Kurd Laßwitz
Sternentau
Kurd Laßwitz

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Das weise Moos

Ebah drängte sich enger an die Buche und sagte dankbar:

»O Schattende, du gute, große! Nun fühl' ich tief das Glück, dir so nahe sein zu dürfen, der Mächtigen des Waldes, der Hüterin am Riesengrab.«

»Und ich freue mich, daß du nun immermehr vernehmen und verstehen wirst, was an Pflanzenleid und Pflanzenhoffnung lebt und zittert im Reiche Urd und was wir erflehen vom Schicksal des Planeten.«

Die Buche schwieg.

Nun regte sich's unten am Boden, hier und da, nicht ein einzelnes Pflänzchen, ein allgemeines Gemurmel war's von zahllosen Blättchen und Fäserchen der Wurzeln, von Stengelchen und Becherchen, und doch eine deutliche Stimme, gemeinsam dem dicken, weichen Teppich, der Fels und Erdreich und Baumwurzeln umzog. Durch den Wald ringsum vernehmbar sprachen die Moose.

»Es ist recht, ihr Kinder da oben, und du, Schattende, die du weiser bist als die andern, es ist recht, daß ihr Ebah aufgenommen habt in die Rede des Waldes.«

»›Ihr Kinder‹ nennt uns das Moos?« fragte Ebah heimlich die Buche.

»Das tut es immer. Der Wald ist sein großes Kind, so sagt es. Und es ist ja wahr, das Moos war vor uns da. Wenn es jetzt auch unseres Schattens bedarf, so konnten doch wir alle nur dadurch den festen Boden gewinnen und als Blütenpflanzen emporwachsen, weil uns das Moos die Erdkrume bereitet hat; von Meer und Sumpf zu Berg und Fels. Darum ehren wir's.«

»Das habe ich wohl gemerkt, nur konnte ich's bisher nie richtig verstehen, wenn es zu dir sprach.«

»Weil es dich eben noch nicht für mündig erachtete und daher nicht verstanden sein wollte. Das Moos ist etwas altväterisch, aber es ist sehr weise.«

»Doch warum ist es so klein geblieben?«

»Ach, Ebah, was ist klein? Was in uns wirkt und mächtig wird, das ist ja doch lebendig im allerkleinsten, in der Keimzelle, die das Gesetz des Wachstums birgt. Und das Moos ward klein, weil wir groß wurden. Aber höre, es spricht.«

»Das Tiefste bin ich im Wald,« sagte das Moos langsam, »das Niedrigste, aber das Älteste, das, was am engsten verschlungen ist und verwachsen der Mutter Erde. Wie ich ihre Stoffe umwandle in meinem zierlichen grünen Zellenleibe, so fließen von ihr zu mir ihre weiten großen Gefühle, und ich spinne sie für mich zu seinen, lockeren Seelenfädchen. Ihr mögt sie dann zu euern großen Gefäßbündeln und Stämmen verarbeiten und umwandeln in grobe Gedanken und törichte Wünsche, wie jeder kann und will. Ich aber sage euch, was ich mag.«

»Wir hören gern auf dich, weises Moos,« sagte die Buche.

»Ihr spracht vorhin mit der Fichte, Richtiges und Falsches.«

»Vorhin? Vorhin?« fragte die Buche leise den Efeu. »Was mag es damit meinen? Das Moos ist ein bischen langsam.«

»Wir sprachen vom Blühen; ich sehnte mich danach und die Fichte nannte es Luxus,« sagte Ebah.

»Sie macht ihn aber mit.«

»Durchaus nicht jedes Jahr und niemals vor dem fünfzigsten,« rief die Fichte unwillig hinüber.

»Pst!« erwiderte die Buche. »Was sagten wir Richtiges, weises Moos?«

»Von der Blüte. Sie ist ein Fehler, aber da er einmal gemacht worden ist, so ist sie nun kein Luxus, sondern ein notwendiges Übel. Das ist eine schwierige Frage, eine lange Geschichte. Ja, in der guten alten Zeit, als es nur Kryptogamen gab, da hielten wir noch alle zusammen mit der Mutter Erde. Aber jetzt spaltet sich mehr und mehr ab, und eine Blüte möchte sich benehmen wie ein Schmetterling.«

»Verzeihe, weises Moos,« sagte die Buche, »aber du hast uns doch gelehrt, daß der erste Fehler der Spaltung schon von den Kryptogamen gemacht worden ist.«

»Ja, das ist richtig, leider. Das war wohl ein Irrtum der Mutter Erde selbst, den sie oft bereut hat, damals die Spaltung von Tier und Pflanze. Das hätte nicht sein sollen, das ist das Tragische in der ganzen Erdentwicklung. Ich rede nicht gern davon, denn niemand weiß, wie da zu helfen ist.«

»Aber erzähle doch noch einmal, wie es geschah. Ebah hat das noch nicht gehört.«

»Wir auch nicht, wir auch nicht,« klang es auf allen Seiten von den jüngeren Gewächsen her.

