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Mit großem Ärger war Stuwitz dem Glücke Mortens in Finkrogen gefolgt. – Er betrachtete es gleichsam als einen ihm selbst zugefügten Raub, und doppelt schmerzte es ihn, es im Besitz von Morten Jonsen zu sehen. Finkrogen war nicht bloß an sich eine Perle, unter der dortigen Konkurrenz litt zugleich sein eigener Handelsplatz.
Er war ein mächtiger Feind und Morten hatte es mitten in seinen Erfolgen schon mannigfach zu fühlen bekommen. Als er in einem Herbste hörte, Morten Jonsen hätte sich bei einer großen Fischlieferung vollständig verspekuliert, sah er triumphierend aus. Vor seinen Ladendienern äußerte er, das hätte er sich von diesem Projektenmacher nicht anders gedacht, er wäre in die Höhe gekommen, ohne daß etwas dahinter wäre; und nicht weniger vergnügt schimpfte er, als er vernahm, Morten Jonsen hätte seine Zuflucht zu Jackmann unten in Storwaagen nehmen müssen und bei ihm ein größeres Darlehn hypothekarisch erhalten.
Stuwitz stand in vieljähriger Verbindung mit diesem Manne und war einige Zeit danach – auf einer Reise – bei ihm.
Der Kummer Morten Jonsens war nicht gering, als er kurz vor Ablauf der Verfallzeit von Jackmann unterrichtet wurde, daß sein Gläubiger jetzt Stuwitz wäre.
Der Schuldbrief war so ausgestellt, daß die Schuld terminweise zurückgezahlt werden sollte; bei mangelnder Pünktlichkeit in einem dieser Termine sollte jedoch – nach dem gewöhnlichen Wortlaute solcher Dokumente – das ganze Kapital auf einmal der Zwangsvollstreckung unterliegen. Daß Stuwitz, der Gewohnheit zuwider, das strenge Recht benutzen würde, wußte Morten Jonsen wohl; aber er wußte auch, daß er eine Jacht mit Fischen nach Bergen unterwegs hatte, und deshalb genügende Mittel vorhanden wären, denn jetzt war sein ganzes Verlangen darauf gerichtet, die Schuld auf einmal zu tilgen.
In letzterer Zeit hatte er, was seinem Vater so bekümmerte, angefangen Großes auf eine Karte zu setzen. Die Absendung jener Jacht, deren Fischladung größtenteils für seine eigene Rechnung war, und worin das meiste, was er jetzt noch besaß, steckte, – war wieder ein solches Geschäft. Denn damals versicherte man die Ladung noch nicht. Aber der Ertrag konnte allerdings den ganzen Verlust im vergangenen Jahre decken.
Jon Zachariasen befand sich eben auf einer Reise für den Sohn, als ihm das Gerücht von dem Untergange der Jacht bei Alsteren im Nordfjord zu Ohren kam. Er sah die ernste Bedeutung dieser Sache ein und reiste augenblicklich an den Ort, wohin die Nachricht am vorigen Tage gekommen sein sollte, um sich klaren Bescheid zu verschaffen. Leider wurde ihm das Gerücht bestätigt, zugleich erfuhr er, daß nur ein kleiner Teil der Ladung gerettet wäre.
Er war düster, als er nach Hause zurückreiste, denn er fühlte, daß die Schuld an seinem Sohne läge; – trotzdem wollte er ihm persönlich die Nachricht bringen.
