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III

Eine warme Welle durchlief den Körper. Sara strahlte langsam von der Fußspitze bis zur Brust. Es war, als tastete eine leichte, fremde Hand sie an. Ihre Augen öffneten sich erschrocken, zerstäubten den Halbtraum, trieben blinzelnd den Schlaf von sich, sprangen über die Bettdecke, über die alten, schiefen Möbel, glitten über die rußigen Wände.

Der Heinrich kommt bald nach Hause. Er hat viel über mich nachgedacht. Sie flüsterte das vor sich hin, als ob sie einen Traum, den sie vergessen hatte, weiterdenken wollte.

Sie sah um sich, als ob sie das Zimmer nie gesehen hätte. Es ist häßlich hier. Die Wände so schief, so rauchig und verschmutzt. Und ein Gefühl hat sie, als ob sie gar nicht in einem Zimmer wäre, sondern in einer großen Schaukel. Sie möchte, daß es ganz ruhig und still wäre, aber alles tanzt leise auf und ab.

Sie spürt wieder so eine Übelkeit, ganz wie gestern abend, als sie die Wirtsstube betrat. Hier riecht es auch so schwer, nach vielen Federbetten, und der Geruch vom Wein dringt herauf.

In der anderen Ecke des Zimmers, im Bett, bewegt sich leise Martin, das Kind. Es soll nur schlafen, sie will Ruhe haben. Ihr ist so merkwürdig und fremd.

Aber da ward sie plötzlich ganz wach. Bilder fütterten in jagender Hast vor ihren Augen, kreisten durcheinander. Schreck lähmte ihre Glieder, denn eines kommt immer wieder: der Reisende.

Immer klarer: der Reisende. Bilder wirbelten, aber er stand immer wieder da: der Reisende. Sie sah seine Augen, den Mund. Klar drang säuerlich riechender Schnurrbart ins Gedächtnis. Sie spürte auf der Zunge den Geschmack von Tabak und Pomade. Sah deutlich die goldenen Zähne in dem zum Lachen auseinandergezogenen Mund. Die großen, weichen, etwas feuchten Hände kamen aufdringlich. Der sorgsam gescheitelte Kopf. Er stand vor ihr, mit dem ewig gleichen Lächeln, dem spitz gedrehten Schnurrbart. Die Nägel glänzen rot. Und schon beginnt er auch zu sprechen. Die Sätze fließen rund, ohne Pausen. Sooft sich der Mund öffnet, glänzen die goldenen Zähne auf.

Sara setzte sich entsetzt halb auf. Die Bilder schlossen sich zusammen. Wie eine Kette, in der sich jedes Glied undurchbrochen aneinanderreiht. Sie wollte sich in Hindämmern retten, aber sie konnte nicht flüchten, sie mußte jedem einzelnen Glied folgen.

Wann war es nur? Sie begann zu rechnen. Die Tage, die Wochen. Das Gedächtnis wollte versagen, aber sie mußte erbarmungslos ihr Gehirn plagen. Da stand er wieder vor ihr: der Reisende. Zwischen aufgestapelten Koffern und Schachteln. Aus allen quellen Seide und Spitzen hervor. Die Städter wissen, wo das Geld steckt und wie man es den Bäuerinnen herauslocken kann. Da gibt es Bänder, Tücher, Glasperlen, Samtblumen und Spangen.

Der Reisende wohnt im Gastzimmer. Er erzählt, wie man jetzt nach dem Krieg alle langentbehrten Schätze über die Grenzen schmuggelt. Sara stiehlt sich, so oft sie kann, in sein Zimmer. Bleibt mit halboffenem Mund, glänzenden Augen vor all den Reichtümern stehen. Ihre rauhen Finger gleiten zaghaft über die Seide. Die Augen bleiben im Goldspitzengehänge hängen. Da tritt der Reisende herein. Erschrocken will sich Sara flüchten. Aber nun öffnen sich die Koffer ganz. Die Schachteln.

Alles breitet er vor ihr aus. Sie lacht entzückt, lautlos. Er macht große Augen, läßt sie nicht von ihr. Der dicke, gedunsene Mund preßt sich auf ihren Hals. Sie läßt es zu, merkt es kaum. Sie will weiter Seide streicheln.

