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Vierzehntes Kapitel.
Die Wiedervereinigung.

. Am nächsten Morgen bei Tagesanbruch schickte der Emir einen Herold aus, der rief laut, daß alle Mannen sich wappnen sollten. Ueberall wurden nun Rüstungen und Waffen angelegt und die Rosse gesattelt. Hugo hätte auch gerne an der Heerfahrt teilgenommen, aber er hatte weder Roß noch Waffen; er lief daher zum Emir und sagte zu ihm:

Herr, lasse mir auch Waffen und ein Roß geben, und Du sollst sehen, was ich damit leisten kann.

Gut, sagte Ivorin, gebt ihm Waffen!

Ein Sarazene holte zum Scherz einen alten Degen, den er seit vielen Jahren in einer Truhe aufgehoben hatte. Hugo nahm ihn und zog ihn aus der Scheide. Da sah er Buchstaben auf der Klinge; er las, und sie besagten, daß dies Schwert das Gegenstück von Rolands Schwerte Durendart sei. Der berühmte Schmied Wieland hatte beide aus feinstem Stahle geschmiedet, zwei Jahre daran gearbeitet und sie zehnmal gehärtet. Hocherfreut steckte Hugo die Klinge wieder in die Scheide. Auf den Rat eines Sarazenen, der ihm mißtraute, führte man ihm eine Mähre vor, die schon seit sieben Jahren außer Gebrauch war. Sie hatte einen langen Hals, dürre Flanken, hinkte auf einem Fuß und hatte nur ein Auge; schon seit Jahren hatte sie keinen Hafer bekommen. Hugo stieg auf und drückte die Sporen in die Seiten; aber zum Teufel, er konnte das Tier nicht in schnelleren Gang bringen.

Ach Gott! seufzte der Jüngling, ich bin gar übel beritten.

So zog also Ivorin mit seinem Heere vor die Thore von Alfalerne. Als er dort angelangt war, rief er über die Mauer hinein:

Galafer, Du Verräter, wirst Du hervorkommen! Wenn ich Dich in meiner Gewalt habe, so will ich Dich henken lassen, oder Du sollst mir sogleich meine Nichte ausliefern!

Galafer stand mit Klarmunde auf der Mauerzinne und sprach zu ihr:

Hörst Du wohl, meine Schöne? Deinetwegen bedroht man mich und verheert mein Land.

Sie antwortete: O Herr, das schmerzt mich tief; aber liefere mich aus, wenn Dir das gut dünkt.

Bei Mahomed! rief Galafer, solange ich einen Fuß breit Erde zu eigen habe, will ich Dich nicht ausliefern, und Du sollst mein Weib werden, mag auch Ivorin vor Zorn darüber zerspringen!

Sicherlich, Herr, sagte Klarmunde, soll das geschehen, sobald die zwei Jahre meines Gelübdes vorbei sind.

Nun war dort ein junger Ritter, ein Neffe Galafers, namens Sorbrin, der sagte zum Emir:

Herr, willst Du Dich so höhnen lassen? Ich will doch sehen, ob einer unter ihnen meine Herausforderung zum Zweikampf anzunehmen wagt.

Er waffnete sich und ließ sich sein Roß Blankard vorführen, das war weißer als eine Sternblume und kostbar aufgezäumt; der Sattel war von Elfenbein, der Zaum von reinem Gold, auf dem Brustriemen klangen dreißig goldene Glöckchen. So sprengte er vor die Stadt und schrie:

Ist einer unter Euch, der einen Gang mit mir wagt?

Die Sarazenen aber sprachen zueinander: Das ist Sorbrin. Wer sich mit dem einläßt, der ist verloren.

Keiner rührte sich auch nur, Hugo aber ritt hervor, auf seine Schindmähre fluchend, die er durchaus nicht zum Traben bewegen konnte, und schrie schon von weitem dem Sorbrin zu:

Heda, Bruder, warte auf mich!

Was willst Du? fragte Sorbrin.

Mit Dir einen Gang thun.

Bist Du Sarazene?

