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Der silberne Baum

Die Sonne brannte auf das hohle Moor; duster lag es da, ein unabsehbarer brauner Plan; keine Birke, keine Fuhre stand darin, keine Blume wuchs daraus hervor; wenn es da und dort und hier blau schimmerte, weiß leuchtete, rot hervortauchte und silbern blitzte, dann waren es nur die blauen Beiderwandsröcke und weißen Hemden der Bauern, nur ihre braunen Arme und blanken Schuten; denn es war die Zeit der Torfernte, und alles, was in Ulenhagen noch kräftig war in den Knochen, war im hohlen Moor.

Vom Kiwittruf bis zur Ulenflucht traten Birkrindenschuhe die Schuten in die Torflager, hoben braune Hände die Soden heraus; und wenn auch die Dullerche noch so schön vom Blauhimmel dudelte und der Pieper noch so lustig sein Lied schmetterte, keiner hörte auf sie, keiner stützte sich auf den Schutenstiel und ruhte aus einen Krähenschrei lang; in sengender Sonnenglut gruben sich die Ulenhägener ihren Winterbrand.

Bis einer von ihnen nach dem Pumpe ging, in dem versenkt die Birkholzflasche lag mit dem kühlenden Moosbeermost; als er getrunken hatte, reckte er sich und wollte wieder zur Schute greifen, da bekam sein Kopf einen Ruck; weit offen wurden seine Augen, die dahin sahen, wo weit hinter dem hohlen Moor, wie eine blaue Mauer, die hohen Fuhren bollwerkten; noch einmal sah er hin, dann nach rechts und nach links, und wieder nach den Fuhren, und dann rief er seinen Nachbar an und zeigte nach der Fuhrenmauer, und der starrte mit offenen Augen ungläubig dahin, und einer sagte es dem andern, und alle Schuten blieben im Torf stecken, alle Männer und Jungens und Frauen und Mädchen liefen auf einen Haufen zusammen; und die Leute aus Ulenhagen, die stillen und wortarmen, sprachen und schrien durcheinander und wiesen nach den hohen Fuhren, hinter denen ein dünner schwarzer Rauchfaden in die blaue Luft zog, ein Rauchfaden, wie ein Stiel an dem oben ein langes schwarzes Rauchbanner wehte.

Noch hatte die Sumpfeule sich nicht gemeldet, noch die Schnepfe nicht gemeckert, noch keine Dommel gebrüllt, noch war kein Frosch laut, und doch zogen sie schon alle zum Dorfe, immer stehen bleibend und nach den Fuhren sehend, hinter denen auf schwarzem Rauchstiel das schwarze Rauchbanner wehte, auf derselben Stelle, wo sonst des silbernen Baumes lange weiße Zauberblüte geflattert hatte.

*

In das bunte Haus auf den schwarzen Bergen hinter den hohen Fuhren war ein Gast gekommen, ungebeten, ungemeldet; die großen Kettenhunde hatten aufgeheult, dumpf und häßlich, als er lautlos über den Hof ging, und winselnd waren sie in ihre Hütten gekrochen; die Hühner hatten aufgeschrien und waren in ihre Häuser gelaufen, und die hundert weißen Tauben flatterten wild hoch und stoben in ihre Luken; und der Fremde kam doch so leise.

Vor der Deelentür, der grünen, weißgezierten, stand der Silberbaum; wie grünes Glas, so klar und so hart, strebte der Schaft empor, dicker als die dickste der hundert Eichen, unter denen des Schwarzberghofes Häuser und Speicher und Ställe standen, und dreimal so hoch als die höchste von ihnen; oben an dem langen Schaft wehte und wogte in lauer Luft, wie aus Greisenhaar gewebt, so silberweiß und so lang, wie drei Gespanne, und so weich und so zart, wie Kinderhaar, des Silberbaumes Wunderblume.

