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15. Diavolina

Unsern Blicken zeigt sich ein fensterloser Salon, der durch zwei Kronleuchter erhellt ist, deren Licht überall von schief an den Wänden angebrachten Kristallspiegeln zurückgeworfen wird. Selbst an der Decke ist ein großer Spiegel befestigt.

Nicht nur der Boden, auch die Wände sind mit dicken, weichen Teppichen belegt, so daß der Salon, ohne Fenster und Türen, das Aussehen eines ausgepolsterten Kastens hat. Nur in der Mitte, wo der lange Tisch steht, ist der Teppich ausgeschnitten, ebenso ein Stück rechts neben dem Büfett.

An einer Wand ist der schwere Vorhang etwas zurückgeschlagen, und es zeigt sich ein üppig ausgestattetes Boudoir mit einem breiten, ganz von Spiegeln umgebenen Himmelbett, von rotem Ampellicht matt erleuchtet, das zugleich zarten Wohlgeruch ausströmt.

Solcher Boudoirs liegen noch mehrere zu beiden Seiten, man braucht nur die Teppiche zur Seite zu schlagen.

Das ist eines jener Lokale, von deren Existenz Reihenfels nur gehört hatte.

Sie waren immer stark frequentiert; hier wurden die raffiniertesten Orgien gefeiert, denen sich ein Spielchen anschloß, das erst mit dem grauenden Morgen und noch später endigte.

Geheimnisvoll, wie sie gekommen, entfernten sich die Teilnehmer wieder. Jeder hatte Zutritt, er mußte aber eingeführt werden, und der Einführende bürgte für den neuen Gast. Die Gesellschaft eines solchen Lokals wechselte also fortwährend, meistenteils waren es Fremde und Reisende, die sich hier, um sich zu amüsieren, einführen ließen und nach ihrer Plünderung keine Lust mehr hatten, das Lokal zum zweiten Male zu betreten.

Diesen Salon aber, der eben beschrieben wurde, besuchte schon seit einiger Zeit nur eine geschlossene Gesellschaft; jeden Abend kamen dieselben Gestalten, und erschien doch einmal ein Neuer, so geschah es nur mit Vorwissen und Willen der anderen.

Madame Chevaulet – so hieß die Wirtin – hatte strengen Befehl, keine den Herren unbekannte Person, und wäre es früher ihr bester Kunde gewesen, einzulassen, mit Ausnahme – weiblicher Personen, denn der Salon war eine von jenen Höhlen, in welchen es für Mädchen wohl einen Eingang aber keinen Ausgang gibt: Wunderbar war, daß die jetzigen, ständigen Gäste gar nicht über so große Barmittel verfügten, um ihre kostspieligen Vergnügungen bezahlen zu können, und daß Madame Chevaulet ihnen so willig kreditierte.

Auch heute abend wurde von der Gesellschaft eine Orgie gefeiert.

Um die mit den feinen Leckerbissen besetzte Tafel saßen in weichen Lehnstühlen acht Herren zwischen ebenso vielen Mädchen. Erstere schienen fast ohne Ausnahme Franzosen zu sein und machten alle, ob jung oder alt, den Eindruck verkrachter Existenzen. Der ehemalige Offizier zeichnete sich durch seine kurze, mit Schlagwörtern und Flüchen gewürzte Sprache aus, der frühere Student durch sein burschikoses Wesen; der Alte mit dem schönen Sünderkopf war jedenfalls seinen lebhaften Gesten nach ein gewesener Schauspieler, ein anderer mit feurigen Augen und langen Locken ein Maler.

Die Mädchen waren durchweg pikant und hübsch, keins über zwanzig Jahre alt. Ihre Kleidung, bei allen gleich, war die denkbar einfachste, keusch und doch wieder verführerisch; sie bestand aus einem einzigen langen, gefältelten, losen Gewand, welches den Körper vom Hals bis zu den Fußknöcheln verhüllte und doch wieder die Formen markierte.

Madame Chevaulet, eine schöne Frau in mittleren Jahren, stand hinter dem Büfett, die Mädchen bedienten selbst ihre Herren.

Der Wein floß in Strömen, die Champagnerpfropfen knallten, und eben bereitete die Wirtin in einer ungeheuren, silbernen Terrine heißen Punsch.

Das Souper neigte sich dem Ende zu, die Stimmung war die animierteste, und schon litt es die Gäste nicht mehr auf den Stühlen, am allerwenigsten die Mädchen. Die mutwilligsten Scherze wurden ausgeführt, begleitet von Witzen und Zoten, und da dies der Ort ist, von welchem Reihenfels Teile des Gesprächs erlauschte, so wissen wir, daß ein mutwilliges Mädchen, Trilby genannt, sich eben angeschickt hatte, mitten auf dem Tisch zwischen Schüsseln, Tellern, Flaschen und Gläsern einen Cancan zu tanzen.

Das erste war, daß sie in eine Schüssel mit Fleischpasteten trat, was aber nur ein ungeheures Gelächter hervorrief.

Nur einer war darüber empört, Monsieur Montpassier, ein zur Fettleibigkeit neigender Kavalier, der sich mehr für das Essen als für weibliche Schönheit interessierte.

Trilbys Tollheit steckte die übrigen an; nur wenige Herren blieben noch sitzen und unterhielten sich, die meisten sprangen auf, es begann ein Jagen mit den Mädchen, man jubelte, lachte, wälzte sich auf dem weichen Teppich; ein Mädchen begann einen jener lüsternen Chansons zu singen, wie man sie in den Tingeltangels der Boulevards zu Paris zu hören bekommt; jubelnd stimmte man in den Chorus ein – alle bösen Dämonen schienen entfesselt zu sein.

Da ertönte eine Glocke; wie festgewurzelt blieben alle stehen und schauten nach der schönen Wirtin.

Diese lächelte, nahm einen silbernen Teller, auf welchem acht Papierröllchen lagen, und trat unter die Gesellschaft.

»Acht Damen zu halten, ist mir erlaubt,« sagte sie; »ich weiß, daß sich manche ihre Freiheit wünscht, und so soll heute das Los entscheiden, welche derselben zurückgegeben wird.«

»Ich befinde mich hier ganz wohl,« warf Trilby dazwischen, »ich mag gar nicht gehen.«

»Ich auch, ich auch!« riefen andere.

»Eine muß mich aber doch verlassen.«

»Aber warum denn? Kommt eine neue?«

»Eine neue!« bestätigte die Chevaulet. »Mein Agent läßt mir eine ganz neue zugehen, Sie verstehen ...«

»Ah, das ist herrlich! Wo ist sie? Wer ist sie?«

»Das Kind einer Indierin und eines Engländers.«

»Bah, ein schläfriges Hindumädchen!« sagte eine verächtlich.

»Haben Sie sie schon gesehen?« fragte ein Herr.

»Nein, aber es soll etwas ganz Exquisites sein: schön, jung und unberührt.«

»Lassen Sie sie erscheinen!«

»Erst losen.«

Jedes Mädchen nahm ein Röllchen, Trilby war die Begünstigte, welche den Salon für immer verlassen durfte, sich jedoch auch sofort nach Frankreich begeben mußte.

»Und ich mag nicht gehen. Wer will mit mir tauschen?«

Ein etwas schüchternes Mädchen, welches sich hier nicht wohlfühlte, nahm gern das Anerbieten an.

»Und wir Herren? Auch wir müssen losen.« Sie losten, und das Los siel auf Montpassier.