Ich? sagte Hugo, 6ott behüte! Ich glaube an den, der für uns gekreuzigt worden ist. Wenn ich auch arm erscheine, so verachte mich doch nicht; ich bin Ritter und von edlem Geschlechte.

Du bist ein Narr, sagte der Heide, und Du suchst hier nur Deinen Tod; beim ersten Stoß ist es aus mit Dir.

Wir wollen sehen, sagte Hugo.

Aus Leibeskräften spornte er seinen Gaul, aber trotz aller Mühe brachte er ihn nicht aus seinem trägen Schritt.

O heilige Maria, flehte Hugo, gieb mir Gelegenheit, das schöne Pferd dort zu erobern, das sich mir nähert!

Wißt ihr nun, was er that? Er lenkte seinen lahmen Gaul in die Quere und erwartete so seinen Feind, indem er ihm den Schild entgegen hielt. Sorbrin schoß daher wie der Blitz, senkte seinen Speer, traf den Schild und zerschmetterte ihn, aber ohne das Panzerhemd zu verletzen. Der Speer zersplitterte und brachte unsern Jüngling so wenig aus seiner Stellung, als wenn er auf einen Turm getroffen hätte.

Als die Heiden dies sahen, schrieen ihm alle Beifall zu und riefen: Ein herrlicher Held! Wie schade, daß er kein besseres Roß hat!

Hugo aber warf seinen Speer hin, zog sein gutes Schwert und versetzte dem Heiden, als dieser sich wieder näherte, einen solchen Hieb über sein Haupt, daß er Helm und Kappe, Kopf und Brust bis auf den Gürtel durchspaltete; als er sein Schwert wieder herauszog, fiel der andere schwer zur Erde hin. Alsobald stieg Hugo von seiner Mähre und schwang sich auf das Roß Blankard, ließ es springen und tanzen und kam so zum Emir. Voller Freude warf ihm Ivorin beide Arme um den Hals, küßte ihn und drückte ihn an die Brust.

Indessen war Galafer mit den Seinen, wütend über Sorbrins Tod, aus der Stadt hervorgeeilt. Beide Heere stießen nun zusammen, und Hugo ließ von allen Seiten die Arme und Köpfe der Heiden fliegen. Das Heer des Galafer wurde zurückgedrängt; in großer Trauer kehrten sie zur Stadt zurück mit der Leiche Sorbrins, den sie in ihrem Haupttempel zu den Füßen Mahomeds bestatteten.

 

Groß war die Freude in der Burg zu Monbrank nach der Rückkehr des Heeres. Hugo hatte seine Waffen abgelegt und wollte sich zu seinem Meister begeben; aber Ivorin selber nahm ihn bei der Hand und sprach:

Freund, Du sollst an meiner Seite bei der Tafel sitzen; ich biete Dir alle meine Schätze: nimm nach Gefallen Gold und Silber, Pelzwerk und Hermelin, geh' in den Frauensaal und wähle Dir nach Belieben eine Braut: was ich nur vermag, soll Dein sein.

Hugo dankte dem Emir und setzte sich zum Abendmahl an seine Seite; er wurde von nun an ebenso wie dieser als Herr im Palaste behandelt.

Als man gegessen hatte und die Tische abgedeckt waren, da stimmte der alte Spielmann wieder seine Harfe, spielte und sang, daß die große Halle davon wiederhallte.

Da sprachen wieder die Heiden: fürwahr, ein ausgezeichneter Spielmann! Er verdient eine reiche Belohnung!

Und wieder warf man ihm von allen Seiten Hermelinmäntel zu. Der Greis sah Hugo zur Seite des Emirs sitzen und rief ihm scherzend zu:

Heda, mein Knecht, Du dünkst Dich nun gar hoch gestiegen und denkst meiner nicht mehr. Komm doch und heb' mir all diese Mäntel da auf!

Darüber lachten die Sarazenen aus vollem Halse.

Lassen wir nun unseren Hugo dort, wo er so gut aufgehoben ist, und sehen wir uns wieder einmal nach dem alten Gerhelm und seinen zwölf Genossen um. Der Sturm hatte sie lange Zeit auf der hohen See umhergetrieben; endlich wehte er sie zum Hafen von Alfalerne. Gerhelm erkannte die Stadt und sprach:

Das ist uns übel geraten; wir sind in Alfalerne, der Hauptstadt des Sarazenen Galafer. Wenn Gott uns nicht behütet, so drohen uns Gefahren.