»Im Anfang, als unsere Mutter Erde noch jung war,« so begann das Moos bedächtig, »da waren alle lebendigen Wesen auf ihr nur solche kleine einzelne Pflanzenzellen, wie sie auch jetzt noch zahllos in Luft und Wasser umherirren; jede wirtschaftete für sich und vermehrte sich immer nur durch Spaltung in zwei Zellen. Die edlen und feinen Säfte aber, aus denen sie sich aufbauten, die mußten sie mühsam sich selbst herstellen; denn Mutter Erde bot ihnen ihre Stoffe noch nicht fertig für sie bereitet. Sie hatte ihnen aber die Kunst mitgegeben, wenn der Lichtstrahl auf sie schien, in sich die Stoffe zu fügen zu den leuchtenden Kernen des Blattgrüns. Da hatten sie ein machtvolles Werkzeug, die Luft zu spalten und ihre Zellen immer neu und kräftig herzustellen. Das war eine Mühe, das wißt ihr; denn so machen wir's alle noch heute. Na, ihr braucht nicht zu murren da drinnen, ihr Schmarotzer; euch päppeln wir eben auf, weil wir euch anderweitig zu Dienern brauchen. Aber der große Abfall, die Raubstaatengründung, das war das Unheil.

Es kamen nämlich einmal schlimme Zeiten, da fehlte es an Licht, und vielen Lebendigen war es schwer, sich ihren Leib selber zu bereiten. Da verfielen einige darauf, die fertigen Nährstoffe den andern fortzunehmen, sie überfielen ihre Mitzellen und sogen sie in sich auf. So hatten sie's freilich bequemer und konnten leicht stärker werden als die andern.«

»Aber warum hat man das geduldet?« fragte Ebah empört. »Das ist doch ungerecht. Man mußte sich nicht fressen lassen.«

»Sie waren eben die Stärkeren,« beruhigte sie die Buche.

»Man konnte sich doch vereinigen –«

»Pst!«

»Ja,« sagte das Moos, »bei dieser Gelegenheit wurde es auch üblich, daß sich die einzelnen Zellen immer mehr und mehr zu ganzen Verbänden zusammenschlossen und die Arbeit unter sich teilten. Da streckten wir Wurzeln aus in den Boden und Blättchen in die Luft, aber die Gegner machten es auch so, die bildeten einen Sack mit einer Öffnung, da zogen sie nun die lebendigen fertigen Wesen hinein. Das nannten sie essen. Ihr müßt bedenken, daß wir damals fast alle im Wasser lebten. Und so wurden die immer kräftiger, die sich bloß von den andern Geschöpfen nährten und gar nicht mehr von der Erde selbst ihre Nahrung nahmen. Allmählich hatten sie überhaupt verlernt, wie man die Rohstoffe in Lebenssaft verwandeln kann, und so ist es gekommen, daß nur wir Pflanzen unmittelbar von der Erde zehren. Die andern aber, die Stopfsäcke, die Lebensräuber, wurden das, was wir Tiere nennen, und sie können auch nur existieren, wenn sie Pflanzen finden, die ihnen die Nahrung schon zur Lebensgestalt bereitet haben. Und das ist die Ursache, weshalb sie den engern Zusammenhang mit der Erde verloren haben. Die Pflanzen setzten sich fest, denn sie brauchten den Boden für ihre Wurzeln, und Luft und Wasser kamen zu ihnen. Da verbreiteten wir uns in mächtigen Vereinen über die Erde in Wald und Wiese, in Steppe, Moor und Wasser. Langsam und bedächtig ist unser Tun, aber sicher und dauernd lebt unsre Seele in der großen Mutter, die uns umfaßt.