»Montpassier, bravo, bravo!« rief es durcheinander. »Die Weiberfeinde haben doch das größte Glück!«

»Wenn sie mir zu widerspenstig ist, verkaufe ich das Glück!« entgegnete der Dicke phlegmatisch. »Ist sie gezähmt, Madame?«

»Ich kenne sie noch gar nicht.«

»Eine Sklavin?«

»Eine Freie. Der Vater raucht gern Opium, und da es ihm an Geld fehlte, hat er seine Tochter verkauft.«

»An wen?«

»An mich.«

»Sie geben sich direkt mit solchen Geschäften ab?«

»Werde mich hüten, mir die Finger zu verbrennen!« lachte die Chevaulet. »Ich habe meine Zwischenhändler.«

»Wer war es in diesem Falle?«

»Ich habe Gründe, das zu verschweigen.«

»Das Mädchen, das Mädchen!« riefen die neugierigen Herren und Weiber. »Lassen Sie es erscheinen!«

»Einen Augenblick Geduld! Es ist eben angekommen und wird jetzt angekleidet.«

»Von wem haben Sie es gekauft?« fragte Montpassier nochmals. »Wir brauchen doch keine Geheimnisse voreinander zu haben, schöne Frau.«

»Da haben Sie recht! Von Sedrack, dem Juden.«

»Wieviel haben Sie für sie gezahlt?«

»Auch das sollen Sie noch erfahren: tausend Rupien.«

»Alle Wetter, muß der Kerl Geld verdienen! Er hat höchstens zehn Rupien an den Opiumsüchtigen bezahlt.«

»Montpassier will Sklavenhändler werden,« lachte Trilby, »darum interessiert er sich so dafür.«

Der Dicke rieb sich nachdenklich die Nase, als ginge er wirklich mit derartigen Gedanken um.

Die Glocke ertönte wieder.

»Auf die Plätze, auf die Plätze, und zuerst möglichst einen guten Eindruck auf sie machen.«

Alle eilten auf ihre Plätze.

Die kleine, offene Stelle vor dem Büfett verschwand plötzlich, sie versank, dann tauchte in der Versenkung ein Kopf auf, und im Salon stand die hohe, imposante Gestalt eines Weibes. Das schöne Gesicht mit den großen, dunklen Augen zeigte einen sentimentalen, schwermütigen und zugleich gleichgültigen Zug, wie man ihn bei Orientalinnen oder auch bei indischen Mischlingen oftmals findet.

Ein gewisses Etwas verriet die Keuschheit. Die Schöne aber erschrak nicht, als die schwermütigen Augen die Versammlung überflogen, deren Charakter ihr bei der freien Haltung der Herren und Mädchen nicht verborgen bleiben konnte.

Sie wußte ganz genau, was ihr bevorstand, sie kannte ihr Los, und mit dem Phlegma ihres Landes nahm sie geduldig das Unabwendbare hin. Es war ja das Schicksal von Hunderttausenden ihrer Schwestern.

»Parbleu, ein göttliches Weib!« murmelte ein Herr, der, wie die andere Gesellschaft, die schöne Erscheinung ungeniert anstarrte.

»Wunderbar gebaut!« ein anderer.

»Montpassier, ich beneide dich.«

»Montpassier, was willst du für sie haben?«

»Bah, schön, aber kein Feuer!« sagte ein Mädchen verächtlich. »Es ist eine Steinfigur.« »So will ich ihr Leben geben!« rief ein junger Mann mit schwarzem Knebelbart, Duplessis angeredet, sprang auf und wollte auf die Schöne zueilen; Madame Chevaulet vertrat ihm jedoch den Weg.

»Der Würfel ist gefallen, sie ist vergeben. Handeln Sie mit dem Conte über sie.«

Gleichgültig und ohne Zeichen von Scham oder Verlegenheit hatte das Mädchen die französischen Bemerkungen, die sie verstand, angehört; sie glich wirklich einer Statue. Was war auch weiter dabei? Ihr Vater, ein pensionierter, englischer Soldat, war dem Opium über alles ergeben, und ihr Schicksal hatte sie vorausgesehen, sobald ihre Mutter tot war. Gestern war sie gestorben, heute wurde die Tochter für einige Rupien an einen Juden verkauft – das Schicksal nahm eben seinen Lauf.

Die Frau führte sie Montpassier zu, der sie mit gnädigem Lächeln wie ein hübsches Geschenk empfing und zum Setzen neben sich einlud.

Ein Scherz zauberte wieder die alte Tollheit hervor, man beachtete nicht weiter das Mädchen, welches sich vorläufig noch ungeschickt benahm, mit Ausnahme einiger weniger, die sich für die Liebeswerbung des Dicken interessierten.

Wäre das Mädchen lebhaft, froh und zudringlich gewesen, so hätte der Dicke sie nicht für sich passend gefunden, ihre phlegmatische Ruhe aber war nach .seinem Geschmack.

Er machte ihr auf die einzige Weise den Hof, die in solcher Gesellschaft am Platze war, er sagte ihr zudringliche Schmeicheleien und nötigte sie zum Essen und Trinken, was sich das Mädchen, in Armut aufgewachsen, nicht zweimal heißen ließ. Sie langte ohne Zögern zu nahm den ihr gereichten Champagnerkelch, hatte aber für ihren dicken Nachbar nur wenig Beachtung, seine Fragen beantwortete sie einsilbig.

Als sie sich gesättigt in den Stuhl zurücklehnte, duldete sie wohl seine Zärtlichkeiten, ließ sich auch ohne Widerstreben auf seinen Schoß ziehen, doch zum Erwidern solcher Liebkosungen konnte sie nicht bewegt werden. Es war eben ein Wesen, wie man es in den Harems findet: schön, aber träge, kalt und gleichgültig.

Wie leicht war es diesen Wüstlingen, die Stimmung eines solchen Mädchens zu ändern! Montpassier brauchte nicht erst durch verdeckte Ausrufe und Trinksprüche darauf aufmerksam gemacht zu werden, er kannte das Mittel schon.

»Schöne Wirtin,« wandte er sich an die Chevaulet, »Ihr Champagner und Punsch vermag meiner Pikarde nicht den Nimbus zu geben, ohne welchen sie sich in meiner Gesellschaft nicht wohl befindet. Versuchen wir es mit einem Glas jener Rebe, die in der Lavaglut Neapels gezeugt ist.«

Er wendete den Kopf etwas und flüsterte ein Wort, welches fast wie Diavolina klang.

Lachend entfernte sich die Wirtin und kehrte mit einem Kristallglas zurück, in dem purpurner Wein funkelte.

Montpassier selbst kredenzte es dem Mädchen auf seinem Schoß, sie nahm es gleichgültig dankend und trank auf sein Zureden davon, allerdings nicht ohne Zögern.

»Trink aus, trink aus!« ermunterte der Wüstling. »Wenn dieser Wein in deine Adern kommt, wirst du selbst jenen Leuten gleich, in deren Land er gewachsen ist. Das Leben verliert seine Schwermut, alles erscheint in sonnigem Lichte.«

Das Mädchen trank das Glas leer.

Als wäre jetzt etwas Besonderes zu erwarten, so sammelten sich die Herren und Mädchen um den Tisch, die Fremde beobachtend, ohne das Gespräch fortzusetzen. Neugier, Schadenfreude und teuflische Lust malte sich auf allen Gesichtern; boshaft lächelnd stand die Wirtin hinter dem Stuhl des Opfers und wechselte mit den Gästen bedeutsame Blicke.