Galafer hatte das Schiff landen gesehen; er stieg sogleich von seinem Turm herab, kam herzu und fragte die Ritter, woher sie wären.

Wir werden nicht lügen, antwortete Gerhelm; unsere Heimat ist das holde Frankenland; das Unwetter hat uns nach diesem Hafen verschlagen. Wenn man hier einen Tribut entrichten muß, so sind wir bereit, zu zahlen.

Der Emir sprach darauf: Höret mich an, Ihr Ritter. Ich will Euch nicht nur kein Uebel anthun, sondern ich lade Euch ein, hier zu bleiben zu Eurem eigenen Vorteil.

Und was haben wir dafür zu leisten?

Folgendes: ich führe Krieg gegen einen benachbarten Emir, der mein Land verheert, und Ihr könntet mir helfen.

Gerhelm antwortete: Wenn das Recht auf Deiner Seite ist, so wollen wir Dir pflichtgemäß helfen, sonst nicht.

Mein Recht, sagte der Emir, will ich Euch bald darlegen. Vor kurzem wurde ein Fahrzeug so wie das Eure durch den Sturm hierher verschlagen. Zwanzig Seeräuber waren darin, die Klarmunde, die Tochter des Emirs Galdis, mit sich führten. Ich weiß nicht, wo die Jungfrau in ihre Hände kam; sie wollten sie ihrem Oheim Ivorin zurückbringen; ich aber habe sie ihnen genommen und will sie heiraten. Das ist der Grund, warum Ivorin mich bekriegt. Er ist gestern bis vor die Thore meiner Stadt gekommen, mit ihm ein unbekannter Held, der viele meiner Leute getötet hat. Er hat auch meinen Neffen Sorbrin erschlagen (Mahomed sei seiner Seele gnädig!) und sich seines Rosses bemächtigt, des besten, das in sechzig Königreichen zu finden ist. Ich will Euch in meine Dienste nehmen, unter der Bedingung, daß Ihr ihn bekämpft und mir das Roß zurückbringt.

Sicherlich, sagte Gerhelm. Zeigt mir ihn nur und ich will Euch Roß und Reiter verschaffen.

Wenn Dir das gelingt, sprach Galafer, so soll Dir all das Meine zu Gebote stehen.

Die Franken stiegen ans Land und betraten die Stadt. Alle ihre Güter hatten sie mit aus dem Schiffe genommen. Galafer wies ihnen in seinem Palaste Wohnung an.

Herr, sagte Gerhelm zu ihm, würdest Du mir nicht erlauben, jene Jungfrau zu sehen, von der Du mir gesprochen hast?

Meiner Treu! sagte Galafer, wenn Du ein junger Mann wärst, so ließe ich Dich nicht in ihre Nähe; aber Du bist wohl viel zu alt, als daß sich noch ein Mädchen in Dich verlieben könnte.

Und er führte den Greis hin, wo Klarmunde war. Als diese ihn erblickte, erkannte sie ihn sogleich und stieß einen Schrei der Ueberraschung aus.

Was hast Du, meine Schöne? fragte Galafer.

Herr, sagte sie, es ist ein plötzlicher Schmerz in der Seite. Laß mich mit. diesem weisen Franken sprechen; vielleicht weiß er ein Mittel gegen mein Uebel.

So sprich nur mit ihm, sagte der Emir.

Die beiden traten beiseite und Klarmunde fragte leise:

O Gerhelm, um Gottes.willen, wie kommst Du hierher?

Das Unwetter ist Schuld daran. Aber was weißt Du von Hugo?

Ach, sagte sie, er muß tot sein. Als man mich von seiner Seite riß, da blieb er nackt mit verbundenen Augen und gefesselten Armen am Strand einer Insel zurück. Möge sich Gott seiner Seele erbarmen! Galafer hält mich hier zurück und will mich heiraten, aber ich hüte mich wohl vor ihm, wie vor jedem anderen. Wenn Du mir forthelfen kannst, so bringe mich in ein christliches Land; ich will dort Nonne in einem Kloster werden und für die Seele meines armen Ritters beten.

