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Neuntes Kapitel.
Die Botschaft.

. Hugo gelangte bald ans Ufer, aber da war guter Rat teuer. Wie sollte er über das große Meer hinüber kommen? Er setzte sich ans Ufer und sah recht traurig vor sich hin. Plötzlich sah er auf der See ein Ding sich nähern, das schwamm viel schneller daher, als ein Salmfisch und ähnelte einem Meerwunder. Bald war es herangekommen, und Hugo sah einer schwarzen und unförmlichen Haut den allerschönsten Menschen entsteigen. Hugo war sehr erstaunt und sprach:

Heda, Freund, wer bist Du? Ich sah Dich auf der See schwimmen wie ein Meerungeheuer, und nunmehr zeigst Du mir ein so schönes Menschenantlitz! Ich beschwöre Dich bei Gott, mir kein Leides zu thun. Aber ich glaube kaum, daß Du ein Teufel bist; bist Du vielleicht von Oberon hergeschickt?

Ja, erwiderte jener, und ich weiß auch gar wohl, wer Du bist. Fürchte nichts, Du wirst von mir nur Gutes erfahren. Ich heiße Malabrun und diene dem Elfenkönig Oberon. Eines Fehlers wegen, den ich begangen habe, hat er mich verurteilt, dreißig Jahre lang ein Meerungeheuer zu sein. Ich werde Dich auf meinem Rücken an die andere Seite des Roten Meeres bringen. Mach' Dich bereit, ich will wieder in meine Haut schliefen, und Du wirst meinen Rücken besteigen. Segne Dich mit dem Kreuzeszeichen, und Gott möge uns geleiten!

Malabrun schloff dann wieder in seine Haut, Hugo bestieg seinen Rücken, und es dauerte weniger Zeit, als die ein junger Mann braucht, um eine halbe Meile zu geben, so hatten sie auch schon das Meer durchschwommen.

Malabrun setzte den Hugo an das Ufer ab und sprach zu ihm:

Gott befohlen! Wenn wir uns wiedersehen, wirst Du durch schwere Prüfungen gegangen sein; aber auch ich selber werde viel um Dich zu leiden haben. Dort liegt die Stadt, wo Du hin mußt; geh' und vergiß nichts von dem, was Dir aufgetragen ist. Hüte wohl Dein Herz und bewahre Deine Reinheit, denn bei der ersten Lüge, die Du sagst, wirst Du Oberons Freundschaft verloren haben.

Er tauchte darauf ins Meer zurück und Jung Hugo schritt auf Babylon zu.

Man feierte gerade das sommerliche Johannisfest, das die Sarazenen noch viel strenger beobachten als die Christen; der Emir Galdis pflegte an diesem Tage großen Hof zu halten. Als Hugo die Stadt betrat, erstaunte er baß über ihre Pracht und über die freudige Menge, die alles erfüllte.

Er begegnete tausend Heiden, die von der Jagd zurückkamen, und tausend anderen, die zur Jagd auszogen, alle den Falken auf der Faust. Er begegnete Tausenden, die ihre Pferde zur Stadt hinausspringen ließen, und Tausenden, die sie wieder zurück in den Stall ritten; er fand Tausende beim Schachspiel sitzen und Tausende, die ihnen zusahen nach vollendetem Spiele; er fand Tausende, die mit jungen Mädchen singend den Reihen tanzten und Tausende, die den kühlen Wein tranken; er sah endlich Tausende zum Palaste wandeln und tausend andere daraus zurückkehren.

All diese tausende von Heiden betrachteten Hugo. Er selber aber, erstaunt über die Menge, verwundert ob allem, was er erblickte, kam, ohne seines Ringes zu gedenken, den er am Arm trug, vor die erste Zugbrücke und rief:

Heda, Thorwart! Laß' die Zugbrücke nieder, damit ich eintreten kann.

Sehr gerne, antwortete der Pförtner, wenn Du Sarazene bist; bist Du aber ein Franke, so wirst Du eine Faust verlieren.

Da beging Hugo leider eine große Thorheit: er vergaß Oberons Mahnung und, ohne es recht zu bedenken, antwortete er:

Laß die Brücke nieder, ich bin Sarazene.

Kaum hatte er die Brücke überschritten, als ihm das Bewußtsein seines Fehlers kam, und er fühlte eine schmerzliche Reue. Er schwor vor Gott, niemals mehr zu lügen. So näherte er sich dem zweiten Thor und rief grimmig:

Heda, Du Hundesohn, laß die Brücke herab oder Gott zerschmettere Dich!

Verdammter Christ, sprach der Pförtner, wer hat Dich durch das erste Thor gelassen?

Aber Hugo sprach: Kennst Du diesen Ring? Mach' schnell, laß mich hinein!