»Besser ist es,« meinte er, »daß sein Vater mit derselben kommt, als irgend ein Fremder.«
Lange saß Jon Zachariasen an jenem Abende bei seinem Sohne, der im Zimmer bleich auf und ab schritt. Kein klagendes Wort kam aus seinem Munde, aber wohl hin und wieder ein trotziges. Zuletzt gab er ihm den Rat, sofort zu Jackmann zu reisen, der die Hypothek auf Finnäs besäße, und von ihm eine Stundung auszuwirken, »dann könnte wohl noch alles gut werden.«
Als ihm der Sohn jetzt mit düsterer Miene erzählte, daß sein Gläubiger nicht länger Jackmann, sondern Stuwitz wäre, wurde es auch Jon vor den Augen schwarz, aber er bemerkte nur:
»Der Herr kann auch wohl dafür Rat schaffen.«
Als er wieder zu Marina zurückkam, hatten die beiden Alten zusammen ihren großen Kummer; aber auch hierbei war Jon ungewöhnlich mild. – »Jeder muß Klarheit in seine Angelegenheiten bringen,« sagte er entschuldigend, »und das Unglück Mortens ist dieses feine Fräulein gewesen!«
Morten mußte den Verfalltag vorübergehen lassen und besorgte die täglichen Geschäfte auf Finnäs nur in gedrückter Gemütsstimmung. Gegen Ende des Sommers war es ihm endlich geglückt, so viel Geld aufzutreiben, daß die verfallene Terminssumme gedeckt werden konnte, und er hatte den Betrag an Stuwitz geschickt; aber dieser verlangte dessenungeachtet den ganzen Kapitalsbetrag. Er hatte bereits den ersten Schritt bei Gericht gethan, und wie ein Lauffeuer verbreitete sich jetzt das Gerücht, daß Finnäs binnen kurzem öffentlich verkauft werden sollte. Es ließ sich leicht einsehen, daß es Stuwitzens Absicht war, sich selbst den Handelsplatz zuschlagen zu lassen.
Nun blieb ihm nur noch der seinem Stolze so harte Ausweg übrig, sich zu Stuwitz zu begeben, um sich womöglich durch persönliche Überredung eine Frist – wenn auch nur bis zum nächsten Frühling – zu verschaffen. So schwer und demütigend es auch war, so mußte es doch versucht werden; denn er lief sonst sogar Gefahr, nicht jedem seiner Gläubiger gerecht zu werden. Oft war er nahe daran, das Ganze aufzugeben. Es war ihm ein peinliches Gefühl, daß Heggelunds, die jetzt natürlich wie alle andern seine Lage kannten, die Beschaffenheit seines Geschäftes bei Stuwitz erraten würden.
Sie waren seinem Unglück mit tiefer Teilnahme gefolgt. Andreas hatte dabei seinen Verdruß vergessen; Edel hatte sogar ziemlich schroff geantwortet, als die Ansicht ausgesprochen wurde, der Verlust Morten Jonsens sei zum Teil selbst verschuldet, und Heggelund ging umher und ärgerte sich halblaut darüber, daß »der wackere junge Mann« auf eine so lumpige Weise in die Klauen »des niederträchtigen Stuwitz« gefallen sei. Auch Onkel Tobias sah traurig aus und das Haus war sozusagen voller Sympathien für Morten Jonsen. Denen gegenüber, die der Ansicht waren, es spuke schon vor, er müßte Bankrott machen, hielten sie eifrig die Überzeugung aufrecht, das Ganze sei sicherlich nur eine vorübergehende Verlegenheit.
Die etwas lange aufgeschobene Reise zu Stuwitz ging endlich doch vor sich. Er wollte sich nicht den Selbstvorwurf bereiten, daß er nicht alles Menschenmögliche versucht hätte, um sich aus seiner Lage zu retten. Aber sein Entschluß war gefaßt. Wenn Stuwitz nicht zu überreden war, – und dies war nur allzu wahrscheinlich – so wollte er, sobald es die Ordnung seiner Angelegenheiten gestattete, nach Amerika gehn. In Norwegen, wo sein bisheriges Lebensziel umgestürzt, hatte er ja die bittere Empfindung seines völligen Unterganges.
Bei Heggelunds war Andreas nicht zu Hause, aber Heggelund selbst, der Morten Jonsen hatte kommen sehn, war ihm entgegengekommen und hatte ihn äußerst herzlich zu sich eingeladen. Morten, der einsah, daß dieser sich sein Vorhaben vorstellte, hielt es für das männlichste, es sofort selbst zu erzählen.
