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Dieses Gedicht stand zuerst in Becker's Taschenbuch für 1812 mit einigen abweichenden Lesarten, die durch die spätere Redaktion des Vaters unseres Dichters manche wesentliche Verbesserung erhalten haben
(Eine alte Volkssage erzählt die kühne That jenes Ritters, und noch heut zeigt man bei Lichtewalde im sächsischen Erzgebirge die Stelle, die man den Harrassprung nennt. Am Ufer steht jetzt zwischen zwei alten ehrwürdige Eichen, der steilen Felswand gegenüber, ein Denkmal mit der Inschrift: »Ritter Harras der kühne Springer.«)
Noch harrte im heimlichen Dämmerlicht
Die Welt dem Morgen entgegen,
Noch erwachte die Erde vom Schlummer nicht,
Da begann sich's im Thale zu regen.
Und es klingt herauf wie Stimmengewirr,
Wie flüchtiger Hufschlag und Waffengeklirr,
Und tief aus dem Wald zum Gefechte
Sprengt ein Fähnlein gewappneter Knechte.
Und vorbei mit wildem Ruf fliegt der Troß,
Wie Brausen des Sturms und Gewitter,
Und voran auf feurigschnaubendem Roß
Der Harras, der muthige Ritter.
Sie jagen, als gält' es dem Kampf um die Welt,
Auf heimlichen Wegen durch Flur und Feld,
Den Gegner noch heut zu erreichen
Und die feindliche Burg zu besteigen.
So stürmen sie fort in des Waldes Nacht
Durch den fröhlich aufglühenden Morgen;
Doch mit ihm ist auch das Verderben erwacht,
Es lauert nicht länger verborgen:
Denn plötzlich bricht aus dem Hinterhalt
Der Feind mit doppelt stärker Gewalt,
Das Hifthorn ruft furchtbar zum Streite,
Und die Schwerter entfliegen der Scheide.
Wie der Wald dumpf donnernd wiederklingt
Von ihren gewaltigen Streichen!
Die Schwerter klirren, der Helmbusch winkt,
Und die schnaubenden Rosse steigen.
Aus tausend Wunden strömt schon das Blut –
Sie achten's nicht in des Kampfes Gluth,
Und Keiner will sich ergeben;
Denn Freiheit gilt's oder Leben.
Doch dem Häuflein des Ritters wankt endlich die Kraft,
Der Uebermacht muß es erliegen,
Das Schwert hat die Meisten hinweggerafft;
Die Feinde, die mächtigen, siegen.
Unbezwingbar nur, eine Felsenburg,
Kämpft Harras noch und schlägt sich durch,
Und sein Roß trägt den muthigen Streiter
Durch die Schwerter der feindlichen Reiter.
Und er jagt zurück durch des Waldes Nacht,
Jagt irrend durch Flur und Gehege;
Denn flüchtig hat er des Weges nicht Acht,
Er verfehlt die kundigen Stege.
Da hört er die Feinde hinter sich drein,
Schnell lenkt er tief in den Forst hinein,
Und zwischen den Zweigen wird's helle,
Und er sprengt zu der lichteren Stelle.
Da hält er auf steiler Felsenwand,
Hört unten die Wogen brausen.
Er steht an des Zschopauthals schwindelndem Rand
Und blickt hinunter mit Grausen.
Aber drüben auf waldigen Bergeshöhn
Sieht er seine schimmernde Feste stehn;
Sie blickt ihm freundlich entgegen,
Und sein Herz pocht in lauteren Schlägen.
Ihm ist's, als ob's ihn hinüberrief',
Doch fehlen ihm Schwingen und Flügel,
Und der Abgrund, wol fünfzig Klaftern tief,
Schreckt das Roß, es schäumt in die Zügel;
Und mit Schaudern denkt er's und blickt hinab,
Und vor sich und hinter sich sieht er sein Grab;
Er hört, wie von allen Seiten
Ihn die feindlichen Schaaren umreiten.
Noch sinnt er, ob Tod aus Feindes Hand,
Ob Tod in den Wogen er wähle.
Dann sprengt er vor an die Felsenwand
Und befiehlt dem Herrn seine Seele;
Und näher schon hört er der Feinde Troß –
Aber scheu vor dem Abgrund bäumt sich das Roß;
Doch er spornt's, daß die Fersen bluten,
Und er setzt hinab in die Fluthen.
Und der kühne, gräßliche Sprung gelingt,
Ihn beschützen höhre Gewalten;
Wenn auch das Roß zerschmettert versinkt,
Der Ritter ist wohl erhalten;
Und er theilt die Wogen mit kräftiger Hand,
Und die Seinen stehn an des Ufers Rand
Und begrüßen freudig den Schwimmer. –
Gott verläßt den Muthigen nimmer.