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Nach einem der entsetzlichen Novemberstürme des Jahres 1807, das seitdem in der Jugenderinnerung manches alten Seemannes als ein Unglücksjahr tief eingegraben stand, trieb an einem schneereichen Wintertage der Dreimaster »Die Zukunft« als mastenloses Wrack an der finmarkischen Küste entlang. Die Schanzbekleidung war zertrümmert, und der Dreimaster lag jetzt halb voll Wasser nach der einen Seite hinübergeneigt.
Das Schiff gehörte einer der kopenhagenschen Gesellschaften, die in dem Varangerfjord noch immer Faktoreien besaß, und war nach Köllefjord bestimmt. Ausgefahren aus Drontheim war es von einem vom Meere her blasenden Sturme überfallen worden, der die Mannschaft zwang in die hohe See hinaus zu stechen, und mehrere Tage lang brauste das Meer so ungestüm um den Dreimaster, daß die Sturzwellen bis zu dem Mastkorbe emporschlugen. Unten in der Deining lag das Schiff mit vier grünen Wellenmauern um sich und einem Stückchen grauen Himmels als Dach über sich, bis der Wellenrücken es wieder so weit emporhob, daß die Mannschaft ihre trostlose Lage überschauen konnte. Der Kapitän war in einer Nacht von einer Segelstange getroffen worden; er lag bewußtlos und rang mit dem Tode; das Fahrzeug aber, das führerlos und ohne Steuer mit krachenden Planken umhergeschleudert wurde, war an mehreren Stellen leck geworden.
Als sich das Wetter am vierten Tage ein wenig besänftigt hatte, und man das Land in Sicht zu haben glaubte, hatte die Mannschaft, die wohl einsah, daß sie nicht länger imstande wäre, das Schiff mit den Pumpen über Wasser zu halten, den Entschluß gefaßt, das Leben in dem großen Boot zu retten und womöglich irgendwo die Küste zu erreichen. Der kranke Schiffer war bereits in dasselbe hinabgebracht, seine Frau und das kleine Kind befand sich noch an Bord, – sie hatte ihre Furcht vor dem gefährlichen Hinabsteigen noch nicht überwinden können, – als eine drohende Sturzwelle die im Boote Befindlichen abzustoßen zwang.
Kurz darauf ging das Boot vor ihren Augen unter.
Den nächsten Tag, nachdem das große Boot verunglückt war, trieb das Wrack, wie bereits angegeben, in dem halbgrauen Schneetreiben an der öden, nördlichen Felsenküste weiter. – Nach dem Sturm war die vorher hohle See jetzt still und ruhig geworden, doch mit langen Schwingungen.
Auf der Kajütentreppe unter dem Verdeck saß eine totenbleiche, hellblonde Frau mit einem Kinde auf dem Schoße, das sie in einer halb bewußtlosen Betäubung instinktmäßig wiegte und dann und wann mit einem nervösen Zucken an ihre Brust drückte. Sie war jung und mußte, ehe sich der nahende Tod auf ihrem Gesicht ausgeprägt hatte, schön gewesen sein; jedenfalls deuteten die großen, tiefen Augen darauf hin, die sie mit einem Rest von Lebenskraft matt fragend zu einem jungen Manne emporschlug, welcher sich gerade an ihr vorüber, mit einem braunroten Taschenbuche in der Hand, die Treppe hinaufdrängte. Es enthielt das Geld, mit dem die Einkäufe in Köllefjord bestritten werden sollten, und gehörte ihrem Manne und der Rhederei. Kurz vorher hatte ihr geträumt, ein häßlicher älterer Mann in groben Kleidern stände oben auf dem völlig zugeschneiten Verdeck und blickte mit einer Miene auf sie herab, als ob er etwas überlegte, während er eine Axt, die neben ihm lag, mitunter in die Höhe hob und sie unentschlossen wieder fortlegte. Er bemerkte, daß sie schon mit dem Tode rang.