Der Fremde sah den Baum von der Wurzel bis zur Blüte an, und es war, als ob er höhnisch lächelte; dann trat er unter den rot und weiß bemalten Mährenköpfen am Giebel auf die Deele; da fielen die Sensen von der Wand; er trat mitten unter die Knechte und Mägde, bis hinter den Hausvater, der da, drei Köpfe höher wie seine Insten, vor der funkenspritzenden Glut der Eichenstucken stand und finster in das Feuer sah. Eine junge Magd, ein Kind fast noch, aber mit sündigen Augen, trat zu dem Mürrischen und bot ihm den bunten Krug mit Honigbier, aber der Fremde schlug sie auf den runden braunen Arm, daß der Krug auf der Deele zerbrach; dann ging er dicht an den Zweihundertjährigen heran und schlug ihn in die Kniekehlen; da knickte der Alte zusammen. Seine Insten sprangen zu und führten ihn zu dem großen Ledersessel mit den Wolfskopfbacken; und mit geängstigten Augen sahen sie auf ihren Herrn, den bis zu dem Tage noch nie Siechtum noch Leid getroffen hatte.

Am andern Abend kam der Gast wieder; es heulten die Kettenhunde, die Hühner schrien und die Tauben flogen fort. Als der Fremde den Silberbaum sah. da lachte er, denn dessen sturer Schaft war leicht gekrümmt. Ein Krachen ging durch alle Balken, als er über die Deele ging mit leisem Fuß, der stille Gast, und alles Eisen klirrte im Hause. Im Lehnstuhl saß der Alte, vornherüber gebückt, und sah den jungen Wolfshunden zu, die um seine Füße spielten; wieder trat der stille Mann neben ihn und schlug ihn mit der Faust in den Rücken, daß er auf die Deele stürzte.

Am nächsten Abend kam der stille Mann zum dritten Male über den Hof; lauter noch heulten die Kettenhunde, schriller schrien die Hühner auf, wilder flatterten die Tauben; tiefer, fast bis auf das Strohdach, hing des Silberbaumes weiße Wunderblume. In der Dönze auf weichem Bärenfell lag der Zweihundertjährige; das steinerne Gesicht hatte Falten bekommen, die kalten Augen waren matt, die eisernen Hände zitterten; mit den welken Fingern hatte er nach Norden, nach Ulenhagen, gewiesen, mit stammelnden Worten seinem Vertrauten, dem greisen Schäfer, sein Vermächtnis gesagt: »Alles sei euer, doch die Frucht sei der Ulenhägener Erbtum!« Haßerfüllt glommen die halbtoten Augen dabei auf. Der Schäfer wollte ihm den Krug an die trockenen Lippen setzen, doch der Fremde schlug ihm den aus der Hand; dann holte er noch einmal aus und schlug den Alten in den vorgebogenen Nacken; da fielen die Augen zu, der Kopf sank schwer, wie ein Stein, in das braune Fell, und krachend zersplitterte auf dem Dachfirst der Stamm des Silberbaumes.

*

Leichenbrandgeruch war es gewesen, die Rauchsäule mit der Rauchfahne, was die Ulenhägener gesehen hatten; unter dem Geheul und Geschrei seiner Insten war des Alten Leib zerflogen in der züngelnden Glut harziger Stämme, und mit ihm dampften zum Himmel seine treuesten Hunde, seine besten Hengste, seine liebsten Falken, die der Steinhammer ihm mitgegeben hatte als Begleiter auf dem schwarzen Damm, der in das dunkle Land führt; drei Tage lang heulten die Weiber, schlugen die Knechte das Vieh, und dann rissen sie an sich, was das Haus barg an Leinen und Fellen, Waffen und Putz, und zogen fort aus der Wildnis; nur der greise Schäfer, der hundetreue, blieb, seines Herrn Vermächtnis zu erfüllen an den Bauern von Ulenhagen.

