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Viertes Kapitel.
Der Urteilsspruch.

. Als der Kaiser diesen Ausgang des Kampfes gesehen hatte, war er von der Zinne zurückgetreten und in die große Halle wieder hinabgestiegen; dort hatte er sich düster und nachdenklich in seinen goldenen Faltstuhl gesetzt. Hugo und der Herzog Naims waren indes um den Palast herumgegangen; nun kamen sie, traten vor den Kaiser und Hugo sprach:

Hier, mein Kaiser, ist das Haupt des argen Verräters Amalrich: der Ausgang hat für mich entschieden und ich habe meine Unschuld dargethan.

Nun, Vasall, sprach Kaiser Karl, damit ist noch nicht alles gesagt. Herzog Naims, hat der Besiegte seinen Meineid auch gestanden?

Ich habe nichts gehört, antwortete Naims. Hugo war zu rasch: Amalrich hatte keine Zeit, zu gestehen.

Wohlan, sagte der Kaiser, so hat Gott diesmal zugelassen, daß das Recht unterliege. Ich kenne Amalrich zu gut: er hätte gestanden, wenn er sich des Verrates bewußt gewesen wäre. Darum sei Du für immer aus dem ganzen heiligen römischen Reiche verbannt, und wenn ich Dich in der Stadt Burdigal treffe, so sollst Du eines üblen Todes sterben.

Was sagt Ihr da, Herr Kaiser? rief Hugo. Habe ich umsonst das gesetzliche Gottesgericht bestanden? Ihr Fürsten und Herren, sprecht zum Kaiser; ich bin ein fränkischer Herzog: Ihr müßt mich als Euresgleichen verteidigen.

Die eilf Herzöge erhoben sich: sie fielen vor dem Kaiser auf die Kniee und alle baten für Hugo.

Nein, meine Fürsten, sprach der Kaiser, beim heiligen Dionysius, Ihr könnt da liegen bleiben bis zum Tage des Gerichtes, ich werde dennoch meinen Spruch nicht ändern. Entfernet Euch!

Mit Bestürzung vernahmen dies die Herren; sie standen auf und gingen wieder an ihre Bänke. Aber der Herzog Naims rief mit lauter Stimme:

Wie, Herr Kaiser, Ihr wollt Euren Anteil am Paradiese verlieren? Es steht geschrieben im alten Testament wie im neuen, daß Gott den bestraft, der mit Unrecht einen Mann seines Erbes beraubt.

Höre mich an, Naims, sagte der Kaiser. Als jene beiden in den Kampf gingen, hab' ich da nicht gesagt, und habt Ihr's alle nicht gehört, daß der Sieger sein Leben verlieren soll, wenn er den Besiegten nicht auch zum Geständnis seines Meineids bringe? Amalrich hat aber vor seinem Tode nichts gestanden, darum glaube ich auch nicht an seinen Verrat, und wenn mich alle Ritter meines ganzen Reiches bitten, so laß ich diesem doch keinen Fuß breit seines Landes.

Nicht so, Herr Kaiser, sprach Hugo, inständig flehe ich Euch um Gerechtigkeit an!

Schweig, Du Toller, rief der Kaiser. Weiche von meinem Hof hinweg: Deine Nähe ist mir allzu verhaßt.

Herr Kaiser, sagte Naims, hört noch ein Wort. Ueberleget wohl, was Ihr da thut. Was werden alle Eure Ritter sagen, wenn es im ganzen Reiche bekannt wird, daß Ihr also diesen edlen Junker beraubt? Alle werden sagen, daß das Alter Euch den Verstand geraubt hat. Niemand wird Eure Urteilssprüche länger achten. Ich will es Euch noch einmal vorstellen, geht in Euch und gebt diesem jungen Manne sein Recht.

Du sprichst in den Wind, Naims, erwiderte Kaiser Karl. Bald wird der Winter kommen und der große Weihnachtstag, an welchem der Herzog von Aquitanien als mein Lehensmann mir zu Tische dienen muß. Wie könnte ich vor mir den Mörder meines Sohnes sehen?

Ihr braucht mich nie zu sehen, Herr Kaiser, sprach Hugo, wenn Ihr nicht wollt. Aquitanien ist weit genug; gebt mir nur meine Länder zurück, auf mein Hofleben will ich dann verzichten. Uebergebt es meinem Bruder Gerhard.

All Deine Worte sind umsonst, sprach der Kaiser: nie bei meinem Leben sollst Du einen Fuß breit Erde behalten.

Herr Kaiser, ist das Euer letztes Wort? sprach Naims.

Ja, sagte Kaiser Karl, bei meiner Seligkeit!

Das thut mir wahrlich leid, sprach Naims. Ihr Fürsten des Reichs, wohlauf, erheben wir uns alle und lassen wir da diesen Kaiser, der zum Kinde geworden ist. Kein Biedermann kann mehr an seinem Hofe bleiben, denn das Unrecht, das er einem unsersgleichen heute angethan hat, kann er morgen auch gegen jeden anderen von uns ausführen.

Die Fürsten erhoben sich auch und verließen wirklich die große Halle, den Herzog Naims an der Spitze. Kaiser Karl blieb ganz allein; nur die jungen Knappen waren noch um ihn.

