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Phantasie

Was schwelgt im Jubellied der Saiten?
Was überfliegt vergangne Zeiten
      Im Wechselsturm der Harmonie? –
Der Nachklang aus verwelkten Tagen,
Die uns ins bessre Land getragen,
      Heißt Phantasie!

Und was der Dichter still gegeben,
Wer zauberte sein Lied ins Leben?
      Wer schenkt den Worten Melodie?
Das nie Belebte wie das Todte,
Es athmet doch im Morgenrothe
      Der Phantasie.

Wo sich die Muse Tempel baute,
Ist sie die einzige Vertraute,
      Verlischt die heil'ge Flamme nie.
Es herrscht im Schmerz von Melpomenen
Wie in Thaliens heitern Tönen
      Nur Phantasie.

Was wär' der Jugend Frühlingsfülle,
Was wär des Herbstes reife Stille,
       Was Kunst und Leben ohne sie?
Hoch in des Glaubens Lichtgestalten,
Und wo der Liebe Zauber walten,
      Blüht Phantasie.

Am Schönsten reist das Kind der Musen
In edler Frauen edlem Busen,
      Im Sonnenstrahl der Poesie.
Der Frauen zartbesaitet Leben,
Ihr Lieben, Glauben, Hoffen, Streben
      Ist Phantasie. –

Und Deine Lippe dürft' es sagen:
Dich hätte nie ihr Flug getragen,
      Ihr Zaubergeist ergriff Dich nie?
Kann sich der Mai vom Frühling trennen?
Dein Liebling will Dich nicht erkennen:
      O weine, Phantasie!

Der Augen seelenvolle Klarheit,
Der Worte frühlingsheitre Wahrheit,
      Des ganzen Wesens Harmonie,
Das Seraphslied in Deinen Tönen, –
Wo fehlt' in diesem Kreis des Schönen
      Je Phantasie? –

Und steh' ich Dir so gegenüber,
Mit Liebesfülle weht's herüber,
      Und jedes Wort wird Melodie,
Und in des Lebens finstre Schranke
Tritt wunderhell der Traumgedanke
      Der Phantasie.


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