Mit dem Mädchen ging in der Tat eine seltsame Veränderung vor. Ihre großen Augen verloren den träumerischen Ausdruck; unruhig suchten sie im Kreise umher, eine leise Röte stieg langsam auf und begann Stirn und Wangen zu färben, der schwellende Busen hob und senkte sich schneller, und das Mädchen selbst machte auf den Knien des Mannes unruhige Bewegungen. Dunkler und dunkler ward das Rot, immer glänzender, sehnsüchtiger blickten die Augen.

Plötzlich schlang sie heftig beide Arme um den Hals des ihr völlig Fremden und schmiegte sich an seine Brust.

»O, wie wird mir plötzlich!« seufzte sie. »Was geht mit mir vor? – Mich durchschauert es – ich möchte sterben – in dir –«

Ein wildes Gelächter brach überall los; als wäre die Gesellschaft plötzlich vom Teufel befallen, so begann es zu toben; die Mädchen sprangen auf, klatschten in die Hände, tanzten, die Herren jubelten. »Bravo, bravo, Montpassier!« klang es durcheinander. »Hoch lebe Diavolina, sie macht die Erde zum Paradies – hoch lebe Montpassier, der Jungfernbändiger–«

Das Mädchen wußte nicht, was um sie vorging, sie sah nichts, sie hörte nichts, sie schmiegte sich nur an den Mann, der sie in seine Arme gezogen hatte.

Die Augen der Wirtin wiesen Montpassier den Weg nach einem Boudoir, er verschwand mit seiner schönen Last, die er noch in den Armen trug; die Portiere schloß sich; ein leiser, seufzender Schrei, dann wirbelten unter den Fingern Trilbys die rauschenden Töne eines Walzers durch den Saal.

»Beim heiligen Nabel des Papstes,« rief der vorhin mit Duplessis angeredete junge Mann mit dem schwarzen Knebelbart, als sich der Lärm etwas gelegt und die Gesellschaft sich zum Teil wieder um den Tisch versammelt hatte, »Montpassier hat einen seltsamen Geschmack! Ich könnte mich an keinem Weibe ergötzen, in dem ich die Leidenschaft durch künstliche Mittel erweckt habe, und das sich dem ersten besten Manne an den Hals hängt, gleichgültig, wie er aussieht.«

»Glauben Sie, Duplessis, ein jedes Mädchen müsse sich in Sie sofort verlieben?« fragte die gelbhäutige Inez.

»Ich glaube es nicht, ich weiß es,« war die selbstbewußte Antwort.

»Oho, nach meinem Geschmack wären Sie zum Beispiel keineswegs!«

»Bah, das hatte die Mirzi auch gesagt, und nach acht Tagen hing sie an mir wie eine Klette.«

»Ich behaupte nochmals, in Sie könnte ich mich nie verlieben!«

»Was frage ich sie nach Ihrer Liebe? Wenn Sie mir begehrenswert erschienen, müßten Sie mich eben lieben!«

»Sie würden mich zwingen wollen?« fragte Inez, in deren Adern spanisches Blut rollte, mit gerunzelter Stirn.

»Gewiß! Nichts ist schöner, als wenn man ein Mädchen zur Liebe zwingt. Je mehr es sich sträubt, desto besser.«

»Das wäre der Tod desjenigen, der es bei mir versuchte.«

»Bei meiner Jungfernschaft,« lachte Trilby, »man glaubt förmlich, Inez sei eine Heilige, wenn man sie jetzt reden hört.«

»Zwingen lasse ich mich; ich kam zwar freiwillig hierher, doch nicht, um jedem anzugehören.«

»He, Duplessis,« rief ein Herr, »du vergißt ganz deine Wette von vorhin. Wie steht es mit der Begum von Dschansi? In drei Monaten wolltest du sie zu deiner Geliebten machen. Hier kannst du deine Unwiderstehlichkeit gleich beweisen.«

»In vier Wochen, behaupte ich sogar. Was gilt die Wette? Wer hält sie?«

»Vorsicht, meine Herren!« rief die Wirtin. »Der Tisch muß für einen Augenblick verschwinden.«

»Was gibt's? Ein neues Gericht? Mein Bauch ist schon voll zum Platzen.«

»Nur noch den Nachtisch!«

Die Chevaulet zog an einem Handgriff in der Wand, die Gäste lehnten sich zurück, und der Tisch versank plötzlich vor ihnen in die Tiefe. »Es wird bald Zeit, daß ich zu meinen Auslagen komme,« meinte die Wirtin, während unten der Tisch neu gedeckt wurde.

»Keine Angst, jeden Tag kann der Tanz losgehen, und dann werden unsere Schulden mit Zinsen und Zinseszinsen bezahlt. Oder zweifeln Sie daran?«

»Zweifeln? Dann würde ich Ihnen wohl nicht so lange borgen. Doch lieber wäre mir, die Geschichte nähme schon morgen ihren Anfang.«

»Sie nimmt morgen ihren Anfang,« ertönte eine Männerstimme von unten herauf, »morgen Abend schon geht der Tanz los.«

Ein Knarren zeigte an, daß sich der Tisch wieder in Bewegung setzte, und mit ihm erhob sich aus der Tiefe ein Mann, neben ihm eine vermummte, weibliche Gestalt. Der Mann sprang zur rechten Zeit vom Tisch in den Saal, das Weib mit sich ziehend.

»Hektor,« erklang es von allen Seiten bestürzt, »wen bringst du da mit?«

»Ein junges, unschuldiges Mädchen, welches verfolgt wurde oder sich doch verfolgt glaubte und, um Schutz bittend, sich an mich wendete. Sie soll das nicht vergebens getan haben, ich bringe sie hierher in Sicherheit.«

»Hektor, du bist toll.«

Es schien alle unangenehm zu berühren, daß der Mann ein fremdes Mädchen mit hereinbrachte. Wer hierherkam, durfte das Lokal nicht wieder verlassen, jetzt um so weniger, als allerlei heimliche Gespräche geführt wurden, die beim Verrat alle Anwesenden an den Galgen gebracht haben würden. War die Neuangekommene aber ein Mädchen aus guter Familie, so war es sehr gefährlich, am meisten für die Wirtin, wenn man sie mit Gewalt hier festhielt.

Nur Inez, die stark angetrunken war, machte sich keine Sorge.

»Hektor, mein süßer Junge,« rief sie und warf sich dem Mann an die Brust, »Gottlob, daß du kommst! Ich verschmachte vor Sehnsucht nach dir.«

»Still, Inez, es ist ein anständiges Mädchen, die ich heute hier einführe.«

»Anständig, hahaha, so eine muß ich mir ansehen. Wie sieht denn so ein anständiges Mädchen eigentlich aus? Herunter mit dem Lappen!«

Sie riß der Verhüllten den Schleier vom Gesicht.

Es war ein noch sehr junges Mädchen mit schönen, liebreizenden Zügen, von schwarzen Locken umrahmt. Fast hatte sie Ähnlichkeit mit jener, mit der sich Montpassier in das Boudoir zurückgezogen hatte, also war auch sie wahrscheinlich ein Mischling, wenn nicht eine Südeuropäerin. Doch sie besaß nicht den schwermütigen Ausdruck, die träumerischen Augen wie jene, vielmehr lag in ihrem Gesicht ein kühner und edler Zug, und in ihren Augen schien ein verhaltenes Feuer zu blitzen, das nur die Gelegenheit erwartete, um mit verzehrender Glut hervorzubrechen.

