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Fast noch lebhafter als die jungen Männer, wurde der Baron durch die Nachricht von der Revolution und von der Entthronung Karl's des X. erschüttert, den er noch als Prinzen kennen gelernt hatte und an dessen Hof ihm später ein wohlwollender Empfang bereitet worden war, als er mit seiner Gattin einst Paris besuchte. Die Empörung eines Volkes gegen seinen angestammten Herrn war ihm ein Verbrechen, verdammenswerth wie Vatermord. Das Unglück des entthronten, auf's Neue heimathlos gewordenen Fürsten, dessen Geist und anmuthige Herablassung ihn gefesselt hatten, that seinem Herzen wehe, und er zweifelte nicht, daß alle Herrscher sich vereinen, daß alle rüsten würden, um den Frevel zu bestrafen und dem vertriebenen Könige seine Krone, dem Recht der Legitimität seine Geltung wieder zu verschaffen.
Gespannt auf den Gang der Ereignisse, auf die nächsten Handlungen der Rebellen und des Usurpators, wie er die Franzosen und ihren neuen König nannte, begierig, sobald als möglich die Maßregeln zu erfahren, welche die alliirten Fürsten und England gegen Frankreich nehmen würden, war er in die Stadt zurückgekehrt, weil ihn das späte Eintreffen der Zeitungen auf seinem Gute ungeduldig machte.
Bei seiner Ankunft war Georg nicht anwesend und die erste Frage, welche er an Erich that, galt den Rüstungen der Großmächte.
Erich meinte, daß nach den letzten Nachrichten eine solche Rüstung nicht anzunehmen sei, »Man scheint von Oesterreich und Preußen aus,« sagte er, »nicht interveniren, die Kräfte nicht nach Außen wenden zu wollen, vielleicht aus der Besorgniß, sie im eigenen Lande zu gebrauchen«
»Was heißt das?« fragte der Baron mit ungewöhnlich strengem Tone,
»Du mußt es ja gelesen haben, lieber Vater! welch enthusiastische Zustimmung die französischen Ereignisse hervorgerufen haben. Nicht nur in Holland, auch in Süddeutschland und am Rheine hat die öffentliche Meinung – –«
Der Baron ließ ihn nicht zu Ende sprechen, »Und Du?« fragte er, »Du selbst sprichst ja von diesem Wahnsinne mit den Modeworten ›enthusiastische Zustimmung und öffentliche Meinung!‹ – Und Du bist doch alt genug, die verschiedenen Volksklassen und den Werth ihrer Meinung, dieser öffentlichen Meinung, zu beurtheilen!«
Er erwartete offenbar keine Antwort, und sagte nach einem kurzen Schweigen: »Denke Dir einmal unsere Bauern und Jestleute, stelle Dir einmal das stumpfe, halbpolnische Masurenvolk des Onkels auf Steinfelde vor, oder unsere Dienerschaft und unsere Handwerker, die ich mit einem Befehle oder mit einem Thaler zu meinem Willen zwinge, und frage Dich dann einmal ehrlich: welche Bedürfnisse hat diese Masse, als Obdach, Nahrung und ein Weib zu haben? Welchen Werth hat ihr Urtheil? Was begehren unsere Handwerker und Gewerbtreibende weiter als Erwerb? Was kann der Gelehrte mehr verlangen als Lehrfreiheit und persönliche Achtung? Was fehlt uns auf unseren Gütern? Welcher Theil des Volkes entbehrt in Preußen Freiheit für sein Handeln, so fern es keine fremden Rechte kränkt? Wem gebricht Schutz in unserm Vaterlande, wenn seine Rechte angetastet werden? Von Volksvertretung zu sprechen unter der Regierung unseres Königs, Mißtrauen zu zeigen gegen unser Herrscherhaus ist strafbar, geradezu strafbar – um es nicht eines Edelmannes unwürdig zu nennen!«
