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Die Gaststube stützte sich auf Pfähle, Balken vergitterten unvermauert die Decke. Der Boden war aus Lehm.
Die Fenster waren trotz der Junihitze fest verschlossen und sorgfältig verhängt.
Die blakende Petroleumlampe verbreitete fettigen Geruch und nur wenig Licht. Sie hing über einem großen, runden Tisch. Um ihn saßen die bevorzugten Gäste. Vor ihnen machte Jakob, der Wirt, Bücklinge. Schleppte Weinflaschen für sie aus dem Keller. Der Großbauer dirigierte, klatschte in die Hände, um den Wirt wieder herbeizurufen, erteilte immer neue Befehle.
Neben ihm saß der alte Peter. Er sah aus, als wäre er aus Holz geschnitten, hätte überhaupt kein Blut mehr. Er saß grade und unbeweglich, um seinen Hals war ein rotes Tuch geschlungen, und im linken Ohr baumelte ein Ohrring. Er gehörte früher zu den Ärmsten. Aber das Unglück anderer wurde zu seinem Glück. Auf seine alten Tage war er reich geworden. Der eine Sohn hatte ein reiches Mädchen geheiratet, der Sohn beerbte sie. Aber bald mußte er in den Krieg. Er fiel. Alles erhielt der Vater. Der andere Sohn hatte sich in Amerika abgerackert. Von dem Ersparten kaufte er sich ein schönes Stück Land. Er hatte gar keine Zeit mehr, sich nach einer Frau umzusehen. Er mußte einrücken. Bald moderte er irgendwo in fremder Erde. Der Vater erbte wieder. Freute er sich, grämte er sich, sein hölzernes Gesicht verriet nichts. Aber er wurde von krankhaftem Geiz, von schmutzigster Habsucht, der erbarmungsloseste Gläubiger, er, der in seiner Armut immer hilfsbereit war. Wie ein Schatten folgte er dem Großbauern und ließ sich von ihm freihalten.
Auch ein anderer, der sich gern am Rockzipfel des Großbauern festhielt, Stephan Kiß, früherer Besitzer der dörflichen Kolonial-, Mode- und Papierwarenhandlung, jetzt Geschäftsführer desselben Ladens, der seit Ausrufung der Räterepublik die 188. Niederlage der Allgemeinen Konsumgenossenschaft hieß, saß hier. Auch der frühere Dorfrichter und noch einige Bauern, die im Krieg nicht nur ihre Schulden loswerden konnten, sondern sich auch noch etwas Land zukaufen konnten.
Der andere Tisch, um den sich viele Bauern drängten, war länglich. Er verschwand fast im Halbdunkel. Nur verschwommen konnte man die Gestalten hier erkennen. Leute in alten zerrissenen Uniformen, frühere Herrschaftsknechte, die jetzt auf dem enteigneten, früheren gräflichen Gut arbeiteten, Häusler, ein alter Hirt.
Nur vor wenigen standen Gläser, und auf dem Tisch waren nur einige Flaschen des staatlich genehmigten Dünnbiers zu entdecken. Den Mittelpunkt schien ein bärtiger Mann zu bilden, obgleich man ihn nur wenig sprechen hörte.
Am Tisch des Großbauern wurde heftig angestoßen. Spöttische Zurufe wurden zwischen den beiden Tischen gewechselt.
Der Großbauer hob sein Glas. Seine Augen funkelten den bärtigen Mann an. Seine Stimme knarrte: »Es leben die Taugenichtse, es leben die Strolche, es leben die Nichtstuer, unsere neuen Herren, sie leben hoch!«
Alle schrien jetzt durcheinander, nur der Bärtige pfiff höhnisch zwischen den Zähnen. Er war Mattheus, der Halbbruder des Großbauern, Mitglied des Dorfdirektoriums.
Der Großbauer schälte sich aus den anderen heraus. Sein Stuhl rückte aus der Reihe, warf sich etwas vor, näher dem feindlichen Tisch. Er wandte sich jetzt an die Gestalten um Mattheus. »Wenn ihr nur zufrieden seid mit der neuen Ordnung. Ist ja auch alles besser. Gehört doch alles der Allgemeinheit.« Sein breites Gesicht drehte sich den Häuslern zu: »Ihr habt doch auch eine Kuh, ein Schwein oder auch zwei, oder Hühner, die habt ihr doch alle. Bisher hat es wenigstens euch gehört, aber später, paßt nur auf, wird die Allgemeinheit die Pfoten danach ausstrecken. Da wird man euch nehmen, was ihr noch habt.«
»Ist schön von dir, daß du dir so viel Sorgen um uns machst. Hast aber immer vergessen, unser Eigentum zu schützen früher. Weißt du, als du lieber bei uns hast requirieren lassen. Du hast es schon immer gut verstanden, wie du dein Gut vor der Allgemeinheit schützest«, rief ihm ein alter, ausgemergelter Mann zu.
