßten sie beide hin. Brummelchen paßte das durchaus nicht, denn von der ganzen Verwandtschaft konnte sie den alten Schrummbumm am allerwenigsten ausstehen; er roch allzu stark ländlich, hatte allerlei schlechte Angewohnheiten und machte in Damengesellschaft Witze, die schon nicht mehr schön waren. Aber da sie ihren Bräutigam nicht erzürnen wollte, so sagte sie zu. Doch wie wurde ihr, als sie sich zum Essen hinsetzte! Es gab geschmorte Fliegenbäuche mit sauren Maden als Beilage, geräucherte Regenwürmer und gräßlich, aber wahr, Mistklöße! Nun merkte Brummelchen, was ihr Bräutigam war, denn er hatte sie bisher über seinen Beruf im Unklaren gelassen. Sie rümpfte ihre Nase, hielt ihr nach Veilchen duftendes Taschentuch vor den Mund, erklärte dann, ihr sei nicht gut und sie müsse sich zurückziehen, und als die ganz« Mistkäfergesellschaft darüber tuschelte, und der Oheim, dieser Rüpel, sich ganz laut über sie lustig machte, wurde sie heftig, löste die Verlobung auf und flog nach Hause.

Nach drei Tagen sah sie ein, daß sie eine große Dummheit gemacht habe. Jünger wurde sie nicht, das war ihr klar, und im Alter so ganz allein zu sein, das war nicht ihre Sehnsucht. Außerdem merkte sie, daß sie ihren Bräutigam eigentlich sehr gern gehabt habe, und dann dachte sie, sie würde ihm mit der Zeit schon bessere Gewohnheiten beibringen und ihn an eine anständige Kost gewöhnen. Es ging ihr ja sehr gegen den Strich, daß sie gewissermaßen Abbitte tun sollte; doch sie bezwang ihren Stolz und flog nach dem hohlen Fliegenpilze, in dem ihr Entlobter wohnte. In gutem Vertrauen klopfte sie an, denn sie glaubte, er würde sie mit offenen Armen wieder aufnehmen. Doch sein Diener, ein frecher Halbflügler, erklärte ihr mit spöttischer Miene, sein Herr sei für sie nicht zu sprechen, und schlug ihr die Tür vor der Nase zu, und sein Hund, ein bissiger und schmieriger Aaskäfer, bellte sie so wütend an, daß sie sich vor Angst nicht von der Treppe herunter traute.

Als sie da nun so stand und zitterte, kam Fiedelfritze um die Ecke, ein etwas verbummelter Heuschreck, der auf den Dörfern zum Tanz aufspielte, scheuchte den Hund zurück, bot ihr seinen Arm und geleitete sie die Treppe herunter. Fiedelfritze hatte sich schon früher um ihre Hand beworben; Brummelchen hatte ihm aber einen Korb gegeben, weil ihr Ehrgeiz weiter ging, als die Frau eines fahrenden Musikers zu werden, der weiter nichts besaß als seine Fiedel und einen großen Durst. Er war damals sehr geknickt gewesen und hatte sogar einen Selbstmordversuch gemacht, indem er sich in ein Kreuzspinnennetz stürzte. Da es aber unbewohnt war, so mißlang ihm sein Vorhaben zum Glück, und alle paar Tage brachte er Brummelchen ein Ständchen, denn er liebte sie treu und innig.

Jetzt war sie froh, daß sie ihn hatte; sie drückte seinen Arm zärtlich und machte ihm süße Augen, daß sein Herz Polka tanzte und er ihr schleunigst einen Antrag machte, den sie mit holdem Erröten annahm. Acht Tage später war sie Frau Heuschreck, und da ihr Mann das Herumziehen aufgab, weil sie es ihm zu Hause gemütlich machte, so lebten beide in Glück und Frieden, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch.


 << zurück weiter >>