»Ich will – sagte er mit etwas schwacher Stimme – zu Stuwitz gehen, um Finnäs womöglich zu retten!«
Mit einem Schimmer von Kummer sah Heggelund nach Stuwitzens Haus hinüber und sagte darauf ernst, indem er ihm die Hand drückte, als ob er ihn nicht aufhalten wollte:
»Ja, Jonsen, versprechen Sie mir, daß Sie zu uns hinaufkommen, möge es Ihnen bei dem Menschen gut oder unglücklich gehen, – es ist ja doch Ihre alte Heimat!«
Heggelunds Worte und Wesen hatten eine tiefgefühlte Teilnahme verraten, und er gab ihm das verlangte Versprechen, obgleich er die Absicht gehabt hatte, sofort wieder in das Boot zu steigen.
Als Morten Jonsen kam, saß Stuwitz in seinem Comptoir neben dem Laden und machte in einem Geschäftsbuche Notizen. Er brummte etwas, als er ihn erblickte, ließ sich aber in seiner Arbeit nicht stören und forderte ihn nicht auf, sich zu setzen; – es war auch kein anderer Platz da als auf dem Stuhl neben ihm. Morten kannte von alter Zeit her den Ausdruck dieses Gesichtes; er prophezeite nichts Gutes.
Endlich geruhte Stuwitz aufzublicken und sagte barsch:
»Ich begreife, daß Sie kommen, um mich zu bezahlen!«
»Nein,« – erwiderte Morten, – »ich komme leider, um Sie um eine Frist zu bitten.«
»Aha!« – sagte Stuwitz langgezogen und augenscheinlich erleichtert, indem er sich wieder an seine Arbeit machte. – »Sie haben ja bis zum Subhastationstage Frist!«
In Stuwitzens Antwort lag etwas unsäglich Beleidigendes. Er verbarg nicht im geringsten seine Hoffnung, so bald wie möglich in den Besitz von Finnäs zu gelangen.
Dessenungeachtet führte Morten mit großer Ruhe alle Billigkeitsgründe an; der verfallene Termin wäre ja bereits bezahlt, und er erklärte sich bereit, das nächste Mal zwei Raten zu entrichten, oder sogar die ganze Summe in Waren zu bezahlen.
Ein verächtliches Schulterzucken und ein ärgerliches Brummen war, während er im Hauptbuche zu schreiben fortfuhr, die ganze Antwort.
Morten bemerkte jetzt warm, daß sein früherer Gläubiger Jackmann, der üblichen Sitte gemäß, nicht die ganze Forderung würde geltend gemacht haben.
»Nein« – versetzte Stuwitz, indem er sich plötzlich erhob und mit der flachen Hand trotzig auf das Pult schlug, um dem Gespräche ein Ende zu machen – »er heißt Jackmann und nicht Stuwitz, und ich hoffe, Sie werden den Unterschied merken!« Er sah wütend und erhitzt aus; es lag auf der Hand, daß er ihm die Thür weisen wollte.
Morten erkannte, daß er gegen jede Vorstellung unzugänglich wäre, und sah seine letzte Hoffnung schwinden. Mit der erlittenen Demütigung vor Stuwitz hatte er jede Rücksicht auf seine Sache erfüllt. Er fühlte sich fast erleichtert. Denn es entbrannte in ihm die Lust, diesen Menschen, der ihm den Fuß auf den Nacken setzte, einmal ohne alle Rücksicht die Wahrheit zu sagen. Anstatt nach der geschehenen beleidigenden Abfertigung zu gehen, setzte er sich zu Stuwitzens großem Erstaunen ganz ruhig auf die Bettkante.
Was nun zwischen diesen beiden vorging, kann nicht völlig wiedergegeben werden.
Morten trennte so zu sagen Stuwitzens Jugendleben langsam, Glied für Glied, auf. Er vergaß nichts von dem, was er wußte, und beleuchtete darauf mit eiskalter Ironie sein Verhältnis zu Heggelund. Aus Stuwitzens Gesicht leuchtete eine unsäglich feige Angst hervor; ein furchtsamer, kriechender Ausdruck erinnerte an das eines Raubtieres, welches in einer Wolfsgrube, in die es unerwartet gefallen ist, ängstlich umherschleicht. Dieses Gesicht wurde dann auf einen Augenblick von einem Wutanfall abgelöst, bei dem er aussah, als ob er Gewalt brauchen wollte. Aber eine Miene Mortens ließ ihn sich wieder setzen.