Inzwischen beschäftigte sich eine dritte Person, die von ihrer Arbeit völlig in Anspruch genommen war, weiter vorn auf dem Verdeck. Es war ein Mann über das mittlere Lebensalter hinaus, ein Seefinne (Lappe) von der entlegenen kleinen Insel Lövö, deren einziger Bewohner er war. Er hatte ein Segel, einen Bootshaken, einen kupfernen Kessel und einige andere Sachen, die er auf dem Verdeck gefunden, in einen Haufen zusammengelegt und trat gerade in dem Augenblick, als der junge Mann dem ältren die Geldtasche einhändigte, hinter der Kajüte hervor. Ein Schimmer von Habsucht flog über das Gesicht des Finnen; aber gleich darauf änderte sich die Miene und nahm einen Ausdruck von Entsetzen an: er hatte die junge Frau bemerkt, die mit dem Kinde auf der Kajütentreppe saß.
Während sich die beiden anderen in den Schiffsraum, der halb voll Wasser war, hinabbegaben und den Boden des Schiffs durchzuschlagen begannen, benahm sich der Seefinne oben auf dem Verdeck äußerst seltsam. Er kehrte stets wieder um, so oft er von hinten auf den Kajüteneingang zuging, kam aber gleichwohl immer wieder dorthin. Eine Weile beschäftigte er sich mit seinem aufgeschichteten Haufen, doch war derselbe bald in das Boot hinabgeschafft. Als er bemerkte, daß die Axtschläge rasch zunahmen, wurde sein Gang ungewisser und die Wendungen immer kürzer, fast trippelnd. Mit einigen Unterbrechungen ging es so eine ganze Stunde lang fort, vielleicht auch anderthalb; als die Axthiebe jedoch allmählich nachließen, erschien das schon ältliche Gesicht des Finnen kreideweiß und schweißbedeckt: – hatte er in dieser Zeit doch wahrlich noch härter als die Beiden unten im Schiffsraume gearbeitet. Mit raschem Entschluß ging er jetzt nach hinten auf die Kajütentreppe zu. Dort saß die junge Frau halb eingeschneit mit gebrochenen Augen, aber das Kind war noch am Leben. Nach wie vor hatte die Mutter es unter dem Mantel auf dem Schoße und hielt es fort und fort mit ihren gefalteten, jetzt starren Händen umfaßt.
Behutsam zog Isaak es mit seinen großen, wettergebräunten Händen in die Höhe und stand nun mit seinem Funde einen Augenblick augenscheinlich verlegen da; mit ratloser Miene blickte er sich um. Da aber offenbar hier von keinem andern Hilfe zu erwarten war, setzte er sich – mit seiner Bürde beständig zwischen den Händen – vorsichtig nieder auf das Verdeck. Hier zog er sich mit einiger Mühe einen seiner schweren Wasserstiefel aus, steckte das Kind hinein und trug es nun halb humpelnd, sich an den Anfassern haltend über das tief geneigte Verdeck nach der Stelle hin, wo das Boot lag. Dort stieg er, mit seiner Bürde beständig in den Händen, vorsichtig hinab, legte den Wasserstiefel hinter die Ruderbank, deckte ihn mit seiner Friesjacke zu und blieb dort, die Ankunft der anderen erwartend, sitzen.
Erst nachdem das Boot abgestoßen war, entdeckten diese, was Isaak zuletzt von dem Fahrzeuge geborgen hatte, und das Gesicht des Älteren wurde nichts weniger als freundlich. Aber Isaak saß stämmig und breitschultrig auf der Ruderbank da, und die Sache war nun einmal geschehen.
Die beiden Anderen im Boote waren Korporal Stuwitz und sein Sohn. Von ersterem können wir nur mitteilen, daß er einst zur Besatzung der Festung Vardöhus gehört hatte, aber wegen Gewalttätigkeiten, Unredlichkeit und Trunksucht verabschiedet worden war. Man erinnerte sich von ihm noch einiger Geschichten, die er, wenn er betrunken, zum Besten gab, und die wahrhaft haarsträubender Art waren. Sie stammten aus jener Zeit, in der er als Feldwebel – aus welcher Stellung er freilich degradiert worden war – den Krieg in Deutschland mitmachte. Nach seiner Verabschiedung hatte er davon gelebt, daß er den Russen, die an der Küste Tauschhandel trieben, als Dolmetscher diente, und hatte dabei selbst Kleinhandel getrieben. Auf einer Reise mit dem Seefinnen, vorüber am Busesund, wo gerade ein russisches Schiff lag, hatten sie das Wrack draußen in der See entdeckt.