Fürchte nichts! sagte Gerhelm. Wenn ich von hier fortkomme, sollst auch Du nicht zurückbleiben.

Der ungeduldige Galafer unterbrach diese Reden und rief: Heda, Greis, Du sprichst schon zu lange; komm nun mit mir!

Daraufhin gingen sie zum Abendessen und endlich zur Ruhe.

Am nächsten Morgen weckte Hugo den Ivorin bei Tagesanbruch und sprach:

Herr, bewaffne Deine Leute und führe sie ins Feld man muß seinen feind immer in Atem halten.

Ivorin ließ auch sogleich die Trompeten blasen, und bald zog das ganze Heer aus der Stadt. In den Fenstern des großen Palastes saß Ivorins Tochter mit ihren Jungfrauen. Alle bewunderten Hugo auf seinem neuen Rosse Blankard und sagten: Ach, wie schön er ist! Wie herrlich trägt er seine Waffen! Glücklich diejenige, die er lieben wird!

Ivorins Tochter aber entgegnete: Bei Mahomed! er ist ein Ungezogener: er hat mich nicht heiraten wollen; er hat mir nicht die geringste Höflichkeit erwiesen. Er hätte mir doch wenigstens einen Kuß geben können. Sprecht mir nicht mehr von ihm!

 

Hugo sprengte an der Spitze von Ivorins Heere gegen das Stadtthor von Alfalerne und schlug daran mit seinem Schwert; dabei rief er:

König Galafer, komm heraus und höre mich: ich habe Deinen Neffen getötet und werde es ebenso mit Dir machen, wenn Du Klarmunden nicht auslieferst!

Da sprach Galafer zu Gerhelm: Siehe, das ist jener, den es zu besiegen gilt.

Fürchte nichts, sagte Gerhelm; ich will ihn samt seinem Roß fangen.

Er schwang sich auf das gute Roß des Königs mit solcher Gewalt, daß sich das Rückgrat des Hengstes bog und die Riemen der Steigbügel zu bersten drohten.

Alle Heiden riefen da: Wie feurig ist doch dieser Greis!

Gerhelm sprengte vor das Thor an der Spitze aller andern, den Speer in der Faust, den Schild am Arm; sein langer weißer Bart wallte ihm über seinen Halsberg bis zum Sattel hinab

Als Hugo ihn kommen sah spornte er seinen Blankard und beide stürmten, ohne ein Wort zu sagen, auf einander los. Ihre Speere zersplitterten, ihre Schilde zerschellten und vom mächtigen Stoß flogen beide in den Sand. Gerhelm kommt zuerst auf die Füße, zieht das Schwert und haut auf Hugos Haupt einen solchen Hieb, daß Helm und Kappe sich trennen und das helle Blut zur Erde spritzt. Wenn Hugo sich nicht beizeiten geduckt hätte, so wäre er ganz verloren gewesen.

Meiner Treu! sagte er, niemals habe ich einen gleichen Schlag verspürt. Ich bin verloren. Klarmunde, lebe wohl für immer! Und Dich, o mein treuer Gerhelm, werde ich auch nie mehr sehen!

Als Gerhelm dies vernimmt, erstarrt all sein Blut. Er erkennt seinen Herrn. Er wirft sein Schwert weg, vermag aber kein Wort hervorzubringen.

Wohlan, Sarazene! fragte Hugo, warum giebst Du den Kampf auf?

Ach, Herr Hugo, sagte endlich Gerhelm, nimm mein Schwert und schlag mir den Kopf ab, das habe ich verdient, denn ich hätte Dich früher erkennen müssen.

Groß war Hugos Freude, als er diese Worte hörte. Beide nahmen ihre Helme ab und umarmten sich zärtlich, zum großen Erstaunen der Sarazenen.