Der Spiegel, der ihm vor das Gesicht gehalten wurde, zeigte indessen nach und nach ein Bild, das Stuwitz selbst zuletzt übertrieben und ungerechtfertigt zu finden begann.
Während die Pupille in dem einen matten Auge zitterte, sagte Stuwitz mit einem neckenden, wohlwollenden Lächeln:
»Gottbewahre! – Ich will nur mein gesetzmäßiges Recht auf Finnäs, und das will ich auch durchsetzen. – Aber woher Ihre geehrte Mutter in die Welt geschwommen sein mag, ist wahrlich mehr, als ich Ihnen zu sagen vermag, – falls sie nicht, wie andere Leute, in dem Kirchenbuche stehen sollte!«
Mortens Gesicht wurde bleich; er trat Stuwitz dicht unter die Augen, außer Stande, ein Wort hervorzubringen. Endlich schrie er: »Schurke!« und ging auf die Thür zu.
Stuwitz folgte ihm und sagte beim Herausgehen höhnisch:
»Sie können ja auch Ihr Recht suchen! – Beweisen Sie nur bei Gericht all den Nonsens, den Sie mir gesagt haben, mein guter Morten Jonsen! Aber Sie müssen für gute Zeugen sorgen, wissen Sie, – sonst wird man ja so leicht als Verleumder verurteilt.«
Morten hörte noch ein ironisches, freundliches Lebewohl hinter sich.
Als er nach einem langen, einsamen Spaziergang, wie er versprochen hatte, zu Heggelund hinauf kam, trug sein Gesicht noch die Spur der Aufregung, die sich seiner bemächtigt hatte. Er erzählte ganz kurz, daß es keinen Rat mehr für Finnäs gäbe; er hätte sich das vorher gedacht, – sagte er gefaßt – und deshalb den Beschluß gefaßt, nach Amerika auszuwandern.
Was ihn so aufrichtig machte, war sein Stolz; – Edel war in der Stube. Aber es war leicht zu erraten, daß es ihm schwer zu Mute war – er verhielt sich den ganzen Abend so gut wie schweigend.
Edel schenkte ihm selbst Thee ein, und als er von Amerika redete, zitterte die Tasse in ihrer Hand. Er gewahrte ihre Blässe, ihre zurückgehaltene Teilnahme und fühlte mit einem gewissen Schmerze, daß sie ihm nie so nahe wie jetzt gestanden; es lag etwas in ihrem Wesen, als ob sie fast einsähe, daß sie Schuld hätte.
Wenn er so stille dasaß, stand ihm nicht Finnäs, wie die anderen glaubten, vor der Seele, sondern der Gedanke, daß sie ihm jetzt verloren gehen sollte.
Heggelund und Onkel Tobias hatten sich nach ihrer Gewohnheit früh zur Ruhe begeben, und er war einen Augenblick allein in der Stube. Er saß und spielte in Gedanken mit einer Brustnadel, die er in der Hand hielt. Kurz darauf kam Edel wieder herab; sie war bleich und ernst.
Als ob er auf die Gedanken, die ihre Seele bewegten, antwortete, sagte er mit einem Seufzer:
»Ja, ich gehe nach Amerika – hier habe ich nichts mehr, wofür ich arbeiten könnte.«
»Finnäs ist doch nicht alles im Leben,« – wandte sie etwas leise ein, ohne ihn jedoch anzusehen.
»Nein, Fräulein Edel,« rief er, von seiner Bewegung übermannt; – »aber Sie sind für mich das Leben! – Für Sie habe ich gearbeitet, und an Sie habe ich gedacht!«
Dabei hatte er sich erhoben und stand dicht neben ihr. »Und jetzt« – fügte er mit wehmütigem Ausdruck hinzu – »will ich Sie bitten, da ich Sie in diesem Leben vielleicht nicht mehr sehen werde, einen Gegenstand anzunehmen, der mir äußerst wert ist, die Brustnadel meiner Mutter, – ich möchte sie so gern von Ihnen getragen wissen.«
Er wollte ihr die Nadel reichen; aber die Hand, die sie entgegennahm, bebte, und er sah in ihrem Gesicht und den gesenkten Augen, die thränenfeucht in die seinigen blickten, daß auch sie ihn liebte. Er vergaß alles und zog sie an sich. Schnell nahm er sich jedoch wieder zusammen und sagte langsam, indem er sie anblickte:
»Aber die Zukunft?«
»Die bauen wir beide zusammen,« – flüsterte Edel und legte ihre Hand treu in die seinige.