Auf dem Rückwege war der Seefinne sehr gedankenvoll. Er war Witwer und hatte nach dem Tode seiner Frau die zahlreiche Familie seines auf der See verunglückten Bruders zu sich genommen, der er treulich beistand. Während es sonst schon schwer fiel, das tägliche Brot herbeizuschaffen, war es freilich sonderbar genug, noch ein Kind mitzubringen. Er sah deshalb bei seiner Schwägerin, die alles sehr schwer aufzunehmen pflegte, nicht eben das freundlichste Gesicht voraus. Dann war aber die nicht zu unterschätzende Wrackgeschichte, die ihm, wenn er einigen Anteil an dem Gelde erhielt, ein für allemal eine Entschädigung für die Auferziehung geben konnte. Allein da trat er doch mit dem Geschehenen in eine nähere Berührung, als ihm angenehm war, und so brachte er die Angelegenheit lieber gar nicht zur Sprache. Sich herrenlos »herumtreibenden« Gutes zu bemächtigen, war dagegen etwas, worüber sich damals niemand ein Bedenken machte. Allerdings handelte es sich nicht um solch ein im Meere »umtreibendes« Gut wie Netze, Ruder und dergleichen, sondern die mitgenommenen Sachen stammten von einem Wrack, und, wie der Korporal sagte, das Gericht urteile darüber sehr streng, zumal das Fahrzeug versenkt worden. Es hieß also vorsichtig sein, damit das Ganze nicht bekannt würde und mit der Festung auf Vardö endete.
Dem Korporal war die Rettung des Kindes offenbar nicht angenehm, und er sprach oft und viel davon, daß Isaak auf der Hut sein und das Kind verborgen halten sollte. Wenn aber dennoch etwas über das Fahrzeug – das jetzt hoffentlich wohl verwahrt auf dem Grunde des Meeres ruhe – durch seine Schuld verlauten sollte, so würde er sich doch samt seinem Sohne immer davon loslügen können, da niemand sie im Boote gesehen hätte, und sie auch nicht, wie er, gestohlene Sachen vom Wrack besäßen, die es beweisen könnten. Denn, sagte er weiter, das lederne Buch, worin sich nichts vorgefunden, hätte er in das Meer geworfen – und im schlimmsten Falle, setzte er drohend hinzu, »was die Anbohrung beträfe, so wären sie drei.« – –
Wachsam saß Isaak in der finstern Nacht da; – unwillkürlich mußte er sich vorstellen, daß die beiden Anderen im Boote wohl imstande wären, sich von allem, was gegen sie zeugen könnte, zu befreien. Sie ließen sich nach Wassilieffs Kauffahrteischiff rudern, welches im Busesund ankerte, und schieden dann von ihm; aber das Letzte, was der Korporal bedeutungsvoll sagte, war: »Hüte dich vor Vardöhus, Isaak!«
Was für eine unbeschreibliche Erleichterung, sie los zu werden! War es doch als ob eine schwere Sündenlast aus dem Boote gekommen wäre.
Als er etwas später im Finstern von der Ruderbank aus behutsam mit der Hand den Wasserstiefel hinter sich betastete und darauf ängstlich unter der Jacke fühlte, ob das Kind noch atmete, hatte er die Empfindung, eine gute That vollbracht zu haben. Als er so einsam dasaß, dachte er an seine Frau, die jetzt unter dem hölzernen Kreuze auf dem Friedhofe ruhte. Kirstine hatte sich immer Kinder gewünscht – hier wurde ihm nun eines auf seine alten Tage beschert.