»Nun, wenn ihr zufrieden seid mit allem, wie es ist, um so besser. Aber ich will euch nur warnen. Ich kenn ihn besser als ihr, den Schönredner da. Den Neidhammel.« Sein Stuhl rückte näher. Es war, als wollte er auf Mattheus zureiten. »Ich kenn ihn, den Bruder. Wer sollte sich kennen, wenn nicht Brüder. Mit dem Grafen haben sie angefangen, aber er«, sein Finger stach gegen Mattheus, »er möchte an mich heran, er möchte mich ausquetschen. Dann kommen die anderen ran. Alle, die es besser haben als er. Aber mit mir wird er nicht fertig. Da müßte einer schon schlauer sein als dieser Herr Bruder, den wir gut kennen.«
Knarrend, als kämen die Töne aus einer Holzfigur, die aufgezogen wurde, begann jetzt Peter, der Alte, den Knechten Worte hinüberzuwerfen: »Müßt ihr euch nicht geradeso abrackern wie früher. Da gab's wenigstens Ordnung. Da wußtet ihr, was ihr zu bekommen habt. Aber heute schmeißen sie euch Papier hin, das sie Geld nennen, da könnt ihr euch den Arsch damit auswischen.« Der Alte meckerte.
»Es gibt auch dafür was zu kaufen in der 188. Niederlage der Allgemeinen Konsumgenossenschaft«, wieherte Stephan Kiß, der ehemalige Krämer, »Fliegenfänger, Klebepapier. Was wollt ihr noch mehr.«
»Schweigt nur mit eurer Ordnung«, rief ein Soldat in zerrissener Uniform, »man hat uns leben lassen, als wären wir Säue, um eure Fleischtöpfe zu schützen. Du Alter, du jammerst deinen Söhnen nicht nach. Und wenn es zehn gewesen wären, du hättest sie gern in den Tod geschickt, wenn dann nur dir das Geld in den Schoß fällt. Schade nur, daß nicht noch einige da waren zum Sterben, dann könntest brillantne Ohrgehänge in deinen langen Ohren baumeln lassen.«
»Aus dir spricht ja nur der Mattheus. Laß es gut sein«, sagte der Großbauer und rückte mit seinem Stuhl immer näher an den langen Tisch. Viele lärmten, aber einige stierten unzufrieden auf das Dünnbier, das auf ihrem Tisch stand.
Mit einem Ruck sprang der Großbauer auf. Sein großer, dicker Körper federte leicht, als wäre er ein Gummiball. Er hatte seine Hand auf die Schulter des Schweinehirten gelegt, von dem bekannt war, daß er einen guten Trank nicht verachtete. »Ich weiß schon, es gibt so manchen unter euch, der nur mitmacht, weil ihm nichts anderes übrigbleibt und weil er sich verhetzen läßt. Einer, der nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, der wird eher auf den Rat eines Mannes hören, der es zu etwas im Leben gebracht hat, als auf einen Stromer und Nichtsnutz.«
Dann rief er schallend den Wirt herbei: »Gläser her und den besten Wein aus dem Keller. Alle, die an meinen Tisch kommen, halt ich frei, alle können saufen, soviel sie wollen.«
Jakob kam mit Flaschen voll bepackt. Die Schwieger rief nach Gläsern und Sara.
Der erste, der langsam an des Großbauern Tisch kam, war der Schweinehirt. Sie schimpften auf den Großbauern, sagten, sie wollten ihn nur arm trinken. Mattheus wollte sie zurückhalten: »Denkt ihr, er gibt euch aus reiner Liebe zu trinken? Spuckt auf seinen Wein. Sie machen euch ja nur besoffen, weil ihr dann schwach werdet und man mit euch machen kann, was man will. Deshalb ist ja das Weintrinken verboten worden.« Aber sie ließen sich nicht zurückhalten. Blickten auf das Dünnbier nur mit in Ekel verzogenem Mund. Nur Andrej, der Blödian, blieb an Mattheus' Tisch. Auch er trug eine schmutzige Soldatenuniform. Man nannte ihn den Blödian, weil er, seitdem er aus dem Krieg zurückkam, oft merkwürdig war, Unverständliches vor sich hin sprach, Gesichter schnitt und den Kopf oft zittrig schüttelte.