Die Tiere aber mußten sich die Nahrung suchen, wo sie wuchs oder umherlief (denn sie fressen sich ja auch untereinander), und so mußten sie sich bewegen über den Boden oder durch das Wasser oder die Luft. Da wurden sie ein umherirrendes Geschlecht, eilig und unstet, flüchtig und gewaltsam. Und so verloren sie ihre Dauerseele. Freilich, in den einzelnen Tieren und in den Menschen, die ja die klügsten Tiere sind, da wohnt ein Rest der großen Erdseele, der aber ist seinen eigenen Weg gegangen; geschieden und abgegrenzt von der ewigen Mutter lebt die vergängliche Einzelseele. Wie sie die Nahrung suchen mußten, schweifende Geschöpfe, so müssen sie auch ewig suchen nach dem Zusammenhange des Erdbewußtseins, und in ihrem trümmerhaften Geiste bleibt für sie alles ein dunkles, fremdes Geheimnis

Das eben ist das große Unglück des Planeten, dem ich das erste Kleid gewoben habe um die starren Glieder. Zerrissen ist das Seelenband zwischen seinen Organen. Wir verstehen nicht mehr die Hastenden, und sie verstehen uns nicht. Wir wissen nur von den Menschen, daß sie sich abschieden vom Reiche Urd und es für schlummernd halten und seelenlos. Sie selber aber sind die Geschiedenen.«

»Arme Harda,« seufzte Ebah im Stillen.

Die Pflanzen schwiegen und sannen nach über die Rede des Mooses. Da begann die Fichte:

»Wie aber hängt das alles zusammen mit dem Blühen, wovon das weise Moos doch zuerst gesprochen hat? Warum soll das Blühen kein Luxus sein, sondern ein notwendiges Übel?«

»Richtig, richtig!« sagte das Moos. »Das ist nämlich eine neue Spaltung, die innerhalb der Pflanzenwelt eingetreten ist, freilich nicht eine Spaltung in feindliche Lager, sondern nur in der Ansicht darüber, wie wir Pflanzen es am besten weiterbringen, nachdem einmal die Tiere ihren eigenen Weg gegangen sind. Das ist aber eine sehr schwierige Frage, die auch mit der ersten Spaltung zusammenhängt. Und ich stehe da auf meinem festen Standpunkt, den ihr Bäume und alle ihr Offenblütigen für altmodisch haltet.«

»Altmodisch bin ich nun nicht, und Blüten trage ich auch,« sagte die Fichte. »Aber ich hätte gar nichts dagegen, wenn das Blühen wieder abgeschafft würde.«

»Das ist ja Unsinn,« klang es unten vom Hügel her, wo sich eine Roßkastanie vom Park aus hinverirrt hatte. »Das haben wir alles so fein ausgearbeitet mit dem Blühen, und das ist das Schönste und Vornehmste an uns. Das ist die ästhetische Kultur, wie die Menschen sagen, das ist Verfeinerung, das verbindet uns Tier und Mensch. Wenn man das abschaffte, würde man immer mehr in die Masse versinken. Aber es geht auch gar nicht.«

»Es ginge schon,« brummte der Nachtschatten, »wenn man's anfinge wie meine Verwandten auf dem Felde draußen, die Kartoffeln. Dann bildet ihr Blüten und Früchte zurück und legt alle eure Kraft auf die Knollen. Ja wohl! Wenn ihr lieber ein Kartoffelfeld habt als eine Wiese, lieber eine Fichtenpflanzung als einen gemischten Laubwald, da agitiert nur gegen die Blütenverfeinerung und werdet die richtigen Proletarier.«

»Das will ja eben die Fichte,« rief die Roßkastanie. »Mit der Masse will sie die Herrschaft im Walde gewinnen.«

»Schweigt,« rief die Buche. »Das Moos will uns noch etwas sagen.«

»Zankt euch nicht, Kinder!« hob das Moos wieder an. »Es kommt jetzt gar nicht darauf an, was man möchte, sondern wie es geworden ist. Unsre einzelligen Vorfahren haben sich immer so vermehrt, daß eine Zelle, wenn sie zu groß geworden war, sich teilte und die Kinder getrennt fortwuchsen. Aber die Nachkommen wurden da gar zu gleichartig, eintönig, schablonenhaft, es gab keinen Fortschritt. Da haben sich denn zwei verschiedene Zellen, eine große und eine kleine, vereinigt und verschmolzen, und wenn die sich dann wieder teilten, so waren die neuen Zellen auch wirklich neue Wesen, die von beiden Eltern etwas an Eigenschaften mitgebracht hatten. Als nun aber sich die Zellgenossenschaften der größeren Pflanzen und Tiere gebildet hatten, da wuchsen diese massigen Körper jeder für sich heran, indem immer Zelle auf Zelle sich teilte; nur unter besondern Umständen, von Zeit zu Zeit, konnten zwei Geschöpfe gleicher Art Zellen zur Verschmelzung aussenden, wie ihr's in euern Blüten tut. Das ist ja nun ganz gut, nur darf man den Zusammenhang mit der Mutter Erde nicht verlieren. Und deswegen halten wir Kryptogamen daran fest, daß wir immer zwei Generationen wechseln lassen. Die eine wurzelt in der Erde und vermehrt sich nur durch die Spaltung der Zellen, erzeugt aber dabei besondere Organe, unsre Sporen. Diese entsenden Zellen, die erst weiter wachsen, wenn sich zwei verschiedene, männliche und weibliche, verschmolzen haben. Das ist die zweite Generation, die sich vervollkommnen kann, weil jeder Nachkomme an den Eigenschaften beider Eltern teilnimmt. Ihre Kinder aber kehren nun erst wieder zur Erde zurück und wachsen aus ihr hervor. So bleiben wir immer im Zusammenhang mit der großen Mutter bei unsrer Vermehrung durch Sprossung und verfeinern und stärken uns doch durch die Vermählung.«

