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Sara saß zusammengekauert in einem Sessel, sie goß schaudernd eine dicke, braune Flüssigkeit in sich. Brennend lief sie durch die Gurgel, fraß sich ätzend in den Magen. Das Innere des Körpers schien sich schmerzvoll von der Bauchwand abzulösen. Ihr Kopf fiel zurück. Die Handteller legten sich suchend über den Bauch. Warteten, horchten.
Ja, er ist gut, dieser Schmerz, dieses Reißen und Brennen. Aber der Schmerz wurde eindringlicher, bohrte sich immer tiefer. Geschüttelt von Frost, warf sich Sara auf das Bett.
Das Blut lief immer langsamer, blieb stocken, schien ganz stillzustehen. Sie wollte sich aufrütteln, aufraffen. Sara, du mußt jetzt hinunter! Du weißt, du mußt hinunter, arbeiten. Aufstehen, aufstehen! Aber die Füße wurden immer schwerer. Ihre Hände legten sich über die Stirn. Wie naßkalt sie sind. Mit einer Bewegung des Kopfes schüttelte sie sie ab.
Warum bewegt sich die Wand? Warum tanzen die Möbel? Ganz verschwommen erscheint der Tisch. Sara, du mußt hinunter, aufstehen, aufstehen! Die Schwieger wartet sicher auf dich.
Das Blut wird immer kälter. Was nur saust pfeilgeschwind an der Wand entlang? Ist es eine Ratte? Es dreht sich, verschwindet, kommt wieder. Ach, jetzt erkennt sie es. Es ist das Gesicht der Schwieger. Sie verzieht es schrecklich. Die Runzeln werden zu Rinnen, in denen Bosheit fließt. Wie sie um den Küchenherd schleicht. Da stehen die Töpfe, hellgelber Tee, safrangelber, honigfarbener, giftgrüner und beizend brauner. Die Schwieger verschwindet auf einen Augenblick, und die Zigeunerin erscheint, das schwarzzottige Haar fällt in ihre Augen. Sie geht und zaubert inzwischen immer neue Tees hervor. Pechschwarzes Gebräu und lila durchsichtiges. Sie reicht ihr die Töpfe, und sie muß alles trinken. Einmal schmeckt es bitter, dann widerlich süß, dann wieder sauer, daß sie den Mund zusammenziehen muß, aber alles muß sie schlucken.
Es brennt, es zwackt, es ekelt sie, aber alles muß herunter. Die Zigeunerin steht vor ihr mit drohender Gebärde, ihre Augen heften sich durchdringend auf sie. Sara will betteln, will sie bitten, sie möge ihr weiteres erlassen.
Aber in der Luft fliegen Kannen herbei, aus dem Boden sprießen volle Schalen, und ihr Bauch schwemmt sich immer mehr auf.
Sie will flüchten, will sich verbergen, doch die Schwieger steht schon wieder da. Sie schaut in die halbleeren Töpfe, drückt ihre lange Nase hinein. Die Nase schnuppert, kraust sich. Die Alte murmelt: »Was ist das für ein Teufelssaft? Und hier, was ist denn das?« Ihr Mund verzieht sich schief. Die Augen laufen verstört in die Ecken.
Sara, komm, du mußt aufstehen! Sollst nicht bös träumen! Sara, du mußt hinunter, arbeiten. Die Schwieger soll nicht wissen, daß du krank bist!
Aber alles dreht sich noch immer wie verrückt. Die Schwieger ist nicht zu verscheuchen. Da steht sie in der Speisekammer. War das nicht gestern? Nein, da steht sie ja jetzt. Sie stellt sich auf die Fußspitzen und zählt die Eier, aber es fehlen welche. Sie beginnt wieder zu zählen. Ihre Stimme meckert: »Es fehlen welche!« Sie zählt hundertmal, tausendmal.
Die Finger laufen über die Eier. Der Mund bewegt sich immer schneller. Sie bückt sich, sie sucht. Sie kriecht unter die Schränke, sie klettert hinauf, durchsucht alle Gestelle, aber es fehlen welche. Da blickt sie nach ihr, nach Sara. Die Augen blitzen auf. Sie beginnt zu zischen: »Hier müssen Diebe sein!« Da wiegt sie das Mehl ab. Die ganze Gestalt ist in weißen Staub gehüllt. Die Hände hantieren mit den Gewichten. Aber das Mehl wird immer weniger, springt immer höher als die Gewichte. Und sie schleppt alles herbei. Den Zucker und das Fett, das feine Gänsefett, alles schrumpft zusammen.