Er spricht vom Leben in der Großstadt. Kann alle Pracht nicht genug ausmalen. Baut vor ihr mächtige Häuser auf, weite Alleen. Lichter erglänzen strahlend, Autos sausen endlos vorbei. Seinen Worten entströmt rauschende Musik, Bewegung, Licht.

Er reißt ihre Bluse halb auf, legt gleißende Seide über sie. Zieht sie zum Spiegel. Zeigt ihr, daß sie schön ist. Läßt sie über eine beleuchtete Treppe emporsteigen, gefolgt von einer Hecke bewundernder Blicke. Sie ist nicht mehr die frühere jüdische Magd, die glücklich sein mußte, als der Wirtssohn sie heiratete. Feine Herren beugen sich über ihre Hand, flüstern ihr Schmeicheleien zu.

Sie trinkt die Worte, obgleich sie weiß, daß alles Lüge ist. Sie kennt ja die Stadt, wenn auch nicht die große, und weiß, daß er ihr nur Trugbilder vorgaukelt. Aber sie kann nicht genug hören von dieser Welt, die so anders ist als die ihre, in der sie eingesperrt lebt, wie in einem Kerker.

Fort aus diesem dunklen Schlamm, der sich über sie ausbreitet. Fort aus der düsteren Enge.

Ihre Hände lassen die Seide nicht los. Ihre Gestalt dreht sich halb tanzend. Die Augen strahlen losgelöst.

Der Reisende nähert sich ihr. Seine Hände ergreifen von hinten ihre Brust, sie wehrt sich nicht. Sie weiß gar nichts von ihm. Sie ist mit ihren Gedanken weit fort. Sie lebt ein anderes, glänzendes Leben.

Der Reisende drängt sie fort vom Spiegel. Wirft sie plötzlich aufs Bett. Sie vergißt, sich zu wehren. Schrickt erst auf, als sie über ihrem Gesicht seinen schnaufenden Atem fühlt.

Sie senkt die Lider. Will ihr bisheriges Leben von sich werfen. Dem ewig grauen Einerlei entschlüpfen. Und entzündet an den lockenden Bildern, wirft sie sich ihm entgegen, sucht mit zusammengebissenen Zähnen, verschlossenen Augen nach Lust.

Als er sich aber von ihr loslöst, auf dem Bett sich neben ihr ausstreckt, als sie sein lächelndes, gerötetes Gesicht erblickt, überfällt sie Wut.

Da ist sie wieder in der dumpfen niedrigen Stube. Verflogen ist alles Lockende. Ihre Kälte kehrt wieder. Grausam durchsuchen ihn ihre Augen. Dieses zufriedene Gesicht ekelt sie an. Sie sieht jetzt seinen billigen Anzug. Die Armut unter seinem übertünchten Äußeren. Sie weiß ganz genau, wie er in der glänzenden Stadt lebt. Kennt den säuerlichen Geruch seines Zimmers in einem übervölkerten Mietshaus. Weiß, wie er in einem schmutzigen Restaurant sein unappetitliches Essen hinunterwürgt. Wie er sich in die volle Elektrische drängt und nicht Auto fährt.

Als der Reisende nach ihr greifen will, springt sie auf und lacht, lacht häßlich und schrill über ihn und über sich selbst.

Aber da sie erinnernd wieder alles durchlebte, wuchs ihre Unruhe, sie sprang aus dem Bett, lief zu dem Spiegel. Ihr Gesicht verzog sich zu einer bösen Grimasse. Die Haut war aschfahl. Sie stellte sich auf die Fußspitzen, starrte so in das Glas. Die Lippen zitterten. Sie begann wieder zu rechnen. Jetzt wurde ihr alles klar. Wie konnte sie nicht schon früher daran denken. Die verkrampften Hände ließen das Hemd halb herunter. Die Augen prüften die Gestalt. Ihre Hände betasteten aufmerksam den Körper. Lang fielen die schwarzen Haare über ihren Rücken.

Plötzlich erblickte sie im Spiegel, hinter ihrem halbnackten Körper, den zerwühlten Haaren, zwei Augen.

Sie drehte sich um.

Zusammengerollt unter dem Federbett lag Martin. Nur sein Kopf sah hervor. Die dunklen Augen folgten neugierig ihren Bewegungen.