Als Jungfer Dyring später zur Thür hineinsah, saßen die Glücklichen dort am Fenster in dem schwachen Mondlicht.
Am Morgen war Edel früher als sonst im Zimmer bei ihrem Vater; sie hatte auffallend viel zu besorgen und zu ordnen. Da ging sie mit einemmale auf ihn zu und faßte ihn um den Hals, so daß er verwundert fragen mußte, was mit ihr los wäre, und sie offenbarte ihm alles. Er nahm es mit einer Freude auf, als ob Morten Jonsen Finnäs nicht verloren, sondern eben erst erworben hätte; und es wurde verabredet, daß ihre Verlobung bei seiner nächsten Wiederkunft veröffentlicht werden sollte. Aber Jungfer Dyring, meinte Edel, hätte alles doch schon längst geahnt.
Es war gerade die Zeit im Sommer, in der sich die Lappen auf der Insel Skorpen aufhielten, und das Gerücht davon, daß Finnäs von Stuwitz subhastiert werden sollte, war auch dorthin gedrungen. Mathis Nutto war dadurch höchst beunruhigt worden; denn er sah seine Interessen abermals ernstlich gefährdet.
Als Morten Jonsen nach Hause kam, standen unten auf Finnäs mehrere, die den Ausfall seiner Reise im stillen aus seinen Mienen zu lesen suchten, und unter ihnen befand sich Mathis Nutto. Aber dieser vermochte aus seinem Gesichte nichts anderes zu erkennen, als daß er glücklich gereist sei. Trotzdem erkundigte er sich am folgenden Tage bei Marina. Sie sah mutlos aus, und er erfuhr nun, wie es ausgegangen war.
Der Lappe erschien mehrmals wieder, und es war Marina auffallend, daß er so wiederholentlich und so genau nach dem Zusammenhang in dieser Sache fragte. Das letzte Mal kam er, um ihren größeren Kahn auf mehrere Tage zu einer Fahrt zu leihen; aber er sprach nicht davon, wohin sie gehen sollte. Daheim im Zelte war er eine Zeitlang sehr nachsinnend gewesen, und hatte am Abend in Gedanken versunken dagesessen und mit starken Zügen geraucht.
Eines Morgens, als Stuwitz seiner Gewohnheit nach hinabging, um den Kramladen zu öffnen, stand der alte Lappe draußen und wartete. Seine Ahnung sagte ihm, daß etwas Unangenehmes bevorstände, und um Zeugen zu entgehen, sandte er sofort den Ladendiener und den Knecht nach dem Speicher an der See. Er suchte seine Freude zu verhehlen, als der Lappe sagte, er wäre gekommen, um auch die übrigen alten Geldscheine einzuwechseln, und er griff schon fiebrisch in ein Geldsäckchen, welches er aus dem Comptoir hereingebracht hatte. Endlich bekam er also die Scheine, um deren willen er schon so viele Jahre gebangt hatte!
Mathis zögerte indessen seine Ledertasche hervorzuziehen und rückte jetzt erst mit seinem eigentlichen Anliegen heraus. Er wollte eine schriftliche Bescheinigung haben, daß Finnäs der Schuld wegen nicht verkauft werden sollte. – Er erklärte, es wäre ein altes Abkommen zwischen ihnen, er sollte Finnäs in Frieden lassen.
Stuwitz antwortete eine lange Weile nicht; er war rot im Gesicht; Raserei und Furcht arbeiteten darin. Vor seiner Angst stiegen diese Geldscheine jetzt zugleich als Waffen in der Hand Morten Jonsens auf, und er empfand, daß er sie um jeden Preis kaufen müßte.
Stuwitz versuchte ihn mit verschiedenen persönlichen Angeboten lange und vergebens; Mathis war unzugänglich; und da bequemte er sich denn, wie er sagte, dazu, die verlangte Erklärung zu schreiben, die er in Form eines Briefes an Morten Jonsen ausstellte. Der Lappe gab sich jedoch noch nicht zufrieden, – er verlangte, daß erst jemand von Heggelunds sie lesen sollte, damit er sich auch auf den Inhalt verlassen könnte.