Die Schwieger klettert durch das ganze Haus. Sara kann es wie in einem Spiegel sehen. Die Hände der Alten durchsuchen alle Winkel. Ihre Stimme bricht schrill: »Ein Dieb muß hier irgendwo stecken. Wo ist der Dieb?« Dann sieht sie wieder auf Sara. Sie beginnt leise vor sich hin zu kichern. Ihr Körper bebt leicht. Dann flüstert sie: »Oder frißt hier einer zuviel? Jemand, der immer dicker wird.« Vor Saras Augen wird es dunkel. Alles huscht durcheinander. Die Ratte, schon wieder ist sie da, die Ratte. Vor den Augen tanzen Kreise, grüne, gelbe. Sie will sich hochreißen, aufstehen. Aber sie fällt zurück. Nein, nein, nicht aufstehen. Schlafen. Das beste wäre, immer schlafen.
Dann lichtet sich langsam alles vor den Augen. Nur die nüchterne Stube ist da, die lang gekannten Möbel. Komm, Sara, die Zeit vergeht zu schnell. Du mußt hinunter, arbeiten.
Langsam, als müßten ihre Füße zu jedem Schritt gezwungen werden, schleppten sie sich in die Wirtsstube.
Komm, Sara, du mußt Fenster putzen.
Da war das Fenster, da stand die Leiter.
Von der Gasse her kam dumpfes Murmeln.
Langsam, von Stufe zu Stufe, stieg sie die Leiter hinauf. Dumpfe Schwüle strömte herein, überfiel den Schädel, bedeckte das Gesicht, blendete die Augen.
Die Gasse zerfloß, vibrierte in blitzendem Licht. Die Häuser lagen stumpf, mit blinden Fenstern da. Aber hinter den Gardinen, den verschlossenen Fenstern, ahnte man Leben und Bewegung, aufmerksames Lauern. Als blitzten tausend Augen hinter den toten Fenstern. Man hörte jetzt aus der Ferne das rhythmische Aufstampfen von Pferdehufen. Aber diese Pferde waren fremd, das waren keine schweren Lasttiere, das waren Fremde.
Am Ende der Dorfstraße erschienen Gestalten. Sie lösten sich langsam aus dem Dunst. Die Fremden bekamen Gestalt, bewegten sich langsam auf ihren Pferden. Es waren Soldaten, keine Roten, das war sofort zu erkennen. Sie schienen Offiziere zu sein. Sie trugen neue, weite Pelerinen aus einem hellen Stoff, und auf ihren Mützen prangten graue Falkenfedern. Ein Kind, das sich auf die Gasse verirrt hatte, lief hinter ihnen her und schrie: »Freischärler der nationalen Armee.« Es verbarg sich erst, als ein Reiter mit einer Gerte nach ihm schlug.
Vor dem Dorfnotariat stand der Notar, der seit Monaten verschwunden war, als hätten ihn die Reiter soeben aus der Erde gestampft. Da stand er und machte tiefe Bücklinge, und hinter ihm tauchte die breite Gestalt des Dorfrichters auf.
Kaum hatten die Reiter die Dorfgasse verlassen, galoppierten sie in Richtung des Schlosses.
Das Schloß stand auf einem niedrigen Hügel, die Fenster sahen nach allen Seiten des Dorfes. Es schien, als könnten die Schloßbewohner in jede einzelne Bauernstube schauen. Aber zum Zeichen, daß die Grafen entthront waren, wehte eine große rote Fahne über dem Schloßturm.
Träge, wie ausgestorben, lagen das Dorf da und das Schloß. Die fremden Reiter wurden unsichtbar.
Da schnaufte langsam über die holprige Dorfgasse ein langes stahlblaues Auto heran. Das mächtige Auto, größer als die Häuser der Gasse, war den Dorfbewohnern nicht unbekannt, ganz im Gegenteil, obgleich es sonst einen anderen, gepflegten Privatweg zu nehmen gewohnt war und jetzt am Kühler das fremde Sternenbanner flatterte, jedes Dorfkind kannte es, das gräfliche Auto. Man konnte nicht in das Auto sehen. Die Vorhänge waren heruntergelassen. Neben dem Chauffeur saß aber ein bewaffneter Soldat.