Als er nach Hause kam, ging es, wie er vorausgesehn hatte. Obgleich die Schwägerin nichts unterließ, um das Kind zu pflegen, war es ihr doch offenbar kein willkommener Gast, und anfänglich sprach sie mehr, als Isaak lieb war, von einer Reise zum Vogt, um ihm Anzeige zu machen, damit es jedenfalls auf Kosten der Armenverwaltung erzogen würde. In dem Shawl, darin das Kind, das ungefähr zwei Jahre alt sein mochte, eingehüllt war, fanden sie eine Brustnadel, und die Wäsche war mit Buchstaben gezeichnet, aus denen sie den Namen »Marina« zusammenbuchstabierten.
Als die Witwe hörte, daß die Brustnadel von Gold wäre und einen Wert von ungefähr zehn Thalern hätte, redete sie nicht mehr mit solcher Bestimmtheit von einer Reise zum Vogt; mußten sie dann doch auch zugleich das Stück Segeltuch angeben, das zu einem neuen Bootsegel zerschnitten auf dem Boden lag, und sie mußte sogar den schönen Kaffeekessel für den sie eine besondre Vorliebe gefaßt hatte, ausliefern.
Sechs Wochen später hörten sie zu ihrem Entsetzen, daß sich der Schultheiß und der Vogt nach dem Wrack genau erkundigt hätten. Zu Isaaks großer Angst verlautete zugleich, daß der Korporal Stuwitz so wie der Kapitän und die Mannschaft des russischen Kauffahrteischiffes in das Verhör genommen werden sollten. Jetzt erst bekannte er der Schwägerin ausführlich, was vorgefallen war, so daß sie einsah, hier wäre nur eines möglich, das Kind in aller Stille bei sich zu behalten.
Isaak schloß daraus, daß das Wrack, trotz des eingeschlagenen Bodens nicht gesunken wäre, sondern in östlicher Richtung nach dem finmarkischen Meere getrieben und dort von dem Russen Wassilieff und Stuwitz, der an Bord seines Schiffs gegangen war, zum zweitenmale heimgesucht sein müßte.
Der Dreimaster »Die Zukunft«, der in jener Zeit im Hafen Köllefjord mit Waren aus Kopenhagen erwartet wurde, war, wie man gut bemerkt hatte, draußen auf der See als Wrack umhergetrieben worden, auch wollte man Wassilieffs Kutter neben ihm an der Nordküste gesehen haben.
Als die Beamten nach dem Schiffe kamen, fanden sie es vollständig ausgeplündert und zertrümmert, so daß ihnen nichts weiter zu thun übrig blieb als ein Protokoll darüber aufzunehmen und eine erfrorene, junge Frau zu beerdigen, die nach den aus Dänemark eingelaufenen Berichten die Frau des Schiffskapitäns war.
Ein Gerücht unter den vielen, die über diese Sache umliefen, wollte wissen, Stuwitzens großes Boot wäre mit der Mannschaft des russischen Schiffes eine halbe Woche lang zwischen dem Wrack und dem festen Lande hin- und hergefahren, und der Bergfinne Jakob Nutto hätte für achtzig blanke Speziesthaler aus der Zeit Karls IX. es übernommen, die Waren auf dem Lande bis zu einer für die Teilung gelegeneren Zeit aufzubewahren. Um seine Unschuld klärlich darzuthun, war der Russe gleich darauf mit seiner Lodje, die, wie Gott und jedermann – die hohe Obrigkeit selbstverständlich gleichfalls – sehen konnte, mit eingetauschten Fischen und Mehl aus Archangel völlig beladen war, in den Hafen von Köllefjord eingelaufen.
Bei der gerichtlichen Untersuchung waren die wenigen norwegischen Zeugen, auf die man etwa rechnen konnte, in eigentümlicher Weise verschwunden. Die russische Mannschaft, die mit beteiligt war, leugnete alles und der alte Jakob Nutto der noch ein Heide war, legte mit all den Seinen ganz gemütlich einen falschen Eid darauf ab, daß er zu der fraglichen Zeit mit Stuwitz weit im Osten, im Hopseidsfjord, Felle und Renntiere eingekauft hätte. Wie gewöhnlich, wenn sich der Finne von der Wirkung der Taufe oder einer anderen christlichen Handlung reinwaschen will, fand hinterher im Zelte die Sarakataufe statt.