»Aber, weises Moos,« sagte die Buche, »das machen wir ja gerade so, nur haben wir diese zweite Generation abgekürzt auf die Entwicklung in der Blüte.«

»Drum meine ich eben, daß die Blüte ein notwendiges Übel ist, die Vermählung dürfen wir nicht entbehren. Den Fehler sehe ich nur darin, wie ihr die Sache eingerichtet habt. Die meisten von euch haben sich schon ganz von den Tieren abhängig gemacht, und wie ihr sie anlockt durch Honig oder Duft oder glänzendes Äußere, das wird euch schließlich das Wichtigste im Leben. Das scheint mir nicht der richtige Pflanzenstolz auf unsre Erdwurzelung.«

»Wir werden darum unsern Zusammenhang mit der Dauerseele nicht aufgeben,« meinte die Buche. »Aber das scheint mir doch ein großer Fortschritt, daß wir uns Wind und Wasser und vor allem die Tiere und den Menschen dienstbar machen, unsern Blütenstaub von Ort zu Ort zu schaffen und unser Gedeihen zu fördern.«

»Und es ist doch nichts Rechtes mit den Blüten,« schalt die Fichte. »Nichtstuer sind sie, denen ihr alles Beste an Nahrung abgeben müßt, und vor dem Regen ducken sie und fürchten sich, 's ist lächerlich.«

»Ich aber,« rief die Roßkastanie wieder herüber, »ich finde es lächerlich, sich mit so schuppig-schäbigen Blüten zu begnügen. Wir tun sehr Unrecht, die Gesellschaft der Hastenden nicht lebhafter zu suchen. In der Ausbildung der Blüte sehe ich einen Weg, ganz besonders dem Menschen uns zu nähern. Ich kenne diese Obertiere besser als ihr hier im Walde, denn meine Mutter steht drüben nahe an der Haustür. Sie müssen für die große Mutter Erde doch einen Nutzen haben, den wir nicht verstehen.«

»Ach was,« sagte die Fichte. »Eben um unsertwillen sind sie da. Wozu sollte die Erde sie sonst brauchen, da sie doch in uns ihre Organe hat.«

»Sie werden aber die Dinge von mehr Seiten betrachten können als wir feststehenden,« bemerkte die Buche.

»Gewiß,« rief die Kastanie. »Ihr solltet nur sehen, wie sie bald von dieser, bald von jener Seite kommen und was für wunderbare Dinge sie zu machen verstehen.«

»Aus uns!« höhnte die Fichte.

»Ja, aber dafür pflegen sie uns auch. Und sie kennen und unterscheiden uns viel besser als wir sie. Ihr Fichten solltet ihnen besonders dankbar sein!«

»Egoismus! Sie nützen uns aus.«

Ebah hatte eifrig der Unterhaltung gelauscht. Jetzt, da von den Menschen die Rede war, richteten sich alle ihre Gedanken auf Harda, und sie sagte schüchtern:

»Es gibt doch auch sehr gute Menschen, die uns gern helfen. Sollten wir nicht auch denen zu helfen suchen? Das weise Moos beklagt, daß die Hastenden und die Wurzelnden getrennt sind im großen Erdenleben, daß sie sich nicht mehr verstehen. Könnten wir nun nicht alle danach streben, daß wir uns wieder verstehen lernen? Daß die Menschen wieder teilnehmen an der Dauerseele, und daß auch wir nach dem trachten, was das Moos die Einzelseele nannte? Dann müßten wir uns doch recht bemühen um das Blühen, weil wir dabei für uns selbst etwas werden und fühlen. Vielleicht ist da ein Weg, wie Menschen und Planetenseele wieder sich vereinen können?«

»Was hast du für Gedanken,« flüsterte die Buche zu Ebah. »Ich habe dir doch gesagt, daß wir uns durch das Blühen mehr und mehr von einander trennen.«

»Ich meine eben, daß das nötig ist, damit uns die Menschen verstehen. Unsre gemeinsame Dauerseele ist ihnen zu fremd und groß; aber wenn wir ihnen ähnlicher werden in unserm Wesen als einzelne, wenn ein Mensch und eine Pflanze eine gemeinsame Sprache finden könnten, dann würden vielleicht vom einzelnen aus die Menschen wieder zum Ganzen der Erde zurückgeführt werden können. Vielleicht suchen die Menschen von oben her auch einen solchen Weg, die Pflanzenwelt zu verstehen, und wir könnten ihnen von unten her begegnen.«

»Phantastin!« brummte das Moos.