Die Dorfgasse blieb immer noch ausgestorben. Aber gerade diese stille, abwartende Reglosigkeit verriet die geheime Erregung in den Häusern.
Über dem Schloß die rote Fahne begann zu schwanken und fiel herab. Eine riesige rotweißgrüne Trikolore wurde hochgezogen, flatterte über dem Schloß.
In das stahlblaue Auto, das sich bis jetzt kaum weiterbewegt hatte, kam Leben, und mit ungeahnter Geschwindigkeit raste es jetzt den Hügel hinauf.
Plötzlich wurde die Dorfgasse belebt. Aus den Torbogen brachen Gestalten hervor, Bauern und Bäuerinnen, die Kinder stolperten zwischen ihren Füßen. Überall steuerten sie aufeinander zu. Gruppen bildeten sich, die Köpfe steckten sie zusammen. Schädel nickten erregt, stieben auseinander. Sie rannten und liefen.
»Es ist zu Ende«, hörte man, »die Roten hat man weggejagt.«
»Was wird jetzt geschehen?«
»Braucht uns gar nichts anzugehen.«
»Wir müssen schlau sein«, und immer wieder der Ruf: »Die Roten wurden weggejagt.«
Sara stand oben auf der Leiter. Ihre Ohren hörten, ihre Augen sahen, aber die Bilder zerflossen ineinander, die Töne gaben nur Klang, keinen Sinn. Was ging das sie auch an, was draußen vorging. Sie hatte ihre eigenen Sorgen und war allein mit ihnen. Niemand stand ihr bei. Am besten wäre, allem ein Ende zu machen, sich zerbrechen, zu zerschellen.
Sie sah herab. Ihr schwindelte. Die Hände hielten sie nicht mehr. Die Füße wankten, verloren den Halt. Sie ließ sich los. Einen Augenblick lang fühlte sie sich schweben. Die Luft umwirbelte sie. Sie stieß einen hellen Schrei aus. Und schon spürte sie den kühlen Lehmboden. Die Glieder schmerzten. Das Gesicht war zerkratzt. Als die Hand es betastete, wurde sie blutig. Am Arm waren Schrammen, sie ließ ihn schlapp herabhängen. Aber innen, im Leib, bewegte sich nichts.
Sie drückte den Körper gegen den Lehmboden. Stöhnte leise. Wollte nicht wieder aufstehen.
Die Schwieger stand vor ihr. Immer ist sie da. Überall ist sie. Sara fühlte, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten.
Sie wollte dieses höhnische Lächeln nicht mehr sehen. Wie lange sollte sie es noch dulden? Sara hörte sich flüstern: »Worauf warte ich denn noch?« Die Gedanken irrten weiter, wußten selbst nicht, was die Worte wollten.
Die Schwieger bewegte jetzt den Mund. Die Worte kamen hinunter zu Sara: »Du bist wohl krank, Sara? Etwas ist nicht in Ordnung mit dir? Wieso bist du gefallen? Lieg doch nicht auf dem kalten Boden. Steh doch auf, Sara. Oder hast du dir sehr weh getan? Soll man vielleicht den Arzt holen? Nein, wie du willst. Es ist nur gut, daß bald mein Heinrich kommt.« Sie schien den Lärm draußen in der Dorfgasse gar nicht zu hören.
Sara ließ ihr Gesicht auf den Armen ruhen. Sie hob nur ein wenig den Kopf. »Kümmern Sie sich nicht um mich. Gehn Sie weg. Lassen Sie mich nur in Ruhe. Ich werde schon aufstehen. Ich werde auch weiterarbeiten. Aber nur, wenn Sie gehen.«
Sie verbarg wieder das Gesicht. Bewegte sich nicht, solange es still blieb.
Erst als sie die schlürfenden Schritte der Alten sich entfernen hörte, begann sich ihr Körper zu bewegen. Sie erhob sich schwer. Aber alles war heil.
Sara schleppte sich in die Speisekammer. Stopfte einen großen Korb voll. Sie nahm alles, was ihr in die Hände kam. Eier, Mehl, Fett. Sie zuckte die Schultern, lachte kurz auf. Die Alte, die soll nur nachzählen, nachwiegen. Ihr Mund kräuselte sich spöttisch. Trotz der Hitze nahm sie ein großes Tuch, das ihre Gestalt und den Korb verbarg.
