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Das Wort »tot« hatte den Bann gebrochen. Ich war für Weib und Kind gestorben. Mein Körper war nur noch eine Sache, über die man den Schmerz ausgoß ohne den leisesten Gedanken an einen vorhandenen Lebensfunken. Die Kirchhofsluft durchwehte bereits die Räume und träufelte die Vernunft als Balsam in die offenen Wunden.
Jeder Zweifel daran schwand mir, als Lina, unsere Köchin, das Schlafzimmer betrat, auch die unteren Fenster weit aufriß und sich in einem Selbstgespräch erging, das stammelnd über ihre Lippen kam. Sie gehörte zum lebenden Inventar, das vom Sanitätsrat mit übernommen worden war, und so hatte sie einen gewissen Stolz darin empfunden, als ich sie eines Tages mit einem antiken Hauszierat verglich, dessen Wert mit den Jahren wachse. Schon als ich noch beim seligen Rat aus- und einging, hatte sie meine Trinkgelder zu schätzen gewußt, und so war ich auch als ihr Gebieter in gutem Andenken bei ihr geblieben, das noch besonders bestärkt wurde durch die Anerkennung, die ich ihrer Kochkunst stets zollte, vor allem gewissen Mehlspeisen, die ich gern aß und deren appetitliche Zubereitung nicht jedermanns Sache ist.
Mit den Vierzigen war sie nudeldick geworden, und so bildete ich mir ein, ihre durch Tränen verquollenen Augen zu sehen, als sie jammernd hervorbrachte: »Nee, Herr Doktor, das hätten Sie nicht tun sollen, so ohne ein Wort –. Die Hand hätten Sie mir doch noch geben können. Und gerade heute, wo es Ihren schönen Flammeri gibt.«
Ihr heulen, das vorhin schon aus der Küche herüberschallte, begann aufs neue, aber unterdrückter, gleichsam verschwiegener, als flößte ihr selbst die Nähe meines irdischen Restes noch Respekt ein. Mir kam diese Selbsterinnerung an den Flammeri gar nicht lächerlich vor, sie erschien mir vielmehr als der Ausdruck wahrhaftiger Betrübnis einer bescheidenen Kreatur, die nur mit dem zahlen kann, was sie hat.
»Sind Sie denn wirklich tot, Herr Doktor? Ich kann es ja gar nicht glauben.«
Sie hatte Mut, das mußte ich sagen, denn ihr breites Gesicht mit den blauroten Wangen berührte fast meine Nase.
Dann fuhr sie fort zu jammern, in der stillen Art und weise von treuen Dienern, die bisher einen guten Tag gelebt haben und nun eine plötzliche Veränderung im Haushalt wittern, wodurch sie Schaden erleiden könnten. Ich stellte sie mir vor, wie sie, mit dem Schürzenzipfel spielend, verlegen vor der Majestät des Todes stand.
»Was soll denn nun werden, was soll denn nun werden?« hub sie ihr Selbstgespräch wieder an. »Mit der großen Wohnung wird's 'n Ende haben. Gewiß wird sich die Frau Doktor einschränken, vielleicht ganz fortziehen ... und selbst kochen. Das versteht sie ja. Nee, Herr Doktor, so schnell hätten Sie nicht abschieben sollen. Ich war fufzehn Jahre bei Sanitätsrats. Das hätte mit den zehn bei Ihnen nächstens fünfundzwanzig gemacht. Solange wär' ich dann in Dienst gewesen.«
Sie wurde unterbrochen. Es war mein Kutscher, den die Neugierde ins Sterbezimmer getrieben hatte. Seit drei Monaten erst stand er in meinen Diensten, nachdem der alte, auch ein Erbstück vom Sanitätsrat, gleich nach Neujahr so ernstlich die Podagra bekommen hatte, daß er nicht mehr auf dem Bocke sitzen konnte. Dieser junge Bursche, der vergangenen Herbst erst vom Militär losgekommen war, hatte mir während seines kurzen Dienstes schon viel zu schaffen gemacht, denn, mit einer gewissen Widerspenstigkeit begabt, behandelte er meinen Braunen gerade nicht, wie es sein sollte.