Ohne Verlegenheit stand sie hochaufgerichtet da, den Arm noch in dem des Begleiters, und im Nu hatte ihr Auge jeden Anwesenden scharf gemustert.

Auch das freche Betragen Inez' vermochte sie nicht einzuschüchtern, wohl aber traf ein funkelnder Blick die Frevlerin.

Im Moment beschäftigte etwas anderes die meisten Herren. Die Wirtin wollte den neuen Ankömmling in ein Boudoir ziehen und die Herren ihr folgen, doch Hektor widersetzte sich.

»Hektor, Sie sind toll!« flüsterte die Chevaulet ihm zu. »Es ist gewagt, eine uns Unbekannte hier hereinzubringen.«

»Nichts ist gewagt, wir brauchen keine Heimlichkeiten mehr!« rief aber Hektor. »Habt ihr nicht gehört, was ich sagte, als ich der Unterwelt entstieg? Freunde und Freundinnen, morgen Abend geht der Tanz los, übermorgen sind wir Generäle!«

»Wahrhaftig? Woher weißt du's?«

»Ich habe es aus ganz sicherer Quelle. Ob wir die Briese heute Abend bekommen oder nicht, es geht doch morgen los. Die Begum von Dschansi wird sich morgen im Triumph dem Volke zeigen, sie selbst fährt den Götterwagen.«

Ein unermeßlicher Jubel brach los. »Hoch lebe die Königin von Dschansi.« erscholl es auf der anderen Seite.

»Wir kennen sie zwar nicht, aber es muß doch ein perfektes Weib sein. Ich liebe sie!«

»Und ich heirate sie doch, und wäre sie häßlich wie die Nacht,« lachte Duplessis, »und das wird wohl der Fall sein, sonst würde sie wenigstens einmal ihr Gesicht zeigen.«

»Morgen tut sie's.«

»Nein, sie tut's nicht, sie fährt vermummt und verschleiert auf dem Wagen der Kali. Ich hab's schon gehört.«

Die Fremde verhielt sich ganz ruhig, während der Jubel über die frohe Nachricht um sie her tobte. Nur ihre Augen wanderten fast wie mit einem drohenden Ausdruck von einem zum anderen.

»So wollen wir diese Nacht noch einmal voll und ganz genießen und den Becher der Freude bis auf die Neige leeren,« rief Duplessis. »Komm, schönes, unschuldiges, verfolgtes Mädchen! Lerne durch mich die Liebe kennen; morgen darfst du plaudern, denn morgen sind wir die Herren Indiens!«

Mit diesen pathetisch gesprochenen Worten wollte er das Mädchen umarmen, doch Hektor hielt ihn zurück.

»Nichts da, das ist meine Beute! Meine Herren und Damen, ich erlaube mir, Ihnen eine Unschuld von Delhi vorzustellen, deren Jungfräulichkeit in Gefahr war, weswegen sie sich in meinen Schutz begab. Ihr Name ist Diavolina ...«

»Diavolina, Diavolina!« kreischten die Mädchen händeklatschend auf, und die Herren sahen sich bedeutungsvoll an.

»Das heißt, diesen Namen habe ich ihr gegeben,« fuhr Hektor fort, »weil sie mir den ihren nicht nennen wollte. Sonst habe ich nur noch von ihr erfahren können, daß sie Kellnerin bei der kleinen Balliot gewesen und jetzt ohne Stellung ist ...«

Wieder unterbrach den Vorstellenden ein lautes Hallo. Madame Balliot hielt eine Weinstube, in der viele Franzosen verkehrten, und die dort angestellten Kellnerinnen standen im übelsten Ruf.

Als sich der Lärm gelegt hatte, schloß Hektor: »So bitte ich Sie also, sich der jungen Dame anzunehmen und hauptsächlich ihre jungfräuliche Ehre zu wahren. Dann habe ich noch zu bemerken, daß sie, als ich im Laufe des Gespräches bemerkte, ich ginge zu Madame Chevaulet, daß diese junge Dame da erwiderte, dies sei ihr gerade recht angenehm. Sie ist eine Südfranzösin. Also bitte, meine schöne Diavolina!«

Unter dem Jubel der übrigen über diese zynische Vorstellung wollte Hektor das Mädchen nach dem Diwan führen, doch Inez ließ es nicht zu.

»Nichts da, Hektor! Heute gehörst du mir, du hast es mir versprochen. Laß das Mädchen zum Teufel gehen!«

Vergebens versuchte sich der Mann der Spanierin zu erwehren, sie erdrückte ihn bald.

»Zum Teufel, Duplessis, so nimm du sie denn!« lachte er endlich. »Ich rechne auf Gegendienst.«

»Halt, ich protestiere!« rief ein anderer. »Duplessis hat gewettet, innerhalb vier Wochen der Geliebte der Begum von Dschansi, unserer Gebieterin, zu sein, und so hat er keine Zeit zu anderen Liebeleien.«

»Ich bin ein Genie, ich kann mehrere Liebschaften zu gleicher Zeit haben und vollenden,« entgegnete Duplessis und führte das Mädchen nach dem Diwan.

Sie folgte auch ohne Zögern und Sträuben, stolz, mit aufrechtem Gang und elastischem Schritt.

»Liebe Diavolina, mach dir's bequem und tu, als wäre dies dein Haus, in dem du die Herrin bist und ich dein untertänigster Diener. Erlaube, schönes Mädchen, daß ich auf diesem Schemel Platz nehme und erst deine kleinen, reizenden Füßchen in Ehrfurcht küsse.«

Das Mädchen tat wirklich, als fühle sie sich in solcher Gesellschaft ganz heimisch. Doch sie duldete nicht, daß sich der junge Mann ihr zu Füßen setzte, sie zog ihn vielmehr neben sich auf den Diwan und rückte dann etwas von ihm ab. »Entziehe dich nicht meiner Nähe,« bat er und haschte ihre kleine Hand. »Du machst mich unglücklich durch diese Kälte!«

»Sie unglücklich zu machen, wäre das letzte, was ich täte,« scherzte sie; »doch ehe wir vertraulicher verkehren, ist es nötig, daß wir uns vorstellen. Mit wem habe ich die Ehre?«

»Sie sehen in mir, schöne Dame,« entgegnete Duplessis mit komischem Ernst und Verbeugung, »einen Mann, dem der Marschallstab für die nächsten Tage in Aussicht steht.

Stoßen Sie sich nicht an meinen einfachen Namen Duplessis; infolge meiner militärischen Fähigkeiten werde ich es bald bis zum höchsten Rang in der indischen, nicht in der englisch-indischen Armee gebracht haben. Es sind dies dieselben Fähigkeiten, mittels deren ich mich früher schlicht und recht als Straßenräuber ernährte; doch ich soll ja auch jetzt nur ein General von Straßenräubern werden. Darf ich nun um Ihre Vorstellung bitten, gnädiges Fräulein?«

»Ich vermute, Sie treiben nur Scherz ...«

»Durchaus nicht, es ist mein völliger Ernst!«

»Nun, von mir sollen Sie die Wahrheit zu hören bekommen. Es wundert mich, daß wir uns noch nicht kennen, denn ich war bis vor kurzer Zeit ...«

»Kellnerin bei der kleinen Balliot,« fiel Duplessis ein.