Sie eilte schnell zur Tür.
In der Dorfgasse, zwischen den Häusern, wimmelte es schwarz.
Die Glocken läuteten, erfüllten mit ihrem Klang das Dorf.
Bäuerinnen, die sich schnell festlich gekleidet hatten, sah man vorbeistolzieren.
Wallend ging die schwarze Soutane des Pfarrers vorbei. Seine weißen Hände nahmen gnädig die Kußhände der geputzten Bäuerinnen entgegen.
»Gesegnet sei der Herr Jesus Christus.«
»In Ewigkeit, amen«, ertönte es entlang der Dorfgasse.
Wie durch ein Wunder hatte sich auch die 188. Niederlage der Allgemeinen Konsumgenossenschaft verwandelt. Groß prangte wieder, wie früher, das Firmenschild: Stephan Kiß.
Im Schaufenster des Ladens waren sämtliche Schätze ausgestellt, die bisher wohlverborgen in Keller und Schränken geruht hatten, zwei in Blaupapier gewickelte Zuckerhüte, eine ganze Reihe Konserven- und Sardinendosen, in einer kleinen Tüte lag sogar Kaffee aus, umrahmt von dicken Strümpfen, geblümten Kattunstoffen und Tüchern. Frau Kiß, sonntäglich frisiert, stand lächelnd in der Ladentür und winkte leutselig den Bauern zu.
»Ja, jetzt gibt es wieder alles zu kaufen«; sie zeigte stolz auf die strotzende Hülle und Fülle. Das Goldene Zeitalter schien ihr nahe zu sein.
Händereibend kam der Herr Lehrer, die lebende Zeitung des Dorfes. Er trug eine große Kokarde in den nationalen Farben. Auf seinem Rockaufschlag sah man in den letzten Monaten hin und wieder, wenn Besuch aus der Stadt kam, das Emblem Sichel und Hammer, das aber öfters unter dem Rockaufschlag Platz finden mußte. Die Kokarde aber prangte endgültig und unverlegbar über seinem Knopfloch. Er hatte eine Unmenge Neuigkeiten der Frau Kiß mitzuteilen.
»Sie flüchten, die roten Halunken, aber es soll ihnen nicht so leicht gelingen. Die Henker werden genug zu tun bekommen. Ich höre, in der Stadt werden die Galgen öffentlich errichtet. Ja, gnädige Frau, in der Stadt, da gibt es mehr zu sehen und zu hören als in diesem Dorf. Haben Sie schon den Witz gehört: Die Diktatur war wie ein Radieschen, außen rot und innen weiß. Und das Allerneueste: Bela Kun stirbt. Er geht zum Bestattungskommissariat. Stellt sich mit dem Sarg am Rücken an.« Er prustete los, konnte nicht weitersprechen. Frau Kiß hatte gar nicht hingehört. Sie hielt nach Kunden Umschau.
Sara wollte nichts sehen und hören, sie wollte nur schnell weiterkommen.
Sie schob sich an den Häusern entlang, aber niemand beachtete sie. Hoffentlich war die Zigeunerin zu Hause, ließ sich vor Neugierde nicht unter die Dörfler mischen.
Sie wohnte am Dorfende in einem abgelegenen Haus. Es war nicht gut, wenn man eine Frau öfter durch ihre Türe gehen sah.
Sara hielt vor dem verfallenen Haus der Zigeunerin. Der Zaun war abgebrochen, der Garten voll Gestrüpp.
Die Zigeunerin kam ihr entgegen, warf hinter ihr die Tür zu.
Sara riß das Tuch ab. Den Korb stellte sie auf den Tisch.
Das Gesicht der Zigeunerin legte sich in freundliche Falten, als sie seinen strotzenden Inhalt sah. Aber sie wich zurück, als sich ihr Sara drohend, mit zusammengebissenen Lippen näherte.