Stuwitz setzte sich nun wunderbar gefügig wieder hin, um einen neuen Brief zu schreiben. Seine Hände bebten und er hielt wiederholentlich inne, als ob er noch an die Möglichkeit zu entschlüpfen dächte. Der Lappe sah währenddessen mit blinzelnden Augen zu: – er genoß den Triumph, ihn gefangen zu haben.
Nach Verlauf einer Stunde kam Mathis wieder nach dem Kramladen hinab, wo Stuwitz ängstlich saß und wartete; denn er hatte Angst, daß der Lappe nicht Wort halten würde. Aber da langte dieser ehrlich die Geldscheine heraus; freilich bestand er bei dem Wechsel darauf, daß jeder Reichsthaler einen neuen Bankthaler wert sein müßte, und Stuwitz mußte sich ihm fügen.
An jenem Tage saß Andreas im Wohnzimmer und unterhielt sich mit seiner Cousine. Edel war sehr munter und mit ihm in der alten Sache, auf die er wieder zurückgekommen war, daß nämlich die eigentliche Bildung im Lande nur von den Studenten ausginge, vollkommen einig. Sie hatte freilich etwas gesagt, wovon er nicht recht wußte, ob er es für »einen Spitz« nehmen sollte oder nicht – weshalb er einen Augenblick seinen schönen, schwarzen Schnurrbart gewaltig strich –; aber ihre unschuldige Miene beruhigte ihn. Wie zur Bekräftigung seiner Rede hatte sie bemerkt:
»Ja, ich erinnere mich noch recht wohl, eine wie frohe Stimmung uns ergriff, als du der Gentleman Andreas wurdest;« aber schnell brachte sie es wieder durch den Zusatz in das Gleiche: »als du das Abiturientenexamen bestandest, Andreas.«
In diesem Augenblicke wurde gemeldet, ein Gebirgslappe stände draußen im Gange und bäte Herrn Andreas sprechen zu dürfen. Es war der alte Mathis Nutto, den er aus früherer Zeit von Ansehen kannte. Der Lappe stand mit einem Papiere in der Hand, welches er ihn zu lesen bat; – er wollte hören, ob das Schreiben richtig wäre.
Kaum hatte Andreas es gelesen, als er in seiner gewöhnlichen raschen Weise in die Wohnstube mit der Nachricht stürzte, Morten Jonsen wäre dennoch gerettet, – hier stände es schwarz auf weiß – sagte er und schickte sich eben an, weiter zu seinem Onkel hinaufzustürmen.
Da sah er verwundert, daß Edel völlig bleich wurde, und sie streckte die Hand aus, um selbst das Papier zu lesen. Nachdem sie es ein paarmal durchgelesen, sah sie ihn strahlend vor Glück an und sagte wie unter einem plötzlichen Dankgefühle:
»Nachdem du mir diese Nachricht gebracht hast, Andreas, so sollst du auch der erste sein, der erfährt, daß ich mit Morten Jonsen verlobt bin, – obgleich er kein Gentleman ist, Andreas!« setzte sie etwas schalkhaft hinzu. Aber ihre Augen schwammen in Thränen, und sie ging selbst hinauf und zeigte ihrem Vater das Papier.
Der Lappe hatte keine Zeit, sich bewirten zu lassen, und mußte sofort wieder zu Stuwitz in den Laden hinab – er hatte nur das Papier lesen lassen wollen.
Mathis fuhr sehr vergnügt heimwärts. Er landete bei Jon Zachariasens Bootsschuppen und übergab Marina den Brief, indem er ihr den Inhalt erzählt. Das wäre, sagte er, indem er wieder forteilte, der Lohn dafür, daß sie einmal seine Tochter und ihr Kind draußen auf der Schär gerettet hätte. »Aber« – rief er zuletzt zurück – »kommt dir der Brief fort, so verliert dein Sohn Finnäs.«
Marina eilte denn auch mit ihm hinüber und kam atemlos an.