Er ging dabei heftig im Zimmer auf und nieder, und schlug unhörbar mit der rechten Hand auf seine linke, wie er zu thun gewohnt war, wenn er eine leidenschaftliche Bewegung niederkämpfen wollte, die zu verrathen ihm gegen seine Würde schien. Auch schwieg der Sohn respectvoll, bis der Vater wieder vor ihm stehen blieb und, ruhiger geworden, also zu sprechen begann: »Es ist möglich, daß die Alliirten, daß der König es nicht für angemessen halten, in Frankreich zu interveniren, denn der Boden jenes unglückseligen Landes scheint der Art unterwühlt, das Volk so sehr verwildert, daß es unmöglich sein mag, jetzt irgend etwas Bleibendes in jenem Chaos zu begründen, und dann ist es Staatsklugheit, nutzlose Kraftanstrengung zu vermeiden. Aber es ist thöricht,« rief er mit neuer Aufwallung, »zu meinen, Preußen wolle seine Streitkräfte nicht nach Außen wenden, weil es sie im Inneren brauchen könnte. Es lebt Gottlob! noch ein gesunder Kern im Volke. Die Treue für den König ist etwas Angestammtes unter uns, und es ist unsere Pflicht, die Pflicht jedes rechtlichen Mannes, unser Volk davor zu hüten, daß das Gift der Revolution nicht in demselben um sich greife. Ich habe auch unserm Schulzen gleich verboten, den Bauern seine Zeitung zu verborgen, so lange das Unwesen nicht beruhigt ist, und gestern die Leute und die Dienerschaft zusammenkommen lassen, ihnen zu erklären, was in Frankreich vorgegangen ist, damit nicht falsche Darstellungen sie in's Unglück treiben! – Wie sieht's denn in der Stadt aus?«
Erich erzählte, daß die Aufregung bedeutend sei, gab Beweise dafür, suchte aber doch immer seine Ausdrücke zu mäßigen und hüthete sich eine Theilnahme an den Ereignissen zu verrathen, die den Ansichten des Vaters entgegen sein konnte. Das besänftigte diesen, so daß Erich es endlich auszusprechen wagte, wie gern er Paris in diesem Augenblicke sehen würde.
»Was erwartest Du Dir davon?« fragte der Baron.
»Ich möchte es aus eigener Anschauung kennen lernen, wie ein Volk, das die bestehenden Gesetze aufgehoben hat, sich neue Gesetze giebt und sich ihnen unterwirft!«
»Der Anblick wird nicht erfreulich, aber vielleicht lehrreich für Dich sein,« meinte der Vater, »und falls Helenens Hochzeit keinen Aufschub erleiden muß, will ich Dich nicht hindern, gleich nach derselben Deiner Neugier zu willfahren, so wenig ich Dich hindern würde, Dir die Eruption eines Vulkanes anzusehen, vorausgesetzt, daß Du Dich selbst vor Schaden wahrst!«
Erfreut, diese Zustimmung so unerwartet leicht erhalten zu haben, wünschte Erich zu wissen, weshalb der Vater eine Verzögerung der Hochzeit für möglich halte?
Ich erwarte, daß der Graf seine Entlassung fordert, und das könnte ihn nöthigen, vor seiner Verheirathung noch Vorkehrungen für einen Aufenthalt auf seinen Gütern zu treffen. Er, der einer der ersten und ältesten Familien des Landes angehört, kann sich doch unmöglich dazu hergeben, in dieser bürgerlichen Königsfarce mitzuspielen!« sagte der Baron, als die Thüre aufging, der Lieutenant eintrat und sich dem Vater um den Hals warf.
Dieser erwiderte die Umarmung liebreich, aber noch während der Lieutenant sich niederbog, in seiner Herzensfreude des Vaters Hand zu küssen, sagte derselbe: »Warst Du schon bei Deinem Chef?«
»Ich habe mich bei meiner Ankunft gemeldet, lieber Vater! seitdem war ich nicht dort; ich habe ja dort Nichts zu holen, da ich auf Urlaub bin.«
Des Barons Gesicht nahm plötzlich einen strengen, harten Ausdruck an. »Und diesen Urlaub benutzest Du auf Deine Weise!« sagte er. »Das beweist der Brief, den ich gestern bekommen habe!«
Damit reichte er ihm ein Schreiben seines Regimentscommandeurs hin, der dem Baron nahe befreundet war. Es enthielt eine genaue Mittheilung des Vorganges bei dem Restaurant, den zur Kenntniß des Commandeurs zu bringen, der Hauptmann für seine Pflicht gehalten hatte, und der Obrist fügte hinzu, daß er aus Freundschaft für den Vater die Sache zu vertuschen bereit sei, wenn der Lieutenant seine Aeußerungen zurücknehmen und sich deshalb vor ihm entschuldigen wolle.