»Allerdings! Finden Sie darin etwas Anstößiges?«

»Aber bitte, Mademoiselle, ganz das Gegenteil! Darf ich Sie nun flüchtig mit den anderen Herren bekannt machen? In diesem Augenblicke sind es noch, ganz offen gestanden, weiter nichts als Halunken, Spitzbuben und Taugenichtse, größtenteils wegen Dummheiten aus der französischen Armee gestoßen, ebenso wie ich. Da sie aber ebenfalls militärische Kenntnisse besitzen, können sie es im göttlichen Indien noch weit bringen, denn hier hat jeder französische Soldat und wäre er das verkommenste Subjekt, den Feldherrnstab im Tornister; man braucht nämlich Offiziere für Soldaten. Doch lassen wir das, wir wollen von Liebe sprechen, schöne, herrliche Diavolina!«

Er wollte sie an sich ziehen, aber sie entwich ihm.

»Ich möchte gerade davon mehr erfahren; Sie haben mich durch Ihre Andeutungen neugierig gemacht.«

In diesem Augenblick näherten sich den beiden zwei der Herren, denen der Wein schon sehr zu Kopfe gestiegen war.

»Wir lassen die Sache nicht ruhen, Duplessis,« rief der eine. »Wie steht es mit der Wette?«

»Aber ich bitte! In meiner jetzigen Situation! Später sprechen wir davon!«

»Nein, jetzt,« sagte der eine, »oder wir erklären dich für einen Prahlhans. War das vorhin dein Ernst?«

»Mein völliger!«

»Wohlan, also du erklärst, innerhalb von vier Wochen der Geliebte der Begum von Dschansi zu sein?«

»Ja, ich nehme mein Wort nicht zurück.«

»Und wenn sie nun ein altes, häßliches Weib ist?«

»Auch dann,« lachte Duplessis und strich unternehmend den langen Knebelbart; »aber sie ist es nicht.«

»Du kennst sie?«

»Nein.«

»Dann wollen wir dich jetzt verschonen. Wann arrangieren wir die Wette?«

»Heute Abend noch, verspreche ich euch. Ihr seht, ich habe jetzt Wichtigeres zu tun. Ihr kennt doch das Sprichwort von dem Sperling in der Hand und der Taube auf dem Dache, obgleich mir letztere auch schon so gut wie sicher ist. Hahaha!«

Lachend entfernten sich die beiden Genossen, und Duplessis wandte sich wieder dem Mädchen an seiner Seite zu.

»Nun, meine schöne Diavolina – aber was hast du denn? Du blickst mich ja gerade an, wie die Meduse den Diomedes!« Die Augen des Mädchens waren wirklich unheimlich starr geworden, sie schienen fast die Eigenschaft zu besitzen, alles Lebendige in Stein zu verwandeln.

»Nichts, nichts!« sagte sie, gleich wieder lebhaft werdend. »Was ist das eigentlich mit der Begum von Dschansi? Ich habe diesen Namen hier innerhalb weniger Minuten schon einige Male gehört.«

»Und du wirst ihn noch unzählige Male zu hören bekommen. Hast du Eltern oder Verwandte in Indien?«

»Nein, niemanden. Wozu diese Frage?«

»Na, dann kannst du ohne Sorge sein, für dich selbst brauchst du nichts zu fürchten, ich nehme dich unter meinen Schutz.«

»Aber wieso denn?«

»Du hast wohl keine Ahnung, was die nächsten Tage für Delhi und ganz Indien bringen werden?«

»Morgen ist Siwas Götterfest, das weiß ich.«

Duplessis stand auf und nahm eine theatralische Stellung ein.

»Und morgen wird den Engländern die Herrschaft über dieses Land genommen, ganz Indien erhebt sich wie ein Mann, und die, welche die wilden Krieger im Kampfe mit weisem Verstande und Rat leiten, das sind wir, die Offiziere der französischen Nation.«

Duplessis machte eine Handbewegung nach seinen Freunden hin.

Das Mädchen schien zu erschrecken.

»Ach, Sie treiben nur Scherz!«

»Es wird ein furchtbar blutiger Scherz; die Indier werden sich in dem Blute der Tyrannen baden.«

»Es ist wirklich wahr?«

»Sie werden selbst sehen.«

»Mein Gott, da muß man ja fliehen!«

»Wohin? Es wäre zu spät! Du könntest nicht mehr aus Indien kommen. Bleibe hier! Unter meinem Schutz bist du sicher; man respektiert mich, denn ich werde eine wichtige Rolle in dem Aufstande spielen.«

»Also wieder ein Aufstand!« seufzte sie. »Ach, ich habe schon so Schreckliches davon erzählen hören!«

»Ja, es wird schrecklich werden. Doch nun, schöne Diavolina, erlaube mir, daß ich schon jetzt deinen Dank in Empfang nehme für meinen Schutz.«

Er rückte wieder an sie heran, und wollte sie umarmen; doch das Mädchen hinderte ihn nochmals mit kräftiger Hand daran.

»Wie, du wehrst dich?« lachte er. »Das gefällt mir. Immer sträube dich, schöne Kleine!«

Sie hatte seine Hand gefaßt, und plötzlich sank er mit einem Fluch und einem Schmerzensschrei zurück und schüttelte den Arm.

»Verflucht, Mädchen! Du hast ja Kräfte wie ein Bär! Himmeldonnerwetter, ich glaube, meine Knochen sind gebrochen.«

»Sie sehen, ich kann mich wehren,« lächelte das Mädchen.

»Aber woher hast du denn diese Kräfte?«

»Ich war früher Athletin in einem Zirkus, das ist die Erklärung.«

»Also spieltest du einst mit Zentnergewichten? Nun, es soll mich nicht entmutigen, ich werde dich doch besiegen.«

»Geben Sie sich keine Mühe; Sie können mich nicht zwingen, und wenn Sie alle Ihre Freunde zu Hilfe riefen.«

»Du willst die Spröde spielen?«

»Ich habe das Gelübde der Keuschheit abgelegt.«

»Hahaha, und du warst Kellnerin bei der kleinen Balliot! Auf wie lange bindet dich denn dein Gelübde?«

»Für heute nur.« »Das ist köstlich; also heute weigerst du dich, mir anzugehören?«

»Ganz entschieden. Doch um zwölf Uhr bricht der morgige Tag an.«

»Ach so, ich verstehe. Es ist jetzt elf, also in einer Stunde gibst du deine Sprödigkeit auf.«

»Ja, ich verspreche es Ihnen, und ich bitte Sie, mir während dieser Stunde noch etwas über den Aufstand zu erzählen, ich interessiere mich lebhaft dafür.«

»Mit dem größten Vergnügen. Nebenbei werde ich versuchen, dich noch innerhalb dieser Stunde zu zähmen.«

»Es wird Ihnen nicht gelingen. Wer leitet den Aufstand eigentlich?«

»Der Großmogul Bahadur. Trinkst du Wein?«

»Ich danke, in einer Stunde erst. Und wer noch?«

»Nana Sahib, sein Neffe. He, Madame Chevaulet! Ein Glas jenes Weines, der den Namen meiner schönen Gesellschafterin führt.«

Die Gerufene brachte denselben Wein, welcher vorhin die Umwandlung des Mädchens bewirkt hatte. Die Neue aber weigerte sich entschieden, auch nur davon zu kosten.