Überdies besaß er den Vorwitz, der Straßenbahn immer erst im letzten Augenblicke auszuweichen, was ich nicht gerade als Sorgfalt um das Leben von Menschen und Tier auffaßte. Ich hatte ihn im Verdacht, daß er heimlich der Flasche zuspräche, und so war ich darauf versessen, ihn erst einmal gehörig zu überführen, bevor ich ihm den Laufpaß gäbe.
»Aber Karl, Sie sollen doch zum Arzt,« rief ihm Lina entgegen.
»Nicht so laut,« raunte er zurück. »War ich schon. Doktor Schopp ist nicht zu Hause. Wird aber jeden Augenblick zurückerwartet. Dann wird er gleich kommen. Ja. Woran ist er denn gestorben? Wohl der Schlag? Das dachte ich mir immer. Das letztemal war er schon ganz rot, als er mit mir tobte. Ja. Wenn ich nicht so' n ruhiger Kerl wäret Immer hat er mir Unrecht getan. Ja. Nun hat er 's davon«
»Sie sollten nicht so reden, Karl. Er hat manchen Ärger mit Ihnen gehabt. Der liebe gute Herr.« –
»Ach, hat sich was mit lieber, guter Herr,« tuschelte er giftig. »Jetzt hat es sich ausgeherrt.«.
»Um Himmels willen – scht. Wie können Sie so etwas sagen! Wenn man das hörte.«
»Na, er hört's doch nicht mehr. Es ist auch wahr. Ja. Kaum bin ich hier warm geworden, dann passiert mir so was. Wie soll ich denn jetzt einen neuen Dienst bekommen, wo die Herrschaften alle verreisen. Das Hemde liegt einem näher wie der Rock. Er hätte es mir doch wenigstens vorher sagen können, daß er stirbt. Ja.«
Es sollte ein Witz sein, aber keiner lachte. Er war zu voll geladen, und sie sprachlos über seine Worte.
Dieser Bursche entpuppte sich ja als ein vortrefflicher Gemütsmensch. Mich wandelte der Galgenhumor an, den Schöpfer beinahe zu preisen, mich in diese totenähnliche Lage gebracht zu haben, in welcher ich die Masken fallen sah. Wer konnte wissen, ob er mich doch nicht das nächste Mal mit der Elektrischen in unangenehme Berührung gebracht hätte.
»Dieser Fall war ja gar nicht vorgesehen – darüber haben wir ja gar nichts abgemacht,« fuhr der Schlingel brutal fort. Aus seiner gedämpften Stimme klang die ganze verhaltene Wut eines Menschen, der sich plötzlich aus die Straße gesetzt glaubt.
»Aber so schweigen Sie doch, Sie werden ja Ihren vollen Lohn bekommen, und Vergütung auch. Sie sollten sich schämen.«
»Schämen Sie sich, fette Gans, verstehen Sie?« zischelte er sie an. »Und wenn Sie ein Wort sagen sollten, dann kehr' ich den Spieß um. Sie haben den lieben, guten Herrn hier geschmäht. Nun wissen Sie's. Das beste Stück in der Küche haben Sie doch immer für sich behalten.«
Lina wollte etwas erwidern, aber der Abscheu mußte ihr die Kehle zuschnüren, denn es verging geraume Zeit, ehe sie etwas sagte. Nur ein Schnappen nach Luft machte sich bemerkbar. Dann aber sagte sie voller Entrüstung: »Pfui über so einen Menschen. Wie kann man nur –! Jetzt glaube ich's wirklich. Der Selige hat recht gehabt: Sie trinken. Sie duften ja noch nach Schnaps. Na, warten Sie nur! – Mir glaubt man noch, ich bin in Ehren eine anständige Person geblieben.«
Dieser Angriff machte ihn stutzig, denn sogleich lenkte er ein.
»Na, na, na – es ist ja nur Scherz, das wird man wohl noch können – angesichts einer Leiche. Unsereins sollte immer zusammenhalten. Ja ... Sie werden's natürlich besser haben als ich ... Fett schwimmt immer oben ... Wenn man zehn Jahre von Ihrem Buckel herunterschneiden könnte, wer weiß, was noch werden könnte,« fügte er dann mit liebenswürdiger Unverschämtheit hinzu, als sie geschwiegen hatte. »In den Dreißigern ging es mit Ihnen noch.«
»Ach, reden Sie doch nicht.« Sie wollte seine Keckheit abwehren, aber es klang nicht zu tragisch. Wie alle alten Jungfern mußte sie sich doch ein wenig geschmeichelt fühlen.