Georg war während des Lesens bleich geworden, der Vater beobachtete ihn scharf. »Nun?« fragte er, als der Sohn geendet hatte
»Der Brief enthält die Wahrheit!« antwortete Georg mit kaltem Tone und doch mit Unfreiheit.
»Und?« fragte der Baron weiter.
Der Lieutenant schwieg, aber ein heftiges Zucken seiner Lippen verrieth seinen Kampf. Er wollte sprechen, unterdrückte es – und es entstand eine Pause, in der Erich voll Besorgniß bald den Bruder, bald den Vater betrachtete, von denen keiner den Anfang zum Sprechen machen wollte, weil keiner das rechte Wort zu finden schien.
Endlich sagte der Baron: »Unser Wiedersehen fällt anders aus, als ich erwartet – sei es drum! Geschehenes ist nicht ungeschehen zu machen, zurückleben kann man nicht. Aber ich rechne darauf, daß Du Dich noch heute zu dem Obristen verfügst und zurücknimmst, was – ich glaube das zu Deiner Ehre – der Wein aus Dir gesprochen hat. Sei künftig mäßiger und respectire meinen Namen und den Rock des Königs, den Du zu tragen die Ehre hast!«
Damit ging er, ohne dem Sohne Zeit zu einer Antwort zu lassen, hinaus. Kaum aber hatte er sich entfernt, als Georg mit einer heftigen Bewegung empor fuhr, und im Zorne gegen sich selbst mit der geballten Rechten gegen seine Stirne schlug.
»Was hast Du?« fragte Erich,
»Was ich habe? – Und Du fragst noch?« rief Georg wie außer sich. »Fühlst Du denn nicht, wie elend ich wieder da gestanden habe einem gescholtenen Schulbuben gleich? – Schämst Du Dich denn nicht mit mir, daß ich nicht den Muth hatte, dem Vater zu sagen, wie verhaßt der Wiedereintritt in den Dienst mir gerade in diesem Augenblicke ist? – Liegt eine Ehre darin, diese Schärpe zu tragen, so verdiene ich sie nicht!«'
Seine Blässe, seine starren Züge hatten etwas Furchtbares. Erich war blaß geworden wie der Bruder, und sich liebevoll beruhigend zu ihm wendend, bat er: »Stürme nicht so selbstvernichtend gegen Dich an, Georg! Es ist keine Schwäche, es ist ein natürliches Empfinden, daß Du nach Jahre langer Abwesenheit dem Vater nicht in der Stunde des Wiedersehens in seinen heiligsten Ueberzeugungen entgegentreten mochtest. Ich freute mich Deiner Selbstbeherrschung.«
Der Lieutenant lachte bitter »Selbstbeherrschung?« spottete er; »ich habe da gestanden, das Wort des Trotzes, das Wort der Wahrheit auf den Lippen, und wenn ich es aussprechen wollte, fielen meine Blicke auf des geliebten Mannes theures Antlitz und ich mußte schweigen. Ich kann es nicht ertragen, seine Augen zornig auf mich gerichtet zu sehen, und ich werde zum Verräther an mir selber, aus Liebe für den Vater!«
Es entstand eine Pause, Erich war erschüttert, er näherte sich dem Bruder, ihn zu umarmen, entfernte sich dann aber wieder, aus Furcht, dies Zeichen einer beklagenden Theilnahme könne ihn verletzen. Endlich sagte er: »So kann es nicht bleiben, Georg! aber den Vater dahin zu bestimmen, daß er Dich jetzt den Abschied nehmen läßt, ist ganz unmöglich!«
»Ich weiß das!«
»Würde es Dir eine Erleichterung sein, wenn Du Dich als Lehrer an die Schule commandiren ließest? Deine Zeugnisse befähigen Dich dazu und Du hättest dann nur wenig mit dem activen Dienst zu thun?«
»Guter, treuer Junge! Du bist ganz der Alte!« rief Georg plötzlich milder aus, »Du verbindest, wie in unserer Kindheit, meine Wunden in der Stille, damit ich für meine Wildheit nicht gescholten werde. Hier aber hilft das Ueberpflastern nicht!«