Sara betrat mit den Gläsern die Gaststube. Brauendes Gemisch von Gerüchen legte sich würgend auf den Hals, drang in den Magen, wühlte die Gedärme auf. Beizender Tabakgeruch vermischte sich mit dem bitter brennenden Aroma des Alkohols. Schweiß drang aus den schweren Kleidern der Bauern.
Saras Augen wankten zur Tür. Nur hinaus. Nur Luft. Sie fühlte sich elend, krank.
Aber ihre Ohren vernahmen leises Klirren. Sie erblickte die Schwieger. Sie saß in schräg beschienener Ecke und strickte. Das Klappern aber schienen nicht die Stricknadeln zu verursachen, sondern ihre schweren Augenlider, die sich unaufhörlich blinzelnd aufhoben und wieder niederfielen.
Sara fühlte, wie sich diese zwinkernden Augen ihrem Körper näherten, ihn durchsuchten. Sie steifte den Rücken, riß sich zusammen, näherte sich dem großen, runden Tisch.
Ihre Hüften wiegten sich. Die Schritte wurden sicher. Den Kopf warf sie lächelnd zurück.
Als sie die Gläser auf den Tisch stellte, drängte sich ihr Arm schmeichelnd zwischen die Bauernleiber. Aber sie hielt den Atem zurück. Die Kleider schienen Erde und Dünger auszuatmen. Ihr Körper, ihre weichen Bewegungen peitschten die Bauern auf. Alle Gesichter drehten sich ihr zu. Sie sah aufgerissene Münder, begehrliche Augen. Einer schrie jauchzend: »Ach, die schöne Sara!« Auch der Großbauer drehte sich ihr zu. Sein Blick vergaß sich auf ihr. Dann nahm er ein Glas, schenkte Rotwein ein, schob es Sara zu. Er deutete auf Andrej, der noch bei Mattheus saß: »Bring ihn her zu uns.«
Sara hob das Weinglas und näherte sich mit kleinen Schritten Andrej. Sie stand vor ihm. Ihr Mund war halb geöffnet. Man sah die rote Zunge, die weiß schimmernden Zähne. Sie hielt das Glas vor Andrejs Augen und flüsterte: »Komm Andrej, komm.«
Er sprang auf, schob sich ganz dicht, drohend an Sara heran. Seine stieren Augen schienen zu suchen. Er zischelte Laute, die sich zu keinem Wort formten.
Saras Augen zogen sich zusammen. Sahen ihn durch das Gitter der Wimpern von unten an.
Hinter einem Wutschleier sah Andrej die Szene, die sich vor einigen Tagen auf dem Ackerfeld abgespielt hatte.
Da ist Sara und gräbt die Erde um. Sie ist allein. Die Sonne wirft sich gegen ihre pralle Brust, das glänzende Haar. Jetzt richtet sie sich auf. Voll. Gesund. Breit. Und die Augen, von der Sonne geblendet, zwinkern lachend. Seine Arme schnellen hoch, greifen nach ihr. Erst lacht sie. Zeigt ihr volles Gebiß. Er kommt dicht an sie heran. Seine Knie drücken sich fest an ihre Beine.
Da will sie zurückweichen, sich ihm entwinden, beginnt höhnisch zu schreien: »Mach, daß du wegkommst, du Bauer!« Aber er, Andrej, packt noch fester zu. Die Wut steigt ihm in den Kopf. Sara versucht, ihm immer wieder zu entwischen, aber seine Hände packen sie krallend. Er zischt: »Du, du Jüdin, bleib still. Du hast dich gemästet, während ich im Dreck lag. Ich will auch etwas vom Leben haben.« Er blickt in ihre kalten Augen, dann beginnt er, halb weinend, mit bebender Stimme zu betteln: »Ich möchte auch etwas vom Leben haben. Laß mich doch.« Ihre Augen werden nur noch hochmütiger, und er beginnt vor Wut zu schreien: »Du wirst mich nicht mehr abschütteln! Nicht immer wieder auslachen!« Er will sie hinwerfen.