Alsobald rannte der Pförtner und ließ die Brücke herab, öffnete die Pforte und sprach, indem er unterwürfig grüßte:

O sei mir willkommen! Wie geht es unserem Herrn Orgelus?

Aber Hugo antwortete nichts, um nicht zu einer Lüge genötigt zu sein. Er kam ebenso beim dritten Thore an, zeigte den Ring und trat hindurch.

Während er so weiter ging, dachte er mit Angst an die Thorheit, die er begangen, und sprach zu sich selbst:

Wehe mir! Was soll aus mir werden? O meine arme Mutter, Du wirst mich nicht wieder sehen! Ich habe gelogen und Oberon wird mich strafen. Doch wer weiß? Vielleicht wird er mir verzeihen; oder vielleicht bleibt es ihm verborgen.

So trat der edle Siegwinsohn auf die vierte Zugbrücke zu und schrie den Pförtner an:

Oeffne das Thor, oder Gott verdamme Dich!

Der Thorwärtel erhob sich von seinem Sitz, bemerkte den gewappneten Mann, der ihm zurief, und sprach:

Zum Teufel, wie hast Du die drei ersten Thore passieren können? Ich seh' es an Deinem Schild, daß Du ein ungläubiger Franke bist. Bei Mahomed und dem Gott, der alles erschuf! jener, der Dich so gerüstet und gewaffnet hat, mußte Dich wenig lieben! denn er hat Dich zum letztenmal gesehen, oder wenn er Dich wiedersieht, sollst Du den jämmerlichsten Anblick darbieten. Seit das große Sonnenwendefest begonnen hat, hat der Emir verboten, daß irgend ein Bewaffneter durch diese Thore gehe. Die drei Thorhüter, die Dich bis hierher gelangen ließen, werden das teuer büßen, und weißt Du, was Dir drohte, wenn Du auch durch diese Pforte geschlichen wärst? Du hättest Dein Haupt verloren.

Schweig, Du Schurke, rief Hugo. Betrachte diesen Ring! Er hob den Reif und hielt ihn in die Höhe. Als der Thorwart ihn erkannte, stieg er alsobald hinab, öffnete die Pforte, warf sich vor Hugo nieder, küßte ihm demütig die Füße und sprach:

O Herr, sei willkommen; geh, wohin Du willst: der Emir wird Dich nicht berühren. Ja, wenn Du seine Tochter begehrtest, er gäbe sie Dir. Aber was macht unser Oberherr? Wird er bald hierher kommen?

Wenn er kommt, Du Knecht, antwortete Hugo, so ist es mit dem Teufel, der ihn bringen wird.

Er durchschritt die Pforte und setzte seinen Weg fort, noch immer ganz verwirrt durch seine Gedanken.

Der Teufel hat mich verhext, sprach er zu sich selbst; er allein hat mir diese Lüge eingegeben aber ich hoffe, Gott wird mir helfen.

Hugo hatte also die vier Zugbrücken überschritten; ganz versunken in seine Träumereien, verlor er aber den Weg nach dem großen Palaste und gelangte zum Garten des Emirs. Es giebt keinen Fruchtbaum, kein Gewürzkraut, keine duftende Blume, die nicht dort gepflanzt war; in der Mitte war ein Wasserbecken, in das ein Bächlein sich ergoß, dessen Quelle aus dem irdischen Paradiese kam; der Geschmack dieses Wassers war entzückend. Hugo trank davon, wusch seine weißen Hände und setzte sich an den Rand des Wassers, immer in seine traurigen Gedanken verloren.

Ach, sagte er zu sich selbst, was wird Oberon thun? Wird er mir verzeihen, oder wird er mich ohne Hilfe lassen? Ich muß es wissen.

Er nahm sein Horn vom Halse und stieß aus voller Kraft hinein.

In seinem Walde hörte Oberon den Hall und sprach zu sich selbst: Ha, ich höre den Ruf eines Taugenichts, der trotz meiner Warnung gelogen hat. Bei dem allmächtigen Gott, er mag blasen, solange er will, von mir soll ihm keine Hilfe kommen.

 

In seiner großen Halle saß der Emir beim Mahl; da hörte man auf einmal den Klang des Hornes, und alsobald fingen die Diener, die den Wein und den Met schenkten, zu singen an, auch der Emir selber hub an zu tanzen. Als nun das Horn wieder schwieg und alles ruhig war, da sprach, nachdem man sich vom Staunen erholt hatte, der Emir:

Ihr Helden, es muß in meinen Garten irgend ein Zauberer geschlichen sein, der uns durch den Klang des Hornes verhexen will. Auf! bewaffnet Euch und bringt ihn herbei.