»Ich glaube, Sie haben's dicke auf der Sparkasse, He? Dann will ich mir die Sache noch überlegen.«
»Das möchten Sie wohl. Erst's Geld und hernach sitzen lassen. Euch Mannsvolk kann niemand trauen.«
Er lachte unterdrückt; dann sank ihr Gespräch zu einem Tuscheln. Irgendein Geräusch von draußen mußte das verursacht haben.
»Ach, es kommt ja jemand,« sagte er wieder verständlich. »Die Gnädige sitzt vorn und schreibt. Die wird wohl schon die Traueranzeige aufsetzen. Ich glaube aber, es wird nicht lange bei ihr anhalten.«
»Scht,« machte sie wieder. »Reden Sie doch nicht jetzt von solchen Dingen.«
»Weshalb denn nicht,« fuhr er unbeirrt fort. »Sterben müssen wir alle, und nur der Lebende hat recht. So heißt es doch in einem Liede. Ja. Sie ist doch eine ganz appetitliche Frau – noch jung und frisch. Da beißt doch bald wieder einer an. Wenn sie mich nur nehmen wollte, ich wäre schon nicht abgeneigt. Ja.«
Lina schien außer sich zu sein über diese Unverfrorenheit. Ich schloß es wenigstens aus dem Ausruf, der über ihre Lippen kam.
Abermals tuschelten sie, dann begann er wieder gedämpft: »Viel hinterlassen wird er wohl nicht. Mit der Praxis war's auch so. Ja. Unsereins merkt das auch. Manchmal sind wir ja nur spazieren gefahren. Die Konkurrenz ist zu groß geworden, wenn man hier die Hand ausstreckt, kann man ja einen Arzt 'rausklingen. Manchmal habe ich eine halbe Stunde lang vor dem Hause warten müssen. Der Gaul schlief ein, und ich bekam die Kniemauke. Ja. Das machte, weil er sich zu gern mit den Leuten etwas erzählte. Anton, der vorige, hat mir das schon gesagt. Na ja, damit fängt man keine Kranken. Und dann sein verfluchtes Bücherschreiben. Das soll ja erst recht wenig einbringen. Statt dagegen zu sein, hätte er's Hyptuno – ich kann das verdammte Wort nicht aussprechen.«
»Hypnottisieren,« verbesserte Lina falsch.
»Hätt' er's hypnottisieren nach der Elle treiben sollen,« fuhr er fort, »wie Doktor Pfiffling. Zu dem laufen alle hosterischen Weiber.«
»Hysterischen,« verbesserte Lina diesmal richtig.
»Also alle hysterischen Weiber. Die werden auf einen Stuhl gesetzt oder lang hingelegt – und dann wird ihnen mächtig was vorgekohlt. Sie müssen immer auf einen Fleck gucken, und dann schlafen sie ein. Der Kutscher hat es mir gesagt. Es wird ihnen dann was aufgemutzt, woran sie glauben sollen. Und die kranken Gänse tun's auch. Denn der Glaube macht selig. Ja. Zu Dutzenden warten sie beim Doktor Pfiffling. Es soll der reine Taubenschlag sein. Und er macht's beste Geschäft und reibt sich vergnügt die Hände. Wie ein Fürst soll er eingerichtet sein. Und ganz hübsche Dingerchen sollen zu ihm hinlaufen. Wenn ich so ein Weib hätte, ich würde ihr lieber die Jacke vollhauen, ehe ich's dahin laufen ließ. Wer kann wissen, was da alles passiert. So'n Schlaf ist doch nur wie ein Rausch. Man sieht den Himmel voller Geigen, und nachher kommt's graue Elend. Ja. So sagt wenigstens der Kutscher. Der hat auch 'mal herhalten müssen ... Neulich soll übrigens großer Krach gewesen sein. Der Mann so einer bekam 'ne Rechnung von tausend Mark. Schließlich hat Doktor Pfiffling die Hälfte 'runtergelassen. Gewiß hat er auch so noch seinen Schnitt gemacht.«
»Es ist doch interessant, auf diese Art einmal den Wert der lieben Kollegen enthüllt zu sehen,« dachte ich, während mir diese ganze Gespräch wie verschwommene Traumlaute vorkam, die auf- und niederzogen, als wiegten sie sich in der Luft. Über mein scharfer Geist hielt sich an den Kern der Sache, und so lauschte ich begierig auf alles, was folgen würde.