Endlich sagte Gerhelm: Die Zeit drängt; wir müssen einen Entschluß fassen. Das beste ist, wenn wir wieder unsere Rosse besteigen; ich will Dich dann in die Stadt führen, als ob Du mein Gefangener wärest. Dort wirst Du Klarmunde antreffen, die Dich beweint und Dir ihre Treue bewahrt.

Sie thaten also und begegneten dem Galafer; Gerhelm sprach zu ihm:

Ich habe den Mörder Deines Neffen gefangen genommen. Setze nur die Schlacht fort! Ich führe diesen zur Stadt in den Kerker, dann komm' ich zurück, Euch zu helfen.

Gerhelm sammelte aber schnell seine Gefährten, kehrte mit ihnen in die Stadt zurück, ließ alle Thore schließen und den wohlbekannten Schlachtruf Karls des Großen erheben. Dann warfen sie sich auf die Sarazenen, die in der Stadt zurückgeblieben waren und richteten unter ihnen ein großes Blutbad an.

Darauf eilten sie zum Palast hinauf und fanden dort Klarmunden. Nun will ich es Euch überlassen, Euch die Freude der beiden Verlobten auszumalen, als sie sich wiedersahen!

Man richtete bald die Tafel zu, brachte Fleisch und Wein, und alle machten sich ans Mittagessen.

Indessen lieferten sich vor der Stadt die beiden heidnischen Heere eine wütende Schlacht; die Füße, die Fäuste, die Köpfe flogen nur so herum, und die Toten fielen haufenweise auf beiden Seiten; es gingen wohl gut zweitausend zu Grunde. Aber was schadete das? Es waren ja Sarazenen; Gott möge sie verdammen!

Aber mitten im größten Wirrwar war es einem heidnischen Manne gelungen, aus der Stadt zu entkommen und den König Galafer zu treffen. Er schrie ihm zu:

O Herr, weißt Du denn noch nichts? Diese Franken, die Du in Deine Dienste genommen hast, haben sich Deiner Stadt bemächtigt, die Thore verrammelt, die Zugbrücken aufgezogen und alles getötet, was noch darin war. Nun jubeln und zechen sie droben in Deinem Palast. Derselbe, der Deinen Neffen getötet hat und der sich scheinbar gefangen nehmen ließ, der ist ihr Herr; er ist auch derselbe, der den Galdis gemordet hat. Ich habe ihn wohl wieder erkannt, denn ich sah ihn zu Babylon, als er den Agrapart besiegte.

Bei dieser Schreckensnachricht wurde Galafer kreidebleich und sprach Zu seinen Mannen: Was sollen wir da thun?

Jene antworteten: Da giebt es nur einen Ausweg: du mußt sogleich den König Ivorin um Frieden bitten.

Ihr habt Recht, sagte Galafer.

Er ließ sich auch sogleich zu Ivorin führen, warf sich vor ihm zu Boden und sprach: Herr, ich flehe Dich um Gnade an. Hier nimm mein Schwert, schlag mir das Haupt herunter, wenn Du willst, denn ich habe treulos gegen Dich gehandelt; wenn es Dir aber gefallen möchte, mir zu verzeihen, so würde ich Dir jede Genugtuung geben nach dem Urteil Deiner Räte. Hilf mir nur, mich an diesen Räubern zu rächen, die mir mein Weib und meine Stadt gestohlen haben. Dieser junge Ritter, den Du so liebtest, den Dir ein fahrender Spielmann, wie man sagt, neulich zuführte, ist derselbe Franke, der Deinen Bruder gemordet hat. Ich hatte auch in meinem Sold vierzehn Franken, die haben ihn jetzt als ihren Herrn erkannt und sich dort meines Palastes bemächtigt.

Als Ivorin dies hörte, sprach er: Bei Mahomed, wie schade, daß ich den Schurken nicht gleich henken ließ! Aber wohlauf, ich gebe Dir Dein Reich zurück, ich verzeihe Dir und will Dir auch helfen, jene Schelme zu vernichten.

Die beiden Könige vereinigten nun ihre Heere rings um die Stadt und schworen nicht eher abzulassen, bevor sie hineingedrungen wären und die Franken alle aufgehängt hätten.