Insofern beruhten die Worte des Bergfinnen in der That auf Wahrheit, als sich Stuwitzens Sohn wirklich in der Nähe von Hopseid aufgehalten und von Mathis, dem Bruder des Finnen, Felle für seinen Vater gekauft hatte; aber es war freilich eine Woche später und ein ganz anderes Geschäft gewesen.
Ein Kwäne (Finländer) aus den Schären, der rücksichtslos ausgesagt hatte, er könnte wohl noch anderes bezeugen, war auf dem Wege nach dem Amtsgerichte erschlagen gefunden. Über das, was er zu berichten hatte, wurde vieles erzählt. Er sollte in der Nähe des russischen Kauffahrteischiffes, das hinter einem Felsriff versteckt gelegen, gefischt und unter anderen gesehen haben, daß der Russe dem Bergfinnen blanke Speziesthaler aufgezählt, so wie daß sich Stuwitzens Sohn an Bord befunden habe.
Man war nicht imstande, das Wrack aufzubringen, da ein Sturm aus Nordosten es wieder nach Süden trieb, und es mußte nach der allgemeinen Überzeugung mitten im Meere untergegangen sein.
Ein Dreimaster geht nicht unter ohne Folgen in weiten Kreisen. Eine derselben war, daß der junge Kammerrat Tobias Storm in Kopenhagen, der zugleich Zollbeamter war, Bankerott machte und einen Kassendefekt hatte. Als Mitbesitzer der Faktorei Köllefjord hatte er bei dem Fahrzeuge, das sein Bruder führte, zu viel Geld auf das Spiel gesetzt, deshalb reiste er im folgenden Jahre in einer Art öffentlicher Mission nach Finmarken, um bei der Untersuchung womöglich so viel zu retten, daß er den schlimmsten Folgen des Kassendefekts vorbeugen konnte. Dies gelang ihm freilich nicht. Aber als der Defekt mit Hilfe der Freunde und unter Verzichtleistung auf ein Legat, von dem er die Zinsen bezog, bezahlt wurde, erhielt er auf Grund der besonderen Umstände seinen Abschied in Gnaden mit dem Rechte, »auch künftig Uniform zu tragen.« – Seitdem lebte er als Buchhalter bei Brögelmann in Köllefjord, der sich seiner aus alter Freundschaft annahm.
Gerade in diesen Jahren gewann Brögelmanns Handelshaus in Köllefjord einen so großen Aufschwung im Varangerfjord. Die kopenhagener Gesellschaften boten damals ihre Faktoreien im Norden zum Verkauf aus, und er stand heimlich mit mehreren derselben in Unterhandlung.
Die Geldreduktion in den Jahren 1813 und 1816 machte viele arm, aber Brögelmann wurde dadurch steinreich. Er hatte zwei der besten Faktoreien auf Kredit gekauft, und nun konnten gesetzlich alle Schulden, durch das ganze Reich, rechtsgültig mit nur zwei Schilling auf jeden Speciesthaler abgetragen werden. Brögelmann beeilte sich die günstige Zeit zur Auszahlung zu benutzen, und in den nächstfolgenden Jahren machte er glänzende Geschäfte, bis sein Alter und andere Umstände es zuwege brachten, daß er sich allmählich von den Geschäften zurückzog.
Sein ihm in den letzten Jahren ganz besonders nahestehender Geschäftsführer war der junge Stuwitz, mit dessen Person wir den Leser oben flüchtig bekannt gemacht haben. Der Vater war einige Jahre nach jener Wrackgeschichte, trotz seiner verschiedenen Vermögensoperationen, in bedrängten Verhältnissen gestorben, und der Sohn kam nun als Ladendiener zu Brögelmann. Hier bewies er ein so großes kaufmännisches Talent und eine solche Brauchbarkeit, daß dieser ihm bald für diejenigen Zeiten im Jahre, wo er sich selbst auf andren bedeutenden Handelsplätzen befand, die Leitung der Geschäfte nördlich von Köllefjord überließ. Durch ein Geschäft, dem gegenüber der Prinzipal nur allzusehr ein Auge zugedrückt, hatte sich Stuwitz in diesen Gegenden noch vor dem dreißigsten Jahre, den Zunamen »die Finnenplage« erworben.