»Wo wird er denn begraben?« begann er nach einer Pause abermals. »Da draußen? Da liegt ja auch der Sanitätsrat. Das soll auch ein rechter Knauser gewesen sein. Ja. Für sich nicht, aber für andere. Ein alter verschrobener Junggeselle war er.«
Das wollte sich Lina nicht gefallen lassen. Es war mir in meinem trostlosen Zustande ein gewisses Vergnügen, sie heftig Verwahrung dagegen einlegen zu hören, was ihn aber nicht abhielt, seinen Strich ruhig weiter zu reden.
»Er soll für drei gegessen haben. Und die Kanten wurden immer höher, worauf er das Geld legte. Und dann hat er alles an der Börse verloren. Es reichte noch gerade für die Ausstattung von der Gnädigen. Dann ergab er sich dem stillen Suff. So kommt's immer. Ja. Na, da wird man sich hier auch schön wundern. Denn die meisten glauben ja, daß die Gnädige 'n Scheffel geerbt hat. Über ich weiß besser Bescheid. Das einzige ist die Lebensversicherung. Er soll ja mit Dreißigtausend drin sein. Auch 'n ganz schöner Batzen. Ja.«
Ich hätte nie geglaubt, daß das Gesinde über seine Herrschaft so unterrichtet wäre, und ich erstaunte darüber, wie dieser Bursche auf Umwegen alles Wesentliche erfahren hatte. Mir erschien das wie ein wertvoller Beitrag zur Psychologie der häuslichen Beziehungen zwischen Diener und Herr, und so war mein Gehirn mit dieser Verarbeitung noch beschäftigt, als der Schwätzer ein anderes Lied pfiff.
»Wenn sie jetzt wieder heiratet, kann sie doch auftreten. Und wenn das noch in die vernachlässigte Praxis hineingesteckt wird, so gehen die unverheirateten Kollegen dutzendweise auf den Leim. Ja. Lassen Sie nur erst den Doktor Schopp hier sein. Ich glaube – wenn der den Totenschein ausgeschrieben hat, macht er gleich 'n Antrag. Das ist 'n schneidiger Kerl.«
Abermals kam ein unterdrücktes pfui über Linas Lippen. Sein Mundwerk aber war nicht tot zu bekommen. »Haben Sie denn nicht bemerkt, wie er immer hinter ihr her war? Sie wissen doch noch – die letzte Gesellschaft. Ich mußte aufwarten, und da scharwenzelte er fortwährend um sie herum. Unsereins sieht das natürlich eher als ihr dämlichen Frauenzimmer.«
»Wer weiß, wer dämlicher von uns beiden ist,« fiel sie aufgebracht ein. »Bei Ihnen scheint's hier oben nicht richtig zu sein, wenn jemand mal den Galanten spielt, braucht einer nicht gleich Böses im Schilde zu führen. Unsere Frau Doktor hat das alles jedenfalls ganz harmlos aufgenommen.«
»Trau einer den Weibern, wenn sie nur alle Wünsche äußern dürften. Übrigens – wenn ich die Frau Doktor wäre – er hätte mir auch besser gefallen, als dieser Brummbär. Er soll ja in Frieden schlummern, meinetwegen. Die Nächte hätte er aber nicht zum Tage machen brauchen – so etwas sieht keine Frau gern. Übrigens – wer wird ihn denn nun waschen?«
Die Tür ging wieder, und meine Frau trat unerwartet ein.