Sara schob schnell ihr Hemd hoch, näherte sich dem Bett. Ihr Atem pfiff heiser durch die Nase. Die Lippen kräuselten sich böse. Keuchend beugte sie sich über Martin. Ihre Hände warfen sich über ihn, zerrten ihn aus dem Bett. Er stand klein und zart vor ihr, nur seine Augen waren merkwürdig, als gehörten sie einem verschüchterten Tier. Er wußte nicht, was sie von ihm wollte. Sah sie erwartungsvoll, nur ein wenig verängstigt, an.

Sie zog ihn bei den Haaren, schleifte den mageren Knabenkörper in die Mitte des Zimmers.

Er blieb ganz still, hielt den Atem zurück, riß nur die Augen weit auf.

Saras Stimme überschlug sich. »Wie siehst du mich an? Du Scheusal, du Schandbube. Wie siehst du deine Mutter an. Warte nur, das werde ich dir austreiben. Warte nur, warte.«

Ihre Hände schlugen blind auf ihn los. Er duckte sich nur ein wenig, aber seine Ruhe machte sie noch wilder.

Ihre Stimme wurde immer lauter, heiserer. Die Hände schlugen immer wilder um sich. Sie schlug nicht mehr Martin, schlug in die Luft. Die Hände warfen sich gegen die Möbel, hämmerten auf dem Boden, den Wänden. Sie schleifte sie an Kanten, ritzte sie an einem Eisennagel, aber sie fühlte keinen Schmerz. Raste noch wilder. Dann mußte sie sich am Bettpfosten festhalten, ihr Kopf wurde bleischwer, das Blut warf sich hämmernd gegen die Schläfen.

Martin blieb geduckt an der Wand stehen. Er wagte sie nicht anzusehen. Dann, als er sah, daß sie unbeweglich blieb, kroch er langsam zu seinen Kleidern, die auf einem Stuhl lagen.

Sara saß mit stumpfem Gesicht auf dem Bett. Sie schien Martin gar nicht zu sehen, der sich schnell und lautlos anzog.

Nur seinen flehenden Blick fühlte sie, als er lautlos die Tür hinter sich zumachte. Sie hörte, daß er vor der Tür stehenblieb. Sie wußte, er würde nicht von der Tür fortgehen. Er hielt Wache. Wenn die Großeltern sie gehört haben, würde er leugnen, daß sie ihn geschlagen hat.

Sie lief zur Tür und verschloß sie. Warf das Hemd von sich. Blickte sich scharf, kalt an, maß mit gespannten Fingern die Brust, die Hüften. Es schien ihr, als würden sie von Minute zu Minute breiter und dicker, ihr Bauch schwellender.

Wie sie diesen Körper haßte. Wie konnte sie nur bis jetzt nichts bemerken. Warum war sie so gedankenlos. Warum mußte immer das Schicksal gegen sie sein. Sie stampfte mit den Füßen. Warf sich aufs Bett. Ihre Fäuste trommelten über ihren Bauch. Sie wollte nicht wieder etwas aus sich herauswachsen lassen. Sich nicht wieder mit Fremden herumschleppen. Nein, nein. Immer wilder trommelten die Fäuste. Sie sah das hämische Gesicht der Alten vor sich. Nein, nochmals nein. Waren noch nicht genug Menschen da? Noch nicht genug, die darauf lauern, sich zu zerfleischen? Für wen sollte es ein Fraß werden?

Der Reisende erschien ihr wieder. Sie spuckte aus. Sie schlug sich ins Gesicht. Und wieder begann sie gegen sich zu wüten. Sie riß die mattbraunen Brüste, die dunklen, langen Haare, schlug den Kopf gegen die Wand, daß sie vor Schmerz aufbrüllte.

Und Heinrich kam nach Hause. Der »Herr Doktor«, der so viel über sie nachgedacht hat. Was der immer über sie gedacht hat, das weiß sie ja auch nicht.

Man könnte sie fortjagen. Man könnte sie auf die Straße setzen. Jahrelang hat sie für sie gearbeitet, schwerer als zwei Mägde, für nichts. Man könnte ihr das Kind wegnehmen, Martin, ihr Kind.