»In einer Stunde, punkt zwölf Uhr, ist mein Gelübde beendet, dann sollen Sie in mir die Fröhlichste aller Fröhlichen kennen lernen. Sie sprachen von einer Begum von Dschansi. Wer ist das eigentlich?«

Da Duplessis jetzt nicht zu seinem Ziele kommen konnte, war er willens, seine Kenntnis der Sachlage zu zeigen. Der Ton, in dem er sprach, war geringschätzend.

»Daß die Indier, und am allermeisten die eingeborenen Fürsten, mit der englischen Oberhoheit nicht zufrieden sind, ist ja leicht begreiflich. Nun wird schon seit langer Zeit von oben herab die Prophezeiung unter dem Volke verbreitet, natürlich ganz im geheimen, diese Fremdherrschaft würde nur hundert Jahre dauern. Die Indier sind sehr abergläubisch; einem tüchtigen Feldherrn, der aufträte und sagte: ›Kommt her, seid einig und folgt mir, ich will die Engländer aus Indien vertreiben!‹ würden sie nicht viel zutrauen, es muß dabei etwas Übernatürliches im Spiele sein. Das wußten die Herren da oben, der Großmogul und so weiter, und sie haben daher die Sage verbreiten lassen, nach diesen hundert Jahren würde Brahma ihnen ein Mädchen senden, welches Sewadschi mit der Göttin Kali in der Nirwana gezeugt hat. Weißt du, was diese Namen bedeuten?«

»Die Kali ist die Göttin der Vernichtung, Nirwana so eine Art von indischem Himmelreich. Diese beiden Namen hört man oft. Was ist das dritte?«

»Sewadschi war ein indischer Abenteurer, der das Reich der Maharatten gründete und zuletzt ganz Indien unter seinem Zepter vereinigte. Die Tochter Sewadschis und der Kali also soll die Befreierin Indiens werden; die Indier hoffen, daß sie bald erscheine, und morgen wird sie denn auch kommen.«

»Wirklich? Wie ist denn das möglich?«

»Es ist natürlich alles nur Humbug,« lachte Duplessis. »Man hat einfach ein Mädchen so erzogen, daß es sich für die Rolle dieser Begum von Dschansi eignet.«

»So gibt es also schon eine?«

»Freilich.«

»Haben Sie sie schon gesehen?«

»Nein, noch niemand. Vielleicht Francoeur und seine Geliebte, die sie erzogen haben sollen! Ich habe einst Gelegenheit gehabt, sie zu sehen, aber ich interessierte mich damals noch nicht für das indische Unternehmen, ich trat erst später in französisch-indische Dienste.«

»Wer ist dieser Francoeur?«

»Ein Franzose, der schon lange, lange Jahre für Indien arbeitet und sofort beim Beginn des Aufstandes das Kommando der Artillerie übernehmen wird.«

»Also Sie haben die Begum auch noch nicht gesehen? Sagten Sie nicht vorhin, Sie wollten ihr Geliebter werden?«

»Ich habe gewettet, daß dies mir innerhalb vier Wochen möglich ist, und ich werde gewinnen.«

»Gott, warum auch nicht! Sie ist ja auch nur ein Weib.« »Du darfst aber nicht vergessen, daß die Begum von den Indiern als ein göttliches Wesen betrachtet wird, und daß auch wir, die wir doch gar nicht an den Unsinn glauben, sie als solches behandeln müssen. Wir haben den strengen Befehl dazu bekommen.«

»Von wem?«

»Von Bahadur, dem Großmogul selbst. Auch dieser tut anscheinend, als ob er das Mädchen, irgend einen unbekannten Bastard, als seine Gebieterin verehre, desgleichen Nana Sahib und alle anderen Fürsten. Nun, ich werde doch den Beweis liefern, daß auch sie nur ein Weib von Fleisch und Blut ist; in vier Wochen soll sie mein williges Spielzeug sein – Mädchen, was blickst du mich so höhnisch an?«

Diavolinas Augen hatten wirklich einen ganz seltsamen, verächtlichen Ausdruck angenommen.

»Ihr Herren der Schöpfung seid manchmal sehr siegesgewiß,« sagte sie.

»Wir haben nach unserer Erfahrung Ursache dazu. Oder zweifelst du, daß es mir gelingen würde?« »Erst müßten Sie den Beweis an mir erbringen.«

»Sofort!«

Mit einer schnellen Bewegung umschlang er sie; das Mädchen aber entwand sich ihm wie ein Aal, stieß ihn zurück und hielt seine beiden Hände so fest, daß sie ihm schmerzten, obgleich sie gar nicht einmal drückte.

»Donnerwetter, meine Knochen knacken ja ordentlich!« lachte er ärgerlich. »Laß mich los, Mädchen!«

»Unter der Bedingung, daß Sie keinen Angriff auf mich mehr machen. Um zwölf Uhr kapituliere ich freiwillig.«

»Gut, so warte ich, bis sich die Festung mir ergibt.«

Er blies auf die rotangelaufenen Hände. »Mußt du aber Muskeln besitzen! Übrigens, hast du denn eigentlich einen Panzer an? Deine Brust fühlt sich hart wie Eisen an.«

»Es ist ein Korsett mit vielen Stahlstäben, das gibt eine hübsche Figur. Also Sie wollen der Geliebte der Begum werden?«

»Ja. Bist du eifersüchtig?«

»Durchaus nicht! Wenn sie aber nun nicht will?«

»Dann zwinge ich sie.«

»Mit Gewalt wie mich? Gehen Sie!«

»O, es gibt noch andere Gewaltmittel als nur die rohe Kraft, mit denen man jedes Weib zwingen kann. Trink Wein, Diavolina!«

»Danke, in einer halben Stunde erst.«

»Kennst du den Wein, der deinen Namen führt?«

»Ich kenne ihn nicht, habe seinen Namen noch nie gehört.«

»So koste ihn wenigstens!«

»Jetzt noch nicht, nachher, und dabei bleibe ich. Nun erzählen Sie mir noch etwas von dem künftigen Aufstand. Was für eine Rolle soll denn die Begum von Dschansi dabei spielen?«

»Die Hauptrolle. Sie soll die Königin sein, welche die Indier wie eine Göttin anbeten.

Verstehst du, wie man sie benutzen wird? Sie ist so eine Art von Messias; wer sie ansieht, der wird gesund und stark; wo sie ist, da muß gesiegt werden und so weiter.«

»Also tätlich beteiligt sie sich nicht an dem Aufstand?«

»Ich glaube kaum, sie wird wohl keine Jungfrau von Orleans sein. Sie ist eben nur eine Puppe, die sofort beiseite geschoben wird, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat. Im Anfang müssen Bahadur und die übrigen Radschas ihr natürlich gehorchen, weil das Volk mehr an dem Mädchen als an ihnen hängen wird; sind die Engländer aber erst zum Lande hinaus, na, dann wird das Götterweib einfach als unbrauchbar zur Seite geworfen, und dann läßt dies das Volk auch ruhig zu, denn das Ziel ist ja erreicht worden. Ist dir unwohl, Mädchen?«

»Ja – nein – die schwüle Luft hier, ich bin etwas eng geschnürt!«

»So laß mich dir behilflich sein.« »Um zwölf; so lange kann ich es noch aushalten. Wenn nun die Begum nicht geneigt ist, sich nur als Puppe behandeln zu lassen? Wenn sie nun energisch auftritt und unbedingten Gehorsam von allen verlangt, wie man ihn ihr im Anfang entgegengebracht hat?«