»Ja, ja, Karl,« begann sie sofort mit weicher, müder Stimme, »nun werden Sie Ihren Herrn nicht mehr fahren können, heute rot, morgen tot. Mein Gott, wer hätte das gedacht!«
Tränen erstickten ihre Stimme. Lina weinte nun laut mit, und wenn mich mein Ohr nicht täuschte, so bekam auch das Gemüt meines Kutschers plötzlich einen Stoß. Seine Schmähsucht war verschwunden, er wurde kleinlaut, fast demütig, und sein Schmerz verführte ihn zum Stottern. Ich malte ihn mir aus, wie er nun in geduckter Haltung, überwältigt von dem Anblick des Ewigstummen, vor seiner Herrin stand, die Hände womöglich gefaltet, die Lippen zusammengepreßt, die Augen verkleinert, damit man den Ausdruck in ihnen nicht erkenne.
Beide ließen meine Frau reden, die ihre Hand auf meine Stirn legte, mir die Augen zudrückte, und sich dann in jenen herkömmlichen Klagen erging, die eigentlich nur halb zur Kehle herauskommen. Sie pries meine Eigenschaften, soweit es sich mit der Anwesenheit der Diener vertrug, und drückte meine Augen noch fester zu, so daß auch der letzte Lichtschimmer vor mir schwand.
»Lassen Sie nur den Mut nicht sinken, Karl,« sagte sie dann wieder, »ich hörte schon draußen in der Küche –. Es wird für Sie gesorgt werden, solange Sie keine neue Stelle haben.«
Nun fand er endlich die Worte: »Gnädige Frau brauchen jetzt nicht daran zu denken. So einen guten Herrn werde ich sobald nicht wieder kriegen.« Er lockte einen Seufzer hervor, der sich wie ein Schluchzen anhörte.
Meine Frau wurde gefaßter. »Ich weiß gar nicht, wo Doktor Schopp bleibt. Gehen Sie doch noch einmal hin. Und wenn er durchaus nicht zu finden ist, dann holen Sie einen andern. Um zwölf spannen Sie dann an, ich muß zum Sargmagazin. Die Läden sind ja nur bis zwei offen. Es muß überhaupt heute noch manches besorgt werden ... Nein, wo nur der Arzt bleibt. Fühlen Sie doch nur, Lina – ist er nicht noch warm? Man kann doch nie wissen ... Mir ist überhaupt so sonderbar zumute. Ich hatte auch einen so schlechten Traum. Es ist ganz merkwürdig, ganz merkwürdig. Es muß schon hell gewesen sein, wie mein Mann schlafen ging. Ich hörte ihn aber nicht. Er schrie auch nicht.«
Geheimnisvolle Regungen mußten ihre Seele beschleichen, die ihre Gedanken alle auf einen Punkt drängten.
»Vielleicht ist er gar nicht tot,« kam es dann wieder über ihre Lippen, während ich die Empfindung hatte, daß ihr Kleid vor meinem Lager auf- und abrauschte.
»Aber, gnädige Frau,« warf Lina vorwurfsvoll ein. »Fühlen Sie nur den Arm an, er ist steif und schwer.«
»Es ist ja wahr, aber die Hauptsache ist doch jetzt der Arzt. Gehen Sie, Karl, und holen Sie, wen Sie finden.«
Sie eilte ihm voran, und die Tür klappte hinter ihr zu. Die andern beiden blieben noch zurück.
»Sie können doch heucheln, das muß ich sagen,« rüffelte Lina jetzt den Kutscher an.
»Das war meine Überzeugung,« log er frech, »Wenn ich Tränen sehe, werde ich immer schwach. Und nun gar Menschen in Trauer. Sie hat wohl das Kleid schon vorrätig gehabt. Wie schnell sie Toilette gemacht hat. Schwarz steht ihr übrigens ganz gut. Ja.«
»Sie hören doch, daß Frau Doktor heute schon das Nötige besorgen will. Feine Leute haben alles vorrätig. So tummeln Sie sich doch!«
»Da klingelt es ja schon. Das wird der Doktor sein. Er wird sie bald beruhigen.«
»Sie sind ein richtiger Ekel,« hielt ihm Lina verachtungsvoll entgegen.
»Mit zwei Gesichtern kommt man am weitesten,« gab er leicht lachend zurück.
Dann wurde es wieder still im Zimmer.