Sie riß die Tür auf. Da stand er winzig, an die Tür gelehnt, und lauschte fassungslos in kindlicher Angst.

Sie riß ihn an sich. Er wollte zurückweichen. Sie führte ihn wieder in das Zimmer, umfaßte ihn: »Hast du Angst vor mir, Martin? Du hast eine böse und wilde Mutter. Sei mir nicht böse, daß ich böse bin. Die Menschen werden schlecht, wenn man zu ihnen schlecht ist. Ich war zu dir böse, aber ich will nicht, daß du böse wirst. Man war schlecht zu mir, immer, auch wenn ich ganz wehrlos war, aber jetzt, wie habe ich dich geschlagen, und du bist auch wehrlos. Martin, ich möchte dir alles erzählen, dir könnt ich alles erzählen. Keinem Menschen als dir. Das Leben ist ja so schrecklich einfach, ein kleines Kind könnte alles verstehen, aber die Menschen wollen nichts begreifen oder tun nur so. Mach keine so erschrockenen Augen, Martin, ich erzähl dir nichts, du bist ja erst sechs Jahre alt. Geh spielen, geh.«

Als sie allein blieb, hielt sie die Hände vor die Augen, wie Vorhänge, die sie von der äußeren Welt abschließen sollten. Sie dachte den schweren Gang ihres Lebens.

Wie einem Kind, das man besänftigen möchte, flüsterte sie sich zu: »Arme Sara.«

Ein Waisenkind zu sein in einem Dorf, das einzige Judenkind, ist bös. Mit acht Jahren verließ sie die Schule. Sie wurde Gänsehirtin der Gemeinde. Die Bauern ließen sie stillschweigend die Schule schwänzen. Sie war lieber draußen, allein mit den Gänsen, als eingezwängt in einer schlecht riechenden Schule zwischen lärmenden Bauernkindern, die keine Gelegenheit entgehen ließen, sie zu hänseln. Den Gänsen konnte sie laut Befehle erteilen, hier war sie Herrin, ihre schrille Stimme ertönte über die Felder. Die Bauern mochten sie als Hirtin, aber zu essen gaben sie ihr nur unlustig.

Mit zehn Jahren wurde sie Magd, sie lief von Hof zu Hof, von Dorf zu Dorf, sie hielt es nirgends lange aus. Sie stellte sich überall geschickt an, aber spielte den Frauen allerlei Schabernack. Manchmal lief sie nachts davon und ließ sogar ihre Sachen stehen. Den Frauen, denen sie sich als Kindsmagd verdingt hatte, wurde sie immer unheimlich. Denn sie hing mit einer abgöttischen Liebe an den fremden Kindern. Oft aber schlug ihre Liebe in Haß um, wenn die Frauen mit lauten Befehlen sie fühlen ließen, daß sie nur eine fremde Magd war. Oft bekamen sie dann Angst um ihre Kinder. Einmal fand eine Frau, die mit ihr am Tage zuvor herumgeschrien hatte, sie mit dem Säugling am Brunnen sitzen. Sie beschuldigte sie, daß sie das Kind hinunterwerfen wollte. Nie mehr ging Sara zu Kindern.

Sie war dreizehn, als sie plötzlich aufblühte. Mit ihrer dunklen Schönheit wirkte sie wie ein fremder Vogel aus einem fernen Land. Die Frauen begannen sie zu hassen. Die Männer merkten auf, wenn sie kam. Sie wehrte sich gegen sie wie eine böse, wilde Katze.

Mit fünfzehn Jahren kam sie in die nahe Stadt. Dieses mittlere Provinznest erschien ihr der Inbegriff aller Herrlichkeiten dieser Erde. Sie konnte es kaum glauben, daß es wirklich ganze Straßenzüge voll Läden gab, prächtige Schaufenster mit allen erdenklichen Waren, daß es in ein und derselben Stadt drei Kinos gab, viele Kaffeehäuser mit roten Plüschsofas und Marmortischen, abends waren sie hell erleuchtet, und es sickerte Musik aus ihnen auf die Straße. Sie konnte den ganzen Tag umhergehen, ohne müde zu werden oder sich satt sehen zu können. Sie konnte einen halben Tag vor einem Schuhladen stehen, um jeden einzelnen Schuh auf das genaueste zu betrachten. Sie bewunderte die Auslagen der Konditoreien, die verschiedenen Formen und Farben der Kuchen und Torten; die Modellpuppen in Kleidergeschäften interessierten sie ebenso wie die Kleider; in den Drogerien staunte sie über jedes Stück Seife; jede Ansichtskarte, jedes Bild, jedes Plakat erregte ihre Aufmerksamkeit. Diese staunenswerte Vielfältigkeit der Welt erfüllte sie mit Bewunderung und Entzücken.