Aber vorher haben wir noch eine andere Rechnung zu ordnen, sprach Ivorin. Man richte einen großen Galgen auf!

Darauf ließ er den alten Spielmann Traugemund kommen und sprach zu ihm:

Du bist der Verräter, der den Mörder meines Bruders bei mir eingeschmuggelt hat. Das sollst Du mir bezahlen; dieser Galgen ist für Dich bestimmt.

Der arme Greis aber jammerte: Gnade, Herr, im Namen Mahomeds! Ich schwöre Dir, daß ich nicht einmal wußte, von welchem Land er sei.

Du lügst; Du wirst gehenkt. Er ließ also den armen Spielmann ergreifen, ihm die Harfe um den Hals binden und ihn so zum Fuß des Galgens führen.

Man zwang ihn, die Leiter hinauf zu steigen. In seiner Todesangst blickte er nach der Stadt und bemerkte dort Hugo und die Franken, die nach ihrem Mittagsmahl an die Zinne heraus getreten waren und dort über die Brüstungen gelehnt sich die Gegend beschauten.

Da schrie der Spielmann: Ach, Herr, willst Du mich töten lassen? Gedenke dessen, was ich für Dich that, als Du zu mir kamst. Du warst nackt, ich habe Dich bekleidet; Du hattest Hunger, ich habe Dich gespeist; wegen meiner Liebe zu Dir soll ich jetzt gehenkt werden.

Als Hugo dies hörte, befahl er seinen Mannen: Eilet Euch zu waffnen! Es ist mein Meister, der mir also zuruft; er hat mir den größten Dienst erwiesen; ich wollte lieber sterben, als ihn verlassen.

Alsobald wappneten sich die vierzehn Franken und stiegen zu Roß. Klarmunde schloß hinter ihnen das Thor. Hugo gelangte auf seinem Blankard als der erste an den Fuß des Galgens und stieß den Führer der Wache mit gelenktem Speer über den Haufen. Seine Genossen verjagten die anderen. Man ließ den armen Menschen, der schon den Strick um den Hals hatte, herabsteigen, setzte ihn auf ein Pferd und brachte ihn zur Stadt zurück.

Indessen liefen aber die Sarazenen von allen Seiten herbei und umzingelten die Franken; diese aber öffneten sich mit Speeresstößen und Schwertesschlägen einen Weg und kamen zur Stadt zurück. Klarmunde öffnete die Pforte und schloß sie wieder hinter ihnen. Aber ach, sie hatten leider den Garin von St. Otmar vergessen, welchen die Sarazenen abgeschnitten hatten. Als er sah, daß er nicht mehr entkommen konnte, wollte er sich nicht ergeben, sondern befahl seine Seele Gott und verkaufte teuer sein Leben.

Was vermochte er gegen so viele Feinde! Er war bald in Stücken gehauen.

 

Hugo war nun wieder zur Zinne hinaufgestiegen; er sah in der Ferne Garin auf der Heide liegen. Voll Schmerz wollte er wieder hinaus ihn zu rächen, aber die Seinen hielten ihn zurück und sprachen:

Herr, es wäre Wahnsinn; er ist tot; wir können nichts mehr für ihn thun.

Ach, mein Garin, jammerte Hugo, wie leid ist mir um Dich! Du hast meinetwegen Dein Land, Dein Weib und Deine Kinder verlassen. Gott möge sich Deiner Seele erbarmen!

Gerhelm tröstete ihn und sprach: Herr, all unsre Klagen können ihn doch nicht mehr lebendig machen.

So gingen sie also wieder in die große Halle; man schlug die Tische auf, und sie setzten sich zum Abendessen. Nachdem sie gespeist hatten, rief Hugo den Spielmann und sprach zu ihm:

Guter Freund, nimm Deine Harfe und erfreue uns ein wenig, ich bitte Dich um Gottes willen; Deinetwegen sind wir ja in dieser großen Trauer.

Der Spielmann nahm seine Harfe und ließ alle dreißig Saiten voll erklingen, daß die große Halle davon wiederhallte und die Trauer in ihren Herzen sich etwas sänftigte.



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