»Im Anfang ist das ja auch ganz gut; Bahadur wird ihr selbst wie ein Diener gehorchen.«

»Ja, aber später, wenn, wie Sie sagen, das Ziel erreicht ist und die Begum will allein und selbständig herrschen. Was dann?«

»Hahaha, dann sucht Bahadur einfach einen Grund und läßt sie einen Kopf kürzer machen. Das ist alles nur Humbug, ebenso wie – aber was ist dir nur? Du wirst ja mit einem Male ganz blaß! Du siehst so verstört aus!«

»Nichts, nichts – ebenso wie was? Was wollten Sie sagen? Bitte, klären Sie mich in der Politik etwas auf!«

»Ich meinte, ebenso wie das mit uns Franzosen ja nur Humbug ist.«

»Wieso?«

»Nun, sehr einfach! Die Indier suchen Franzosen, ehemalige Militärs, für ihre Sache zu gewinnen, besonders solche, welche bei der Artillerie und bei den Pionieren gestanden haben, denn mit den indischen Offizieren sieht es schlecht aus, und ebenso haben sie von der Belagerungskunst und der Verteidigungstaktik einer Festung keine Ahnung. Aus der französischen Armee dürfen sie sich natürlich keine Offiziere kommen lassen, denn zur Annahme eines solchen Postens gehört ein etwas weites Gewissen. Aber sie haben doch welche bekommen, wie du an uns hier sehen kannst. Man verspricht uns, wenn Indien frei ist, für unsere Dienste Radschawürde, große Besitzungen und so weiter; aber glaubst du, mein Mädchen, wir wären damit zufrieden?«

»Was verlangen Sie sonst?«

»Gar nichts! Hahaha, daß wir Narren wären und so lange warteten, bis es dem Großmogul gefiele, uns aufhängen zu lassen, damit er seine Geschenke wieder einziehen kann. Nein, wir haben dann nichts Eiligeres zu tun, als das freie Indien in die Hände Frankreichs zu spielen.

Du weißt doch, es ist der Rivale Englands in Indien, die Franzosen halten sich für die rechtmäßigen Besitzer, sie nennen die Engländer Usurpatoren, und meiner Meinung nach mit vollem Recht! Frankreich wartet nur auf die Gelegenheit, Besitz von Indien ergreifen zu rönnen; schon stehen wir mit bedeutenden Staatsmännern in Verbindung, die unsere Pläne kennen, sie gutheißen und uns unterstützen – zum Teufel, Mädchen, was hast du für Augen im Kopf! Die können ja ordentlich Blitze schießen!«

»Also Sie wollen dann Indien an Frankreich verraten?«

»Natürlich!« war die offene Antwort. »Wir französischen Offiziere sind über die Stärke der Indier, über ihre Stellungen und so weiter orientiert. Wir brauchen nur zu rufen, so wirft Frankreich seine Truppen ins Land. Anscheinend kämpfen wir anfangs gegen sie, in Wirklichkeit aber liefern wir ihnen alles in die Hände, und dann, Mädchen, dann werden wir eine große Rolle in der Weltgeschichte spielen, dann winken uns Belohnungen und Ehrenposten. Bist du denn schon einmal hier gewesen, Diavolina?«

»Ich? Nein, es ist heute das erste mal.«

»Warum blickst du immer dahinauf?«

»Es ist nur zufällig. Warum? Ist da etwas Besonderes?«

»Ja, dort ist nämlich das einzige Loch in der Mauer.«

»Man steht doch gar keins!«

»Der Teppich ist darüber, aber er ist dort ganz dünn, damit die Luft durchdringen kann.

Weil du immer hinaufblicktest, glaubte ich, du wärest hier schon bekannt.«

»Nein, ich sah nur, wie sich der Teppich etwas bewegte, das machte mich aufmerksam.«

»Es ist der Luftzug. Trink, schönes Weib! Nur noch zehn Minuten bis zwölf Uhr!«

»Sagen Sie, Monsieur, wie ist Ihr werter Name?«

»Ich habe schon verschiedene Namen geführt. Jetzt heiße ich Duplessis, und das ist mein richtiger.« »Also, Monsieur Duplessis, Sie erzählen mir diese geheimsten Pläne so ruhig, wie die Begum von Dschansi nur eine Puppe sein soll, wie Sie Indien dann an Frankreich verraten wollen und so fort. Fürchten Sie denn gar nicht, daß ich das alles verraten könnte?«

»Bah, du, eine Französin! Du mußt doch sowieso mit uns gleiche Sache machen!«

»So, muß ich? Wenn ich nun hinauseile und anzeige, daß morgen schon ein Aufstand losbrechen soll?«

»Eile nur hinaus, wenn du kannst!« lachte Duplessis. »Bis morgen bist du meine Gefangene, auf Gnade und Ungnade; doch ich will erstere walten lassen, wenn du zärtlich gegen mich bist. Noch vier Minuten! Umarme mich schon jetzt!«

»Noch vier Minuten, und ich will diese zu einer Frage ausnutzen: Sie sagten vorhin, ein gewisser Monsieur Francoeur sei der höchste der französischen Offiziere in indischen Diensten?«

»Wenigstens einer der ersten mit.«

»Auch er will Indien an Frankreich ausliefern?«

»Wahrscheinlich! Doch funkle mich nicht so mit deinen Augen an, Mädchen, das kann dir doch ganz gleichgültig sein.«

»Natürlich, es ist nur Neugier! Hat er es nicht gesagt?«

»Nein, er gibt sich für einen treuen Freund Indiens aus – aber, aber, Francoeur ist ein Fuchs, er läßt sich nicht in die Karten sehen!«

»Sie sprachen auch von seiner Geliebten. Wer ist das?«

»Eine gewisse Madame Phöbe Dubois, ein kokettes und verführerisches Weib, trotzdem sie nicht mehr ganz jung ist.«

»Seine Geliebte?« erklang es erstaunt.

»Natürlich, wenn er sie auch für seine Schwester ausgibt. Kennst du sie denn überhaupt?«

»So oberflächlich. Sie beide haben die Begum erzogen?«

»Ich glaube so, und eben deshalb tut Francoeur, als erstrebe er nichts weiter als nur die Freiheit Indiens, und läßt sich auch uns gegenüber nicht im mindesten anders aus. Wir müssen uns sogar hüten, daß er von unseren ferneren Plänen erfährt, er könnte kurzen Prozeß mit uns machen; aber daß er im Herzen ebenso denkt wie wir, davon bin ich völlig überzeugt!«

»Sie sind sehr leichtsinnig, daß Sie mir das alles so ausführlich erzählen.«

Diese Worte waren in einem ganz sonderbaren Tone, halb flüsternd, halb drohend gesprochen, doch Duplessis fiel es nicht auf. Er ergriff das Glas.

»Hoch lebe der Leichtsinn! Noch zwei Minuten, Mädchen, dann gehen wir ein in das Paradies der Liebe! Trink diesen Wein, er zeigt dir den Weg!«

Die Augen fest auf jenen Punkt der Wand gerichtet, wo sich das Ventilationsloch befinden sollte, die rechte Hand auf Duplessis Schulter gelegt, nahm das Mädchen das Glas und wollte es an die Lippen führen.

Da ertönte ein heftiges Klingeln, einmal, zweimal. Alle erschraken und sahen sich an, der Dicke kam halbangekleidet aus dem Boudoir gestürzt.

»Wer mag das sein?« flüsterte es.