»Es schafft Dir Zeit, Georg! und Zeit gewinnen heißt hier Alles gewinnen! Der Ausbruch eines Krieges ist ja ganz unwahrscheinlich, und giebt es Krieg, nun so ist's ja dann noch Zeit genug, Deiner Ueberzeugung nachzukommen, vorausgesetzt, daß sie sich nicht geändert hat!«
»Du nutzest die Lehre von der Wandelbarkeit des Menschen schnell genug für Dich und mich. Warst Du doch gestern selbst voll Wärme für den Freiheitskampf in Frankreich!«
»Kann ich bei Anderen nicht bewundern, was mir selbst vielleicht nicht angemessen wäre? und ist's ein Unrecht, wenn ich versuche, Dich zur Fügsamkeit zu überreden, da Du im Vaterhause bleiben sollst? Der Zwiespalt in Dir selbst, Dein ganzes Verhalten schmerzen den Vater!«
»Es ist nicht meine Schuld, daß ich dahin gebracht ward, daß man mich trotzig machte, daß man mich fürchten lehrte, wo ich liebte!« sagte der Lieutenant.
»Die an dem Knaben verübte Unbill als Mann noch zu empfinden, ist klein, Georg! Du mußt das von Dir werfen!« stellte der ältere Bruder ihm begütigend vor.
»Ich kann sie nie vergessen! Man hat mich feig gemacht!« rief der Lieutenant. Und wieder entstand eine Pause, aber seine Leidenschaft begann sich durch das Aussprechen zu besänftigen. Er setzte sich nieder, stützte den Kopf in die Hand, mit der er seine Augen verbarg. Und Erich glaubte zu bemerken, daß er Thränen zerdrückte, die sich hervordrängen wollten. Da legte er seine Hand auf des Bruders Schulter und sagte: »Geh zum Obrist, Georg! Der Vater ist in seinen Ueberzeugungen getroffen, und gereizt durch die neue Revolution, tritt ihm nicht entgegen, gerade jetzt nicht, wo er mehr als je geneigt ist, die Rechte seiner Autorität aufrecht zu erhalten. Wir wollen dahin trachten, Dir eine andere Lebensbahn zu finden, rechne unbedingt darauf, nur jetzt gieb nach!«
Er hielt ihm die Hand hin, der Lieutenant zögerte, schwankte, endlich schlug er ein, und ohne ein Wort zu sagen, schritt er der Thüre zu.
»Wohin gehst Du?« fragte Erich.
»Zum Obrist!« antwortete der Lieutenant und verließ das Zimmer.
Diesen Seelenzustand des Lieutenants zu erklären, mußte man den Vater kennen. Der Baron, obschon ein aufgeklärter Mann, sah, wie das bei seinen politischen Ueberzeugungen natürlich war, die Familie stets als den Staat im Staate an und hatte es für Pflicht gehalten, in sich, als in dem Oberhaupte derselben, den Seinen ein Urbild strengster Pflichterfüllung aufzustellen. Orthodox in der Politik, aber ein Zögling der Encyklopädisten in Sachen der Religion, hatte er seine Kinder in einer Gleichgültigkeit gegen dieselbe erzogen, welche der Mutter stets schmerzlich gewesen war, ohne daß sie sich erlaubt hätte, den Ansichten ihres Mannes durch die eigene, abweichende Ueberzeugung entgegen zu treten. Ohne den Hinblick auf den Willen Gottes oder auf einen Lohn und eine Strafe in einem jenseitigen Leben, hatte der Vater den Kindern seinen Willen als einzige Autorität in geistigen und leiblichen Dingen hingestellt, und von ihrer ersten Kindheit ab ihnen einzuprägen gestrebt, daß es keine Einwendungen gegen den väterlichen Willen gäbe, daß Gehorsam, unbedingte, schweigende Unterwerfung unter den väterlichen Willen, die höchste Tugend eines Kindes sei.