Als der Kaiser dies sah, da füllten sich seine Augen mit Thränen und er rief:

Wehe mir! Wie unglücklich ich bin! Mein Sohn ist tot und meine Fürsten verlassen mich! Ich bin gezwungen, ihnen ihren Willen zu thun.

Mit diesen Worten stieg er die Stufen seines Hochsitzes herab und rief sie zurück:

O meine Fürsten, verlasset mich nicht, ich will thun, was Euch recht dünkt. Ich weiß es wohl, hätte ich auch hundertmal geschworen, Ihr zwänget mich doch, meineidig zu werden.

Als die Fürsten dieses hörten, kehrten sie in die Halle zurück und setzten sich wieder auf ihre Bänke. Auch der Kaiser nahm seinen Sitz wieder ein und streichelte seinen weißen Bart.

Hugo trat vor und kniete demütig vor ihm bin.

Der Kaiser schwieg lange; endlich sprach er also zu ihm: Höre mich wohl an, Hugo! Du willst Dich also mit mir vergleichen?

Ja, sagte Hugo. Es giebt keine Mühen und Plagen, die ich nicht gerne dafür übernehmen wollte. Um Eure Gnade zu erwerben, ging' ich für Euch sogar in die Hölle.

Nun wohlan, sagte der Kaiser, ich will Dich an einen noch schlimmeren Ort als die Hölle schicken; aber nur also kannst Du meine Verzeihung erwerben. Dahin, wo Du nun sollst, sind schon fünfzehn meiner Boten gegangen, aber keinen einzigen sah ich mehr zurückkehren. Ich meine Babylon, die wunderbare Stadt, jenseits des Roten Meeres. Dorthin sollst Du ziehen, und wenn der Emir Galdis dort mit seinem ganzen Hofe zu Tische sitzt, sollst Du gerüstet und gewappnet in die Halle treten und dem, der zur Rechten des Emirs sitzt, ohne ein Wort zu sagen mit Deinem blanken Schwerte das Haupt herabhauen. Aber das ist noch nicht alles: der Emir Galdis hat eine Tochter, die schöne Klaramunde; Du wirst ihr vor dem ganzen Hof drei Küsse geben. Darauf erst wirst Du dem Emir meine Botschaft ausrichten also, daß er und alle seine Höflinge sie wohl vernehmen. Du wirst ihm nämlich in meinem Namen den Auftrag geben, mir tausend Sperber zu schicken, die schon gemausert haben, tausend Windhunde, tausend Bären an der Kette, tausend junge Knappen von edlem Geschlechte und tausend Jungfrauen von ausgesuchter Schönheit, dazu die weißen Haare seines Schnurrbarts und endlich vier Stockzähne aus seinem eigenen Munde.

Da schrieen alle Ritter: Ihr wollt ihn töten!

Bei Gott! erwiderte der Kaiser, Ihr sprecht die Wahrheit.

Aber Hugo versetzte: Ist es nichts anderes, so will ich es nach meinem Vermögen auszurichten suchen.

Es ist alles, sagte der Kaiser; aber höre noch. Solltest Du zurückkommen, so geh' nicht früher in Deine Stadt Burdigal, noch in eine Deiner Burgen, noch sonst wohin, bevor Du Dich mir vorgestellt hast. Beachte das wohl, denn wenn ich Dich anderwärts finde, so sollst Du hängen.

Es ist gut, Herr Kaiser, sprach der Jüngling, aber gewährt mir eine Gnade: gestattet, daß mich meine zehn Ritter bis zum Heiligen Grabe begleiten.

Meinetwegen sogar bis zum Roten Meer, antwortete der Kaiser, wenn sie aus Liebe zu Dir so viel wagen wollen. Aber den weiteren Weg mußt Du allein machen.

Großen Dank, mein Kaiser, sagte der edle Junker und ging hochgemut aus der Halle.

Hugo ließ denn alles zu seiner Reise vorbereiten und seine Genossen reichlich ausstatten. Aber ihm war es nicht erlaubt, von seiner Mutter zu Burdigal Abschied zu nehmen: er sollte sie nimmer wiedersehen. Sein Bruder Gerhard empfing vom Kaiser Hugos gesamten Besitz in Verwaltung für so lange, als sein Bruder fort war. Ach, keiner glaubte da, daß Hugo jemals wieder käme.

Es war daselbst auch ein Ritter, namens Wighard aus Carnuntum, ein Verwandter Hugos. Dieser trat zu ihm, nahm ihn freundlich bei der Hand und sprach:

Lieber Vetter, laß auch mich mit Dir gehen!

Gerne, sprach Hugo, und Gott lohne Dir's!

Alles war endlich bereit und Hugo nahm denn Urlaub. Mit ihm zogen seine Ritter. Sie hatten bei sich Gold und Silber in großer Menge, das ihnen der gute Herzog Naims zum Geschenke gemacht hatte. Sie nahmen zuerst den Weg auf Rom zu. Gerhard, dessen Wunde schon in der Heilung begriffen war, der alte Naims und der Abt von Kluny gaben ihnen das Geleit; so ritten sie zwei Tage lang miteinander, am dritten Tag aber trennten sie sich. Ach! wie traurig war da der alte Herzog Naims und wie weinte der gute Abt! Hugo seufzte tief; er umarmte sie noch einmal zärtlich und ging dann seinem großen Abenteuer entgegen.



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