*

Vor zweihundert Jahren lag dort, wo sich des Schwarzberghofs Dächer unter den Eichen erhoben, ein Dorf mit stillen, fleißigen Heidjern, die ihren Hafer und ihre Rüben auf den Abhängen der Hügel bauten, die ihre Schnucken grasen ließen auf den dürren Triften und ihr Vieh auf der Wittbeck fetten Wiesen; in Arbeit und Zucht lebten sie ihr stilles Leben, fern von der Welt, die blauäugigen Blondköpfe; die braunen Händler vom Süden mieden das Dorf, denn seine Bauern sahen nicht auf Tand und Schmuck; die roten Backen, der klare Blick waren ihrer Mädchen schönster Schmuck; und wenn sie ein Irrweg hierhin verschlug, so zogen die Fremden bald weiter, denn Gold und Silber gab es hier nicht und den Bauern blieb keine Zeit, die Perlmuscheln aus der Wittbeck zu fischen.

Mißtrauisch waren die Augen der Mädchen, als eine von ihnen über der Brust blanken Schmuck trug: sie sagte, die fremden Händler hätten ihr das blanke Ding gegeben, weil sie ihnen den Weg gezeigt hätte durch das hohle Moor; doch keine glaubte es, und bei der Aust tanzte keiner mit ihr außer dem, mit dem sie immer ging; lange hatte sie sich gesträubt, die Lustige, dem Stillen in sein Haus aus Eichenbalken und Ortstein zu folgen, aber als die andern Mädchen sie mieden, nahm sie seine Hand. Sie gab ihrem Mann einen Sohn und starb.

Braunhaarig und schwarzäugig war der Junge, ein Sonderling in Haar und Gesicht zwischen den blonden Blauaugen, und sonderlich war auch seine Art, als er anwuchs; er kannte keine Scheu vor dem Alter, kein Mitleid mit dem Vieh, wußte nichts von Treu noch Glauben schon als Junge; schnell war er mit der Zunge und flink mit der Faust, rachsüchtig im Herzen. So stand er bald ganz allein; da er sie alle von sich stieß in seiner Bosheit und Gier, so sprachen die Frauen, seiner Mutter Spielgefährtinnen, wieder von dem blanken Ding, das die Tote am Halse getragen hatte, als die braunen Männer das Dorf verlassen hatten, und deuteten auf sein braunes Haar und seine schwarzen Augen, so schwarz und tückisch, wie die Pümpe im hohlen Moor. Da wurde das Gatter zwischen den andern und ihm noch höher. Als dann sein Vater starb und er so allein war im Dorf, wie der Wolf auf der Heide, da suchte er sich ein Mädchen unter den blonden Blauaugen; er arbeitete mehr als die Blonden, er tanzte besser als die Blauäugigen, seine Worte klangen schöner als der weißstirnigen Jungkerle Rede, aber alle Mädchen gingen vor ihm zurück.

Da kamen wieder einmal braune Männer vom Süden, und er zog mit ihnen; aber draußen, vor dem Dorfe, nahm er einen Stein auf und warf ihn in die grüne Saat und drohte nach den Häusern hin.

Nach langen Jahren kam er wieder mit fremdem Volk; die rissen seiner Eltern alte Hütte nieder und bauten ein hohes buntes Haus; in der Nacht nach dem Richtefest ging er blank und bloß durch die Feldmark des Dorfes, in der Hand ein blutrotes Tuch; da sprangen alle Grenzsteine hundert Fuß zurück. Er klopfte an alle Ställe mit rotumbänderter, dreifach gegabelter Eibenrute; da trug andern Tages jedes dritte Stück Vieh, jedes dritte Pferd, jedes dritte Schaf sein Brandmal, das doppelte Dreieck. Er warf einen glimmenden Machangelspan in das Gemeindeholz und jeder dritte Baum trug sein Zeichen. Drei Dinge nahm er und warf sie in ein Loch, das er vor der Deelentür seines bunten Hauses grub: den Schmuck seiner Mutter, den Stein, den er beim Fortgehen nach dem Dorfe geworfen, und ein Stück Brot, das er von einem Kinde gebettelt hatte; darauf legte er den Samen des Silberbaumes. Knallend platzte die Frucht, und in die Höhe strebte der Baum, mit dem Schaft, wie grünes Glas, mit der Blume, weiß wie Greisenhaar und weich wie Kinderlocken.