Saras Finger krallten sich um ihren Arm. Aber die Zigeunerin schüttelte sie leicht ab, zeigte weiße Zähne: »Nun, was hast du denn?«
»Du, gib acht«, zischte Sara. Ihre Hände legten sich auf den Tisch, wo zwischen Instrumenten, Irrigator, Pasten und Pillen abgegriffene Karten lagen. »Gib acht, du Betrügerin. Glaub nur nicht, daß ich so dumm bin wie deine Bäuerinnen. Eine Diebin bin ich schon deinetwegen geworden. Aber mehr wirst du aus mir nicht herauslocken. Noch heute machst du ein Ende, oder ...« Ihr Körper beugte sich immer drohender vor. Immer wütender stieß sie hervor: »Du fütterst mich mit unnützem Zeug, läßt mich dein Gebräu saufen, daß sich der Magen mir im Leib umdreht, aber nützen soll's nicht. Eine Melkkuh brauchst du. Eine Dumme, die dir gute Bissen zuführt. Und du lachst dir nur ins Fäustchen. Gib acht, sag ich dir.« Sie zeigte ihr die verkrampften Finger. »Sie könnten noch den Weg zu deinem Hals finden.«
Die Zigeunerin riß die Lippen auseinander. Ihre Schultern schüttelten sich vor Lachen. »O Sara, Sara, du hast den Teufel im Leib sitzen. Deshalb kann ich dir vielleicht nicht so leicht helfen. Mach kein so wütendes Gesicht. Es ist schon gut. Du bist vom Herrgott zu gut ausgestattet. Es sitzt halt alles bei dir zu fest. Es löst sich nicht so leicht von dir. Ist das mein Fehler?« Sie legte ihre Hand über Saras Hüften.
Die schüttelte sie ab mit einer heftigen Bewegung ihres Körpers. »Sprich nicht soviel. Ich habe keine Zeit. Ich will nicht länger warten. Ich kann nicht, du weißt es. Ich lebe in ewiger Angst. Hilf, oder du lernst mich kennen.«
»Ei, ei, du Wilde«, lachte die Zigeunerin schallend. »Droh nur, droh nur. Das kann dir nicht viel nützen. Ich hab schon mancher geholfen. Aber die kamen schmeichelnd zu mir, waren weich wie Seide.« Aber als sie das verfinsterte Gesicht Saras sah, lenkte sie ein: »Du brauchst nicht gleich so aufzubrausen.« Sie sah nach dem vollen Korb. Ihre Stimme wurde freundlicher. »Man hat ein zu gutes Herz. Da ist nichts dagegen zu machen. Wenn eine ein gutes Herz hat, muß sie helfen. Da kann sie nicht anders. Auch wenn die Menschen schlecht sind. Sarachen, Sarachen, mach nicht so wütende Augen. Ich hätt's dir schon längst weggemacht. Aber du wolltest ja nicht, daß ich dich anrühre.«
Sara stieß zischend hervor: »Mach.«
Die Zigeunerin nahm etwas Blitzendes vom Tisch, legte es über eine Flamme.
Sara biß die Zähne zusammen.
»Sarachen, bleib ruhig, sonst laß ich dich. Rühr dich nicht an. Du springst ja wie ein Fohlen.«
Saras Gesicht war dunkel.
Plötzlich hörte sie ein leises Winseln, wie von einem Kinde. Es schien aus den Mauern zu kommen, oder aus dem Boden. Langgezogen, dann wieder wimmernd.
Sara stieß die Zigeunerin von sich. Sie flüsterte mit fliegendem Atem: »Was ist das? Wer ist nebenan?« Die Hände zitterten. Das Gesicht flog bebend.
Die Zigeunerin bog sich vor Lachen: »Eine Katze ist das doch. Sara, ich schick dich weg.«
Die Zigeunerin beugte sich wieder über Sara.
Sara fühlte ihre langen kalten, tastenden Finger.
Sie zuckte zusammen.
Sie wollte aufspringen, sie wegstoßen.
Die Zigeunerin keuchte: »Wenn du nicht ruhig bist, geh zu einer anderen. Ich plage mich nicht weiter mit dir.«
Dann fühlte sie etwas Kaltes, Bohrendes. Verdeckte die Augen.
Stieß einen Schrei aus. Als sie die Hände von ihrem Gesicht fallen ließ, erblickte sie den geröteten, lachenden Kopf der Zigeunerin. Sie wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.
»Das war keine leichte Arbeit mit dir, du Wilde. Morgen bist du's los. So, und jetzt lege dich ein bißchen hin. Lauf doch noch nicht. Schon dich ein wenig. Renn doch nicht so. Zum Teufel, lauf jetzt nicht.« Aber Sara war schon verschwunden. »Wie sie läuft, so ein verrücktes Biest.«