Das Jahr darauf, nachdem Stuwitz in Brögelmanns Lohn und Brot gekommen war, ereignete sich jedoch der merkwürdige Umstand, daß man in Bergen einem Teile der Geldscheine, die mit dem gesunkenen Dreimaster verschwunden waren, – ihre Nummern waren seiner Zeit in den Zeitungen wiederholt bekannt gemacht worden – auf die Spur kam. Die Untersuchung ergab, daß die Scheine mit einer der jährlichen Zahlungen Brögelmanns für Waren nach Bergen gekommen waren.
Dies machte damals viel Aufsehen und Gerede.
Als der Vogt eine Untersuchung in Betreff der Sache anstellte, belehrte ihn jedoch der junge Stuwitz, daß ja von allen Seiten Geldscheine in die Ladenkasse zusammenflössen, so daß darin weder ein Beweis noch eine Spur, die auf irgend jemand deute, gefunden werden könne; – er versprach jedoch, in der Zukunft ein wachsames Auge darauf zu haben.
Als das später auch auf der Insel Lövö ruchbar wurde, verstand Isaak sehr wohl, daß Stuwitz einen Teil des aus dem Wrack gefundenen Geldes auszugeben versucht hätte, und mit einer gewissen Schadenfreude dachte er daran, daß derselbe jetzt gezwungen sein dürfte, den Rest zu verbrennen, ohne einen Nutzen davon zu haben.
Wer sich aber nicht damit zufrieden gab, war der arme Kammerrat Storm. Einen Augenblick hatte er die Sache mit gewohnter Energie angegriffen und war deshalb Stuwitz ziemlich ernstlich zu Leibe gegangen; allein seine Stellung verbot ihm jetzt die Sache weiter zu betreiben.
Er war Witwer; – mit dem Fahrzeuge hatte er seinen einzigen nahen Verwandten, seinen jüngeren Bruder, welcher der Schiffskapitän gewesen war, und dessen Frau verloren, in der Heimat aber seinen guten Namen und zugleich sein ganzes Vermögen eingebüßt. Nun schien er, stumpf und müde, sich in seine eigene Schale einschließen zu wollen.
Wenn er nicht bei seiner Arbeit saß, sah man ihn mit seiner Pfeife gemütlich auf- und abspazieren. Sein einziger Vertrauter schien der Hofhund zu sein, der gern zu ihm kam und den großen, schwarzen Kopf auf seine Knie legte, während er selbst auf der Treppe saß und den Rauch in die Luft blies. Vermutlich lag in dem Rauch eine stumme Sprache, die der Hund verstand, denn er blickte ihm die ganze Zeit lang ins Gesicht. Sobald er Stuwitz kommen sah, ging er meistens fort. Er konnte diesen Menschen nicht ausstehn, mochte es aber auch nicht deutlich zu erkennen geben.
Nachmittags stieg er oft, mit den Händen auf dem Rücken, zu einer steilen Felsenspitze, der sogenannten Kanzel hinauf, von der man eine weite Aussicht über das Meer hatte. Dort stand er dann eine Zeitlang und blickte schwermütig über den weiten Friedhof, auf dem der Dreimaster und sein Glück begraben lag.
Eines Tages, – es war schon im ersten Jahre seines Aufenthalts in jenem Hause, – hatte er daselbst einen Mann getroffen, der noch trauriger und schwermütiger war als er selbst. Es war ein großer, breitschultriger junger Fischer Namens Lars oder »der große Lars,« wie er auch genannt wurde, der augenscheinlich im Begriff stand, seinem Leben ein Ende zu machen. Er bewog ihn, seinen Vorsatz aufzugeben und ihm zu folgen. Die Rede und das Wesen des Mannes waren etwas verworren, da er aber, mit Ausnahme einzelner kurzer Momente, ein ganz brauchbarer Arbeiter war, gelang es Storm, seinen Freund Brögelmann zu überreden, denselben in seinen Dienst zu nehmen.