Noch einmal ein heftiges Klingeln, die kleine Versenkung sauste von selbst hinab, sie hob sich wieder, und im nächsten Augenblick stand ein bärtiger Mann mit verstörten Gesichtszügen in dem Saal.

»Francoeur!« erklang es wie erleichtert von allen Seiten.

»Wo ist Madame Chevaulet?« rief dieser.

»Hier, hier! Was gibt es denn?«

»Ist hier etwas Besonderes vorgefallen?«

»Nicht das geringste!«

»Ihr Haus ist umzingelt; bewaffnete Indier halten es förmlich belagert.«

»Was? Ich weiß nicht, warum. Ließ man Sie denn passieren?«

»Ja, und das ist eben das Merkwürdigste. Sollte uns etwa durch Verrat eine Falle gestellt worden sein?« »Ohne Sorge, es droht Ihnen keine Gefahr!« sagte da das fremde Mädchen und trat in den Kreis. »Es sind meine Leute, die meines Rufes harren.«

Francoeur hatte nur einen Blick auf das Mädchen geworfen, dann war er, wie von einer Natter gebissen, bis an die Wand zurückgetaumelt und mußte sich an einer Stuhllehne festhalten. Seine Augen drängten sich aus den Höhlen.

»Was – was – du –- du hier – in dieser – Höhle?« stammelte er entsetzt hervor.

Schnell trat das Mädchen noch mehr in den Kreis der Umstehenden, die es jetzt halb erstaunt, halb furchtsam betrachteten, und sagte lächelnd: »Verzeihung, meine Herren, wenn ich Sie vorhin über meine Person getäuscht habe. Ich bin keine Kellnerin, was Sie mir übrigens hätten ansehen können. Ich bin eine Französin und bekleide in der Verschwörung gegen England selbst einen wichtigen, hervorragenden Posten.

Im übrigen habe ich dieselben Ansichten und Pläne wie Sie, Verrat Ihrer geheimsten Absichten brauchen Sie also nicht zu fürchten. Nun, Monsieur Francoeur, mein treuer Verbündeter, was bringen Sie uns für eine Nachricht? Gut oder schlimm?«

Während dieser Worte hatte das Mädchen ihren durchdringenden Blick unabgewendet auf Francoeur ruhen lassen, der sich wie gebrochen und mit entsetztem Gesicht an der Stuhllehne festklammerte; aber als ob dieser Blick magnetisch gewesen wäre, so richtete der Mann sich Ruck für Ruck wieder auf, und als das Mädchen die direkte Frage an ihn richtete, hatte er sich wieder vollkommen gesammelt.

»Schlimm, sehr schlimm!« entgegnete er. »Die Briefe, welche die bengalischen Sachen behandeln, sind uns entgangen.«

Auch unter den Herren rief dies Bestürzung hervor, nur das Mädchen blieb ruhig.

»Wie kam das? Ich glaubte, Sie hätten den Faden so fein eingefädelt? Sie zweifelten nicht im geringsten an dem Gelingen Ihres Planes.«

»Er ist aber nicht gelungen. Beim Überfall auf die Ordonnanz brach plötzlich hinter den Leuten ein alter Mann, den ich sogar kenne, hervor, gut bewaffnet, und es gelang ihm, die Angreifer, alle vier, auf der Stelle niederzumachen. Das Seltsamste ist, daß er sich da versteckt gehalten haben muß, wo die gedungenen Mörder lagen.«

Das Mädchen runzelte die Stirn.

»Allerdings sehr seltsam! Und die Leute? Leben sie noch? Erzählen Sie!«

»Der Mann war ein alter Lancierkorporal und hatte scharf geschossen und gehauen; alle vier haben augenblicklich ihr Leben aufgegeben, wie ich auf dem Wege nach hier erfuhr.«

»Wohlan, so müssen wir uns vorläufig ohne Bengalen behelfen, aber es wird uns hoffentlich nicht im Stiche lassen. Meine Herren,« die Stimme des Mädchens nahm einen befehlenden Ton an, »brechen Sie Ihr Fest ab! Es gibt Arbeit für Sie, nehmen Sie Ihre vom Wein schwankend gemachte Besinnung zusammen. Morgen beginnt das schwere Werk; es gibt noch Vorbereitungen. Monsieur Francoeur, erteilen Sie die Befehle. Madame Chevaulet, ermöglichen Sie uns den Ausgang.«

Francoeur sprach schnell und hastig mit einigen der von diesen Befehlen des Mädchens ganz betroffenen Herren, anderen gab er Papiere, während das Mädchen an das Tischchen ging und mit einem Zug den Wein ausleerte, der ihr vorhin von Duplessis präsentiert und mit dem Namen Diavolina bezeichnet worden war. Sie wußte nicht, welch höllischen Stoff das Glas enthielt.

»Was ist das für ein Weib?« flüsterte ein Herr Duplessis zu.

»Die Geliebte von Francoeur, denke ich.«

»Madame Dubois? Nein, die kenne ich, die ist es nicht. Aber wer mag es sein? Jedenfalls eine, die eine wichtige Rolle spielt – und sie hat die Diavolina getrunken, die Wirkung möchte ich noch sehen, am liebsten an mir selbst probieren.«

»Auf den Tisch, meine Herren!« rief die Chevaulet. »Es ist alles bereit.«

Der Tisch senkte sich, bis die Platte mit dem Fußboden in gleicher Höhe war.

Das fremde Mädchen trat noch einmal aus Duplessis zu. »Und Sie, mein Herr,« sagte sie lächelnd, aber es war ein wildes, höhnisches Lächeln, das dem reizenden Gesicht gar nicht stand, »Sie muß ich noch um Entschuldigung bitten, daß ich mein Wort breche. Es tut mir selbst sehr leid.«

»Pardon, ich hatte Sie verkannt!« murmelte Duplessis.

»Aber seien Sie versichert,« fuhr sie fort, »ich werde Ihnen noch ein Rendezvous gewähren! Verlassen Sie sich darauf, Sie sollen eins haben. Es liegt mir selbst sehr viel daran.«

»Darf ich Sie jetzt begleiten?«

»Nein, meine Leute erwarten mich. Erinnern Sie sich nur meiner Worte: ich werde Ihnen noch ein Rendezvous gewähren. Und dann vergessen Sie die Begum von Dschansi nicht!«

»O, Mademoiselle, ich denke nicht mehr an sie, seitdem ich Sie gesehen habe.«

»Aber ich möchte, daß Sie die Wette gewinnen.«

»Wie, Sie wünschten es?«

»Allerdings! Oder sinkt Ihnen jetzt, da Sie nüchtern werden, der Mut, mit der zukünftigen Königin von Indien anzubinden?«

»Nicht im geringsten. Wenn Sie wünschen, daß ich einen Triumph feiern soll, so werde ich Ihnen Gelegenheit geben, ihm beizuwohnen. Sie werden sehen, daß die Begum in vier Wochen besiegt zu meinen Füßen liegt und um meine Liebe bettelt.«

»Gut, wir werden sehen! Ich bin gespannt.«

Man trat auf den Tisch, der Hebel wurde von der Wirtin in Bewegung gesetzt.

»Wie ihre Augen schon lüstern funkeln!« dachte Duplessis, während er in die Tiefe fuhr.

»Die Diavolina beginnt bereits ihre Wirkung. Schade, daß ich nicht bei ihr bleiben kann! Nun, so ist eben ein anderer als ich der Glückliche. Aber wer mag es nur sein?«


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