Sie kam mit anderen Bauernmädchen an, die alle Dienst in der Stadt suchten. Eine Frau sprach sie am Bahnhof an, die immer im Herbst nach Beendigung der Landarbeiten auf ländliche Dienstboten wartete. Sie gab ihnen Quartier und besorgte ihnen Stellungen.

Sara schlief mit sieben anderen Mädchen in einem kellerartigen Raum. Ihre Enttäuschung aber begann erst, als sie ihre ersten städtischen Stellungen annahm. Sie kam zu kleinen Leuten, die schlechter lebten als die mittleren Bauern. Sie wohnte in luftlosen Kammern; das Fensterchen, wenn es überhaupt eins gab, ging auf einen engen, dunklen Lichtschacht voller Abfälle.

Das Essen war kraftlos und armselig, die Bauern aßen besser. Sara erinnerte sich an die Lebensmittelgeschäfte mit all den unbekannten Köstlichkeiten, dem fremdländischen Obst, dem seltenen Geflügel. Wer aß denn all die Sachen? Der Hausrat war häßlich, abgenutzt und zerbrochen. Sara begriff nicht, wozu es soviel Geschäfte gab mit all den zahllosen Sachen, wenn man dabei schlecht und bedürftig leben mußte.

Ihr Lohn reichte kaum für das Allernotwendigste.

Sara kam zu reicheren Leuten. Aber auch da war nur die dünne Oberfläche glänzend. Wenn Gäste kamen, täuschte man Überfluß vor. Sie mußte hier noch mehr arbeiten. Einmal putzte sie bis spät in die Nacht Silber. Als ihre Dienstgeber nach Hause kamen, fanden sie sie erschöpft schlafend zwischen Putzpasten und Silbergedeck. Sie umstanden sie lachend. Nachts drang der Sohn des Hauses in ihre elende Kammer. Sie schlief auf rotgewürfeltem Bettzeug. Sie wurde von so einer Wut gepackt, daß sie ihn fast erschlug. Sie begann nun ihr Leben zu hassen.

Sie kam dann zu einer Frau, die Zimmer an Studenten vom Lande vermietete. Hier lernte sie Heinrich kennen. Wenn sie das Zimmer betrat, ließ er seine Bücher und folgte ihren Bewegungen. Er sprach zärtlich zu ihr und wollte ihr Unterricht im Lesen und Schreiben geben. Manchmal aber war er mürrisch, schien sich zu verachten, weil er sie, Sara, liebte.

Eines Tages aber warf er die Bücher fort, erklärte ihr, daß in ihnen nichts Vernünftiges stünde, daß er das weitere Studium aufgeben und Sara heiraten wolle.

Er selbst war überrascht, als er sich so sprechen hörte. Sara überlegte nicht lange. Sie hatte ihr Dienstmädchendasein satt. Die Zimmervermieterin konnte nicht genug über das Glück, das ihrer Magd widerfahren war, staunen. Ihr schien, daß alle Leute vom Lande reich waren. Wenn sie nur ein Zipfelchen Erde besaßen, lebten sie im Schlaraffenland.

Als Sara sich verheiratet hatte, merkte sie bald, daß sie wieder eine Magd war. Die Schwiegereltern ließen sie fühlen, daß sie für ihren Sohn etwas Besseres erhofft hatten, daß es unschicklich sei, so arm in eine Ehe zu treten. Heinrich bekam bald Sehnsucht nach seinen Büchern. In der Wirtsstube seiner Eltern lebte er in einer anderen Welt. Sara hatte den Ehrgeiz, ihre Unentbehrlichkeit zu beweisen. Sie arbeitete schwer und unlustig. Dann kamen das Kind, der Krieg, öde Dumpfheit.


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