Die Ritter erhuben sich und legten ihre Rüstungen an.

 

Als Hugo sah, daß Oberon nicht käme, begann er zu weinen und zu seufzen, und sprach also jammernd:

Ach Gott, was soll aus mir werden? Meine süße Mutter wird mich nie mehr wiedersehen. Ach, Kaiser Karl, Gott verzeihe Dir das Uebel, das Du mir anthust! Und Du, Oberon, bist allzu grausam, daß Du Dich meiner nicht erbarmst, denn, weiß Gott, wenn ich bei der ersten Brücke gelogen habe, so geschah es nur aus Vergeßlichkeit, und Du solltest mir wohl verzeihen.

Aber bald ermannte er sich und sprach:

Schmach diesen feigen Thränen! Wenn sich Oberon mir entzieht, so wird mir Gott und seine heilige Mutter helfen, und meiner Treu, komme was da mag: ich gehe zum Palast und richte meinen Auftrag aus.

Er schnallte seinen Helm fester, gürtete sein Schwert noch enger und schritt geradeswegs dem Großen Palaste zu.

Er stieg die Stufen hinauf und trat in die große Halle ein, gepanzert und behelmt, das bloße Schwert in der Hand. Der Emir Galdis saß zu Tische, an seiner Seite ein reicher Fürst, dem Alle Ehre erwiesen, weil er Klarmundens bestimmter Bräutigam war. In die Mitte der Halle hatte man auf einen prächtigen Teppich das Bild Mahomeds gestellt und es brannten davor große Kerzen in goldenen Leuchtern. Kein Sarazene ging hier vorbei, ohne sich davor nieder zu werfen. Hugo aber würdigte den Götzen nicht einmal eines Blickes. Alle Sarazenen schauten mit Erstaunen auf den Ankömmling und sprachen zu einander:

Dies ist ohne Zweifel ein Gesandter von jenseits des Meeres, der dem Emir eine Botschaft auszurichten hat.

Indem Hugo vorwärts ging, sah er den Fürsten an des Emir Seite sitzen und dachte bei sich:

O Gott! das ist der, den ich töten muß, wenn ich meinem Kaiser nicht ungehorsam werden soll. Nichts soll mich auch hindern, das auszuführen, was ich übernommen habe: Gott mag dann nach seiner Gnade mit mir handeln!

Er näherte sich der Tafel, hob sein schweres Schwert und traf den Heiden so gut, daß sein Kopf über die Tafel rollte und den Emir über und über mit Blut bespritzte.

Gutes Handgeld! dachte Hugo. Das Eine wäre gethan.

Da schrie aber der Emir: Auf, meine Helden, ergreifet diesen Frevler!

Die Sarazenen sprangen auf, aber Hugo trat einen Schritt zurück, streifte schnell den Ring vom Arm, warf ihn auf den Tisch und rief:

Da sieh hin, Emir! Erkennst Du dieses Zeichen?

Kaum hatte der Emir den Ring erkannt, als er sogleich ausrief:

O meine Freunde, lasset ihn! Wer von Euch diesen Menschen berührte, wäre alsobald verloren. Und Du, fremder Ritter, handle nach Deinem Gefallen In meinem Palaste. Hättest du mir fünfhundert Mannen getötet, so hast du nichts zu fürchten.

In diesem Augenblicklich trat des Emirs Tochter, die schöne Klarmunde, umgeben von ihren Dienerinnen, in die Halle. Hugo trat auf sie zu, um die Erfüllung der kaiserlichen Aufträge fortzusetzen, und gab ihr drei Küsse.

Die Schöne schwankte vor Bestürzung und drohte zu fallen.

Da fragte mit verbissenem Ingrimm der Emir: Hat er Dir wehe gethan?

Ach, mein Vater, hauchte sie, ich hoffe davon zu genesen.

Und sie rief eine ihrer Frauen und sprach zu ihr:

Weißt Du, was mir also die Besinnung nahm?

Nein, bei Mahomed.

Ach, sagte Klarmunde, sein süßer Atem hat mir das Herz durchdrungen. Wenn ich ihn nicht zum Gatten haben kann, so will ich nie einen andern.

Hugo aber kehrte zur Tafel zurück und sprach also zum Emir:

Herr Emir, ich glaube nicht an Deinen Gott, sondern an den, der für uns gekreuzigt worden ist; ich bin ein Lehensmann Karls des Großen, des deutschen Königs und römischen Kaisers. Mein Herr ist höchst erzürnt gegen Dich; denn von allen Fürsten der Welt, vom Orient bis zum Occident, so weit das Meer sich ausdehnt und die Sonne leuchtet, bist Du der einzige, der ihm Huldigung verweigert. So läßt er Dich nun wissen, daß er seit dem Tode Rolands und Olivers kein so großes Heer versammelt hat, wie er nächsten Sommer zu thun gedenkt, um über das Meer zu ziehen und Dich anzugreifen. Er wird Deine Herrschaft vernichten und Dich henken lassen. Du kannst diesem Schicksal nur dadurch entgehen, daß Du Dich taufen läßt und sein Unterthan wirst. Siehe, dies ist die Botschaft, die er mir an Dich auftrug.