Überall, wohin der weißen Blume Flocken flogen, dorrte Wiese und Feld; Heide, Moor und Sand wuchsen herauf, aber nur anderer Leute Land befiel des Zauberbaumes Fluch. Seine Nachbarn gruben und pflügten von früh bis spät, aber sie hatten keine Ernte: sie säeten Korn und ernteten Heide, sie streuten Hafer und heimsten Binsen, sie pflanzten Rüben und sahen Risch wachsen aus ihrem Schweiß. Einer nach dem andern ging fort aus dem Dorf und weit, weit von dem Berge, hinten im Moor, quälten sie in Last und Mühe dem Sumpf und dem Sand eine neue Feldmark, ein neues Dorf ab, das Dorf Ulenhagen.

Sie rangen mit dem Moorfieber und kämpften mit den Mücken, die im Juni über den Sümpfen standen wie Moorrauchwolken so dicht, und Jahr für Jahr drängten sie den Treibsand weiter zurück und setzten jedes Jahr mehr grüne Flicken auf das braune Kleid des Moores.

Oben auf seinem Berge stand der Ausgestoßene und sah das Dorf da unten auf der Kante von Moor und Geest herauswachsen, aber weiter als eine Stunde reichte sein Zauber nicht; wer aber aus dem Dorfe über seine Grenze kam, wer irre ging im Moor, der war gebannt beim ersten Schritt über die Grenze; dann kam der Schwarzäugige und band ihn los, und als Leibeigner mußte er ihm folgen, ihm untertan sein mit Leib und Seele.

Oft lagen die Ulenhägener an der Grenze und lauerten ihn ab, um dem Unhold den Pfeil in den Leib zu jagen; aber er hatte sich fest gemacht, und kraftlos fielen die Pfeile an seinem Kittel nieder. Da gruben sie an der Grenze entlang eine doppelte Landwehr, leiteten die Moorwasser in die Gräben, daß keiner der ihren mehr irre gehen konnte und dem Verderben anheimfiel.

Denn auf dem Berge war ein wildes Leben bei Trunk und Knöcheln und frechen Weibern; der Böse säete nicht und erntete reich, der silberne Baum machte ihm eine Stunde in die Runde untertan alle Kräfte von Erde, Wasser und Wind und gab ihm stete Gesundheit und dreifaches Menschenalter. So lebte er, dunkelhaarig und nachtäugig, zweihundert Jahre in Lust und Leichtsinn, bis der Zauberbaum seine Kraft verlor und der ungebetene Gast kam und ihn dreimal schlug: in die Kniekehlen, in das Kreuz und in das Genick.

*

Mitten in Ulenhagen stand die alte Linde, mit breiten Zweigen weit den runden Platz beschattend: hundert große Steine lagen unter ihr; Sitze für die Bauern, wenn sie der Gemeinde Wohl berieten; an Lederriemen hing ein Brett an dem tiefsten Aste der Linde, und zwei Steinhämmer hingen daneben.

Siebenmal und dreimal rief der helle Ton der Hillebille über das Dorf; da kamen sie aus den Türm, die Hausväter, die Männer mit den ernsten, stillen Gesichtern, und jeder nahm den Steinsitz ein, der seinem Hofe erbtümlich war; der Bauermeister saß auf dem Doppelstein an dem Lindenstamme, vor ihm stand der Schäfer vom Berge; zwischen ihnen lag auf der Erde ein Fellsack.

Der Bauermeister blickte in die Runde, und als er sah, daß kein Sitz frei war, sprach er langsam und laut: »Ich habe euch geladen unter die Linde, damit ihr mir saget euren Willen, daß ich ihn erfülle. Der Schäfer des Mannes vom Berge, der Knecht unseres Feindes, bringt uns seines Herrn Vermächtnis; des Zauberbaumes Samen ist es; pflanzen sollen wir ihn in unserer Feldmark, daß uns untertan sind rundherum alle Kräfte in Erde und Wasser und Wind. Der Jüngste von uns soll seinen Spruch tun und der Älteste, und dann bleibet oder gehet, um euren Willen zu zeigen.«