Aber die Gestalt Saras strafft sich. Ihre starken Arme stemmen sich gegen seine Schultern, und als er sie noch immer nicht losläßt, wirft sie blitzschnell ihren Kopf über sein Handgelenk, die Zähne schlagen hart in sein Fleisch. Er taumelt zurück, strauchelt über eine Baumwurzel, sein Kopf fällt in eine Pfütze. Arme und Beine fliegen in die Luft. Er will sich aufrichten, kann es nicht. Sein schmieriges, verzerrtes Gesicht sucht winselnd Sara. Sie steht an einen Baum gelehnt und lacht schallend. Sie steht da, gesundes, volles Leben neben diesem zitternden, abgenutzten Menschenabfall: »Du schwaches Bäuerlein. Du willst mit mir anfangen.«
Ihr Lachen dringt schmerzhaft in seine Ohrmuschel. Sie läuft mit wippenden Röcken.
Sein Auge läßt sie nicht los, bis sie verschwindet. Dann sieht er, wie hilfesuchend, auf den gleißend blauen Himmel, aber der scheint ihn auch nur auszulachen. Und er ist da wie zertretenes Ungeziefer.
Nun stand Sara vor ihm und rief ihn lockend, der Wirtshauslärm umgab sie. Da folgte er ihr zu den anderen. Er ließ Mattheus allein. Man empfing ihn lärmend.
Der Großbauer schnellte wieder einen Augenblick vom Stuhl, verband mit einer Bewegung der auseinandergestreckten Arme die Bauern und den einsam Sitzenden.
Seine Stimme meckerte: »Seht ihn doch, seht ihn nur. Da sitzt er allein, verkriecht sich im Dunkel, hat Angst vor dem Licht. Da säuft er das dünne Bier, nur um mehr Galle aus sich herauspressen zu können.«
Mattheus antwortete nicht.
Diese Stummheit schien den Großbauern nur noch mehr zu erregen. Er keifte heiser: »Seht ihn doch, wie er grün wird vor Neid. Seht nur dieses mummlige Rettichgesicht, dieses zerlöcherte Käsegefries. Wie er es mit dem zerzausten Bart zu verdecken sucht. Aber das verschimmelte Gesicht sieht doch daraus hervor. Stinkt er nicht nach Galle, der neue Erlöser?«
Mattheus beugte sich etwas vor, seine Stimme traf voll den Großbauern: »Du riechst wohl deine eigene Galle, die du so reichlich verspritzt?«
Die Bauern begannen ungeduldig zu werden: »Du wolltest uns zu trinken geben, und jetzt redest du nur. Wir sind nicht gekommen, um deine großen Reden anzuhören.«
Der Großbauer begann zu schreien: »Jud, wo versteckst du dich. Allen das Glas voll. Mach schnell.«
Dann wandte er sich an die Bauern: »Aber auf wen ihr gehört habt, auf wen ihr hören wollt, das müßt ihr doch wissen. Ich kenn ihn doch genau. Ich weiß, wie der schon als Kind war. Weil meine Mutter reich war, hat er sie gehaßt. Unseren Vater hat er gehaßt. Seine verstorbene Mutter war eine arme Magd, aber er hätte gern alles genauso gehabt wie ich. Mit dem Gesindel steckte er immer zusammen. Das waren seine Freunde.«
Ein kleiner, zusammengeschrumpfter Alter warf ihm von unten einen feindlichen Blick zu: »Was weißt du, wer Gesindel ist, du Dickbauch.«
Der Großbauer redete schneller: »Wartet nur, wartet, es ist noch nicht zu Ende. Hört mich doch. Ihr müßt hören, wer er ist. Einer von den Strolchen schenkte ihm ein kleines, altes Messer. Auf das war er stolz. Wurde frech. Ich merkte, wie er immer mit dem Messer spielte in der Stube. Stach in die Möbel. Im Wald, er warf es gegen die Bäume. Seine Blicke wurden immer frecher. Wenn die Mutter Brot schnitt, wanderten seine Augen prüfend über jede Scheibe. Einmal bekam er ein kleineres Stück Brot, er zitterte vor Wut, warf es weg. Am nächsten Tag bekam er ein noch kleineres Stück, den allernächsten wieder, versteht ihr, als Strafe. Den darauffolgenden Morgen stand er da, grün vor Wut. Seht ihn, seht ihn, so sah er aus, wie jetzt.«
Mattheus war jetzt aufgesprungen. Seine Hand war zusammengekrampft, so hörte er den Großbauern weiterreden.