»Quäle dich doch nicht damit, Ebah,« beruhigte die Buche. »Du wirst erst später hören, wie wir es uns denken, daß die Pflanzen wieder die Herrschaft der Erde gewinnen, die der Mensch jetzt erstrebt. Vielleicht ist auch etwas Richtiges in deinen Gedanken. Aber nimm dir Zeit!«

»Ach, Schattende, ich möchte so gern, daß die Menschen nicht so schnell hinschwinden, sondern teilnehmen an unsrer Dauerseele. Was wird mit den Menschen, wenn sie sterben?«

»Weg sind sie!« rief die Fichte grob. »Dann wissen sie nichts mehr, dann fühlen sie nichts mehr, dann sind sie tot. Tot wie der Stein, der hinabrollt, oder das Harz, das eingetrocknet ist.«

»Woher weißt du das, daß sie tot sind?« ließ sich das Moos wieder hören. »Braucht sie die Erde nicht zu immer neuen Gestalten? Freilich sinken sie zurück in den Boden der Erdmutter. Da stürzen sich unsre kleinsten Genossen darauf, die Spaltpilze, und zerlegen die künstlich aufgebauten Stoffe ihres Leibes wieder in einfachere. Das gilt von den Menschen wie von den Tieren allen. Würmer und andre Geschöpfe wühlen sie durch den Boden, die Fadenpilze verknüpfen die Stoffe zu neuen Verbindungen, und nun erst ist für die grünen Pflanzen wieder der Grund geschaffen, darin und darauf sie wachsen können. Weißt du noch nicht, daß die grüne Pflanze der niedern Pflanze bedarf, und diese wieder – das ist nun durch die Abtrennung der Tiere leider so gekommen – diese vermag nur zu leben auf dem Boden, der durch den lebendigen Leib des Tieres gegangen ist. Das Tier aber und der Mensch müssen wieder die Pflanze haben. Der ewige Kreislauf ist da, der ist nicht zerrissen auf der Erde. Aber davon wissen die nichts, die nicht zur wurzelnden Pflanze gehören. Sie dienen wohl der großen Mutter, aber nur als ihre Werkzeuge. Die Menschen fühlen, sie wissen vielleicht im Augenblick, was mit ihnen geschieht, aber nicht, wozu es geschieht. Und wenn es geschehen ist, wissen sie nichts vom Zusammenhang mit den andern. Sie haben eben keine Dauerseele. – Nun hab' ich's dir gesagt, neue Waldgenossin, nun merke dir's und schlafe wohl. Ich will jetzt ruhen.«

Das Moos schwieg.

»Arme Harda!« seufzte Ebah zur Buche gewandt. »Wie unglücklich muß sie sein! Aber weißt du – ich kann's doch nicht glauben, daß die Menschen so verloren sein sollten. Sie machen sich doch Mitteilungen unter einander, das merken wir ja. Sie können sich gegenseitig verständigen, sie handeln gemeinsam, es gehen tausend Wirkungen hin und her zwischen ihnen und uns. Warum sollte es nicht einmal möglich sein, zu Harda zu sprechen?«

»Meine gute Ebah! Die Menschen sprechen untereinander, das ist keine Frage, aber wer soll unsre Sprache in die ihrige übersetzen? Sorge dich nicht, es ist gut, daß du Harda nicht sagen kannst, was ihr fehlt, denn sie weiß es jedenfalls nicht und wird ihre Dauerseele nicht vermissen.«

Ebah schwieg betrübt, dann sagte sie entschieden: »Und ich bleibe doch dabei!«

»Was willst du?«

»Blühen will ich! Alles will ich, was zur Einzelseele hinführt. Dann komme ich vielleicht Harda näher, dann kann ich sie vielleicht retten und ihr von meiner Dauerseele geben, daß sie mit uns zusammenlebt im heiligen Reiche Urd.«

»Ruhe jetzt, Ebah, schlafe. Der Wald ist still.«


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