Lag darin auf der einen Seite eine despotische Härte, so machten die Liebe des Barons für seine Kinder und die makellose Ehrenhaftigkeit seines ganzen Lebens, ihnen den Vater theuer und den Gehorsam gegen ihn in ihrer ersten Jugend leicht. Ein rücksichtsvoller, treuer Gatte, aufopfernd und vorsorglich für seine Kinder, ein gerechter Herr seiner Untergebenen, hülfreich mit Rath und That in weitem Kreise, gemeinsinnig und freundlich gegen den Geringsten, galt er, obschon man seinen Eigenschaften Gerechtigkeit angedeihen ließ, dennoch bei Allen, welche ihn nicht näher kannten, für schroff und stolz, weil jede seiner Handlungen den Stempel der selbstherrlichsten Willkür an sich trug. Dies Gefühl der Selbstherrlichkeit, das sich in seinem Hause geltend machte, gab sich aber auch nach allen anderen Seiten kund. Sich den bureaukratischen Anordnungen der Regierung zu fügen, konnte nur seine Ergebenheit gegen den König ihn vermögen, denn er sah sie meist als Eingriffe in seine Rechte, in seinen freien Willen an, und so kam es, daß er in seinem Verhältnisse als Landforstmeister ein unerbittlich strenger Beamter sein konnte, während er als Gutsbesitzer ein Gegner der Beamtenherrschaft war und sich fast beständig in kleinen Kämpfen gegen die Regierung befand.
Ein solcher Vater mußte auf die Entwicklung seiner Söhne, je nach ihren Anlagen, sehr verschieden wirken. Er hatte dem von Natur sanften und allzu fügsamen Erich eine Art von sittlicher Haltung gegeben mit der Lehre von der Achtung, die ein Edelmann sich schulde, mit dem Gedanken, daß er einst berufen sei, den Familiennamen fortzuführen und die Stütze seiner Mutter und seiner Geschwister zu werden. Aber beständig auf des Vaters Urtheil, nicht auf sein eigenes Urtheil und Gewissen hingewiesen, hatte der Sohn sich gewöhnt, überhaupt den Maßstab fremder Billigung an seine Handlungen zu legen, und die ererbten Ansichten, das Urtheil der Welt, zu seinem schützenden Paniere zu erheben, sobald er sich von sittlichen Conflicten bedroht sah, die zu lösen, ihm die in solchen Fällen oft unerläßliche Härte und Energie gebrachen. Ohne starke Leidenschaften, wohlwollend und besonnen thätig, war er dazu gemacht, sich Freunde zu erwerben, versöhnend zu wirken und einen ebenen Lebensweg mit ruhiger Sicherheit zu gehen, während sein Bruder nach Kämpfen und nach Abenteuern schmachtete, um in ihnen einen Ableiter zu finden für eine Kraft, die der Vater, statt sie zu leiten und nutzbar zu machen, als Fehler angesehen und zu brechen getrachtet hatte. Aber die Menschennatur ist glücklicher Weise zähe genug, solchen Mißgriffen nicht zu unterliegen, wenn sie davon auch angetastet und gefährdet wird. War in dem Lieutenant die Fähigkeit selbständigen Entschlusses durch die väterliche Strenge auch gebrochen, so hatte er niemals das Bewußtsein verloren, daß ihm damit ein schweres Unrecht angethan sei, und er hatte nie härter davon gelitten, als in der Stunde dieses Wiedersehens.
Was es gerade ihn kostete, welchen Beweis von Liebe er dem Vater gab, als er sich zu seinem Obristen verfügte, das vermochte sein Bruder ihm nicht in voller Stärke nachzufühlen. Auch der Baron sah in des Sohnes That nichts als die pflichtmäßige Sühne eines unverantwortlichen Leichtsinns. Das Einzige, was er Schonendes für ihn zu thun wußte, war, daß er des Vorfalls niemals mehr erwähnte. Die Sache war abgemacht, wie er es nannte, und bald ward die Theilnahme der Familie nach einer anderen Seite hin noch lebhafter in Anspruch genommen.