Der Bauermeister winkte dem Schäfer; der knüpfte die Riemen des Fellsackes auf und nahm ein Ding heraus, groß wie ein Kindskopf, glatt wie ein Ei, schillernd in allen Farben. Mit Staunen sahen die Bauern das seltsame Samenkorn. Der Jüngste von ihnen aber tat seinen Spruch: »Zwei Jahrhunderte hat uns der Mann im Berge Böses getan, doch hat es den Einsamen gereut; Macht und Kraft und Herrlichkeit gibt der Zaubersamen. Wir wollen das Erbe antreten.«

Der Blondkopf endete. Sein Nachbar, silberhaarig und blind, der älteste Bauer im Dorf, erhob sich an seinem Schlehbuschstocke. »Böse ist alles, was vom Berge kommt; nichts Gutes kann des schlechten Mannes Erbe sein. Was brauchen wir Kraft und Macht und Herrlichkeit? Wir haben alles, was uns zukommt, und was uns ohne Arbeit zufällt, kann kein Segen sein. War auf dem Berge Frieden und Segen? Arbeitslos und liebelos sind des Schlechten Tage zerflossen, und alle Lust und Wonne hat ihm nicht die bösen Falten von der Stirn wischen können. Der Zauberbaum bringt Fluch; wo kein Schaffen ist um das Brot, da ist kein Frieden, und wo treue Liebe nicht waltet, da fehlt das Heil.«

Der Bauermeister schlug mit dem Hammer an das Eichbrett. Da traten alle Männer von ihren Sitzen fort und drehten der Linde den Rücken zum Zeichen, daß sie die Gabe nicht wollten. Der Schäfer aber rief: »Ich habe hier zu tun, was mein Herr mir gebot; tuet, was ihr wollt.« Er wandte sich vom Dorfe.

Lange berieten die Männer; dann nahm der Bauermeister das glitzernde Ding und ging dem Moore zu, mit ihm die Männer, und die Frauen und Jungens und Mädchen und Kinder folgten; über die Landwehr ging es bis in das hohle Moor; auf den großen Wanderstein legten sie den Zaubersamen; der Bauermeister schlug mit dem Erbbeil aus Feuerstein darauf, doch das Beil zersprang und der Samen blieb heil; zehn Männer faßten einen großen Stein und warfen ihn auf das bunte Ding, aber der Stein zerbarst und der Samen blieb unversehrt; sie häuften trocknes Holz darum und machten ein großes Feuer, aber als es erlosch, da strahlte der Zaubersamen glitzernd wie zuvor; sie warfen ihn in den tiefsten Moorpump, aber er ging nicht zugrunde. Ratlos standen die Männer da. Da drängte sich ein Kind vor, ein blondes Mädchen; in der Hand hatte es einen Zweig der heiligen Mistel, den der letzte Sturm aus dem Wipfel der Eiche geworfen hatte; damit schlug es lachend nach dem glitzernden Ding. Da gab es einen Knall, ein Sprühen und Zischen, Sausen und Funkeln, ein Wind brauste über das Moor, und wie glitzernde Perlen flog es dahin. Die Stelle aber, wo der Zaubersamen lag, war leer. Mit unruhigen Herzen gingen die Leute zum Dorfe zurück.

*

Als der Kiwitt rief am andern Morgen, gingen die Männer wieder zum Torfstich in das hohle Moor. Schon von weitem sahen sie das braune Moor in weißem Schimmer; wie frisch gefallener Schnee lag es auf dem Moore. Es waren seltsame, zarte Flocken, die auf schwanken dünnen Stielen hingen, silbern wie Greisenhaar, weich wie Kinderlocken, Millionen und Millionen Blütenhalme, winzige Abbilder des Zauberbaumes vom Berge. Erst scheuten die Leute das fremde Kraut, aber weil es so schön war, brachten sie es ihren Kindern mit zum Spielen. Und wenn der Sommerwind über das Moor blies, dann jagten die Samen des Silberkrautes jedes Jahr weiter und schmückten alle Moore damit, damit überall die fleißigen Menschen im braunen Moore eine Augenweide haben, wenn sie in sengender Sonnenglut den Torf stechen.


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