»Und die Mutter schnitt mir ein großes Stück Brot ab, er stand daneben. Dann gab sie ihm ein kleineres Stück. Und wie sie es ihm reichen wollte, sprang er plötzlich auf sie zu, zog das Messer hervor und stach gegen ihre Hand. Sein Mund schäumte, er sah aus wie ein toller Hund. Er bebte aber so sehr vor Wut, daß er ihr nur die Haut einritzen konnte. Ein Muttermörder ist er, auch wenn er nicht gemordet hat. Der Wille ist schon die Tat. Wollt ihr auf diesen Menschen hören?«
»Du glaubst, ich bin immer noch das Kind, das du quälen kannst. Er hat mir das ganze Leben vergällt. Kaum schlief ich nachts ein, schlich er sich zu mir, zischelte in mein Ohr: ›Muttermörder, büße, büße.‹ Spielte ich mit anderen Kindern auf der Wiese, pflanzte er sich dick, rotwangig vor mir auf und flüsterte mir ins Ohr: ›Du Muttermörder darfst nicht spielen, du mußt büßen.‹ Erst mußte ich ihm das Messer hergeben zur Buße, dann sollte ich fasten, jeden Bissen lockte er mir aus dem Mund. Jeden Apfel mußte er bekommen. Ich mußte ja fasten, büßen. Ich war ein Sünder, ich wußte es ja selbst. Wochenlang lebte ich von trockenem Brot, alles andere aß er selbst auf. Er platzte schon vor Wohlbehagen. Immer dicker wurde er und größer, aber wurde nie satt. Alles hat er aus mir herausgelockt, den letzten Heller aus dem väterlichen Erbe. Um mich vor ihm zu retten, bin ich in die Welt hinaus.«
»Was ist aus dir auch geworden. Bist kein Bauer mehr, bist kein Arbeiter, in Bücher hast du deine Nase hineingesteckt. Aber meinetwegen, draußen in der großen Welt, da könntest du tun, was du willst. Aber warum du zurückgekommen bist, das möchte ich nur wissen.«
»Warum ich zurückgekommen bin, das willst du wissen. Gut, ich will es dir sagen. Als ich fortging, da sagte ich mir, Gott, dieses ganze Dorf, was ist es denn. Es ist nur ein Staubkorn. Es gibt vielleicht Millionen Dörfer. Es gibt Tausende Millionen Menschen. Ich muß ja nicht hier leben, gerade in diesem Dorf leben. Aber bald fand ich, daß die ganze Welt immer nur diesem Dorfe gleicht. Man kann hingehen, wohin man will, überall findet man das gleiche Dorf, die gleiche Welt. Alles ähnelt sich wie ein Staubkorn dem anderen. Ihr könnt eine Wüste von Sandkörnern durchwühlen, jedes einzelne wird sich ähneln. Überall kämpfen Reich und Arm, Schwache und Starke. Deshalb, siehst du, bin ich zurückgezogen.«
»Und mit mir willst du kämpfen? Mit mir willst du es aufnehmen?«
»Vielleicht.«
»Aber sie sind dir schnell entlaufen, deine Freunde. Du kannst ihnen lange das Himmelreich versprechen, wenn ich ihnen Schnaps gebe.«
Einige von den Soldaten und den Häuslern, die zugehört hatten, begannen zu lachen: »Dickbauch, Großredner. Wir trinken deinen Schnaps, aber damit hast du uns nicht gefangen.«
»Und ich sage euch eins. Diese ganze Herrlichkeit wird nicht lange dauern. Wenn man dir, Häusler, dein Schwein wegnimmt, wirst du auch nicht nur zusehen. Glaubst du, der Graf wird sich nicht wehren, der ist stärker als du. Die Starken, die halten zusammen.«
»Und die Schwachen, nie. Einmal hast du recht, Bruder.«
»Seht ihr. Es ist euch gleich, daß er ein Muttermörder ist. Aber er wird auch euch alle bald morden. Denn die Starken, die werden sich rächen. Wir werden es nicht vergessen, wer sein Freund bleiben wird. Ihr tut besser daran, das sag ich euch, ihm jetzt schon den Rücken zu kehren. Und wie möchte er, daß ihr leben sollt? Wie Heilige. Das, was euch die meiste Freude macht, wollen sie euch verbieten. Da haben Leute, die nur von Buchstaben etwas verstehen, in ihren dummen Büchern etwas aufgestöbert, das wollen sie euch zu fressen geben. Kehrt ihnen den Rücken.«
»Ja, und laßt euch Fußtritte verabreichen. Krepiert, verhungert. Laßt euch hinmorden, lauft hinein in Gewehre wie das Wild während der Treibjagd.«
Mattheus warf die Tür weit auf. Er rief den Bauern zu: »Kommt, laßt das Gift, er will euch doch nur schwach und dumm machen.« Sie merkten gar nicht, daß Mattheus in der Tür stand und auf sie wartete.
Der Großbauer rief: »Jakob, allen das Glas voll.«