Der Emir aber schrie voll Grimm: Ich werde nichts dergleichen thun; Euer Gott gilt mir keines Hellers Wert.

Aber Hugo setzte seine Rede fort: Warte noch, Herr Emir. Karl der Große schickt Dir noch einen anderen Befehl: Du sollst ihm tausend gemauserte Sperber, tausend Falken, tausend Windhunde, tausend angekettete Bären, tausend edle Jünglinge und tausend Jungfräulein schicken. Und das ist noch nicht alles; er verlangt noch Deinen weißen Schnurrbart und vier Stockzähne Deines Gebisses.

Dein Herr ist verrückt, schäumte wütend der Emir. Wenn er mir selber sein ganzes Reich dafür gäbe, so wollte ich mich nicht von meinem weißen Schnurrbart und von meinen Zähnen trennen. Er hat mir schon fünfzehn seiner Boten geschickt und niemals einen wiedergesehen: ich habe sie alle schinden und einsalzen lassen. Bei Mahomed, Du wirst der sechzehnte sein, und ohne den Ring wärst Du schon längst tot. Aber gestehe mir bei Deinem Glauben, wie kommst Du als Franke zu diesem Ringe?

Hugo konnte nicht mehr ausweichen, zu lügen scheute er sich Oberons wegen, darum sagte er:

Herr Emir, ich will Dir die Wahrheit sagen. Was hilft es, sie zu verheimlichen? Ich habe Deinen Lehensherrn Orgelus getötet.

Da rief der Emir wieder: Auf, meine Helden, ergreift ihn! Wenn er uns entkommt, so sind wir alle entehrt.

.

Hugo am Hof des Emirs zu Babylon.

Alsobald stürzen von allen Seiten die Heiden auf Hugo los. Er zog sich in eine Nische zurück und lehnte den Rücken gegen die Mauer; so brauchte er nicht zu fürchten, daß man ihn von rückwärts angreife. Das Schwert in der Faust bot er allen Angreifern die Spitze. Welchen er trifft, der hat keinen Arzt mehr nötig. So tötet er wenigstens vierzehn. Aber ach, da flog ihm bei einem allzu gewaltigen Streich das Schwert aus der Hand. Ein Sarazene bemächtigte sich desselben und trug es schnell in sein Haus, um es dort aufzubewahren. Da stürzten sich alle auf den tapferen Jüngling; sie warfen ihn zu Boden, entwaffneten ihn, beraubten ihn des guten damascierten Halsbergs, des Humpens und des Elfenbeinhorns. So schleppten sie ihn vor den Emir.

Hugo hielt sich stolz aufrecht in seinem Seidengewand, das sich seinem kräftigen und schlanken Körper anschmiegte; seine Augen schossen Blitze, sein jugendliches Antlitz strahlte von Schönheit, außer wo es durch die eisernen Maschen des Halsbergs geschwärzt war.

Die Sarazenen bewunderten ihn und sprachen zu einander: Sehet, welch ein schöner Ritter! Er scheint nur zur Augenweide geschaffen zu sein. Fürwahr, diese Franken sind prächtige Leute! Wie schade, daß er so jung sterben muß.

Der Emir fragte: Ihr Herren, welcher Tod soll dieses Elenden Strafe sein?

Nun war dort am Hofe ein weiser Mann von fast hundert Jahren, ein wohlerfahrener Ratgeber, den der Emir immer zu hören pflegte. Dieser sprach:

Höre mich, o Herr, es ist heute das große Sonnenwendefest, und da verbietet uns unser Gesetz, irgend einen Menschen zu töten. Du sollst ihn daher auf ein ganzes Jahr in den Kerker legen, und wenn das nächste Johannisfest wieder kommt, dann magst Du ihn hervorholen und einem Kämpen gegenüberstellen: wenn er dann Sieger bleibt, so soll er frei ausgehen; wird er aber besiegt, so soll er hängen.

Wohlan, sprach der Emir: wenn also das Gesetz und das Herkommen unserer Ahnen ist, so will ich nicht dagegen verfehlen.

Man ergriff also den armen Hugo und führte ihn in ein finsteres, unterirdisches Gefängnis.

O weh! seufzte Hugo. Das ist eine armselige Herberge.



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